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Full text of "Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judenthums"

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Monatsschrift 


für 


Geschichte  und  Wissenschaft 


des 


Judentkms. 


Unter  Mitwirkung  mehrerer  Gelehrten 

herausgegeben  vom 

Oberrabbiner  Dr.  Z.  Frankel, 

Pirector  des  jüdisch-theologischen  Seminars  zn  Breslau. 


Siebenzehnter  Jahrgang. 

1868. 


Breslau. 

Verlag  der  Schletter'schen   Buchhandlung 


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Aphorismen 

vom  Herausgeber. 

„Gehest  du  durch  Gewässer,  ich  bin  mit  dir,  und  durch 
Ströme,  sie  reissen  dich  nicht  weg;  du  gehest  durch  Feuer 
und  wirst  nicht  versehrt  und  durch  Flammen  und  sie  ver- 
zehren dich  nicht'4.  (Jes.  43,  2.)  Diese  Worte  des  gottbe- 
geisterten Propheten,  sie  bilden  Devise  und  Inhalt  der 
langtausendjährigen  Leidensgeschichte  des  jüdischen  Vol- 
kes; es  sprechen  die  Erfahrungen  undenklicher  Zeiten, 
Israel  musste  gehen  durch  wilde  Gewässer  und  reissende 
Strörne5  durch  fressendes  Feuer  und  tobende  Flammen, 
und  doch  wurde  es  nicht  weggeschwemmt  und  nicht  auf- 
gezehrt; und  unsere  Zeit  fügt  hinzu,  es  ist  ihm  vorbe- 
halten, in  neuer  Kraft  und  neuer  Lebensfülle  zu  erstehen. 
Dess  wollen  wir  denn  auch  froh  sein ;  und  wie  der  jugend- 
liche Mensch  heiter  das  Leben  auffasst  und  sich  von  dem 
Trüben  in  ihm  mit  leichtem  Sinne  abwendet,  so  soll  man- 
cher, noch  die  Klarheit  des  politischen  Horizonts  trübende 
„schwarze  Punkt"  unserm  durch  die  Erfüllung  jener  pro- 
phetischen Worte  und  der  sie  begleitenden  ferneren  Ver- 
heissung:  „denn  ich  der  Ewige  dein  Gott,  ich  der  Heilige 
Israels  bin  dein  Helfer"  (das.  3.),  gehobenen  Bewusstsein 
nicht  Eintrag  thun.  Wie  laut  spricht  von  dieser  Erfüllung 
das  vergangene  Jahr !  Es  war  ein  Jahr  der  Befreiung,  der 
Erlösang  von  den  Ketten,  die  Reaction  und  verfinsternder 
Geist  von  Neuem  fü*  Confessionen  und  Völker  schmieden  : 

Frank  el,  Monatsschrift.  XVII.  1.  1 


4  Aphorismen. 

man  war  daran,  den  alten  feudalen  Bau,  an  dem  das  Jahr 
1848  mächtig  gerüttelt,  wieder  herzustellen  und  ihm  neue 
Grundlagen  zu  geben,  deren  eine  die  Wiederherstellung 
des  kaum  gesühnten  Unrechts  gegen  die  Juden  und  als 
welche  trefflliche  Baumeister  bewährten  sich  die  Bach, 
Thun,  Raumer,  Westphalen  und  Genossen! 

Ein  gewaltiges,  welterschütterndes  Ereigniss  hat  der 
Geschichte,  hat  der  gesammten  gebildeten  Mensch- 
heit eine  neue  Richtung  gegeben;  ein  Ereigniss,  in  dem 
Gottes  Hand  unverkennbar,  hat  dem  Vorhaben  der  fin- 
steren Mächte  Einhalt  gethan  und  muthig  erheben  sich 
die  Vorkämpfer  des  Rechts  und  siehet  die  dem  Menschen 
als  gottesähnlichem  Wesen  zukommende  Freiheit  sieges- 
gewiss  ihrer  vollständigen  Anerkennung  entgegen.  Lasst 
einen  heidnischen  Dichter  sagen:  „Was  die  Könige  feh- 
len, büssen  die  Völker  (Achiver.)"  wir  nehmen,  das  Auge 
auf  eine  höhere  Weltwaltung  gerichtet,  ganz  Anderes 
wahr.  Die  Fehltritte,  die  Könige  begehen,  wandeln  sich 
um  in  Wohl  der  Völker.  Die  Schlacht  bei  Sadowa,  durch 
die  verschlungenen  Gänge  der  Politik  wachgerufen,  sie  ist 
bezeichnet  mit  Strömen  Menschenblutes,  aber  zugleich  mit 
dem  Zusammensturze  eines,  durch  Jahrhunderte  Völkern 
verderbenbringenden  Systems;  dem  blutgedüngten  Boden 
entspross  Leben,  aus  ihm  ein  neues,  in  der  Erkenntniss, 
dass  der  Wille  der  Völker  einen  wesentlichen  Factor  in 
der  Regierung  der  Staaten  bilde,  sich  verjüngendes  0  ester- 
reich. Und  schon  reifen  die  Früchte:  die  letzten  Tage 
des  verflossenen  Jahres  brachten  die  Veröffentlichung 
der  Grundrechte,  welche  Gewährleistung  voller  Glaubens- 
freiheit, Unabhängigkeit  der  bürgerlichen  und  politischen 
Rechte  vom  Glaubensbekenntnisse,  Freiheit  der  Wissen- 
schaft und  ihrer  Lehren  und  andere  im  Geiste  echten 
Con8titutionalismus  erfasste  Gesetze  verheissen.  So  ist  der 
Jude  durch  Wogen  und  Flammen  zur  Freiheit  gelangt,  die,  wie 
den  vielen  Völkern  Oesterreichs,  nun  auch  ihm  aufgehet. 
Und  ist  doch  ihre  Verwirklichung  am  Juden  ein  Gewährs- 
brief für  die  gesammten  Bewohner  des  jeweiligen  Staates, 
sowie  durch  die  lange  Zeit,  in  der  sie  dem  Juden  ent- 
zogen war,  die  Völker  mehr  oder  minder  mit  ihm  unter 


Aphorismen.  5 

den  schweren  Fesseln  des  Feudalismus  und  der  sich  über 
ihren  Köpfen  erhebenden  Kasten  keuchten.  Welche  Ver- 
blendung! Der  grosse  Haufe  jauchzte  den  Ketten  zu,  die 
den  Juden  geschmiedet  wurden  und  erkannte  nicht,  dass  mit 
jedem  neuen  Ringe  er  sich  selbst  einschnitt,  jeder  dem 
Juden  auferlegte  Druck  die  Handhabe  war  für  den  Druck 
seines  Nackens  durch  Leibeigenschaft  und  Frohnden.  Der 
Tag,  wo  wie  milder  Thau  des  Himmels  Freiheit  sich  auf 
das  Haupt  des  Juden  herablässt,  ist  der  Tag  der  Aufer- 
stehung für  alle  Völker;  und  als  Israel  durch  Wogen 
und  Flammen  ging,  blieben  auch  die  Völker  nicht  un- 
versehrt. 

Preussens  Politik  hat  im  vorigen  Jahre  einen  gros- 
sen Sieg  davongetragen;  ob  sie  auf  Recht  und  Wahrheit 
basirte,  hierüber  ein  Urtheil  abzugeben  ist  nicht  Sache  des 
nicht  im  Diplomatenareopag  sitzenden  Laien,  aber  wie  sie 
immer  gewesen,  die  Völker  haben  sie  nicht  gebüsst.  Viele 
tapfere  Söhne  Preussens  sind  gefallen,  aber  sie  haben  mit 
ihrem  Blute  eine  grosse  Errungenschaft  besiegelt;  nicht 
dieErweiterungdes Ländergebietes  —  in  Umfang  und  Grösse 
ist  keineswegs  die  Wohlfahrt  des  Staates  begründet  —  aber 
es  schwinden  mehr  und  mehr  die  Versuche,  die  Freiheit 
anzutasten ;  der  opferwillige  Tod  so  Vieler  für  das  Vater- 
land reisst  unwiderstehlich  die  Scheidewand  nieder,  die 
eine  in  den  Anschauungen  früherer  Jahrhunderte  wur- 
zelnde Partei  wieder  aufzuführen  versucht.  Noch  bleibt 
Manches  zu  erkämpfen,  die  Wissenschaft  ist  noch  nicht  frei, 
man  verklausulirt  sich  noch  nach  Kräften  gegen  Anstellung 
eines  Juden  an  Gymnasien  und  Schulen,  und  diese  Pra- 
xis wird  auch  in  die  neu  annectirten  Länder  hinüberge- 
tragen: in  Wiesbaden  wurde  dieser  Tage  das  Gesuch 
eines  Juden  um  Anstellung  als  Lehrer  der  Naturwissen- 
schaften an  einem  dortigen  Gymnasium  zurückgewiesen. 
Es  bleibt  noch  zu  erkämpfen,  um  die  verheissene  völlige 
Gleichstellung  ohne  Unterschied  der  Confession  zur  Wahr- 
heit zu  machen :  in  Preussen  wird  kein  Jude  zum  Richter- 
amt zugelassen.  Doch  wie  der  kräftige  Körper  die  hete- 
rogenen, seine  Entwickelung  hindernden  Bestandtheile 
abstösst,  so  weiset  das   sich   stets  mehr    entfaltende    Be- 


6  Aphorismen. 

wusstsein,  dass  der  Staat  nur  in  der  ohne  jede  „  Inter- 
pretationa  gehandhabten  Ausführung  seiner  Grundgesetze 
seine  eigentliche  Basis  habe,  die  Kunstdeutler  zurück, 
die  das  Gedeihen  der  Freiheit  verhindern  wollten,  und 
will  das  hohe  Wächteramt  über  Gesetze  und  Recht  nur 
Männern  anvertraut  wissen,  die,  von  Recht  und  Wahrheit 
durchdrungen,  Interpretation  und  Deuteleien  mit  tiefem 
Unwillen  entgegentreten.  Und  hat  das  regenerirte  Oester- 
reich  den  Aufschwung  genommen,  einen  Juden  in  das 
zu  bildende  parlamentarische  Ministerium  berufen  zu 
wollen  —  Winterstein,  von  dem  als  Minister  des  Handels 
vielfach  die  Rede  war,  ist  jüdischer  Confession  —  so  wird 
doch  wohl  Preussen,  das  nun  die  Geschicke  des  gebil- 
deten Deutschland  leitet,  nicht  in  solcher  Ausschliessung 
fortfahren.  Preussen,  das  Oesterreich  nicht  in  Deutschland 
wegen  des  störenden  Dualismus  dulden  wollte,  kann  es  den 
Dualismus  in  seinem  Innern  zwischen  den  Rechten  des  Bür- 
gers und  Bürgers  noch  ferner  pflegen?  Den  Juden,  der  durch 
Wogen  und  Flammen  gegangen,  verletzen  derartige  Be- 
einträchtigungen weniger  als  den  Staat  selbst  und  darum 
wird  der  Freiheitsdrang  sie  abstossen.  Hat  er  doch  so 
viele  Auswüchse  seit  der  kurzen  Zeit  jener  Reiche  er- 
schütternden Schlacht  ausgerodet! 

Es  ist  die  Grenzscheide  zwischen  Land  und  Land,  Stadt 
und  Stadt  gefallen:  der  Norddeutsche  hat  im  ganzen  Ge- 
biete des  norddeutschen  Bundes  eine  Heimath,  eine  Saat, 
die  aus  jenem,  auch  mit  dem  Blute  jüdischer  Kämpfer 
getränkten  Boden  aufging.  Hatte  doch  selbst  Sachsen, 
das  lange  mit  einer  Constitution  Preussen  vorausgeeilt 
war,  es  bis  auf  die  neueste  Zeit  nicht  über  sich  vermocht, 
dem  nichtsächsischen  Deutschen  unbedingt  eine  heimath- 
liehe  Stätte  zu  öffnen;  noch  im  Jahre  18t>3  wies  der  Stadt- 
rath  zu  Bautzen  das  Gesuch  eines  preussischen  Juden  um 
Niederlassung  zurück.  Und  Mecklenburg,  das  Treibhaus 
feudalistischen  Uebermuthes  und  Willkür,  welche  Abson- 
derung waltete  daselbst  zwischenRitter  und  Bauer,  Bürger  und 
Juden,  mit  welcher  Sorgfalt  wurden  die  alten  Schranken  auf- 
recht erhalten  und  Bauer  und  Jude  mit  übermttthigem 
Fusse  getreten!  Da  fing  nach  alten  verbrieften  Urkunden, 


Aphorismen.  7 

«n  denen  bis  auf  unsere  Tage  festgehalten  wurde,  das 
Recht  des  Menschen  beim  Adel  und  beziehungsweise  beim 
Bürger  an  und  kaum  Jahrhunderte  hätten  diese  Vorrechte 
zu  vernichten  vermocht.  Der  norddeutsche  Reichstag  hat 
begonnen,  diesem  Deutschlands  Ehre  verunglimpfenden 
Zustande  ein  Ziel  zu  setzen:  er  hat  die  Freizügigkeit  er- 
klärt, und  es  kann  nicht  mehr  von  dem  über  Nacht  in  Wei- 
mar, Rostock  und  anderen  Städten  Mecklenburgs  weilenden 
Juden  ein  Kopfgeld  verlangt  werden;  dass  auch  die 
anderen  Schranken  fallen  werden  verbürgt  die  zu  neuem 
Leben  erwachte  Freiheit. 

Wie  Kasten-  und  Ständewirthschaffc  auf  den  Juden 
drückten,  hiervon  gibt  neben  Mecklenburg  Holstein  ein 
Zeugniss.  Diese  Blätter  haben  mehrfach  berichtet  von 
den  Verhandlungen  der  holsteinischen  Ständeversammlung 
und  wie  die  Scheel-Plessen ,  Reventlow  u.  A.  den  wohl- 
wollenden Absichten  des  Königs  von  Dänemark  entgegen- 
traten ;  und  noch  eindringlicher  sprechen  folgende  schlichte 
Worte  der  jüdischen  Gemeinde  zu  Kiel,  die  in  einem  Rund- 
schreiben zu  Beiträgen  zum  Aufbau  einer  Synagoge  auf- 
fordert: „Wie  es  sämmtlichen  Gemeinden  bekannt  ist, 
existirte  die  Kieler  israelitische  Gemeinde  bisher  in  Ar- 
muth  und  (war)  lange  Jahre  allen  erdenklichen  Bedrüc- 
kungen ausgesetzt  ......  Die  Schranken,  durch  die  ver- 
schiedenen Regierungen  gesetzt,  sind  nunmehr  gefallen, 
doch  ist  uns  nichts  geblieben  als  Armuth!u  —  Der  deutsche 
Jude  hat  eine  dornenvolle  Bahn  durschritten:  Deutschland 
hat  Freiheit  erlangt  und  die  Dornbahn  des  Juden  ist  be- 
endet. 

Ein  Tag  bildet  mitunter  durch  eine  grosse  sich  in  ihm 
vollendende  Thatsache  die  Grenzscheide  zwischen  einer 
in  ihm  sich  abwickelnden  und  einer  neu  entstehenden 
Geschichtsperiode;  ein  Tag  bringt  zuweilen  durch  einen 
grossen  VorgangEntscheidung  über  die  Geschicke  auch  nicht 
an  diesem  Vorgange  mitwirkender,  sondern  ihm  fern- 
stehender Völker.  Die  Schlacht  bei  Sadowa  ist  epoche- 
machend auch  in  der  Geschichte  Ungarns,  das  in  deren 
Folge  seine  Rechte  wieder  errungen  und  sich  nun  an- 
schickt,   den  Begriff  Freiheit    nach    seinem    eigentlichen 


8  Aphorismen. 

Inhalt  aufzufassen.  Der  Ungar  war  nie  von  Fanatismus 
und  Glaubenshass  beherrscht,  in  seinem  Lande  ging  der 
Jude  nicht  durch  Wogen  und  Flammen ;  aber  es  lebte  in 
ihm  ein  Nationalstolz,  der  ihn  mit  Geringschätzung  auf 
den,  der  nicht  seines  Stammes,  herabsehen  liess,  und  wie 
in  früherer  Zeit  und  dem  heutigen  Mecklenburg  der 
Mensch  erst  mit  dem  Ritter  und  dem  Bürger  begann,  so 
begann  dem  Magyaren  die  Menschheit  erst  mit  dem  Ma- 
gyarenthum.  Die  Nationalität  der  Ungarn  war  in  den 
letzten  Jahren  bedroht;  sie  machten  die  grösste  Anstren- 
gung, ihre  nationale  Freiheit  zu  behaupten,  Europa  blickte 
mit  Spannung  auf  diesen  Kampf,  nahm  aber  mit  Bedauern 
wahr,  dass  er  nicht  der  Freiheit  sondern  ausschliesslich 
der  Nationalität  galt:  die  ungarischen  Kammern  gingen 
über  die  sogenannte  Emancipation  der  Juden  gewöhnlich 
zur  Tagesordnung  über.  Ungarn  hat  nun  seinen  lang- 
jährigen Kampf  mit  Erfolg  ausgefochten  und  es  hat  in 
ihm,  auch  Freiheit  errungen :  das  Ministerium  legte  in  den 
letzten  Monaten  den  Kammern  einen  Gesetzentwurf  über 
die  völlige  Gleichstellung  der  Juden  vor,  das  Unterhaus 
nahm  ihn  einstimmig,  das  Haus  der  Magnaten  mit  an 
Einstimmigkeit  grenzender  Majorität  (sechszig  gegen  vier 
Stimmen)  an. 

Mancher  verstimmende  Misston  tönt  aus  den  Donau- 
fürfltenthümern  jmd  aus  Serbien  herüber.  Ueber  die  Vor- 
gänge in  Serbien  berichteten  die  in  diesen  Blättern  aus- 
führlich mitgetheilten  Aktenstücke,  die  zugleich  das  Tröst- 
liche brachten,  die  Erkenntniss,  die  Sache  der  Juden  sei 
nicht  ausschliesslich  die  seinige  allein,  sondern  die  der 
Menschheit,  verbreite  sich  immer  mehr  und  es  müsse  im 
Namen  der  Humanität  für  dieselbe  eingetreten  werden. 
Namentlich  hat  die  Grossbritanische  Regierung  diese  Er- 
kenntniss an  den  Tag  gelegt  und  ihrer  energischen  Ver- 
wendung ist  es  wohl  zu  verdanken,  dass  seit  einiger  Zeit 
die  düsteren  Klagen  aus  Serbien  schweigen.  Um  desto 
ergreifender  hallen  sie  aus  Rumänien  wieder:  dort  scheint 
der  Fanatismus  des  Mittelalters,  gepaart  mit  der  es  kenn- 
zeichnenden Rohheit,  wieder  zu  erwachen.  Wird  doch 
dieser  Fanatismus  absichtlich  von  einer  Partei  aufgestachelt! 


Aphorismen.  9 

Der  Rumäne  ist,  wie  glaubwürdig  berichtet  wird,  voll- 
ständig verkommen:  der  Serbe  stehet  wohl  auch  auf 
einer  sehr  niederen  Stufe  der  Civilisation  und  es  liegt  sein 
Eintritt  in  die  Reihe  der  gebildeten  Völker  um  so  mehr 
in  weiter  Ferne,  als  der  ihn  kennzeichnende  tückische 
Charakter  einen  Seelenadel,  diese  Grundbedingung  wahrer 
Bildung,  nicht  aufkommen  lässt;  doch  ist  ihm  eine 
gewisse  Frische  nicht  abzusprechen,  er  behauptete  ein- 
geschlossen in  seinen  Bergen  lange  seine  Unabhängigkeit 
und  es  reichen  noch  Erinnerungen  an  ihn  heran,  die  ihn 
mit  stolzem  Nationalgefühle  erfüllen.  Der  Rumäne  ge- 
hört zu  den  abgelebten  Völkern,  noch  hat  er  in  der 
Staatengeschichte  ein  Denkmal  sich  nicht  gesetzt .  und 
schon  hat  er  sich  überlebt,  ist  ein  stumpfsinniger,  kraft- 
loser Greis :  von  der  einen  Seite  Bojaren,  die  des  Landes 
Mark  aussaugen,  um  es  in  zügellosem  Luxus  zu  vergeuden, 
von  der  anderen  in  den  tiefsten  physischen  und  mora- 
lischen Sumpf  versunkene  Leibeigene,  so  zeigte  es  Ru- 
mänien bis  auf  die  jüngste  Zeit;  welcher  Sinn  für  Freiheit 
ist  in  einem  solchen  Volke  zu  suchen?  Doch  die  Bra- 
tiano  und  Genossen,  verzehrt  von  brennender  Begier  nach 
hohen  Stellen,  wissen  die  unteren  Schichten  für  Frei- 
heit, wie  sie  vom  grossen  Haufen  verstanden,  zu  entflammen, 
sie  versprechen  ihnen  den  Besitz  der  Wohlhabenden 
und  gewinnen  die  Gunst  des  Pöbels,  der  in  ihnen  wahr- 
hafte Volksfreunde  erblickt;  und  gegen  wen  wird  zuerst 
aufgewiegelt?  Gegen  die  Juden-!  Der  Name  Bratiano  ist 
zu  geringwiegend,  als  dass  die  Geschichte  ihn  brand- 
marken sollte;  sie  wird  nur  mit  Bedauern  erzählen,  dass 
unter  der  Regierung  eines  deutschen  Fürstensohnes  ein 
rumänischer  Minister  durch  Gesetz  die  Volksleiden- 
schaften gegen  die  Juden  aufstachelte,  ein  Prinz  aus  dem 
Hohenzollern'schen  Hause  trotz  der  wohlwollendsten  Ab- 
sichten solchem  menschen-  und  regierungsschänderischen 
Treiben  nicht  Einhalt  zu  thun  vermochte  und  vergebens  bei 
diesem  verkommenen  Volke  einen  Anhalt  für  seine  wohl- 
wollenden Absichten  suchte.  Einen  Lichtpunkt  bietet  das 
nun  vollendete  Jahr  in  dieser  grausen  Finsterniss.  Der 
hochbejahrte,  fast  an  der  äussersten  Grenze  des  mensch- 


10  Aphorismen. 

liehen  Lebens  stehende  Montefiore  begab  sich  nach 
Rumänien,  um  das  traurige  Schicksal  seiner  Glaubens- 
genossen zu  lindern;  doch  auch  an  diesen  Lichtstrahl 
knüpft  sich  nicht  das  „es  werde  Licht":  was  vermögen  die 
Bestrebungen  eines  Edlen  gegen  den  cocytischen  Sumpf 
niederer  Leidenschaften?  —  Es  darf  ohne  prophetischen 
Blick  die  Zeit  als  nicht  fern  bezeichnet  werden,  in  wel- 
cher Rumäniens  nebelhafte  Nationalität  sich  in  Nichts  auf- 
lösen wird:  und  der  Jude  hat  doch  so  viele  ihn  verfol- 
gende Völker  überlebt! 


„Die  Juden  sollen  erhalten  werden,  um  Zeugniss  für 
die  Kirche  abzulegen",  dieses  war  der  Wahlspruch  der 
Päpste:  sie  sollen  nicht  ganz  vernichtet  werden,  um 
durch  das  auf  sie  gehäufte  Elend  für  die  Wahrheit  der 
Kirche  zu  zeugen,  an  der  sie  sich  schwer  versündigt. 
Wirft  man  einen  Blick  auf  die  Vorgänge  der  neueren 
Zeit  und  zumeist  auf  die  des  letzten  Jahres,  so  drängt 
sich  der  Gedanke  auf,  die  Kirche  legt  Zeugniss  für 
die  Wahrheit  des  Judenthums  ab.  Dass  die  Juden  durch 
Flammen  und  reissende  Ströme  gehen  mussten,  dass  über 
sie  verhängt  wurde,  was  Menschen  gegen  Menschen  an 
Grausamkeit  und  Härte,  an  Zurücksetzung  und  Verach- 
tung, an  Ausstossung  und  Lieblosigkeit  je  zu  ersinnen 
vermochten,  es  war  das  Werk  der  Vertreter  der  Kirche, 
die  je  strenger  ihr  kirchlicher  Sinn,  desto  feindseliger 
ihre  Gesinnung  gegen  die  Juden.  Die  Behauptung,  „das 
Chrislenthum  sei  Grundlage  der  Veredelung  und  des  Fort- 
schritts der  menschlichen  Gesellschaft " ,  ist,  wenn  wie  mit 
Recht  die  Vertreter  einer  Religion  als  deren  Ausdruck  zu  be- 
trachten sind,  vielfach  anzufechten.  Sagt  doch  die  Ge- 
schichte, dass  die  Veredelung  und  der  Fortschritt  der  neu- 
eren Gesellschaft  erst  seit  dem- Wiedererwachen  der  Wis- 
senschaften datiren;  spricht  doch  laut  das  ganze  Mittelalter, 
in  welchem  die  Kirche  herrschte  und  es  ausschliesslich 
beherrschte,  dass  sie  zur  Milderung  der  Rohheit  und  zur 
Vermenschlichung  ihrer  Anhänger  wenig  beigetragen, 
durch  sie  die  Menschheit  keine  Fortschritte  zur  Selbst- 


Aphorismen.  1 1 

veredeluug  gemacht  1  Und  bleiben  wir  bei  der  Gegen- 
wart stehen,  so  genügt,  auf  das  Land  hinzuweisen,  auf 
das  sich  gegenwärtig  so  viele  Blicke  richten,  auf  Abys- 
sinien.  Lejean,  der  französische  Consul  daselbst,  nennt 
in  der  R6vue  des  deux  Mondes  Abyssinieu  die  Oase  des 
Christenthums  in  Afrika,  da  es  in  diesem  Welttheile  das 
einzige  Reich,  in  welchem  das  Christenthum  sich  aus 
alter  Zeit  erhalten;  und  liat  es  zur  Veredelung  seiner  Be- 
wohner beigetragen?  Hier  hat  die  Wissenschaft  keinen 
Einfluss  geübt  und  war  hier  das  Feld  für  die  ausschliess- 
liche Entfaltung  der  Wirksamkeit  der  Kirche;  hören  wir  nun 
die  Berichte  Stüpel's,  Heuglin's  und  anderer  Reisenden  über 
die  Verworfenheit  und  grenzenlose  moralische  Versunkenheit 
der  Bewohner  dieses  Reiches,  auf  die  die  Kirche  keine  andere 
Einwirkung  hervorgebracht  zu  haben  scheint,  als  sie  mit 
düsterem  Fanatismus  und  Unduldsamkeit  zu  erfüllen. 
Doch  eine  Jahresschau  will  nicht  polemisiren  und  wir 
kehren  zu  dem  uns  Naheliegenden  zurück.  Der  Jude 
wurde  durch  die  Kirche  unterdrückt  und  doch  wurde  er 
nicht  erdrückt;  durch  seine  Erniedrigung  und  Verkommen- 
heit sollte  er  Zeugniss  ablegen  für  die  Kirche,  und  doch 
verkam  er  nicht,  blieb  stark  und  ungebeugt  in  dem  Elend 
von  aussen,  bewahrte  in  den  unerhörtesten  Leiden  eine 
seltene  Geistesfrische  und  Geisteslebendigkeit.  Denn  ihn 
begeisterte  und  hob  seine  Lehre,  die  nicht  nur  Kraft  zum 
Ertragen  der  Leiden  gab,  sondern  ihn  mit  der  noch  hö- 
heren Stärke  erfüllte,  sich  über  die  Leiden  zu  erheben, 
ihn  nicht  nur  mit  der  Passivität  des  Märtyrerthums,  son- 
dern mit  der  Frische  des  Geistes  erfüllte,  in  dem  dro- 
henden Untergang  von  aussen  den  tiefsinnigsten  For- 
schungen obzuliegen.  So  trat  nun  das  Gegentheil  des 
von  der  Kirche  beabsichtigten  Zweckes  ein,  sie  legte  durch 
ihre  über  die  Juden  verhängten  Leiden  Zeugniss  für  die 
Wahrheit  des  Judenthums  ab;  und  die  neuere  Zeit,  wie 
laut  spricht  sie,  dass  das  innere  Leben  des  Juden  unge- 
brochen war  und  er  mit  Stolz  auf  seine  Verfolger  herab- 
sehen konnte:  der  Jude  ragt  nun  hervor  auf  jedem  Ge- 
biete des  Wissens,  nimmt  eine  würdige  Stellung  ein  im 
politischen  und  socialen  Leben:  er  hat  sich  frisch  erhalten, 


Aphorismen. 

ging  er  auch  durch  Wogen  und  Flammen,  denn  ihn  be- 
schirmte seine  Lehre,  für  deren  Wahrheit  die  Verfolgungen 
Zeugniss  ablegen. 


Ein  die  weitesten  Kreise  aufregender  Vorgang  des  be- 
endigten Jahres,  der  wie  es  scheint  noch  längere  Zeit 
eine  brennende  Frage  der  Zeit  bilden  wird,  fordert  zu 
einem  Einblick  in  die  Weise  der  Vertretung  des  Juden- 
thums  auf  und  legt  ebenfalls  Zeugniss  für  dasselbe  ab. 
Das  Judenthum  wurde  seit  undenklicher  Zeit  nicht  durch 
Priester,  sondern  durch  Lehrer  vertreten,  Wissen  und  un- 
tadelhafter  Wandel  gaben  die  Anwartschaft.  Und  worin 
bestand  die  Vertretung?  Die  Lehrer  besassen  nicht  geist- 
liche Macht,  solche  wurde  ihnen  nicht  eingeräumt,  auch 
strebten  sie  nicht  nach  ihr;  sie  bildeten  ferner  nicht  eine 
Hierarchie,  einen  gegliederten  Stand,  das  Judenthum  kennt 
nicht  Würdenträger,  nicht  höhere  und  niedere  religiöse 
Functionäre,  jeder  Lehrer  war  selbstständig  und  unab- 
hängig; auch  sassen  sie  nicht  in  Pfründen  und  reichem 
Einkommen,  das  Judenthum  hat  die  Sorge  für  das  leib- 
liche Gedeihen  seiner  Lehrer  nicht  übernommen.  Liess 
doch  der  Begriff  Lehrer,  wie  er  im  Judenthum  als  Ver- 
treter des  Glaubens  aufgefasst  wurde,  den  Gedanken  an 
Würdenträger,  geistliche  Macht :  Pfründen  u.  dergl.  nicht 
aufkommen!  Wer  durch  gründliches  Studium  der  Lehre 
die  Befähigung  zur  Belehrung  erworben  hatte,  lehrte, 
gab  Auskunft  über  an  ihn  gerichtete  religiöse  Fragen : 
der  Lehrer  war  durch  Wissen  und  durch  Vertrauen  der 
sich  an  ihn  Wendenden  getragen.  Es  gab  also  nicht 
Stand,  auch  der  Privatmann,  so  sich  diese  zwei  Bedin- 
gungen an  ihm  erfüllten,  war  Volkslehrer;  in  früherer 
Zeit  begegnete  man  sogar  Handwerkern  als  solchen,  und 
selbst  als  vom  16.  Jahrhunderte  ab  Gemeinderabbiner  er- 
standen, gingen  die  Lehrer  neben  ihnen  her,  war  dem 
Privatgelehrten  nicht  das  Recht  der  Belehrung  entzogen 
und  das  Volk  wendete  sich  noch  ferner  häufig  an  ihn. 
Und  diese  Lehrer,  denen  weder  Macht  noch  reiche  Ein- 
künfte winkten,  die  sogar  nicht  selten  mit  dem  bittersten 


Aphorismen.  13 

Mangel  kämpften  und  wo  es  galt,  für  den  Glauben  zu 
dulden,  stets  an  der  Spitze  standen,  sie  begeisterten  sich 
an  der  Lehre  und  trugen  diese  Begeisterung  auf  das  Volk 
über;  ihr  Lohn  war  die  Befriedigung,  die  das  Wissen 
gibt  und  das  Bewusstsein,  für  den  Glauben  zu  wirken. 
Sie  wendeten  sich  nicht  an  das  Gefühl  der  Schwachen 
und  Frauen,  sie  suchten  nicht  in  geheime  Verhältnisse 
einzudringen,  um  sich  zu  Herren  der  Gewissen  zu  machen, 
sie  strebten  überhaupt  nicht  darnach,  die  Menge  an  sich 
zu  ziehen:  die  Menge  fühlte  sich  zu  ihnen  hingezogen, 
war  für  sie  durch  die  Weise  ihrer  Vertretung  ihres 
Glaubens  mit  Vertrauen  und  Hochachtung  erfüllt  und 
und  suchte  gern  Belehrung  aus  ihrem  Munde.  So  hatte 
das  Judenthum  seinen  Schwerpunkt  in  sich,  sein  göttlicher 
Gehalt  begeisterte  zur  Belehrung  und  die  Belehrung  zu 
empfangen:  „gehest  du  durch  Flammen  fürchte  nichts* 
ich  bin  mit  dir!" 

Und  was  stellt  dieser  Vertretung  des  Judenthums  der 
Europa  aufregende  Vorgang  des  vollendeten  Jahres  gegen- 
über? Die  von  dem  höchsten  Vertreter  der  Kirche  aus- 
gesprochene Behauptung,  seine  geistliche  Macht  sei  be- 
drohet, so  die  mit  ihr  verbundene  weltliche  Macht  auf- 
gehoben wird.  Und  für  diese  Behauptung  sind  Ströme 
Menschenblutes  vergossen  worden,  für  die  Erhaltung  die- 
ser weltlichen  Macht  werden  Krieger  angeworben,  für 
sie  wird  zu  Spenden  von  allen  Seiten  aufgefordert  und 
bilden  kriegerische  Waffen  und  blutiges  Eisen  mit  die 
Basis  der  Kirche.  Dem  Judenthum  unbegreiflich !  Das 
Bestehen  des  Bekenntnisses  in  äusserer  Macht  begründet? 
Der  Glaube  durch  weltliche  Macht  gehalten?  Das  Juden- 
thum, dem  nicht  nur  weltliche  Macht  unbekannt,  sondern 
das  auch  kein  Verständniss  für  „geistliche"  Macht  hat, 
das  Judenthum,  das  zu  jeder  Zeit  in  sich  seinen  Halt 
suchte  und  fand,  es  darf  mit  Recht  sagen:  „die  Kirche 
legt  Zeugniss  von  seiner  Wahrheit  ab"! 


Das  scheidende  Jahr  hat  in  Oesterreich    die    völlige 
Gleichstellung  der  Juden  gebracht,  die  auch  in  Deutsch- 


14  Aphorismen. 

land  sich  in  naher  Zukunft  vollführen  wird.  Wo  der 
Staat  sich  von  der  Kirche  emancipirt  hat,  ist  diese  Gleich- 
stellung eine  in  sich  berechtigte,  durch  kein  irgend  er- 
denkbares Argument  abzuweisende  Forderung;  und  es 
muss  auch  die  Kirche  in  ihrem  eigenen  Interesse  die  Un 
terdrückung  der  Juden  zurückweisen,  da,  wie  die  Erfah- 
rungen der  Jahrhunderte  lehren,  jeder  ungerechte  Akt 
gegen  den  Juden  nur  zur  Glorification  des  Judenthums 
beiträgt.  —  Aber  ob  seine  Lehre,  deren  Quellen  auch  noch  so 
gelehrten  nichtjüdischen  Forschern  unzugänglich  sind,  nicht 
dem  Staate  Schädliches  enthalten?  Es  hat  diese  Frage 
eigentliche  Staatsmänner  nie  beunruhigt;  die  Juden  haben 
sich  stets  als  friedliche  Bürger  erwiesen  und  die  neuere 
Zeit  berichtet,  dass  sie  ihre  Anhänglichkeit  an  das  Vater- 
land mit  ihrem  Blute  auf  verschiedenen  Schlachtfeldern 
besiegelten.  —  Richten  wir  nun  das  Auge  auf  das  We- 
sentliche dieser  Lehre.  Schon  dass  sie  ihren  Vertretern 
weder  weltliche  noch  geistliche  Macht  einräumt,  ist  wie 
ein  beredter  Zeuge  ihrer  Anspruchslosigkeit  so  auch  eine 
Bürgschaft,  dass  sie  ihrem  Wesen  nach  nicht  eine  Pflanz- 
stätte des  Hasses  und  der  Abstossung  sei:  ist  es  doch 
nur  die  priesterliche  Macht  und  die  durch  sie  hervorge- 
rufene Ueberhebung,  die  zur  Unduldsamkeit  führten  und 
das  im  Munde  getragene  Bekenntniss  der  Liebe  in  Ver- 
folgung Andersglaubender  umprägten.  —  Diese  Lehre  bean- 
sprucht ferner  nicht  das  Monopol  des  Himmels,  sie  will 
nicht,  dass  der  Weg  zur  Seligkeit  nur  durch  ihre  Pforten 
gehe:  „die  Frommen  aller  Völker  haben  Theil  an  dem  jensei- 
tigen Leben"  ist  ihr  Spruch  (Talmud  Synhedrin  105),  sie 
anerkennt  die  Göttlichkeit  des  Menschen,  zu  welcher  Üon- 
fession  er  gehöre.  —  Sie  will  sich  ferner  Niemandem 
weder  durch  Gewalt  noch  durch  Ueberredung  aufdrängen, 
sie  sucht  ihren  Halt  in  der  Ueberzeugung  ihrer  Bekenner 
und  nicht  in  der  Ausbreitung  ihres  Reiches,  Proselyten- 
macherei  liegt  ihr  ferne.  *  „Wer  in  das  Judenthum  ein- 
treten will,  lehrt  sie,  dem  muss  vorgestellt  werden,  dass 
das  Judenthum  schwere  Verpflichtungen  auflege,  dass 
mit  ihm  vielfache  Entbehrungen  und  herbe  Erfahrungen 
sich  verbinden ;  und  nur  wer  dann  noch  auf  der  Aufnahme 


Die  Commentarien  des  Ephraem  Syrus.  15 

bestehet,  dem  ist  der  Eintritt  zu  eröffnen"  (Talmud  Je- 
bamot  47).  —  Sie  gestattet  endlich  die  Lehr-  und  Mei- 
nungsfreiheit im  weitesten  Umfange.  Selbst  als  noch  der 
jüdische  Staat  sich  der  Selbstständigkeit  erfreute  und  die 
Lehre  die  Basis  seines  Bestehens  abgab,  erlitt  nicht  der 
Gedanke,  die  Meinung  Beschränkung.  „Lehrte  Jemand 
in  seiner  Stadt,  was  den  gesammten  Gelehrten  als  Irr- 
thum  erschien,  so  ging  man  hinauf  nach  Jerusalem  und 
erholte  sich  Bescheid  bei  den  dortigen  gelehrten  Höfen, 
bis  der  Gegenstand  an  das  grosse  Synhedrin  (den  obersten 
Gerichtshof  für  Religiöses  und  Rechtliches)  gelangte  Und 
wenn  selbst  seinem  Ausspruch  der  den  Irrthum  Lehrende 
sich  nicht  fügte,  blieb  er  unangefochten,  es  sei  denn,  dass 
er  das  Volk  zum  Handeln  nach  seiner  Irrlehre  auffor- 
derte" (Talmud  Synhedrin  96).  Welche  Mahnung  an 
viele  Zeloten  unserer  Zeit! 

„Das  Judenthum  ist  eine  Wahrheit",  so  sagt  es  seine 
Lehre  und  sprechen  seine  Schicksale.  Es  brechen  ihm 
bessere  Tage  an  und  auch  die  letzten  Nebel  werden 
schwinden:  die  Wahrheit  führt  zum  Siege. 


Die  Commentarien  des  Ephraem  Syrus  im  Verhältniss 

zur  jüdischen  Exegese. 

Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  Exegese. 

Von  Dr    D.  Gerson. 


Zu  den  hervorragenden  Denkmälern  der  wissenschaftlichen 
Bestrebungen  der  syrischen  Kirchenväter  auf  dem  Gebiete  der 
alttestamentlichen  Exegese  gehören  unstreitig  die  Commentarien 
des  Ephraem  Syrus.  Eine  nähere  Untersuchung  über  dieselben, 
zunächst  über  die  zum  Pentateuch,  dürfte  daher,  abgesehen  von 
den  Resultaten,  die  auch  für  die  moderne  Exegese  nutzbar  sein 
konnten,  das  geschichtliche  Interesse  gewähren,  dass  sie  die 
damalige  Auffassung  des  A.  T.  an  dem  bedeutendsten  der  syri- 
schen christlichen  Exegeten  nachweist.     Hierbei  wird  es  aber 


16      Die  Commentarien  des  Ephraem  Syrus  im  Verhältniss 

unerlässlich  sein,  zur  genaueren  Würdigung  seiner  Leistungen 
auf  den  Zustand  Rucksicht  zu  nehmen,  in  welchem  sich  die 
Exegese  in  der  damaligen  Zeit  überhaupt  befand. 

Schon  der  Gegenstand,  mit  dem  es  die  christliche  sowohl 
wie  die  jüdische  Schriftforschung  zu  thun  hatte,  brachte  es  oft 
mit  sich,  dass  die  an  sich  verschiedenen  Richtungen  der  Exe- 
geten — so  weit  es  unbeschadet  ihrer  besonderen  hermeneutischen 
Richtung  geschehen  konnte  —  auf  einem  neutralen  Boden,  wo 
es  ihnen  um  die  allgemeinen,  ethischen  Wahrheiten  der  Bibel 
zu  thun  war,  sich  begegneten.  Indem  die  Exegese  des  Alter- 
thums  vor  Allem  diese  letzteren  dem  Leser  zum  klaren  Verstand - 
niss  zu  bringen  suchte,  trat  die  wissenschaftliche  Erforschung 
des  Textes  zurück,  und  daher  konnte  es  geschehen,  dass  die 
christliche  Exegese  in  die  von  der  jüdischen  längst  betretene 
Bahn  einlenkte  und  jenes  fertige  Product  der  frei  schaffenden 
Phantasie  aufnahm,  das  als  Schrifterklärung  im  weitesten  Sinne 
(Hagada)  einen  wesentlichen  Bestandttheil  der  jüdischen  Exegese 
ausmachte.  Die  phantastische  Ausschmückung  biblischer  Er- 
zählungen, die  Verherrlichung  biblischer  Personen  durch  die 
Sage,  boten  also  den  nächsten  Berührungspunkt  dar.  Wenn 
z.  B.  die  jüdische  Sage  das  Manna  in  der  Wüste  als  wahre 
Himmelskost  schilderte,  die  jeden  Geschmack  befriedigt  und 
jedem  Alter  mundete1),  oder  den  Tod  des  Jesajas  mit  dichte- 
rischer Freiheit  lebhat  ausschmückte  (Jebam.  49  b),  so  lag  hierbei 
die  bestimmte  Tendenz  zu  Grunde,  durch  die  Grösse  des  Wun- 
ders das  Vertrauen  auf  den  Gott  der  Väter  zu  erhöhen,  oder 
den  gottbegeisterten  Propheten  und  Herrn  der  biblischen  Ge- 
schichte zu  verherrlichen  und  den  Gottlosen  (Manasse)  zu  ver- 
dammen. Diese  unverfänglichen  weiteren  Ausführungen  waren 
nun  den  christlichen  Erklärern  willkommene  Ergänzungen,  welche 


')  8ap.  Sal.  16,  20:  xai  SkoLfwv  &qzov  avzolq  an  ovQavov  $nt(Mpag 
«br<MOttf<tt<)»e,  näoocv  tiSovrjv  lo%vovza  xai  itgog  näaav  ctQfioviov  yevow, 
*t  Kxod,  R,  c.  25:  pt?  D^tD  mpÜTl  BOT  üyu  T»DpD  TT]  CTWU;  cf. 
SSlYi  tu  Natu.  II,  9  §  89:  '&  VüVü  TIN  in  lipnDW  fltt^  inT  1K^ 
JKT5  'SSV  n*^  ntfltt^,  cf.  Joma  75  s.  Dass  dieser  Abschnitt  ein  Lieb- 
tafijßsttaNUi  der  Leherendisten  war,  sieht  man  aus  Mechilta  Wajasa  e.  4: 


zur  jüdischen  Exegese.  17 

sie  —  vielleicht  oft  ohne  sich  des  jüdischen  Ursprunges  derselben 
bewusst  zu  sein  —  weiter  überlieferten.  So  schildert  denn 
Ephraem  Syrus  (gest.  378  als  Diakonus  von  Edessa)  die  Wunder- 
kraft des  Manna  mit  denselben  Farben  wie  die  Talmudisten1), 
und  die  lawinenartig  anwachsende  Jesaiassage  dringt  in  den 
christlichen  und  selbst  muslimischen  Kreis  ein*). 

Allein  nicht  blos  in  dem  Aufnehmen  eines  fertigen  Produc- 
tes,  auch  in  der  Anwendung  gewisser  Interpretationsregeln 
(z.  B.  des  Notarikon*)  zeigt  sich  der  Einfluss  der  jüdischen 
Exegese  auf  die  Kirchenväter.  Diese  Interpretationsmethode 
konnte  um  so  leichter  in  christliche  Kreise  Eingang  finden,  da 
sie  einen  bequemen  Anhaltspunkt  zu  jeder  noch  so  kühnen 
exegetischen  Spielerei  darbot.  Auf  diese  Weise  deutet  z.  B. 
Irenaeus  die  Anfangsbuchstaben  des  Wortes  Jesus  ()W)  =  Herr, 
Himmel,  Erde4),  und  Augustinus  zerlegt  das  Wort  Adam  (ytöap) 
in  die  Anfangsbuchstaben  der  Wörter  dvcctol^,  Üvaig,  äpcvo?  und 
(uaiipßQta,  wodurch  er  zu  dem  mit  der  jüdischen  Erklärung  zu- 
sammentreffenden Resultate  gelangt,  dass  der  erste  Mensch  aus 
der  Materie  aller  Himmelsgegenden  geschaffen  worden  sei6). 

Erwägt  man  also  den  Umstand,  dass  die  christliche  Exegese 
des  A.  T.  überhaupt  eine  Tochter  der  jüdischen  Schriftauslegung 
ist,  so  wird  es  nicht  befremden,  auch  bei  Ephraem  eine  gewisse 
Verwandtschaft  mit  dem  Midrasch  wahrzunehmen ,  deren  Trag- 
weite im  Einzelnen  nachzuweisen  ein  wichtiges  Moment  für  die 
Geschichte  der  Exegese  bilden  muss.  Es  konnte  jedoch  nicht 
fehlen,  dass  durch  den  Einfluss  dieses  midraschischen  Elementes 
die  Bestrebungen  der  Kirchenväter  von  der  eigentlich  wissen- 
schaftlichen Erforschung  der  Bibel  abgelenkt  wurden,  und  das 
um  so  mehr,  da  in  der  christlichen  Exegese  sich  frühzeitig  der 


')  Opp.  ed.  Bened.  1,  218   C:    ^f  o£Qx£o  jl.;aa>oA  J»j?  v»Jjo 

joof  .f,Yi*>  ^vT^k  >&£A}  lux»  «>o)<k&  «2bj?  J&*;23;  er.  256  D. 

*>  Gesenius  Jesajas  II  S.  12  ff. 

*)  Notarikon  findet  sich  schon  in  der  Mischnah  Sabbath  104  b,  in 
späteren  talmudischen  Schriften  öfter,  ibid.  55b,  105a,  cf.  Sifri  1   c. 

")  8.  Rosenmueller  bist,  interpr.  in  eccl.  ebrist.  II  p.  192  n.  9. 

*)  S.Frankel,  Vorstudien  zurSeptuag.  S.  185  und  Tanchuma  Pekuda: 

'iji  o^iyn  mnn  jotkd  &m. 

Fmnkd,  Monatsschrift.  XVII    1.  2 


18     Die  Commentarien  des  Ephraem  Syrus  im  Verhältniss 

von  Philo  in  seiner  ganzen  Schärfe  ausgesprochene  Grundsatz 
Geltung  verschafft  hatte,  dass  die  Bibel  durchweg  auch  noch 
einen  tieferen,  durch  Inspiration  erschliessbaren  Sinn  enthalte, 
dass  jeder  überflüssige  Buchstabe,  jeder  ungenaue  Ausdruck, 
jede  Zahl,  jeder  Eigenname  u.  s.  w.  nicht  anders  als  allegorisch 
aufzufassen  sei1).  Von  dieser  Grundanschauung  aus  gelangten 
die  Verehrer  und  Nachfolger  Philo's  zu  jener  abgeschmackten 
allegorischen  Exegese,  welche  zum  grossen  Theil  die  biblische 
Wissenschaft  beherrscht  hat,  bis  mit  dem  Wiederaufleben  der 
Wissenschaften  die  Bibelexegese. sich  der  jüdischen  Forschungen 
des  M.^A.  bemächtigte9).  Die  einfachsten  Erzählungen,  die  ge- 
nauesten gesetzlichen  Bestimmungen  sollten  nun  auch  —  oder 
ausschliesslich  —  einen  allegorischen,  auf  die  Mysterien  der 
christlichen  Glaubenslehre  bezüglichen  Sinn  enthalten,  und  die- 
sen zu  ermitteln,  wurde  nun  Zweck  der  Exegese,  mit  welcher 
sich  demgemäss  Polemik  gegen  Juden  und  Judenthum  verband ! 
Je  mehr  es  aber  den  Kirchenschriftstellern  darum  zu  thun  war, 
im  Judenthume  eine  Vorstufe  des  Christenthums  und  den  engen 
Zusammenhang  beider  aufzuzeigen,  desto  mehr  mussten  sie  auf 
die  jüdische  Erklärung  des  A.  T.  eingehen,  um  die  Gegner  von 
ihrem  eigenen  Standpunkte  aus  anzugreifen  und  die  christliche 
Auffassung  gegen  die  jüdische  zu  stützen.  Und  wenn  es  für 
den  heutigen  Leser  dieser  polemischen  oder  exegetischen  Werke 
unzweifelhaft  hervortritt,  dass  die  Juden  in  Bezug  auf  Kennt- 
niss  und  richtiges  Verständniss  des  Urtextes  ihren  Gegnern  bei 
Weitem  überlegen  waren8),  so   waren  die  Kirchenväter  selbst 


l)  Üeber  die  Exegese  Philo's  s.  Frankel :  Ueber  palästinische  und 
alexandrinische  Schriftforschung  (Progr.  zur  Eröffnung  des  jüd.-theol. 
Seminars)  S.  25  ff.  und  vor.  Jahrg.:     Ueber  die  Ethik  Philo's  f. 

a)  Vergl.  z.  B.  über  Justinus  M.  Rosen mueller  1. 1.  p.  192,  über  Cle- 
mens AI.  ib.  p.  220  und  228  und  über  die  kaum  nennenswerthen, 
durchaus  unselbständigen  Leistungen  der  christl.  Exegeten  der  folgen- 
den Jahrhh.  bis  tief  in's  M.-A  Meyer:  Geschichte  der  Schrifterklärung, 
Bd.  I  S.  57  ff. 

•■)  So  wird  jeder  unbefangene  Bibelforscher  Gen.  1,26  „Wir  wol- 
len Menschen  machen"  eher  mit  den  Talmudisten  nach  biblischem 
Sprachgebrauch    gleichsam    als    Selbstaufforderung    zu    dem    grossen 


zur  jüdischen  Exegese.  19 

sich  dessen  so  sehr  bewusst,  dass  sie  aus  ihrer  Unkenntniss 
oft  gar  keinen  Hehl  machten  und  sich  auf  mundliche  Mittheihing 
der  Juden  beriefen1).  Bei  diesen  aber  waren  Sprachkenntniss 
und  traditionelle  Erklärung  der  Bibel  Beschäftigung  und  Besitz 
jedes  Tironen.  Die  ängstlichste  Sorgfalt  überwachte  den  über- 
lieferten Text  und  Synagoge  und  Lehrhaus  verbreiteten  das 
Verständniss  desselben  in  die  verschiedensten  Kreise*).  So  be- 
fremdend es  daher  scheinen  mag,  so  steht  es  doch  durch  die 
unzweideutigsten  eigenen  Zeugnisse  fest,  dass  gerade  die  be- 
deutendsten unter  den  christlichen  Exegeten,  Origenes  und 
Hieronymus,  nicht  nur  ihre  Kenntniss  des  hebräischen  Textes, 
sondern  meist  auch  dessen  Erklärung  jüdischen  Lehrern  ver- 
dankten*). Und  lässt  sich  auch  bei  anderen  christlichen  Schrift- 
stellern, wie  Justinus,  Clemens,  Eusebius  und  A.  kein  solcher 
directer  Verkehr  mit  Juden  nachweisen,  so  hat  nichts  desto- 
weniger  die  Beurtheilung  ihrer  exegetischen  Leistungen  auf  den 
jüdischen  Eiufluss  Rücksicht  zu  nehmen  und  denselben  mit  in 
den  Kreis  der  Untersuchung  zu  ziehen4).  Indessen  mögen  für 
das  Verhältniss  der  christlichen  Exegese  zur  jüdischen  einst- 
weilen die  gegebenen  Andeutungen  genügen. 


Werke  auffassen  (v.  Gen.  R.  c.  8  D^3  "IDN  ">DN  ,m\  l[?0:  *Ü2  U1H  ntß>J/J 
■J^DJ),  als  ihren  Gegnern  Justinus  M.,  Tertullian  und  Ephr.  Syr.  (p.  18  D) 
beistimmen,  die  hier  das  Mysterium  der  Trinität  angedeutet  finden 
(v.  Rosenmueller  1.  1.  II,  54  sq.  und  Knobel  Genesis  S.  17).  Ebenso 
hat  die  moderne  Exegese  sich  beim  52.  Cap.  des  Jesajas  für  die  Auf- 
fassung entschieden,  die  schon  von  Origines  als  die  eines  gelehrten 
Juden  mitgetheilt  wird,  welcher  „den  Knecht  Gottes"  als  gleich  dem 
israelitischen  Volke  im  Exile  erklärte  (s.  Gesenius  Jesajas  111,  165). 

')  V.  Hieron.  adv.  Rufinum  I,  3:  Origenes  et  Clemens  et  Euse- 
bins  atqne  alii  complures,  quando  de  scripturis  aliqua  disputant  et 
volunt  approbare  quod  dieunt,  sie  solent  scribere:  referebat  mihi  He- 
braeus,  et  audivi  ab  Hebraeo,  et  Hebraeorum  ista  sententia  est. 

*)  Vergl.  über  diese  exegetischen  Vorträge  Zunz  Gottesdienstl. 
Vortr.  324  und  333. 

•)  6.  Grätz,  Gesch.  der  Juden  IV,  279  und  459  (2.  Anfl   250  und 

379  f.). 

*)  Einige  Parallelen  aus  Kirchenvätern  und  Midraschim  hat  zuerst 
Dr.  Graetz  in  dieser  Monatsschrift  Band  3  S.  311  ff.  mitgetheilt;  über 
Eusebius  s.  z.  B.  die  zu  Jes.   7,   8   gegebene   Erklärung   in  Gesenius 


20     Die  Commentarien  des  Ephraem  Syrus  im  Verhältniss 

Dieser  Gesichtspunkt  ist  aber  zumal  bei  dem  vorliegenden 
Versuche  über  Ephraem  Syrus  von  besonderer  Wichtigkeit. 
Denn  in  Syrien  und  Mesopotamien,  wo  im  4.  Jahrhundert  die 
wissenschaftlichen  Bestrebungen  der  Juden  in  den  zahlreichen 
Gelehrteuschulen  ihren  Höhepunkt  erreicht  hatten,  waren  die 
Bedingungen  für  einen  derartigen  Verkehr  mehr  als  irgendwo 
gegeben.  Den  Christen  in  Syrien  wurde  durch  die  enge  Ver- 
wandtschaft ihres  Dialectes  mit  der  damaligen  Volkssprache  der 
Juden  der  Gedankenaustausch  wesentlich  erleichtert«  Anderer- 
seits waren  die  Letzteren  selbst  mit  der  syrischen  Sprache  so 
sehr  vertraut,  dass  sie  dieselbe  sogar  als  Mittel  zur  Herleitung 
einer  gesetzlichen  Bestimmung  (Halacha)  anwendeten.  Wo  näm- 
lich der  hebräische  Ausdruck  der  Schrift  keinen  Anhaltspunkt 
zur  Begründung  derselben  darbot,  zog  man  das  gleichklingende 

syrische  Wort  zu  Rathe,  so  dass  z.  B.  Exod.  12,  4  nißCl  bv  IDDR 

•  T 

(ihr  sollt  zählen)  durch  die  Analogie  des  syrischen  oodod  (schlach- 
tet) die  Norm  begründete:  „Ihr  sollt  beim  Schlachten  schon 
die  Zahl  der  am  Pascha  Mitbeteiligten  bestimmen1).  Ebenso 
wurde  die  syrische  Sprache  im  Allgemeinen  wegen  der  in  der 
Bibel  vorkommenden  Chaldäismen,  die  geradezu  mit  Syriasmen 
identificirt  wurden,  von  den  Talmudisten  hochgestellt  und  em- 
pfohlen*). Es  liegt  daher  an  sich  schon  nahe,  ebenso  wie  bei 
anderen  Kirchenvätern,  namentlich  bei  Hieronymus,  auch  in  den 
Commentarien  Ephraems,  die  eben  den  syrischen  Text  zur 
Grundlage  hatten  (vergl.  weiter),  das  Vorkommen  jüdischer,  tra- 
ditioneller Erklärungen  vorauszusetzen  und  seine  Bekanntschaft 


Jesajas.  a.  1.;  über  Hieronymus  s.  Rahm  er:  Die  hebräischen  Traditio- 
nen in  den  Werken  des  Hieron.  Th.  I.  Quaest.  in  Gen.,  Fortsetzung 
Monatsschr.  1866  S.  216—224,  460     470  und  1867  S.  103—108. 

l)  V.  Pesacbim  61  a:  IDlNff  U1HD  Hin  'OIID  ))&*?  1D1N  m  IDDn 
PIT  r&B  *b  DD  rP3Tli>;  cf.  MechiltaBo  c.  4:    riDDD   fN   FWDJ   r)DDD3 

oi  m  ml  tnio  ywh  idw  nw  "m  rwn  hy  iddd  •  •  •  po  n^n;  cf. 

Jon,  b.  Us.  a.  1.  "pDDTI  (ihr  sollt  schlachten). 

•)  V.  Gen.  R.  c.  74:  DWOJI!  PTWOr  T^JD  ^p  XTYID  \ah  VP  5>N 
TOD  h  p^n  n'apTW  W»  rrarraa;  cf.  J.  Sotah  c.  VIII  in  .  ,  J.  Megil- 
lihc.  1,11;  Baba  Kama  83a;  Sotah  49b. 


zur  jüdischen  Exegese.  21 

mit  denselben  auf  den  Verkehr  mit  Juden  zurückzuführen '),  die 
mit  der  syrischen  Sprache  vertraut  und  im  Besitze  der  syr. 
Bibelübersetzung  waren*).  Wenn  ferner  Ephraem  der  herine- 
neutischen  und  exegetischen  Richtung  seiner  Vorgänger  Theodor 
von  Heraclea,  Eusebius  von  Emisa  und  Diodorus  von  Tarsus 
sich  anschloss,  die  von  der  allegorisirenden  Manier  der  Alexan- 
driner sich  abwandten  und  den  Weg  der  historisch  •  grammati- 
schen Interpretation  einschlugen:  so  wird  sich  demnach  das  als 
Resultat  herausstellen,  dass  gerade  wie  bei  den  Alexandrinern 
und  den  syrischen  Exegeten  des  %  Jahrh.  (Theophilus  und  Ta- 
tian),  die  von  der  LXX  ausgingen,  der  Einfluss  Philo's  sich 
geltend  macht  und  zur  Allegorie  hinleitet8),  so  bei  dem  nach 
allgemeinem  Urtheile  weitaus  bedeutendsten  syrischen  Exegeten 
die  Entlehnung  aus  der  dem  Allegorisiren  abholden  jüdisch - 
babylonischen  Exegese.  Denn  nur  aus  dieser  kann  er  die  Tra- 
ditionen geschöpft  haben,  die  in  der  Pesch.  entweder  gar  nicht 
oder  nur  durch  ein  umschreibendes  oder  hinzugefügtes  Wort 
kurz  angedeutet  waren4).  Wenn  er  gleichwohl  nirgends  aus- 
drücklich diese  Quelle  angiebt,  sondern  nur  ganz  allgemein  sagt: 
„Einige"  oder  „einige  Erklärer"  sagen,  so  darf  dies  in  Betreff 
der  Juden  um  so  weniger  befremden,  da  er  auch  sonst,  wo  er 


')  Cf.  C.  v.  Lengerke  de  Ephr.  Syri  arte  hermeneutica  p.  17: 
„verisiniillimum  esse  debet,  Ephraemum  maximani  suae  rerum  scientiae 
et  ernditionis  partera  in  Judaeorum  consuetudine  sibi  comparasse"; 
cf.  ibid.  p.  20  und  204. 

*j  V.  Perles:  Meletemata  Peschitthoniana  Diss.  inaug.  Vratisl. 
1859  p.  24. 

•)  V.  Rosenmueller  1.  1.  I.  p.  198  sqq. 

*)  Derartige  Stellen  sollen,  soweit  sie  bei  Ephr.  in  Betracht  kom- 
men ,  im  Verlaufe  näher  besprochen  werden.  Die  Frage,  ob  die  Pesch. 
einen  Juden  oder  Christen  zum  Verfasser  habe,  wird  von  Bleek  (Einl. 
ins  A.  T.  1865  S.  108  und  800)  dahin  erledigt,  dass  „ohristliche  Theo- 
logen der  Syr.  Kirche  aus  dem  Ende  des  2.  oder  Anfang  des  3.  Jahrh." 
sie  verfa&st  haben ;  jedoch  kann  durch  dieses  apodictische  Urtheil  we- 
nigstens in  Bezug  auf  den  Pentateuch  die  bereits  von  R.  Simon  (hist. 
crit.  du  V.  T.  p.  274)  ausgesprochene  und  von  Perles  1.  1.  gründlich 
nachgewiesene  Ansicht,  dass  der  Pentat.  von  Juden  im  1.  Jahrh.  nach 
Übl.  Zeitr.  übersetzt  worden,  nicht  erschüttert  werden. 


22     Die  Commentarien  des  Ephraem  Syrus  im  Verhältniss 

die  Ansicht  der  Allegoristen  (p.  6)  oder  der  Häretiker  (p.  13) 
anführt,  keinen  Namen  nennt.  Unterlässt  er  es  doch  selbst,  den 
Theopilus  v.  Antiochien  zu  nennen,  wo  er  offenbar  auf  seine 
Ansicht  hinzielt.  Dieser  hatte  nämlich  die  drei  Tage,  die  der 
Schöpfung  des  Lichtes  vorhergingen,  typisch  als  Bilder  der 
Trias  Gott,  Logos  und  Weisheit  aufgefasst1),  welche  Erklärung 
von  Ephraem  mit  den  Worten  „durch  das  Licht,  das  am  ersten 
Tage.geschaffen  wurde,  brachte  die  Erde  Alles  hervor,  wie 
Einige  sagen,  in  der  Trinität"  (Jlo£&£bo)  nur  leise  angedeutet 
wird9).  Oder,  um  noch  ein  zweites  Beispiel  anzuführen,  warum 
sagt  er  so  ganz  allgemein,  Einige  hätten  Gen.  1,  2  in  den  Worten 
DV6k  rTn  den  heiligen  Geist  angedeutet  gefunden8)  und  nennt 

keinen  dieser  Erklärer? 

Wenn  also  Ephr.  es  im  Allgemeinen  verabsäumt,  die  Quel- 
len, welche  er  benutzt  hat,  anzugeben,  so  kann  man  es  von 
vornherein  als  ausgemacht  gelten  lassen,  dass  er  Erklärungen, 
für  welche  sich  nur  in  der  midraschischen  Literatur  die  Quelle 
nachweisen  lässt,  von  Juden  aufgenommen  hat,  die  im  4.  Jahrh. 
zahlreich  in  Antiochien,  Edessa  und  Nisibis  lebten4).  Denn,  dass 
er  mit  ihnen  verkehrt  haben  muss,  ersieht  man  aus  den  Stellen, 
wo  er  entweder  ausdrücklich  (II  469  A)  oder  stillschweigend 
gegen  sie  polemisirt  (v.  I  108  A,  178  F,  257  A,  378  E,  483  E, 
523  E).  Es  kommt  nun  darauf  an ,  festzustellen ,  wie  weit  sich 
der  Einfluss  dieser  jüdischen  Exegese  auf  Ephr.  erstreckt,  und 
in  welcher  Weise  er  den  Anforderungen  der  historisch -gram- 
matischen Interpretation  gerecht  zu  werden  sucht. 

Dass  er  ebensowenig  ausschliesslich  und  wahrhaft  wissen- 
schaftlich oder  grammatisch  zu  exegesiren  bemüht  war,  als  er 
sich  ganz  der  christologischen  oder  allegorischen  Schriftausle- 


l)  Ad  Antolycum  II,  15:  tvnoi  eioi  xrjg  TQiddog,  xov  teov,  %al  zov 
loyov  ccvzov  ital  zijs  oocpiag  avvov. 

")  V.  opp.  I,  10  B:  knaf  vj  p  ()tafOL>)  Jf>L)i  ^£o)  fc&J*  J&ola 

P  P    ♦    ^  ^        *  0        ►  0  >»        91      P     ►  P  ♦     '        '         ä  ?>  >>      p     r      ^ 

)j>,OP  001*9)0,  {p  JtOjOSO  JOOj  QOJ   ^p  )l0UftAfcO  )äk  20,20  >\D  £jj  O^. 

3)  Y.  opp.  I,  9B:  6£,  yJn+CD  lafoo;  jLo*  yJu). 

4)  V.  J.  Berachoth  III:    |WD3  mirD  my1?  TOytP  THK3  ntPJ/D; 
cf.  Synh.  32  b:  pnüZ)  ^""l  "HIN  *  *  '\  cf.  Peeachim  3  b,  Kidduschin  10b. 


zur  jüdischen  Exegese.  23 

gung  anschloss,  die  seit  Ori genes  in  der  christlichen  Kirche 
herrschend  war,  ist  in  der  Anlage  seiner  Commentarien  zum 
Pentateuch  ziemlich  deutlich  ausgesprochen.  Er  wollte  zunächst 
die  pentateuchischen  Schriften  in  der  Fassung  wiedergeben, 
dass  der  Leser  sie  verstehe,  über  die  göttlichen  Wahrheiten 
derselben  belehrt  werde  und  über  unklare  oder  unvollständige 
Berichte  der  Bibel  Aufschluss  erhalte.  Er  hatte  also  auch  das 
homiletische  und  paränetische  Interesse  im  Auge.  Ausdrücklich 
bemerkt  er,  dass  er  diese  Commentarien  nur  auf  Bitten  einiger 
Freunde  verfasst  habe  (I  p.  1),  denen  er  nicht  hatte  widerstehen 
können.  Während  er  demgemäss ,  seinem  Zwecke  entsprechend, 
einige  Capp.  nur  kurz  wiedergiebt  oder  ganz  übergeht  (z.  B. 
Gen.  31  —  38,  Exod.  25—40,  Levit.  4—8,  12  —  14,  15—18),  er- 
zählt er  andere  ausführlich  und  flicht  eigene  Reflexionen  und 
Bemerkungen  ein,  z.  B.  über  die  Vorzüge  des  ersten  Menschen 
(22  C),  über  die  Schlange,  die  er  als  Personificatioo  des  Satan 
auffasst  (27  E),  über  Thamar  (90  sq.)  u.  a.  m.  Bisweilen  legt  er 
den  biblischen  Personen  Reden  in  den  Mund,  oder  redet  sie 
selbst  an  und  dergl.1).  Vorzüglich  verweilt  er  bei  der  Genesis 
und  besonders  bei  den  ersten  Capp.,  nicht  bloss,  weil  er  für 
dieselben  in  seinen  früher  verfassten  Reden  wichtige  Vorarbei- 
ten hatte  (p.  1),  sondern  auch,  weil  sie  für  die  religiöse  Beleh- 
rung des  Lesers  reichen  Stoff  darboten.  So  zeigt  er  z.  B.  in  der 
Geschichte  der  Patriarchen  das  besondere  Walten  der  göttlichen 
Vorsehung,  die  sich  den  Frommen  aller  Zeiten  durch  Zeichen 
und  Wunder  offenbart  (56  B,  77  E,  87  B,  92  D,  99  B,  218  C). 
Ebenso  lässt  er  besonders  in  der  Lebensgeschichte  der  Patriar- 
chen und  Patriarchinnen  die  reine  Gottesverehrung  derselben 
und  ihren  Kampf  gegen  das  Götzenthum  hervortreten,  z.  B. 
rechtfertigt  er  Rahel  wegen  des  Diebstahls  der  Götzen  damit,  dass 
sie  hierdurch  lediglich  ihrem  Vater  den  Gegenstand  der  Verehrung 


')  Thamar  erbittet  von  Gott  ein  Zeichen  (90  C),  dessen  Gewäh- 
rung nnd  Bestätigung  vollständig  durchgeführt  wird  (ibid.).  Der  von 
Joseph  seinen  Brüdern  nachgeschickte  Diener  hält  denselben  eine 
lange  Rede  (99  E),  die  Frau  des  Potiphar  erzählt  diesem  nachträglich 
den  wahren  Sachverhalt  (93  C,  cf.  Gen.  R.  c.  87),  der  Mutter  Mosis 
legt  Ephr.  ein  längeres  Gebet  in  den  Mund  (197  B)  u.  dgl. 


24     Die  Commentarien  des  Ephraem  Syrus  im  Verhältniss 

entziehen  wollte  (86  B,  cf.  Gen.  R.  c.  74)1).  Im  Grossen  und 
Ganzen  jedoch  neigt  er  sich  mehr  zur  sachlichen ,  als  zur  alle- 
gorischen Exegese  hin,  wenn  er  auch  von  der  fast  rationalisti- 
schen Nüchternheit  eines  Theodor  v.  Mopsuesta  (gest.  451)  weit 
entfernt  ist.  Namentlich  bleibt  er  im  Commentar  zur  Genesis 
streng  bei  4er  Sache  und  fügt  nur  an  verhaltnissmässig  wenigen 
Stellen  christologische  Deutungen  und  Bemerkungen  hinzu  (z.  B. 
Cp.  38  p.  89  sqq.,  c.  49,  10  ff.  p.  108  und  sonst,  besonders  häufig 
in  den  Scholien  p.  149  F,  150  B,  172  B)«).  Aber  gerade  dieser 
Mangel  an  einem  entschiedenen  exegetischen  Prinzip  Hess  für 


')  Ebenso  erklärt  er  Gen.  35,  4,  am  die  Söhne  Jakobs  von  dem 
Vorwurfe  zu  befreien,  sie  hätten  Götzen  oder  zum  Götzendienst  be- 
stimmte Gegenstände  bei  sich  gehabt:  „Die  Götzen,  die  ihr  als  Beute 
von  Sichern  mitgenommen  habt  und  die  Ringe,  die  an  ihren  (seil,  der 
Götzen)  Ohren  waren"  (88  E)  cf.  Jonathan  a.  1.  DDtf  njJJÖ  ]ü  naTl 
und  die  Erklärung  des  Bechor  Schorr,  mitgetheilt  von  Geiger  DMGZ. 
1861.  S.  157. 

*)  Neben  diesem  fortlaufenden  Commentare  finden  sich  nämlich 
noch  Scholien  von  Ephr.  zur  Genesis  (p.  116 — 194),  in  denen  dieselben 
Texte  meist  allegorisch  erklärt  werden.  Da  nun  diese  Art  der  Exe- 
gese in  den  Comm.  zu  den  übrigen  pentateachischen  Büchern  öfter 
wiederkehrt  und  kein  Grund  vorliegt,  die  Echtheit  aller  dieser  mit 
dem  Namen  Ephraems  bezeichneten  Scholien  zu  bezweifeln,  so  hat 
die  Annahme  Vieles  für  sich,  dass  in  denselben  —  vermischt  mit  den 
Scholien  des  Jacob  v.  Edessa  —  Fragmente  eines  anderen  Commen- 
tars  von  späterer  Abfassungszeit  oder  einer  anderen  Edition  aus  der 
Hand  Ephraems  vorliegen  (cf.  Assem.  B.  0.  II,  129  und  Pohl  mann 
S.  Ephr.  Syri  textus  in  Codd.  Vat  Mscr.  fasc.  I  p.  21).  Zu  Exod. 
haben  wir  nicht  ebenfalls  Stücke  aus  einem  zweiten  Commentar  (wie 
Arnold  in  Herzog's  R.  E.  IV,  89  annimmt),  sondern  eine  durchaus 
unkritische  Zusammenstellung  aus  zwei  verschiedenen  Handschriften, 
die  von  den  Herausgebern  oft  mit  unverzeihlicher  Nachlässigkeit  neben 
einander  abgedruckt  wurden.  So  ist  p.  228  B  ein  Scholion  zu  Exod. 
20,  21,  das  p  221  F  hätte  folgen  müssen,  ebenso  ist  223  D  —  235  zu 
Exod.  21,  39  und  30,  18,  22  nicht  am  gehörigen  Platze;  268  E  zu 
Num.  20,  33  wäre  nach  p.  262  E  einzufügen,  endlich  ist  p.  149  E, 
152  F,  157  D,  158  C,  161  E  und  177  F  der  Name  Ephr.  vom  Heraus- 
geber willkührlich  den  Scholien  vorgesetzt  worden ;  cf.  Pohlmann  1. 1. 
fasc.  II  p.  23  sqq. 


zur  jüdischen  Exegese.  25 

die  Aufnahme  auch  der  jüdischen  Exegese  freien  Spielraum,  so 
dass  die  verschiedenen  Bestandtheile  derselben  bald  neben 
einer  allegorischen,  bald  neben  einer  rein  sprachlichen  Erklärung 
ihren  Platz  finden  konnten.  Je  weniger  er  ferner  einen  specifisch 
wissenschaftlichen  Zweck  verfolgte,  desto  mehr  nahmen  seine 
Commentarien  nach  Art  der  nichtkanonischen  Apokryphen  (z  B. 
das  Buch  Henoch  und  das  Buch  der  Jubiläen)  und  der  jüdischen 
Uagadas  die  Form  der  Erzählung  an,  wobei  an  die  Schriftstellen 
eine  freie  Exegese  oder  Sage  oder  auch  Homilie  und  Paränese 
angereiht  wurde. 

Wenden  wir  uns  nun  nach  dieser  allgemeinen  Charakteristik 
zur  näheren  Vergleichung  der  Exegese  Ephraems  mit  dem  Mi- 
drasch ,  zunächst  mit  Berücksichtigung  seiner  Commentarien  zum 
Pentateuch. 

I.    Hagada  als  biblische  Sage  bei  Ephraem  Syrus. 

Die  Hagada,  inwiefern  sie  als  freie  Schrifterklarung  sich 
zunächst  einen  belehrenden,  ethischen  Zweck  setzte,  liebte  es 
bekanntlich,  die  Erläuterung  der  Schrift  durch  Sagen  oder  Er- 
zählungen zu  bereichern,  die  den  Inhalt  derselben  amplificiren 
und  verdeutlichen.  Diese  Sagenbildung,  die  vor  dem  Zeitalter 
der  Apokryphen  ihren  Anfang  nimmt  und  bei  den!  Juden  nichts 
als  eine  anspruchslose,  homiletische  Anwendung  des  Schriftverses 
war,  die  neben  der  biblischen  Erzählung  und  deren  einfacher 
Auslegung  einherging '),  trat  nun  frühzeitig  aus  dem  ursprüng- 
lichen Kreise  heraus  und  wurde  als  fertiges  Product  in  fremde 
Literaturgebiete  aufgenommen.  Die  Apokryphen  und  das  N.  T., 
die  Kirchenväter  und  der  Koran  nahmen  biblische  Erzählung 
und  Sage,  geschichtliche  Thatsache  und  Legende  ohne  kritische 
Unterscheidung  auf,  bereicherten  den  vorhandenen  Sagenschatz 


l)  Cf.  Sabbath  63  a,  Jebam.  24  a:  'Dl  M3WB  "»TD  N1W  NlpD  "pN  und 
über  den  Unterschied  von  tOtPD  (einfache  Exegese)  und  UTTH  (freie 
Deutung)  Zunz  L  1.  323  ff.  Die  freie  Auslegung  wird  entschieden  dem 
Wortsinne  entgegengesetzt  und  sogar  als  unkritisch  bezeichnet  Me- 
chilta  Wajassa  c.  1 :  <{?  "IDN  JJBW  ^"l  nn  rhm  £  NBO  DV  V1CM  GBO 

nbs  3td  nb  )ta\  ytea  xbx  mfcn  nra  pfcru  xh™  "»jmon  ityhti  w 
btcwn  nx  aipon  nw  d»  inw  oun  b"r\  no  «n  tddd. 


26     Die  Commentarien  des  Ephraem  Syrus  im  Verhältniss 

mit  neuen  Zuthaten  und  verwertheten  ihn  ihrerseits  zur  religiösen 
Belehrung1).    So  enthalten  denn  auch  Ephraems  Comm.  derartige 


l)  Näher  auf  diesen  Gegenstand  einzugehen  ist  hier  nicht  'der 
Ort,  daher  mögen  einige  Belegstellen  genügen.  Der  Tod  des  Henoch 
(Gen.  5,  24)  wird  als  Entrückt  werden  zu  Gott  gefasst  von  Jes.  Sir. 
49,  14  und  Hebr.  11,  5;  Ephr.  lässt  ihn  und  Elia  in's  Paradies  versetzt 
werden  I,  47  E,  cf.  324  E  und  II,  477  E.  (Ueber  die  Fortbildung  der 
Henochsagc  vgl.  Geiger's  Urschr.  S.  198).  —  Sap.  Sal.  10,  20  8im  tovto 
dUcaoi  ioxvXsvaav  dceßslg  wird  klarer  durch  die  Parallele  aus  Exod. 
R.  c.  24:  DSHD  DDDD  üA  "[ÜJI  0*3  tmBDn  HN  yptn  DVI  n«  nJ?  yip 
'Dl  DJTD1D  by  iTPitP  HD  fei.  —  Dass  in  der  allegorischen  Auffassung 
des  Manna  und  des  Wüstenbrunnens  I.  Cor.  10,  3,  4  eine  Anspielung 
auf  die  hagadische  Erklärung  liegt,  bemerkt  auch  v.  Lengerke  1.  1. 
p.  28.  —  2.  Tim.  3,  8  'Iawrjg  %al  'lap/fyqg  {avtk(Szr\cav  Mcovoet)  sind 
dieselben,  die  auch  Menachoth  85a  und  Jonathan  zu  Exod.  1,  15 
(D13D5  D^y  als  Rathgeber  Pharaos  und  natürliche  Gegner  Mosis  dar- 
gestellt  werden.  —  Ueber  den  Koran  vgl.  Geiger:  Was  hat  Mohammed 
aus  dem  Judenthum  aufgenommen?  S.  95  ff  und  Weil.  Biblische  Le- 
genden.  —  Als  Beispiel  muslimischer  Begründung  eines  Dogmas 
durch  die  Bibel  vgl.  Abulfarag  bei  Pococke  Specim.  Hist.  Arab.  p.  7: 

J^U^I,  y.^  ,>  >U\}yÜ\  J,  J  il  o!;LÄl  *X»  tyb"  0t,B  J^o» 

t\+^   ^fi  qI  Jütj   yj+tP  \^     (Die  muslimischen  Gelehrten  berufen 

<. 
sich  auf  Quellen   der  Erwähnung  Muhammeds    in  den  geoffenbarten 

Schriften.    In  der  Thora  nämlich   in    dem    V.   (Deut,   33,    2):    „Gott 

kommt  vom  Sinai,  kommt  herab   vom   Seir   und  offenbart   sich    vom 

Berge  Paran((  sagen  sie ,  sei  eine  Hindeutung  auf  die  Offenbarung  der 

Thora  durch  Moses,    des  Evangeliums    durch   Jesus   und   des  Korans 

durch  Muhammed.)     Vollständiger,  wenn  auch  in  ganz  anderer  Weise, 

ist  die  Deutung  dieses  Verses  durchgeführt  in  Sifri  zu  Deut.  33  §  343: 

'n  Twfea  xh  biaun  ioy^  min  yrb  n"2pn  nbmn  xi  wd  "n  iüm 
TjnwD  mn  rrny  y\wb  m  nh  wd  "i  notm  .  mwb  '13  xhx  nfcü 
nr  emp  maaio  «nw  ^ny  fi&£  m  po  tid  jrwi  w  irc£  nr  id$> 


zur  jüdischen  Exegese.  27 

hagadische  (sagenhafte)  Elemente,  die,  wenn  sie  auch  bisweilen 
als  selbständige  Fortbildung  betrachtet  werden  und  in  seinem 
reichen  poetischen  Gemütbe  iure  Quelle  haben  können,  doch 
oft  so  scharf  ausgeprägt  auftreten,  dass  man  auf  ganz  directe 
Entlehnung  von  Juden  zu  schliessen  berechtigt  ist.  Wenn  z.  B. 
Ephraem  in  poetischer  Wendung  vom  Paradiese  sagt:  „es  lag 
auf  der  höchsten  Höhe"  (23  0)  und:  „nur  seinen  Fuss  bespülte 
der  Sintfluth  höchste  Woge'1  (opp.  III  563  B),  so  findet  sich  ein 
Analogon  hierfür  bei  den  Taluiudisten ,  nach  deren  Atisicht  die 
Sintfluth  nicht  nach  Palästina,  dem  Lande  des  Paradieses,  drang1), 
und  bei  den  Samaritanern ,  welche  behaupten,  dass  der  Berg 
Garisim  von  den  Wassern  der  Sintfluth  nicht  überschwemmt 
wurde*),  ohne  dass  man  gerade  genöthigt  ist,  eine  gegenseitige 
Entlehnung  anzunehmen.  Allein ,  wenn  man  auch  bei  diesen  und 
ähnlichen  Wendungen  die  Uebereinstimmung  Ephraems  mit  dem 
Midrasch  für  eine  zufällige,  nicht  durch  jüdische  Quellen  be- 
dingte halten  wollte,  so  sind  doch  Sagen,  wie  sie  Ephraem  von 
Kain,  Malkizedek,  Abraham  und  Hur  mittheilt,  zu  specieli  und 
stimmen  zu  auffallend  mit  den  jüdischen  überein,  als  dass  diese 
Uebereinstimmung  bloss  zufällig  sein  könnte. 

Die  Hagada   fand   in  dem  Ausspruche  Lemechs  Gen.  4,  23: 
,]72fß^  'FUnn  ttPN  n3   keinen  anderen   als  Kain,   der,   indem   er 

mm  •  ■ 

von  jenem  umgebracht  wurde,  gemäss  der  göttlichen  Verheissung 
erst  nach  sieben  Geschlechtern  seine  Strafe  fand  (v.  Gen.  4,  15: 
Cg?  E?n$nttf ;  Onk.  a.  1.:  nip  lH?rP  pH  Xyiuf?)-  Diese  Erklä- 
rung theilt  nun  auch  Ephr.  mit  (45  B) :  ^if  )\^>\?  ^ibcD  Jjv»J 
^]h\&SbL}.  „Andere  glauben,  dass  Kain  nach  7  Geschlechtern 
bestraft  wurde" ;  cf.  Gen.  R.  c.  23 :  nVlH  1  )b  rbc\S\  m  Pp  ♦ 
Das  siebente  Geschlecht  (von  Adam)  war  aber  Lemech  und 
dieser  tödtete  den  Kain  (44  B).  Unter  den  jüdischen  Quellen 
hat  zwar  diesen  letzteren  Zug  erst  der  Jalkut;  allein,  wer  den 
Geist  dieses  compilatorischen  Werkes  kennt,  wird  zugeben,  dass 


■)  V.  Sebachim  113b:    btCMn   pN^   ^IID    TT   N$>;   cf.  Pirke  di 
R.  Elieser  c.  23. 

»)  V.  Gen.  R.  c.  32:    fin  rp  *6  *  •  *  yw  fmf?  ^nw  irb  "1DK 


28     Die  Commentarien  des  Ephraem  Syrus  im  Verhältniss 

das  Alter  der  Sage  wohl  noch  Aber  das  4.  Jahrhundert  hinaus- 
reicht; denn  schon  Onkelos  deutet  sie  in  ihren  Grundzugen  an 
(Gen.  4,  15)  und  Hieronymus  erwähnt  sie  als  bekannte  jüdische 
Tradition  (s.  Rahiner  1.  1.  18  ff.).  Ephr.  theilt  nun  noch  eine 
weitere  Fortbildung  derselben  mit.  Lemech  war  nicht  bloss  der 
Mörder  Kains,  er  tödtete  auch  einen  seiner  Söhne  (46  D:  >^£jo 
o\2>  J&o  ^>\kk  dk  mit  Bezug  auf  '■manb  *&))•  Wie  hangt  aber 
dieser  Zug  der  Sage  mit  der  früheren  zusammen?  Die  Erzäh- 
lung im  Jalkut  c.  38  giebt  darüber  Aufschluss.  Der  blinde  Le- 
mech geht,  gefuhrt  von' seinem  Sohne  Tubalkain,  auf  die  Jagd; 
der  Knabe  erblickt  den  Kain,  halt  ihn  für  ein  wildes  Thier  und 
heisst  seinen  Vater  den  Bogen  spannen  und  ihn  erlegen.  Als 
nun  Lemech  gewahr  wird,  dass  er  den  Kain  getödtet  habe,  bringt 
er  vor  Schmerz  auch  seinen  Sohn  Tubalkain  um. 

Auf  eine  andere  Sage,  die  Malkizedek  mit  Sem  identificirt, 
hat  auch  v.  Lengerke  schon  aufmerksam  gemacht  (1. 1.  p.  24),  und 
in  der  That  gehört  sie  zu  den  verbreitetsten  des  biblischen  Sagen- 
kreises. Der  Talmud  führt  sie  auf  einen  Autor  des  2.  Jahrh.  n.  d. 
übl.  Zeitr.  zurück  •)>  und  von  dieser  Zeit  an  erwähnen  sie  nicht 
bloss  die  Midraschim  (Gen.  R  c.  44  und  56,  Lev.  R.  c.  25,  Abot  d. 
R.  Nathan  c.  2,  Pirke  d.  R.  El.  c.  8  und  27)  und  die  Paraphrasen 
des  Jon.  und  Jerusch.,  sondern  auch  christliche  Schriftsteller, 
wie  Hieronymus  (Quaest.  in  Gen,  opp.  ed.  Frf.  t.  III  p.  137  D), 
Epiphanius  (adv.  haer.  XXXV,  6)  und  Ephraem.  Die  Sage 
knüpfte  nämlich  an  die  poetische  Auffassung  des  Ausdrucks 
Gen.  3,  21  Tty  nünp  ■=  TlN  nttTO  an»),  wonach  der  erste  Mensch 


»)  V.  Nedarim  32b:  rf'J'pn  WffO  hxyüW  *r\  018*5  fTTO  'T  TÖN 
Tfby  tä  T°  Nim  'NJff  DPD  PUiTD  KWlfc;  cf.  Synhedrin  108  b,  vrgl. 
auch  Jos.  Ant.  I,  10,  2  und  B.  J.  6,  10. 

»)  Gen  R.  21 :  ÜTN  *tQ  lfo  TW  TtOCÜ  3TO  WBD  TW  'T  hv  ITITTTD 
"ptWOfL  Ob  diese  Rolle  des  R.  Bieir,  die  auch  Gen.  R.  c.  9  eitirt 
wird,  eine  Thorarolle  war,  die  derartige  Randglossen  enthielt,  oder 
eine  selbständige  Hagadasammlung,  ist  schwer  zu  entscheiden.  Dass 
übrigens  die  Hagada  keineswegs  eine  Textesem endation  beabsichtigte, 
ergiebt  sich  aas  den  unzähligen  Stellen,  wo  dieses  freie  Verfahren  der 
Buchstab en-Vertauschung  oder  -Umstellung  angewendet  wird.  Es  wird 
dadurch  lediglich  eine  Sentenz  gleichsam  an  das  Schriftwort  angeknüpft, 
wobei  der  gewöhnliche  Ausdruck  ist:  •  •  •  N7N  *  •  •  "Hpn  7N. 


zur  jüdischen  Exegese.  29 

gleichsam  mit  einem  von  Gott  ausstrahlenden  Lichtglanze  be- 
kleidet war,  —  eine  Wendung  übrigens,  der  wir  auch  bei  Ephr. 
begegnen;  denn  auch  er  rühmt  den  göttlichen  Lichtglanz  Adams, 
dessen  Strahlen  die  Thiere  wie  die  Israeliten  das  strahlende 
Antlitz  Mosis  nicht  ertragen  konnten  (27  C)  und  das  himmlische 
Gewand  (li*utim  JajlAI),  das  Eva  auch  nach  dem  Genüsse  von 
der  verbotenen  Frucht  nicht  einbusste  (26  F,  Hl  F,  cf.  II,  218  D). 
Nun  Hess  die  Sage  den  von  Gott  mit  jeglicher  Vollkommenheit 
ausgestatteten  Adam  auch  das  himmlische  Gewand  des  Hohen- 
priesters von  Gott  empfangen,  das  von  diesem  auf  Seth,  Methu- 
salah  und  Sem  forterbte,  womit  offenbar  nichts  Anderes  ausge- 
druckt werden  sollte ,  als  dass  der  reine  Gottesglaube  sich  unge- 
trübt bei  einem  Stamme  des  Menschengeschlechtes  erhalten  habe, 
cf.  Ephr.  opp.  I  p.  2  und  1 15  B  und  Num.  R.  c.  4:  pttWVI  GIN 

"i  wjro  nöww  rfcra  rura  n«  um1?)  •  •  •  dm  bw  nra  rvn 
noö  ei«  nw  jra  •  •  ♦  nwb*)  i)v  nwro  ww*6i  nnb  gv&k 
poo  ru  rub  poö  niwinö  n»w  p'o  nbvnrxcb  pro  rw  rwb 

TD1  Dtt^*  War  aber  dieser  Sem  (Malkizedek)  Hoherpriester, 
der  auf  dem  Berge  Moria  opferte1),  so  konnte  man  ihn  auch, 
da  er  Abraham  noch  um  35  Jahre  überlebte,  (vgl.  Beer,  Leben 
Abr.  S.  143)  der  Rebekkah  in  Kindesnöthen  das  göttliche  Ur- 
theil  verkünden  lassen;   vide   opp.   I,  61  E,  F  und  ibid.  79  D: 

te&offf  ji^i  jl*}  oj&ocri  ^»  £hi  Joojj  ooj .  ooj  )Oui  jdjvÜL»  r^oj 

ofv^o  Uhtoua  ««ojc&j  *~ai  ;pj  )ooj  ««ofoV«)  ooi  J^ocbo  .  Jooj  «»ojoaJJ 

pf  P         O"*1  p     ff     y         T       m»T  tOT  ►         V         P  P      PP  ^  >»  P 

POA.    ,äJ    JJ)    .  .  .    POJ'^J   wJOO^   )»a   joAd   Joot   JJ   pOf   ^J   OOf  .  )ooj 

^jaxL  \astS  iL)]  ooj  0*1200  poj!pJ}  oj»3  Jil^  om£o  aonvN .  „Dieser 
Malkizedek  ist  Sem,  der  König  war  wegen  seiner  Würde,  da 
er  das  Oberhaupt  von  14  Stämmen  war,  und  Priester  war  er, 
weil  er  von  seinem  Vater  Noah  (das  Priesterthum)  als  Erbe 
empfangen  hatte.  Auch  lebte  er  nicht  bloss  bis  zu  den  Tagen 
Abrahams,  sondern  auch   bis  zu  Jakob  und  Esau,  den  Enkeln 


*)  v-  °PP-  T  P-  171  B)  cf-  Krke  di  R-  El.  c.  31:    rOTDn  tm  (seil, 
auf  d.  Berge  Moria)  PDIDTI  K1P1  •  *  •  DTlpD  13  3npD  ptwnn  DIN  flVW 

•Mai  ro  n  lanpw. 


30     Die  Commentarien  des  Ephraem  Syrus  im  Verhältniss 
Abrahams  und  ihn  ging  Rebekkah  fragen";   cf.  Gen.  R.  c.  63: 

nan  ov  bw  wrrcb  wn  rabn  *6  •  ••  •  "i  rw  wirrt  -fir\)  *)• 

Einen  unendlich  reichen  Stoff  zur  Behandlung  fand  die  freie 
Hagada  besonders  in  dem  Leben  Abrahams,  dessen  inniger 
Glaube  an  ein  höchstes  Wesen  und  erhabene  Seelenstärke  der 
Sage  zur  Erdichtung  so  mancher  schönen  Erzählung  Gelegenheit 
darbot.  Auch  Ephr.  theilt  von  diesem  Patriarchen  eine  Sage 
mit,  die  in  ähnlicher  Weise  wie  der  Midrasch  seine  reine  Gottes- 
erkenntniss  und  seinen  Kampf  gegen  das  Götzenthum  verherr- 
licht (p.  156  D).  Zur  Zeit  des  Therach  verehrten  die  Chaldäer 
den  Götzen  Kainan  (^*x>)*),  dem  sie  auch  einen  Tempel  erbaut 
hatten.  Als  nun  wegen  dieses  sündhaften  Götzendienstes  eine 
Heuschreckenplage  ihre  Felder  heimsucht,  schickt  Therach  sei- 
nen Sohn  Abraham  hinaus,  damit  er  die  Heuschrecken  vertreibe. 
Abraham  fleht  zu  Gott  und  die  Heuschrecken  verschwinden. 
Zurückgekehrt  bittet  er  den  Vater,  vom  Götzendienste  abzu- 
lassen und  den  wahren  Gott  anzuerkennen,  allein  der  alte  The- 
rach achtet  auf  diese  Ermahnung  nicht.  Daher  legt  Abraham 
Feuer  in  den  Tempel,  um  ihn  sammt  dem  Götzen  zu  verbrennen. 
Da  eilt  Haran  berbei,  um  wenigstens  den  letzteren  zu  retten, 
aber  er  wird  von  den  Flammen  ergriffen  und  verzehrt.  Daher 
heisst  es  auch  von  ihm:  „Er  starb  vor  seinem  Vater  Therach" 
(Gen.  11,  28).  Als  nun  die  Chaldäer  erfahren,  was  Abraham 
gethan,  fordern  sie,  dass  er  ihnen  zur  Bestrafung  ausgeliefert 
werde;  ihre  Absicht  wird  jedoch  durch  die  schleunige  Auswan- 
derung Therachs  vereitelt.   —   Zwar  finden    sich   Anklänge   an 


!)  Diese  Parallele  zeigt  die  exegetische  Richtung  Ephraems  im 
Gegensatze  zu  der  allegorisirenden  um  so  deutlicher,  da  hier  die  alle- 
gorisch-mystische Auffassung  durch  Hebr.  7,  3  (dnrarcD?,  dfirjvooQ,  ccysvsct- 
Xoyrjvog  pfas  aQ%rjv  t\^bqwv  (ifas  xkXog  H%<ov  xrX.)  gegeben  war  oder 
wenigstens  sehr  nahe  lag.  Von  seiner  eigentlich  nüchternen  Exegese 
s.  weiter. 

*)  Dieser  Kainan  ist  vielleicht  der  biblische  (Gen.  5,  13  und  LXX 
zu  Gen  11,  12,  13),  welcher  nach  der  Sage  gleich  Nimrod  abgöttisch 
verehrt  wurde.    Oder  sollte  ^ljd  aus  >pJb  corrumpirt  sein  und  gleich 

dem   Arab.    ^yy?   hebr.  yp.)  (v.  Arnos  5,  26)  den  Saturn  bezeichnen  ? 


zur  jüdischen  Exegese.  31 

diese  Sage  auch  im  Mid rasch  (Gen.  R.  c.  38),  wo  der  Tod  Ha- 
rans  in  ähnlicher  Weise  motivirt  wird,  aber  die  Darstellung  im 
Buche  der  Jubiläen  stimmt  bis  auf  einige  unbedeutende  Abwei- 
chungen vollständig  mit  derselben  überein.  Dort  wird  nämlich 
ebenso  erzählt,  dass  Abraham  durch  sein  Rufen  die  Raben  ver- 
scheucht habe,  die  das  Feld  seines  Vaters  verwüsteten  (s.  die 
deutsche  Uebers.  v.  Dillmann  in  Ewalds  Jahrb.  Bd.  III  S.  2) 
und  dass  er  hierauf  seinen  Vater  ermahnte,  den  Götzendienst 
aufzugeben1).  Dann  heisst  es  weiter  (1. 1.  S.  3):  „Abraham  stand 
auf  bei  Nacht  und  verbrannte  das  Haus  der  Götzen  und  Alles, 
was  darin  war,  ohne  dass  die  Leute  etwas  davon  wussten.  Und 
sie  standen  auf  bei  Nacht  und  wollten  ihre  Götzen  aus  dem 
Feuer  retten.  Und  Aran  eilte  herbei,  sie  zu  retten,  da  schlug 
die  Flamme  über  ihm  zusammen  und  er  verbrannte  im  Feuer 
und  starb  in  Ur  der  Chaldäer  vor  seinem  Vater  Therach  und  sie 
begruben  ihn  in  Ur  der  Chaldäer". 

Ob  nun  Ephr.  aus  dieser  Quelle  direct  geschöpft  hat,  lässt 
sich  durchaus  nicht  ermitteln,  man  müsste  denn  annehmen,  das 
B.  d.  Jub.  sei  im  4.  Jahrh.  bereits  so  allgemein  verbreitet  ge- 
wesen, dass  es  nicht  nur  dem  Epiphanius  und  Hieronymus 
(vgl.  Dillmann  1.  1.  S.  89  f.),  sondern  auch  Ephr.  bekannt  war. 
Näher  dürfte  daher  die  Annahme  liegen,  dass  der  Verf.  des  B. 
d.  Jub.  und  Ephr.  aus  derselben  Quelle,  der  jüdischen  Hagada, 
geschöpft  haben9). 


')  Das  B.  d.  Jub.  (ibid.  S.  2  und  89)  fugt  bei  Erwähnung  desselben 
Vorfalles  bei  Therach  hinzu:  „Deswegen  (sc.  wegen  des  Zerstreuens 
der  Raben)  nannte  er  seinen  Namen  Therachu.  Das  führt  auf  den 
Ursprung  der  vorliegenden  Sage,  die  an  das  Wort  rnFI  (der  Zerstreuer) 
etymologisch  anknüpfte.    Vgl.  Beer,  Leben  Abr.  S.  96. 

*)  Hiermit  wird  die  Frage  Über  den  Verf.  des  genannten  Buches 
nicht  alterirt,  mag  er  (nach  Dillmann  1.  1.  88  ff.)  im  1.  christl.  Jahrh. 
zu  suchen  sein,  oder  genauer  (nach  dieser  Monatsschr.  1856  S.  380  ff.) 
in  Leontopolis  zur  Zeit  Caligulas  gelebt  und  dem  Priesterstande  ange- 
hört haben.  Es  soll  hier  nur  das  Resultat  festgestellt  werden,  dass 
die  Hagada,  der  wir  in  Palästina  und  Babylonien  begegnen,  auch  bei 
den  Juden  in  Aegypten  heimisch  war.  Vgl.  hierüber  Frankel :  DMGZ. 
Bd.  IV,  S.  107  ff. 


32  Die  Commentarien  des  Ephraem  Syrus. 

Entschieden  auf  jüdischen  Ursprung  ist  endlich  die  Sage 
zurückzufahren,  die  Ephr.  über  Hur  mittheilt1).  Da  derselbe 
oft  als  Begleiter  von  Moses  und  Ahron  erscheint,  so  sucht  die 
Sage  ihn  in  irgend  eine  verwandtschaftliche  Beziehung  zu  ihnen 
zu  bringen.  Ephr,  macht  ihn  zum  Schwestermanne  Mosis  (I  219  C : 
jiax»  oj&~>\xd  ^x>J?  ^f-ojoLjj  taulo),  aber  entweder  ist  er  hier 
ungenau  berichtet,  oder  er  begeht  einen  Gedächtnissfehler;  denn 
Hur  kann  nicht  der  Gatte  der  Mirjam  und  zugleich  (nach  I.  Chrou. 
2,  19)  ein  spätgeborener  Sohn  des  Kaleb  sein,  der  selbst  40  Jahre 
jünger  war  als  Moses  (v.  Jos.  14,  7).  Es  müsste  dann  Mirjam, 
wenn  sie  auch  nur  10  Jahre  älter  war  als  Moses  (v.  Exod.  1,  8), 
50  Jahre  älter  als  Kaleb,  demnach  mindestens  70  Jahre  älter  als 
Hur  gewesen  sein.  Die  jüdische  Tradition  vermeidet  diese 
Schwierigkeit,  indem  sie  die  Ephrath  der  Chronik  (ibid.)  mit 
Mirjam  identificirt  und  Hur  also  zu  einem  Neffen  Mosis  macht 
(v.  Sotah  IIb  und  Exod.  R.  c.  1).  Wichtiger  für  unsern  Zweck 
ist  die  Ursache,  die  Ephr.  für  den  Tod  des  Hur  mittheilt.  „Ah- 
ron sah  sich  gezwungen,  dem  goldenen  Kalbe  einen  Altar  zu 
bauen,  als  er  sah,  dass  das  Volk  auch  ihn  sowie  den  Hur  zu 
steinigen  suchte.  Denn  Hur  soll  (^£o|)  in  dem  Aufruhr  getödtet 
worden  sein,  den  das  Volk  gegen  Ahron  machte,  weil  er  das 
Volk  vom  Abfalle  von  Gott  hatte  zurückhalten  wollen"  (224  A). 
In  dem  Scholion  des  Jacob  v.  Edessa  z.  St.  wird  ausdrücklich 
bemerkt,  dass  diese  Erzählung  eine  jüdische  Tradition  ist  (273  C). 
Dieselbe  findet  sich  Synh.  7a:    HN")  *  *  *  TOTO  pH  pTIN  &TP1 

vxb  rmw  -nn;  cf.  Exod.  r.  c  41 .-  -nn  arrby  top  raw  nnw 
b  naw  pn«  bv  «sm  lmnm  v6y  viöj;  tö  •  •  •  arb  "iöw 

'W  KTTÜ  *p  pHK  fiN-W  lra  "fr  üW)V  m  P  *lh  WWW  OttO 


')  Auch  von  Nimrod  hat  Ephr.  einen  sagenhaften  Zag,  für  welchen 
jedem  mit  der  Hagada  Vertrauten  eine  Hinweisung  auf  ähnliche  Sagen 
(Gen.  R.  c.  38  und  Pirke  di  R.  El.  c.  24)  genügen  dürfte;  v.  opp.  I  p  154: 

KUo  ^ht  ll^oo  JoyK  oauolj  pj   o*«x>J}  vu>*Sa)  Juaii&eo  ^  rj  yju\ 

Ar         *  p*  +*9Jl**r*r  h   r      *      *  o  r  *   o 

.  IWo?  qm'v^  «po^.  )&*.  0  >popx>  ,*»  v^äj  -ojcoj  rj  *«^x  .  oooj  ^ooj 

P      v       P  p  *  p  r  A        T        9      9*  *   ♦        >p*        *     ^    *    P     *  p         p 

JJxuoo  (äa  JoOf  ~OjOA»J}  r)  J^  0)  .  o£*j  o^i^  V^V-M)  JJ  Jjoj  ^o 

~    \    *        *P    0  9       r    .  r    *  ►  ►     *      _  ,P       ,P  PP,  P     ,P  *      r        ►    ►  ,PP     * 

>fcck2>j  Jtai  ~op;  **j^  £*oJ>  lopai  ^r  •  t»j)o  £xy>  auooj}  .  J^ax 
r)  ooj  J2>)  ja^jiJo  Joe*  jafij  )rj  |\-vfK  Jüüa^Aj  <pojaü\.  £;» . 


Analekten.  33 

pHK  fcTW«  Noch  weiter  ausgeführt  ist  diese  Erzählung  Num. 
R.  c.  15,  kurz  angedeutet  ist  sie  schon  in  der  Pesch.  durch  die 
Uebersetzung  >\*>j ,  die  eben  der  ursprünglichen  Hagada  K"W  = 

KH?1  entspricht. 

(Fortsetzung  folgt) 


Analekten. 


es  zum  Text  der  Uebersetzung  des  Onkelos 
zum  Pentateuch. 

Der  Text  des  Onkelos  ist  mitunter  durch  Glosseme  und  Ab- 
schreibefehler entstellt,  die  zuweilen  klar  zu  Tage  treten,  zuwei- 
len aber  sich  auch  den  scharfsinnigsten  Cominentatoren  entzogen 
haben.  Als  Aushülfe  dient  die  Uebersetzung  des  Jonathan  ben 
Usiel  zum  Pentateuch,  den  Onkelos  zur  Grundlage  seiner  para- 
phrastischen  Version  nimmt:  aus  ihm  ist,  was  bisher  noch  wenig 
beachtet  wurde,  an  vielen  Stellen  der  richtige  Text  des  Onkelos 
herzustellen.  Wir  werden  hierauf  anderswo  zurückkommen  und 
heben  hier  zwei  Stellen  hervor: 

Gen.  32,  11  nEfcCI  ^DEl  O^TOm  ^DÖ  übersetzt  Onkelos  JöÖ 
|DB  ^D&l  plDPU  Rarban  im  Commentar  das.  findet  dieses  auf- 
fallend, da  Onkelos  gewöhnlich  nENl  "IDCl  durch  tOHtfpl  DUO 
wiedergibt.  Noch  mehr  als  PHDn  für  C^lDiTI  (man  findet  zu- 
weilen NIDn  für  10n,  vgl.  Deuteron.  7,  9.  12)  ist  ])2&  für 
nöNn  befremdend,  da  nHD  durchaus  nicht  dem  Begriffe  nöK 
entspricht.  Jonathan  hat  in  gedachter  Stelle  *?3fo)  NDtö  by& 
H\SW)p*  Dieses  legt  die  Vermuthung  nahe,  dass  ursprünglich 
der  Text  des  Onkelos  ebenfalls  so  gelautet  habe;  ein  Leser  hatte 
jedoch  zu  O^IDPin  an  den  Rand  bemerkt  ^IDH»  dieses  plDn 
kam  in  den  Text,  und  da  nun  in  der  Uebersetzung  drei  Wörter 
für  zwei  des  hebr.  Textes  sich  fanden ,  liess  man  die  zwei  ersten 
stehen  und  strich  das  dritte  Wort  und  so  verblieb  das  fehler- 
hafte pnü  p-ion  und  fiel  NBEflp  (Bfltfp)  aus. 

3 


34  Analekten. 

Genes.  43,  2  l^J  ittfKD  hatte  manches  Manuseript  des  On- 
kelos Ip^DD  13«  Raschi  verwirft  diese  Leseart  als  an  dieser 
Stelle  unsinnig  und  die  nur  das.  '24,  22  an  ihrem  Orte  ist.  Raschi 
findet  daher  hier  nur  )WW  "D  entsprechend.  Es  bleibt  jedoch 
befremdend,  wie  ein  Abschreiber  hier  auf  das  ft^ÖD  gekommen 
sei  und  es  ist  schwer  anzunehmen ,  dass  er  sich  von  24,  22  auf 
43,  2  geirrt  habe.  Jonathan  hat  jedoch  42,  2  lpDD  "D  ♦  So  scheint 
es  auch  die  Version  des  Onkelos  gehabt  zu  haben;  durch  Ab- 
schreibefehler wurde  daraus  V?BD  Op^BD):  Die  eigentliche 
Leseart  ist  also  nicht  U02RP  sondern  lpDD«#)  F. 


2.    Curiosum. 

In  einem  interessanten  Aufsatz  (Zeitschrift  für  Völkerpsy- 
chologie Jahrg.  1867  Heft  2  p.  156  f.)  bespricht  Bastian  die  unter 
dem  Namen  der  Couvart  bekannten,  bei  verschiedenen  wilden 
Völkern  vorkommenden  Gebräuche.  Ihren  Namen  haben  sie  von 
der  seltsamsten  aller  dieser  Ceremonien,  dass  sich  der  Gatte 
an  der  Stelle  der  entbundenen  Frau  in  das  Wochenbett  legt  und 
sie  beruhen  nach  Bastian  auf  der  Idee,  dass  vermöge  einer  Art 
von  Sympathie  das  Verhalten  des  Vaters  um  die  Zeit  der  Ge- 
burt seines  Kindes  einen  bestimmten  vortheilhaftcn  oder  nach- 
theiligen Einfluss  auf  dieses  ausübt.  B.  fahrt  unter  anderem 
folgendes  Beispiel  hierfür  an:  „Sollte  bei  den  Caraiben  der 
Ehemann  einer  schwangeren  Frau  den  kleinäugigen  Fisch  Manati 
essen  (bemerkt  du  Tetre)  so  würde  das  Kind  mit  tiefliegenden 
Augen  geboren  werden,  sollte  der  Vater  während  der  Schwan- 
gerschaft der  Mutter  eine  Schildkröte  essen,  so  wird  der  Neu- 
geborene taub  sein".  „Die  Väter  essen  saure  Trauben  und  die 
Zähne  der  Kinder  werden  stumpf  (nach  R.  Meier)'*.  „Würde  der 
Kamschadale  während  der  Schwangerschaft  seiner  Frau  eine 
Schlittenkufe  über  dem  Knie  beugen,  so  krümmt  sich  der  Em- 
bryo und  die  Niederkunft  wird  eine  schwere  seinu.  Mit  einigem 
Erstaunen  sieht  der  in  jüdischer  Literatur  nicht  ganz  unbewan- 


*)  Ueber  Glosseme  im  Onkelos  zu  Genesis  vgl.   10  Jahrg.  dieser 
Monatsschrift. 


Anale  kien.  35 

derte  Leser  einen  ihm  theueren  Namen  in  die  nicht  schmeichel- 
hafte Nähe  von  Karaiben  und  Kamschadalen  „zwischen  Tiger 
und  Leue  mitten  hinein"  versetzt.  Das  Erstaunen  verwandelt 
sich  jedoch  sofort  in  ein  herzliches  Lächeln  über  den  seltsamen 
Schnitzer,  der  R.  Meir  den  Glauben  autbürdet,  dass  „die  Zähne 
der  Kinder  stumpf  werden,  wenn  die  Väter  saure  Trauben 
essen".  So  arg  ist  dieser  Schnitzer,  dass  nur  die  Achtung  vor 
dem  hochverdienten  Verfasser  uns  veranlasst,  ihn  überhaupt  zu 
erwähnen. 

Zuerst  nun  haben  wir  Bastian  die  ihm  gewiss  erfreuliche 
Mittheilung  zu  machen,  dass  jene  Worte  „des  Rabbi  Meir"  auf 
eine  viel  höhere  Autorität  zurückgehen,  nämlich  auf  die  Pro- 
pheten Jeremia*  und  Ezechiel.  „In  jenen  Tagen",  so  heisst  es 
bei  dem  ersten  c.  El  V.  29,  „wird  man  nicht  mehr  sagen:  die 
Väter  haben  saure  Trauben  gegessen  und  die  Zähne  0er  Kinder 
sind  stumpf  geworden,  sondern  ein  Jeder  wird  um  seine  Schuld 
sterben;  jeder  Mann,  der  saure  Trauben  gegessen,  dem  werden 
die  Zähne  stumpf  werden".  Und  bei  Ezechiel  c.  18  V.  2 :  „War- 
um führt  Ihr  immer  das  Sprüchwort  im  Munde  .  .  . :  die  Vater 
essen  saure  Trauben  und  die  Zähne  der  Kinder  werden  stumpf"? 
u.  s.  w.  Dem  scharfsinnigen  Ethnographen  brauchen  wir  nicht 
zu  beweisen,  dass  die  Propheten  nichts  jenem  tollen  Aberglauben 
Aehnliches  haben  sagen  wollen;  dass  wir  hier  nur  ein  recht 
anschauliches  und  von  den  alten  Hebräern  gewiss  oft  gebrauch- 
tes Spruch  wort  vor  uns  haben,  das  besagen  soll:  der  Eine 
müsse  oft  für  die  Sünde  des  Andern  büssen,  der  ganz  anschul- 
dige R.  Meir  z.  B.  für  den  Irrthum  Bastians.  Denn  sicherlich 
ist  es  nicht  die  Schuld  des  R.  Meir,  dass  die  Angabe  des  Tal- 
muds (Synh.  38  b)  R.  Meir  habe  in  einer  Fabel  dies  Thema  be- 
handelt, so  gröblich  missverstanden  wurde. 

Dass  der  berühmte  Reisende  nun  eines  so  ungeheuerlichen 
Schnitzers  fähig  war,  ist  auffallend,  dass  Männer  wie  Lazarus 
und  Steinthal  ihn  passiren  Hessen,  nur  damit  zu  entschuldigen, 
dass  sie  den  Aufsatz  B.'s.  nicht  gelesen  haben.  Wünschens- 
werth  aber  wäre,  dass  man  in  Zukunft  die  einigermaassen  be- 
kannte Literatur  der  Juden  mit  etwas  anderen  Augen  ansehen 
möge,  als  die  Sitten  von  Karaiben  und  Kamschadalen. 

J.  F. 


36  Recensionen  und  Anzeigen. 


Recensionen  nnd  Anzeigen. 


Festrede  bei  der  am  3.  Januar  1861  vom  Vereine  zur  Förderung 
israel.  Interessen  in  Leipzig  veranstalteten  Gedächtniss- 
feier  Moses  Mendelssohns,  gebalten  von  Dr.  A.  M.  Gold- 
schmidt.   Leipzig.     Fr.  Nies'sche  Buchdruckerei. 

Mendelssohn  ist  bis  auf  die  neueste  Zeit  mehr  vom  Partei- 
ais vom  wissenschaftlichen  Standpunkte  aus  beurtheilt  worden. 
Die  Einen  sahen  in  ihm  einen  Reformator,  Andere  stellten  refor- 
matorische Einflüsse  M.'s  einfach  in  Abrede,  ohne  sich  Rechen- 
schaft darüber  abgeben  zu  können,  durch  welche  Leistungen, 
wenn  nicht  durch  reformatorische,  sein  Auftreten  von  so  nach- 
haltiger Wirkung  für  Juden  und  Judenthum  sein  konnte.  Wir 
fühlen  uns  deshalb  veranlasst,  auf  eine  Schrift  aufmerksam  zu 
machen,  welche,  obwohl  sie  nur  unter  dem  bescheidenen  Namen 
einer  Festrede  auftritt,  in  der  selten  etwas  Neues  gesucht  wird, 
dennoch  mit  der  lange  vermissten  Klarheit  und  Bestimmtheit 
entwickelt,  worin  der  eigentliche  Kern  der  Bedeutung  M.'s  liege 
—  und  können  wir  wohl  sagen  —  sogar  einen  neuen  wissen- 
schaftlichen Gesichtspunkt  für  dessen  Beurtheilung  aufstellt.  Mit 
dem  gründlichen  Nachweise,  dass  M.  die  unerlässlichen  Eigen- 
schaften eines  Reformators,  Negation  und  Opposition,  gänzlich 
fehlten,  wird  zunächst  die  früher  allgemein  verbreitete  Ansicht 
widerlegt.  Die  Ausführung  fesselt  um  so  mehr,  als  der  Redner 
auch  auf  den  Ursprung  dieser  irrigen  Meinung  und  auf  die 
falschen  Anschauungen,  die  zu  dieser  geführt,  genau  eingeht. 
Man  wollte  nämlich  in  M.  durchaus  den  jüdischen  Luther  sehen 
und  als  solcher  musste  er  auch  natürlich  gegen  eine  Hierarchie 
und  gegen  übermüthige  Kirchenfürsten  oppositionell  auftreten. 
Daher  stellte  man  M.als  Gegner  des  Rabbinismus  und  derRabbinen 
dar,  ohne  zu  bedenken,  dass  M.  als  Jude  sich  nicht  die  freie  Be- 
nutzung der,Bibel  zu  erkämpfen  brauchte  wie  Luther,  und  dass  die 
Rabbinen  des  vorig.  Jahrh.  nicht  ihre  Stellung  missbrauchten  und 
nicht  einmal  dazu  die  Macht  besassen.  —  Worin  aber  liegt  in 


\ 


N 


Recensionen  und  Anzeigen.  37 

Wahrheit  die  Bedeutung  M/s  für  seine  Glaubensgenossen? 
Nicht  darin,  führt  der  Redner  aus,  dass  er  Veränderungen  in- 
nerhalb des  Judenthums  anstrebte,  sondern  darin,  dass  er  den 
in  seinem  bisherigen  Laufe  von  ihm  nicht  gehemmtan  jüdischen 
Geist  mit  dem  deutschen  Geist  vermählte,  dass  er  die  jüdische 
Religion  mit  deutschen  Nationalitätsbestrebungen  in  Einklang 
brachte,  dass  er  die  Juden  in  den  Strom  allgemeiner  Kulturent- 
wickelung trieb.  Und  dass  diese  seine  Bestrebungen  Nach- 
eiferung fanden,  kam  gerade  daher,  dass  er  „sich  als  kein 
Reformator  geberdete",  dass  er  selbst  Vorurtheile  nicht  aus- 
reissen  wollte,  welche  in  der  Gesammtheit  wurzelten,  sofern 
sie  nicht  gerade  entsittlichend  wirkten,  dass  er  den  Grundsatz  be- 
folgte, dass  die  Religion  der  allgemeinen  Kultur  nicht  voraneilen, 
sondern  diese  auf  jene  bestimmend  einwirken  müsse.  Daher 
liegt  auch  die  Bedeutung  M.'s  für  die  Entwickelung  des  Juden- 
thums nicht  gerade  in  den  spezifisch  jüdischen  Schriften,  sondern 
in  der  Gesammtheit  seiner  Werke,  überhaupt  nicht  „in  dem,  was 
er  unmittelbar,  sondern  was  er  mittelbar  für  das  Judenthum 
gethan".  Seine  Leistungen  für  die  deutsche  Literatur  und  für 
die  deutsche  Philosophie,  da  sie  die  grösste  Bewunderung 
seiner  Zeitgenossen  hervorriefen,  wurden  zu  Leistungen  für  das 
Judenthum,  weil  sie  dem  Kopfe  eines  Mannes  entsprangen, 
der  sich  seinen  Glaubensgenossen  durch  die  Weise,  wie  er  das 
Judenthum  gegenüber  Anmassungen  und  Beschuldigungen  von 
aussen  vertrat  und  durch  seine  Anhänglichkeit  an  die  äussern 
Gebräuche  sich  ganz  als  einen  der  Ihren  zeigte.  —  Bei  dieser 
gewiss  richtigen  Auffassung  legt  der  Hedner  nicht  so  sehr  in 
der  Ausführung  dieser  Gedanken  Nachdruck  auf  die  jüdischen 
Schriften,  wie  man  es  in  der  Regel  thut,  sondern  mehr  auf 
diejenigen,  über  welche  berühmte  Zeitgenossen,  wie  ein  Kant, 
sich  begeistert  aussprachen;  die  auf  das  Judenthum  sich  bezie- 
henden Schriften  und  (Korrespondenzen  erscheinen  in  dem  Lichte, 
als  wenn  sie  nur  die  Anhänglichkeit  M.'s  an  seinen  Stamm  und 
seine  Religion  documentirten.  Ja,  er  geht  in  der  Festhaltung 
dieses  Gesichtspunktes  so  weit,  dass  er  sich  durch  die  Ent- 
schiedenheit seines  Standpunktes  den  nicht  ganz  ungerechtfer- 
tigten Tadel  zuziehen  könnte,  einerseits  die  Pentateuch-  und 
Psalmenübersetzung,  die  doch  gewiss  die  Verbindung  des  Ju- 
denthums mit  der  deutschen  Kultur  beschleunigt  hat,  zu  wenig, 


38  Monatschronik. 

auf  der  anderen  Seite  das  Deutschthum  M/s  bisweilen  zu  sehr 
hervorgehoben  zu  haben.  Solche  Einzelheiten  thun  aber  dem 
Ganzen  keinen  Eintrag;  ein  allgemeiner  Gesichtspunkt  für 
die  richtige  Würdigung  M/s  ist  hier  jedenfalls  in  wenigen,  sich 
durch  eine  kernige  und  markige  Sprache  auszeichnenden  Seiten 
gegeben. 


Monatsckrtnik. 


Berlin.  Durch  die  Berufung  des  Barons  von  Rothschild  in 
das  preussische  Herrenhaus  ist  nunmehr  auch  dieser  Factor  der 
preussischen  Gesetzgebung  seines  exclusiv  christlichen  Charak- 
ters entkleidet  worden  und  ist  aus  diesem  Grunde  der  Eintritt 
des  genannten  Herrn  immerhin  ein  Ereigniss,  das  in  den  Anna- 
len  der  Geschichte  der  deutschen  Juden  aufgezeichnet  zu  wer- 
den verdient. 

Mecklenburg1.  Durch  das  vom  Reichstage  und  Bundesrathe 
des  norddeutschen  Bundes  angenommene  Freizügigkeitsgesetz 
sind  auch  die  Grossherzogthümer  Mecklenburg  -  Schwerin  und 
Strelitz  gezwungen  worden,  der  Standeversammlung  Vorlagen 
behufs  Abänderung  der  dort  bestehenden  Judengesetze  zu  ma- 
chen. Von  welchem  Geiste  die  Regierung  wie  die  Majorität  der 
Stände  jedoch  beseelt  sind,  erhellt  aus  den  kleinlichen  Einschrän- 
kungen, die  man  zu  Nutz  und  Frommen  des  christlichen  Staates 
aufrecht  erhalten  zu  müssen  glaubte.  Besonders  bemerkenswerth 
in  den  interessanten  Verhandlungen  über  diesen  Gegenstand 
sind  die  Worte  des  Mitgliedes  der  Ständeversanimlung,  des 
Landrathes  von  Oertzen  —  Kotelow,  der  den  Untergang  der  bei- 
den Mecklenburg  gekommen  sieht,  wenn  jemals  ein  Jude  Mitglied 
der  Landschaft  werden  sollte. 

Pesth.  Das  Gesetz  über  die  politische  Gleichberechtigung 
der  Juden  ist  in  den  letzten  Tagen  des  Decembers  von  beiden 
Häusern  des  ungarischen  Reichstages  mit  ungemeiner  Majorität 


Monatschronik.  39 

angenommen  worden.  In  der  Deputirtentafel  brachte  der  Ab- 
geordnete Koloman  Tisza  Namens  der  siebenten  Abtheilung  zu 
der  Regierungsvorlage  ein  Amendement  ein ,  das  allen  Religionen 
Gleichberechtigung  in  bürgerlicher  Beziehung  zuerkennt,  zog 
aber  im  Verlaufe  der  Debatte  dieses  Amendement  vorläufig  zu- 
rück, um  „die  brennendste  aller  inneren  Fragen,  die  der  Israe- 
liten", zuvor  zu  erledigen  und  durch  seinen  Antrag  keinen  neuen 
Aufschub  herbeizufuhren.  In  der  Magnatentafel  wurde  die 
Vorlage  mit  60  Stimmen  gegen  4  nach  kurzer  Debatte  angenom- 
men. Bemerkenswerth  ist,  dass  unter  den  dissentirenden  Mit- 
gliedern sich  kein  Bischof  befindet.  —  In  Festh  herrscht  grosse 
Freude  über  die  gluckliche  Lösung  dieser  Frage  und  man  hegt 
die  gegründete  Hoffnung,  dass  das  Gesetz  nicht  nur  auf  dem 
Papiere  stehen,  sondern  stricte  zur  Ausfuhrung  kommen  wird. 

Rumänien.  Ein  vertrauliches  Rundschreiben  des  Ministers 
des  Innern,  Stephan  Golesco,  an  die  Prafecten  ist  durch  Zu- 
fall in  die  Oeffentlichkeit  gelangt  und  wirft  ein  schreckliches 
Licht  auf  die  Absichten  der  rumänischen  Regierung  hinsichtlich 
der  dortigen  Juden.  Das  Schriftstück  in  scheinheilig  heuchle- 
rischem Tone  abgefasst,  erklärt  die  Juden  für  eine  Landplage, 
welche  auszurotten  die  Regierung  und  ihre  Beamten  sich  sehr 
angelegen  sein  Hessen.  Allein  der  Herr  Minister  rieth  grosse 
Vorsicht  hierbei  an,  da  blinder  Eifer  der  guten  Sache  schaden 
und  Rumänien  in  den  Augen  der  civilisirten  Welt  compromittiren 
kOnnte.  Das  von  einzelnen  Prafecten  und  Unterbeamten  an  die 
Juden  erlassene  Verbot,  christliche  Dienstboten  zu  halten,  zeuge 
von  einem  solchen  Eifer  und  müsse  daher  zurückgenommen 
werden.  Im  Uebrigen  hoffe  die  Regierung,  wenn  sie  von  ihren 
Beamten  verstandig  unterstützt  werde,  nach  und  nach  unter  ver- 
schiedenen Vorwänden  die  Juden  los  zu  werden,  nur  müsse 
man  ihr  Zeit  lassen  und  ihr  nicht  durch  voreilige  Handlungen 
die  Erfüllung  ihrer  hohen  Aufgabe  erschweren. 

Dieses  Schreiben,  gegen  dessen  Echtheit  bisher  kein  Zweifel 
erhoben  worden  ist,  charakterisirt  zur  Genüge  die  Absichten 
der  Regierung,  und  unter  solchen  Umständen  haben  selbst  die 
Worte  des  Fürsten,  der  vor  einigen  Tagen  bei  Eröffnung  des 
Landtages  in  der  Thronrede  seine  humanen  Gesinnungen  gegen 
die  Juden  zu  erkennen  gegeben,  nicht  den  geringsten   Werth; 


40  Monatschronik. 

denn  entweder  denkt  auch  er  wie  seine  Räthe  nur  daran,  den 
Schein  zu  wahren,  oder  seine  Absichten,  wenn  sie  wirklich 
gut  sind,  werden  durch  seine  eigenen  Beamten  und  Diener 
vereitelt, 

Wien.  Durch  das  in  den  letzten  Tagen  des  abgelaufenen 
Jahres  publicirte  Reichsgrundgesetz  für  die  im  Reichsrathe  ver- 
tretenen Länder  der  Österreichischen  Monarchie  ist  den  Juden 
die  politische  Gleichberechtigung  mit  den  übrigen  Staatsbürgern 
zuerkannt  worden. 


Berichtigung. 


Smmmmmmi 


»*»^% 


Die  zu  Wien  erscheinende  „Presse"  brachte  zu  verschiedenen 
Malen  die  Nachricht,  es  sei  in  dem  jüd.-theol.  Seminar  zn  Breslau 
ein  katholisches  Mädchen  ans  Wien  in  das  Judenthum  aufgenommen 
worden.  Diese  Mittheilung  beruht  offenbar  auf  irgend  einer  Ver- 
wechselung, im  Seminar  wurde  nie  ein  Christ  oder  eine  Christin  in 
das  Judenthum  aufgenommen.  Das  Seminar  verfolgt  überhaupt  nur 
theoretisch -wissenschaftliche,  aber  nicht  praktische  Zwecke. 

Breslau,  10.  Januar  1868. 

Dr.  Z.  Frankel, 

Director  des  jüdisch -theologischen  Seminars. 


Emanuel  Oaaund  und  Jean  Faul. 

Von  Dr.  M.  Kayserling. 


Mendelssohn  und  Lessing  —  diese  beiden  Namen 
werden  immer  zusammen  genannt,  weil  man  den  einen 
ohne  den  andern  kaum  mehr  denken  kann  —  waren 
durch  die  Bande  einer  so  innigen  Freundschaft  verknüpft, 
wie  sie  keine  Zeit  idealer  aufzuweisen  hat.  In  dem  Masse 
wie  sie  beide  über  das  Gewöhnliche  erhaben  waren,  tritt  uns 
auch  ihre  Freundschaft,  ihr  gemeinsames  Wirken  und 
Schaffen  verklärt  entgegen:  der  bescheidene,  liebens- 
würdige, philosophische  Mendelssohn  und  der  ehrliche, 
geistvolle  Lessing!  Gleicher  Eifer  für  Wahrheit  und 
Geistesfreiheit  hielt  ihren  Bund  bis  an 's  Grab. 

Ein  Beispiel  der  Freundschaft  anderer  Art  finden  wir 
zwischen  Jean  Paul  und  Emanuel.  Dieses  seltene  Freund- 
schaftsbündniss  zwischen  dem  feurigeu,  fesselnden,  von 
seiner  Zeit  bewunderten,  ja  fast  vergötterten  deutschen 
Classiker  und  dem  einfachen,  mit  äusserlicher  Schönheit 
und  seltener  Herzensgüte  begabten,  wohlunterrichteten 
Juden  Emanuel  bietet  gerade  nicht  wichtige  und  erfolg- 
reiche litterarische  und  culturhistorische  Momente,  wohl 
aber  ein  wahrhaft  ideales  Verhältniss ,  das  der  Betrachtung 
in  mehr  als  einem  Punkte  werth  ist. 

F  r  »  n  k  e  1 ,  Monatsschrift.  XVII.  2.  4 


42  Emanuel  Osmund  und  Jean  Paul. 

'Emannel  Samuel  mit  dem  späteren  Zunamen 
Osmund1)  wurde  einige  Monate  später  als  Jean  Paul 
(18.  oder  26.  Juni  1763)  in  einem  Dorfe  eine  Stunde  von 
Schwarzach  in  der  Nähe  Bayreuths  geboren*).  Durch  seine 
Jugendfreundin  Renate  Wirth,  des  Postmeisters  Tochter 
in  Hof,  machte  er  im  Jahre  17938)  die  Bekanntschaft 
des  damals  nicht  in  den  glänzendsten  Verhältnissen  le- 
benden Hauslehrers  Jean  Paul.    Schon  am  3.  September 

1793  schreibt  dieser  an  Renate:  „Gestern  ging  ich  unter 
Finsterniss,  Regen  und  Musik  der  Vogelsetzer -Armee 
zum  guten ,  guten  Mandel  —  so  nannten  ihn  die  Freunde 
—  diese  schöne  Seele  sollte  nichts  feil  haben  als  —  Wahr- 
heiten .  .  .  Wir  discutirten  fast  bloss  —  ich  konnte  gar 
nicht  weg  —  ein  alter  Jude  mit  einem  Barte,  so  lang 
wie  ein  Kometenschwanz ,  kam  dazu  und  sprach  dazu  und 
recht  gut"4).  Jean  Paul  fühlte  sich  zu  Emanuel  mächtig 
angezogen,  dieser  nahm  die  Freundschaft  des  ihm  geistig 
so  weit  überlegenen  Schriftstellers  mit  der  dem  Juden 
damaliger  Zeit  eigenthümlichen  Schüchternheit  an;  sie 
kamen,  wie  Emanuel  selbst  scherzhaft  sagt,  vom  „hoch- 
geehrtesten Herrn"  zum  „hochgeehrten  Freund4',  von  da 
zum  „werthesten",  zum  „theuren",  zum  „schätzbaren", 
zum  „ guten ",  zum  „besten  Freund u6).    Am  30.  October 

1794  richtete  Jean  Paul  von  Hof  aus  den  ersten  Brief  an 
seinen  „geliebten  Emanuel",  der  sich  in  Bayreuth  als 
Kaufmann  häuslich  niedergelassen  hatte,  und  den  dieser 


*)  Den  Namen  Osmund  (altdeutsch:  Beschützer)  nahm  er  1813  auf 
J.  P&ul's  Rath  an.  Lieb  wäre  es  mir,  schreibt  dieser,  wenn  die  Be- 
hörden Sie  anfielen  nnd  befragten,  warum  Sie  denn  keinen  ordent- 
lichen deutschen  Namen  gewählt,  sondern  einen  verflucht  fremden. 

*)  Jean  PauVs  Briefwechsel  mit  Otto,  II,  79;  Denkwürdigkeiten 
aus  dem  Leben  des  Jean  P.  Fr«  Richter  (München  1863)  1, 61,  255,  261. 

■)  Förster,  der  Herausgeber  der  „Denkwürdigkeiten  J.  Pauls", 
seines  Schwiegervaters,  setzt  irrthümlich  den  Anfang  der  Bekanntschaft 
ums  Jahr  1797. 

*)  Jean  Paul's  Briefe  an  eine  Jugendfreundin  (Brandenburg  1858)  57. 

»)  Denkwürdigkeiten  I,  27. 


Emanuel  Osmund  und  Jean  Paul.  43 

14  Tage  später  mehr  im  Tone  der  Ergebenheit  als  der 
Freundschaft  erwiderte;  es  war  immer  noch  ein  geheim- 
nissvolles Etwas,  das  es  so  leicht  za  keiner  innigen  An- 
schliessung  kommen  liess. 

Emanuel  war  ein  Jude  und  ebenso  vorurtheilsfrei  wie 
pünktlich  und  gewissenhaft  in  der  Erfüllung  seiner  religiösen 
Pflichten:  er  liebte  und  verehrte  die  Menschen,  die  sich  als 
brave  Menschen  durch  Tugend  auszeichneten  und  darum 
waren  ihm  auch  die  Weihnachten,  „ohne  ihm  zu  nahe  zu 
kommen",  nicht  gleichgültig1);  am  Tage  der  Zerstörung 
Jerusalems  fastete  er  mit  der  höchsten  Aufopferung9).  Die 
dreizehn  Glaubensartikel  Maimuni's  waren,  wie  er  bei 
Uebersendung  einer  deutschen  Uebersetzung  des  „Jigdal', 
an  Jean  Paul  sich  ausdrückt,  „die  Säulen  des  Glaubens, 
in  welchem  er  das  Licht  der  Welt  erblickte,  in  welchem 
er  erzogen  worden  und  sich  erzogen  hatte,  in  welchem 
er  lebte,  um  selig  zu  leben".  Seine  an  Mendelssohn 
erinnernde  Maxime  war:  „Ich  schäme  mich  nicht,  die 
kleinste  und  lächerlichste  Ceremonie  in  Gegenwart  eines 
jeden  christlichen  Philosophen  zu  verrichten;  ich  mache 
auch  Alles,  was  nicht  moralisch  schädlich  ist,  mit  und 
sehe  es  gerne ,  wenn  ich  darüber  zur  Rede  gestellt  werde. 
Bin  ich  auch  als  Jud  gezwungen,  Vieles  mitzumachen, 
so  ist  doch  das  Denken  keinem  Zwang  unterworfen"3). 
Emanuel  war  in  der  Thät  ein  denkender  mit  einem  für 
seine  Zeit  und  seinen  Stand  ungewöhnlichen  Wissen  aus- 
gestatteter Mann..  Schon  der  Umstand,  dass  er  in  der 
Jugend  schwerhörig  wurde  und  sich  eines  Sprachrohres 
bedienen  musste,  wies  ihn  unwillkürlich  auf  seine  stummen 
Freunde,  die  Bücher,  hin,  und  so  vertiefte  er  sich  in  die 
philosophischen  Schriften  eines  Kant,  Mendelssohn,  Herder, 
und  interessirte  sich  lebhaft  für  Alles,  was  Bildung  und 
Wissenschaft  hiess.  Jean  Paul's  Antrag,  über  philoso- 
phische Materien  mit  ihm  zu  disputiren,  wies  er  mit  aller 


*)  Denkwürdigkeiten  1,  8. 

*)  Jean  Paul's  Briefwechsel  mit  Otto,  II,  82. 

")  Denkwürdigkeiten,  I,  24. 


4* 


44  Emanuel  Osmund  und  Jean  Paul. 

Bescheidenheit  ab;  „Mandel  ist  der  Mensch  nicht,  der  mit 
einem  Richter  über  philosophische  Gegenstände  disputiren 
kann  und  mag.  Ich  muss  mir  schon  bei  diesem  Brief- 
wechsel Se.  Majestät  den  ersten  König  in  Israel  in's  Ge- 
dächtniss  rufen,  der  auch  nicht  wusste,  wie  er  unter  die 
Propheten  kam,  und  ein  altes  Sprüchwort  sagt:  Zu  viel 
Ehre  ist  auch  eine  Schande"1).  Mit  desto  grösserer  Be- 
reitwilligkeit suchte  Emanuel,  in  der  rabbinischen  Literatur 
nicht  unbewandert,  ihm  wie  früher  seinem  älteren  Freunde, 
dem  Hofrath  Schäfer,  auf,  was  er  in  seinen  jüdischen 
Schriften  für  den  christlichen  Gaumen  schmackhaft  erach- 
tete2), und  hat  dadurch  in  gewissem  Sinne  läuternd  auf 
den  deutschen  Classiker  gewirkt  Jean  Paul  war  nämlich 
zu  Anfang  der  Bekanntschaft  mit  Emanuel  nicht  frei  von 
Vorurtheilen  gegen  die  Juden;  hielt  er  doch  die  Seele 
seines  jüdischen  Freundes,  dieses  ,,echt  biblischen  Jona- 
thans", „den  er  als  einen  moralischen  Gott  verehrte", 
wie  er  sich  später  äussert,  „für  einen  Juden  zu  edel!"3) 
Er  kannte,  wie  die  Meisten  seinerzeit,  weder  die  Juden, 
noch  das  Juden  thum.  „Ich  wünschte",  schreibt  er  am 
3.  April  1795  an  Emanuel,  „Sie  theilten  mir  statt  einzelner 
Samenperlen  Ihrer  Rabbinen  eine  ganze  Halsschnur  in 
Druckpapier  eingewickelt  fcu.  Leider  habe  ich  mehr  über 
die  Juden  als  von  den  Juden  gelesen;  von  der  Mischna 
könnte  ich  den  1.  Theil  in  Raabe's  Uebersetzung  bekom- 
men; ich  weiss  nicht,  ob  er  die  Gemara  übersetzt  hat: 
sonst  bat'  ich  Sie  darum,  wenn  Sie  ßie  anders  einem 
Lutheraner  leihen  dürfen,  besonders  über  die  Seelen- 
wanderung und  Unsterblichkeit  möchte  ich  Rabbinen 
hören.  Ihre  Lehrer  haben  zwei  Seelen,  eine  philosophische, 
moralische,  deren  Sinnenblicke  uns  Moses  Mendelssohn, 
Herder  und  andere  sehen  lassen,  und  eine  unbegreiflich 
enge,   eine  Adensute,   die   mit  der  Nabelschnur  in  die 


')  Denkwürdigkeiten,  I,  6. 
•)I,  13. 

•)  J.  Paul  an  eine  Jugendfreundin  17,  Briefwechsel  J.  Paul's  mit 
Otto,  II,  292,  III,  256. 


Emanuel  Osmund  und  Jean  Paul.  45 

Erde,  und  zwar  in  die  palästinische,  eingewurzelt  ist.  Sagen 
Sie  mir  Ihre  Meinung  über  den  kleinherzigen  Zwanggeist  in 
Vorschriften  wie  folgende:  Wenn  Einer  am  Sabbath  ein 
Geschwüre  aufzwickt,  um  es  zu  öffnen,  so  übertritt  er  ihn, 
weil  es  eine  Art  bauen  ist;  aber  es  schadet  gar  nichts, 
wenn  er's  aufmacht,  um  die  Feuchtigkeit  herauszubringen 
(M.  Edajoth,  Kap.  2.  M.  5).  So  die  Untersuchung  im  Ka- 
pitel vorher,  wie  viel  Todtengebeine  dazu  gehören,  um 
ein  Haus  zn  verunreinigen  —  und  so  alle  Bücher  des  Tal- 
muds, die  ich  gelesen.  Womit  ein  Katholik,  ein  Lutheraner 
den  Rabbi  rechtfertigen  muss,  ist  das:  sobald  einmal  z.B. 
der  Glaube  zulässig  ist,  dass  ein  Todter  verunreinige:  so 
muss  der  Talmudist  doch  die  Grenzen  dieser  Verunreini- 
gung untersuchen  dürfen,  bis  er  heraus  hat,  dass  ein  Geräthe, 
das  ein  Geräthe  beVührte,  das  wieder  ein  anderes  berührte, 
das  ein  Todter  berühret,  im  ersten  Grade  unrein  sei.  Und 
wenn  wir  den  Katholiken  die  Heilung  durch  Todtengebeine 
glauben,  so  dürfen  wir  auch  untersuchen,  ob  nicht  Dinge, 
die  an  andere  Dinge  gestossen,  welche  das  Todtenbein 
berührt  haben,  selber  gesund  machen  können?  Der  Phi- 
losoph kann  dazusetzen:  wenn  einmal  die  moralische 
Ergebenheit  gegen  den  Schöpfer  durch  ein  körperliches 
Zeichen  ausbrechen  soll:  so  ist  die  Wahl  des  Zeichens, 
da  jedes  Körperliche  gleich  unendlich  weit  vom  Geistigen 
absteht,  gleichgültig,  und  zwischen  Taufwasser  und  Be- 
schneidung und  zwischen  dem  Fasten  am  christlichen  und 
und  zwischen  dem  Schmausen  am  jüdischen  Schabbas  ist 
als  körperliche  Handlung  kein  Unterschied,  ausser 
dass  die  letztere  Ceremonie  ein  wenig  angenehmer  ist..  Ihre 
Religion  überholt  darin  unsere,  dass  sie  keine  einzige 
theoretische  Unbegreiflichkeit  und  Kontradikzion  wie  un- 
sere fordert.  Ein  Philosoph  kann  leichter  ein  Talmudist 
als  ein  Orthodox  sein.  Gerade  Religionen  uud  Völker 
mit  vielen  scharf  abgeschnittenen  Oeremonien  verwittern 
später  in  Wind  und  Wetter  der  Jahrhunderte,  abändere 
mit  weniger  Ceremonien:  so  die  Sinesen,  Brammen, 
Katholiken  und  Juden  —  je  näher  aber  eine  Religion  (wie 
die  reformirte)  der  Philosophie  kommt,  desto  öfter  ändert 
sie,  wie  die  Philosophie  selber,  Körper  und  Kleid.    Wenn 


46  Emanuel  Osmund  und  Jean  Paul. 

Sie  wollen,  so  will  ich  mit  Ihnen  Briefe,  d.  h.  Abhand- 
lungen über  die  Offenbarung,  über  Wunder,  Religion 
wechseln.  Aber  Sie  müssen  mich  vorher  versichern,  dass 
wir  in  diesem  Punkte  nicht  Kilajim  sind,  die  die  sechste 
Mischna  des  4.  Kapitels  in  Kilajim  so  gut  zusammenzu- 
werfen verbeut,  als  wilde  und  cultivirte  Bäume.  Ich  meine, 
Sie  sollen  mir  vorher  Ihre  Toleranz  mit  dem  wildesten 
Baum  assekuriren ,  der  vielleicht  kein  Baum  des  Erkennt- 
nisses ist  und  der  seine  herben  Holzäpfel  noch  fortträgt, 
ohne  dass  ihm  die  Offenbarung  viele  Reiser  inokuliren 
könne.  Sind  Ihnen  aber  die  freimüthigen  Behauptungen 
—  die  aber  gleichwohl  im  unendlichen  Tempel  des  Uni- 
versums anbeten ,  der  auf  drei  kolossalischen  Säulen  ruht, 
auf  Gott,  auf  Unsterblichkeit,  auf  Tugend  —  nicht  zu 
freimüthig,  so  fangen  wir  sie  an.u 

Wer  erkennt  nicht  sogleich  den  heterodoxen  Theo- 
lögen, dem  es  wahres  Vergnügen  macht,  über  religiöse 
Gegensätze  zu  disputiren? 

Emanuel  liess  nicht  lange  auf  Antwort  warten.  „Auf 
Druckpapier  kann  ich  Ihnen  kein  Armband,  viel  weniger 
eine  Halsschnur  von  meinen  Rabbinischen  Perlen  senden; 
doch  können  Sie  auf  Schreibpapier  nach  und  nach  einige 
Loth  Lotbperlen,  vielleicht  auch  eine  kleine  Zahl  Zahl- 
perlen bekommen. 

Die  Gemara  ist  nicht  übersetzt,  wäre  sie's,  so  wäre 
sie  es  für  den  NichtJuden  so  gut,  wie  die  Mischna.  Warum, 
Lieber!  sagen  sie:  „leider!  habe  ich  mehr  über  als  von 
Juden  gelesen".  Sie  glauben  nicht,  wie  sehr  mir  dies 
leider!  aufgefallen  und  wie  ich  es  nicht  aus  den  Augen 
bringen  kann.  Die  Mischna,  die  Gemara  und  andere  der- 
gleichen Schriften  sind  ohne  Commentar  nicht  zu  brauchen. 
Von  Unsterblichkeit  und  Seelenwanderung  sagt  die  Ge- 
mara nur  wenig. 

Die  zwei  Seelen  meiner  Lehren  könnten  sich  wohl, 
wenn  Widersprüche  die  Verdoppelung  bewirkt,  noch  öfter 
verdoppeln.  Aber  wenn  wir  uns  in  ihre  Bildersprache 
gefunden,  erscheinen  sie  uns  anders.  Vor  Allem  bedenken 
Sie,  dass  der  Talmudist  eine  Grösse  darin  sucht,  die 
äusserste  Grenze  eines  jeden  Dinges  nicht  nur,  sondern 


Emanuel  Osmund  und  Jean  Paul.  47 

einen  jeden  Weg  aus  weitester  Entfernung  zu  dieser 
Grenze  aufzusuchen,  in  der  Uebertretüng  eines  ganz  un- 
bedeutenden Gesetzes  schon  die  Verletzung  der  wich- 
tigsten vorauszusehen.  Darum  sagt  er:  „Wer  am  Sabbat 
ein  Geschwüre  aufzwickt,  blos  um  es  zu  offnen  (ohne 
Noth),  der  übertritt  das  Gesetz  (während  die  Oefihung 
desselben  zur  Heilung  in  der  Ordnung  ist).  Der  Talmudist 
gebraucht  ein  Bild;  die  Gemara  will  damit  sagen:  Wenn 
ein  Geschwüre  ohne  Noth  aufzwicken  schon  eine  Art 
Bauen  oder  Arbeit,  wie  sehr  ist  dann  des, Juden  Pflicht, 
jede  Handlung,  die  er  am  Schabbas  verrichten  will,  ge- 
nau zu  prüfen,  ob  sie  nicht  eine  Art  Handlung  sei?  Dann 
aber  ersieht  der  Jude  zugleich  aus  dieser  Stelle,  dass  er 
im  Falle  der  Gefahr  sich  über  das  Gebot  wegsetzen  kann. 
Nach  mosaischem  Gesetze  war  vieles  „unrein",  worauf 
man  nicht  mehr  achtet.  Uns  macht  jetzt  nichts  mehr 
unrein  und  nichts  mehr  als  andere  Menschenkinder  rein. 
Bios  die  Nachkömmlinge  Arons,  die  sich  auf  ihren  Stamm-» 
bäum  noch  etwas  einbilden,  und  die  bei  uns  auch. viele 
Vorzüge  haben,  berühren  —  ohne  Noth  —  keinen  Todten 
und  betreten  keinen  Ort,  wo  Todte  liegen.  Ihre  Recht* 
fertigung  dieser  Verunreinigungslehre  ist  eben  so  prächtig 
als  wahr  und  die  dazu  gesetzte  Meinung  über  alles  schön 
und  richtig." 

Unmittelbar  nach  Empfang  des  Briefes  antwortete  Jean 
Paul  seinem  „guten  Guten":  „Ihr  Brief  ist  für  mich  ein 
Katheder  oder  vielmehr  ein  Hohlspiegel,  der  mir  im 
Bauche  der  Worte  den  abgeschiedenen  Geist  des  Juden- 
thums  schwebend  darstellt.  Mein  Brief  soll  ein  Sekunda- 
wechsel des  Ihrigen  sein,  oder  vielmehr  eine  zweite 
Auflage  desselben.  Erstlich  über  mein  „Leider  habe 
ich  mehr  über  als  von  den  Juden  gelesen".  Das  kann 
nicht  heissen,  als  ich  beklage  es,  dass  ich  die  Unter- 
drückten fast  blos  aus  dem  Munde  der  Unterdrücker  kenne, 
dass  Christen  die  Portraitmaler  der  Juden  sind,  denen 
nicht  mehr  zu  glauben  ist,  als  wenn  Juden  die  Portrait- 
maler der  Christen  sind.  Denn  der  feine  Geist  jedes 
Volkes  —  eines  so  unähnlichen  zumal  —  verdampft,  wie 
jeder  Spiritus,  in  allen  Schilderungen;  uffd  nur  aus  der 


48  Emanuel  Osmand  und  Jean  Paul. 

Gesehichte,  dem  Leben  und  den  Schriften  des  Volkes 
selber  ist  sein  Spiritus  rector,  sein  Lebensgeist  rein  abzu>- 
dunsten  und  zu  kohibiren. 

Allerdings  haben  Sie  Recht,  dass  der  Talmudist  sich 
in  den  äussersten  Grenzen  seiner  Bestimmungen  gefalle-, 
auch  darin  haben  Sie  Recht,  womit  Sie  ihn  rechtfertigen, 
dass  einer  nämlich,  der  über  ein  kleines  Gesetz  weg- 
schreitet, endlich  auch  das  grosse  überspringe.  Aber  da- 
mit ist  der  Talmudist  wenig  gerettet.  Zwar  wird  man 
tugendhaft  auf  einmal,  d.  h.  durch  einen  plötzlichen 
Entschluss,  durch  die  sogenannte  Bekehrung,  die  aber 
noch  keine  Tugendfertigkeit  ist,  und  lasterhaft  wird  man 
allmählich,  jeden  Tag  setzet  eine  trübe  Welle  neuen 
Schlamm  ab,  und  ich  sage  in  meinen  Hundsposttagen: 
Die  Tugend  zieht  nur  durch  Portale  in  uns  ein,  aber  der 
Teufel  durch's  Fenster  und  durch  Sphinkter  und  alle 
Poren.  Allein  ich  behaupte,  der  Talmud  entkräftet  durch 
Geremonien  die  Tugend.  Man.  kann  nach  dem  Münzfüss 
aller  Ceremonien  leben,  ohne  eine  einzige  Neigung  — 
was.  gerade  schwer  ist  —  unter  den  Prägsack  der  Moral 
zu  bringen.  Es  ist  dem  eiteln  Menschen  leichter,  die 
Lumpen  der  Mönche  anzulegen  als  ein  simples  Kleid. 
Man  sollte  denken,  wenn  man  lieset,  dass  so  viele  Bra- 
mmen fünfzig  Jahre  lang  in  die  Sonne  oder  auf  die  Nase 
stehen r  auf  einem  Beine  stehen,  Schlaf  entrathen  und  die 
höchsten  Martern  an  sich  fortsetzen,  oder  dass  so  viele, 
unserer  Mönche  und  Heiligen  sich  todt  geissein,  todt 
beten,  todt  hungern  —  man  sollte  denken,  sag'  ich,  solche 
Aufopferungen  müssten  die  kleinern,  die  die  Tugend 
fordert,  voraussetzen ,  und  es  musste  ebenso  viele  Tugend- 
hafte, als  Heilige  und  Märtyrer  geben  ...  Und  es  ist 
doch  nicht  so.  Die  Ursache  ist:  alle  jene  Büssungen, 
jene  Ceremonien  vertragen  sich  leicht  mit  der  grössten 
Wildniss  des  Herzens,  und  es  ist  viel  leichter,  die  ganze 
Thora  des  Talmuds  als  ein  einziges  Reglement  aus  der 
Thora  des  Gewissens  zu  befolgen.  Dazu  maeht  der 
talmudische  Sachsenspiegel  den  Menschen  kleinlich  und 
eng:  die  edle  Seele  steigt  über  religiöse  Ceremonien  so 
gut  als  über  bürgerliche  und  dringt  in  den  reinen  grossen 


Emanuel  Osmund  und  Jean  Paul.  48 

m 

Himmel.  Noch  in  der  andern  Welt  werden  wir  auf  unsere 
Tugenden,  Aufopferungen  und  Thränen  in  dieser  ohne 
Verachtung  niederbücken ;  aber  vergängliche  Dinge,  solche 
wie  Enthaltung  vom  Todtenberühren,  wo  ebenso  gut  das 
Gegentheil  geboten  sein  könnte,  müssen  uns  dort  winzig 
erseheinen,  wie  die  warme  Erdenkruste  des  Körpers,  an 
den  sie  gebunden  sind.  Ueberhaupt  hängt  Ihrer  sonst 
scharfsinnigen  Nation:  —  deren  Physiognomie  durchgängig 
die  scharfe,  mit  vordringenden,  festen  Gesichtstheilen 
schneidende  des  Scharfsinns  ist  (ich  habe  noch  an  keinem 
Juden  die  ^ie  eine  Wanze  gedrückte  Kalmuekennase 
bemerkt)  —  etwas  Mikrologisches  an,  was  ich  gern  zum 
Sohne  des  Talmud  und  der  Masöra  machen  möchte, 
wenn  es  nicht  der  Vater  beider  wäre.  —  In  der  Kabbala 
ist  mehr  Philosophie  in  Dichtkunst  vererzt  als  in  jenen 
beiden. 

Alles,  was  wir  körperlich  oder  äusserlieh  vor  dem 
Unendlichen  tbun,  kurz,  was  nicht  Gedanke  ist,  also 
alles  laute  Beten,  Knien,  Händefalten  ist  Ceremonie, 
nicht  Tugend  (obwohl  Aeusserung  der  Tugend)  und  alles 
das  könnte  eben  so  gut  im  Gegentheil  bestehen;  es  wäre 
ebenso  fromm,  wenn  ich  beim  Beten  aufstände  oder 
niederfiele,  den  Kopf  bedeckte,  wie  die  Römer  entblösste. 
Also  folgt  daraus  gegen  alle  Ceremonien  —  nicht  das 
Geringste.  Wir  armen,  vom,  Fleischpanzer  umklammerten 
Menschen,  wir  öden,  in  die  scharfen  Ketten  geworfenen 
Seelen,  wir  müssen,  wenn  unser  edles  Ich  seine  Flügel 
aufschlägt,  diese  innere  Bewegung  durch  eine  äussere 
unseres  Gehäuses  offenbaren.  Wie?  ist  denn  z.  B.  die 
geringste  Aehnlichkeit  zwischen  dem  Druck  der  Hand 
oder  der  Lippe  und  zwischen  dem  liebenden  heissen  Ge- 
Ahle, das  mit  jenem  Druck  schmerzhaft -süss  aus  seinem 
Kerker  an  den  andern  Leibeskerker  der  geliebten  Seele 
klopft?  Wenn  ich  voll  Liebe  meine  Arme  um  die  geliebte 
Gestalt  herumlege,  ist  dann  zwischen  diesem  Zeichen  und 
der  bezeichneten  Sache  die  mindeste  Aehnlichkeit,  da  oft 
der  Groll  ebenso  gut  umfasset  um  zu  erwürgen?  Konnte 
das  Schütteln  des  Kopfes,  das  bei  allen  Völkern  Nein 
bedeutet,  nicht  ebenso  gut  ein  Ja  anzeigen?    Also  da 


50  Emanuel  Osmund  und  Jean  Paul. 

unsere  beklommene  Seele  keine  Zunge  und  keine  Farbe 
für  ihre  Bilder  hat,  so  verschmähe  Niemand  die  Farbe, 
die  sie  im  Drange  der  Empfindung  ergreift.  0,  der  arme 
Mensch  kann,  wenn  er  auch  den  ganzen  Tag  darüber 
philosophirt  hat,  dieser  kann,  wenn  er  draussen  vor  der 
untersinkenden  Sonne  steht,  die  mild  und  gross  zur  an- 
dern Halbkugel  hinunterzieht  und  die  der  unsrigen  an 
den  Blüthen  und  Bergen  die  Gesundheitsröthe  eines  sanft 
erwärmten  Tages  nachlasset,  und  wenn  er  als  ein  Wunder 
unter  Wundern  steht,  als  ein  Glücklicher  unter  Glücklichen, 
als  ein  einiger  Geist  unter  den  einigen  Körpern  um  ihn 
her,  dieser  Mensch  kann  Abends,  wenn  er  endlich  in  den 
Himmel,  aus  dem  die  Sonne  gesunken  ist,  aufblickt  zum 
grossen  glimmenden  Blau,  in  dem  entflogene  Funken  dea 
Thrones  eines  Ewigen  schillern,  dieser  umss,  von  der 
Allgewalt  der  Schöpfung  niedergedrückt,  auf  die  schwachen 
Menschenknie  stürzen  und  beten:  „Du  Unendlicher,  dein 
Geschöpf  sinket  zusammen,  wenn  Du  erscheinest,  ach 
ich  werfe  gerne  dieses  Angesicht  aus  Erde,  dieses  Herz 
aus  Erde  auf  Deine  Erde  nieder ,  denn  ich  will  Dir  nicht 
danken,  sondern  nur  zertrümmert  und  brennend  und 
verstummend  reden".  —  0!  jedes  Zeichen  der  Andacht 
ist  ehrwürdig,  unter  jedem  Volk  —  wir  haben  alle  das- 
selbe Herz  und  denselben  Gott,  und  unsere  kleinen  Ver- 
schiedenheiten sind  gewisslich  diesem  ewigen  Geiste  nur 
—  Aehnlichkeiten. 

Ich  habe  mich  in  Flammen  geschrieben  über  Dinge, 
wo  ich  statt  Zeilen  Bogen  brauchte,  wie  über  mehrere 
Dinge  Ihres  lieblichen  Briefes.     Leben  Sie  wohl,   liebe 

Seele!"1)- 

Auf  diesem  Wege  konnte  und  wollte  Emanuel   dem 

Freunde  nicht  folgen,    ohne  die  Ruhe  seines  Gemüthes 

zu  verlieren ;  er  mied  es  für  die  Folge ,  in  seinen  Briefen 

religiöse  Themata  zu  berühren  und  tischte  ihm  auch  nichts 

mehr  aus  dem  Talmud  auf.    Erst  nach  anderthalb  Jahren 

(24.  November  1796)  gab  er  ihm  wieder  einige  Legenden 


')  Denkwürdigkeiten  I,  14  ff. 


Emanuel  Osmund  und  Jean  Faul.  51 

aus  dem  Talmud  und  dem  Midrasch  über  die  Offenbarung 
zum  Besten1).  Diese  gefielen  dem  die  Gleichnisse  über- 
haupt liebenden  Dichter  so  ausserordentlich,  dass  er  „die 
rabbinische  Geschichte  der  Thora  für  den  feinsten  Umriss 
ihres  Zweckes  und  ihrer  Schranken"  hielt  und  er  seine 
Bitte  „um  halbe  Seiten  aus  dem  Talmud  zumal  über  den 
Tod"  erneuerte7).  Emanuel  mochte  ihm  eine  solche  Bitte 
nicht  abschlagen  und  war  ihm  in  der  liebenswürdigsten 
Weise  zu  Willen,  in  einem  Gratulationsschreiben  zum 
Geburtstage  (21.  März  1797): 

„Moses  sagte  am  letzten  Tage  seines  Lebens :  „ich 
bin  heute  120  Jahre  alt.  David  war  an  einem  Sabbath 
geboren  und  wusste,  dass  er  genau  70  Jahre  (die  ihm 
Adam  von  seinem  Tag  Gottes  —  1000  Jahre  —  zukommen 
lassen,  weil  er  ohne  diese  grosse  Generositö  eine  vor- 
zeitige Geburt  hätte  werden  müssen)  zu  leben  hatte  und 
wieder  an  einem  Sabbat  sterben  würde.  Daraus  folgern 
wir,  dass  grosse  Menschen  am  letzten  Geburtstage  ihren 
ersten  Ruhetag  feiern.  Sie,  geliebter  Einziger,  kamen 
einige  Tage  vor  mir  in  die  Arbeit.  Wenn  Sie  nun  auch 
vor  mir  in  der  grossen  Lehrschule  frei  gesprochen  wür- 
den? Dies  müsste  —  nach  uns  —  an  einem  Heute  sein; 
und  ich,  ich  sollte  Ihren  zweiten  Geburtstag  nicht  dort 
erleben?  Nein!  das  wird  Gott  nicht  wollen,  dass  eines 
seiner  Geschöpfe  so  unglücklich  sei,  wie  ich  dann  sein 
müsste.  Nehmen  Sie  sich  wenigstens  ein  Beispiel  an 
einem  unserer  ersten  Lehrer!  Als  er  sterben  und  sein 
Testament  machen  wollte,  sagte  er  u.  a.:  „Joseph  und 
Simon  (seine  Schüler  und  treuen  Diener)  bedienten  mich 
bei  meinem  Leben;  sie  sollen  es  auch  nach  diesem". 
Man  glaubte,  er  meine  die  Leichendienste.  Allein,  sie 
starben  ein  Paar  Tage  vor  ihm,  und  nun  wusste  man, 
dass  er  verordnet  hatte,  sie  sollten  ihn  dort  bedienen. 


>)  I,  57  f.    Ich  tlicile  diese  bekannten  Legenden  hier  nicht  mit, 
sie  befinden  sich  Talm.  babli  Sabbath  88  b,  Jalkut  211a. 
*)  I.  59. 


52  Emanuel  Osmund  und  Jean  Paul. 

Beiläufig!  Eiu  gutes  Zeichen  für  den  Sterbenden  iet, 
wenn  er  lächelnd ,  hell  oder  das  Gesicht  in  die  Höhe  (nur 
nicht  gegen  die  Wand !)  oder  nach  den  Umstehenden,  wenn 
er  an  einem  Freitage,  in  der  Nacht  gleich  nach  dem  Ver- 
söhnungstage, oder  an  einer  leichten  Krankheit  stirbt... ul) 

Nur  selten  begegnen  wir  Emanuel  in  seiner  einen 
Zeitraum  von  über  dreissig  Jahren  umfassenden  Corre- 
spondenz  mit  Jean  Paul  noch  auf  dem  Gebiete  der  rab- 
binischen  Literatur,  der  er  übrigens  ebenso  wenig  untreu 
wurde,  wie  er  sich  je  den  Gesammtinteressen  seiner 
Glaubensgenossen  entzog;  es  gebührt  ihm  das  Lob,  dass 
er  in  seinen  freilich  begrenzten  Kreisen  an  der  geistigen 
und  politischen  Hebung  derselben  den  thätigsten  Antheil 
nahm;  durch  Treue  und  Festigkeit  im  Glauben,  durch 
strenge  Gerechtigkeit,  Menschenliebe  und  Vaterlandsliebe 
ging  er  ihnen  als  Beispiel  und  Musterbild  immer  voran. 
Geliebt  und  geachtet  von  Allen,  die  ihn  kannten  —  und 
er  hatte  eine  weitreichende  Bekanntschaft,  behauptete 
doch  der  Herzog  von  Meiningen  steif  und  fest,  den  Auf- 
satz über  die  Juden  in  Herd  er' s  Adrastea  hätte  kein  An- 
derer als  Emanuel  geschrieben !  —  lag  ihm  doch  die  Zurück- 
setzung, welche  die  Juden  im  Allgemeinen  erfuhren, 
centnerschwer  auf  dem  Herzen.  „Ich  kann  nicht  ohne 
Rührung  bleiben",  schreibt  er  den  12.  Juli  1795  an  Jean 
Paul,  „wenn  ich  von  der  Tugend  der  Vaterlandsliebe 
lese.  Und  doch !  den  Juden  und  wäre  er  einer  der  ange- 
sehensten, grössten,  brauchbarsten,  d.  h.  reichsten,  kann 
ich  bei  der  jetzigen  Lage  der  Dinge,  nach  welcher  er 
dem  Staate  nicht  im  mindesten  nützlich  sein  kann,  darf 
und  soll,  nicht  zum  christlichen  Tagelöhner  hinauf 
heben,  auch  nicht,  wenn  er  die  Ehre  hätte,  Hofjude 
zu  sein!  (Wie  hässlich  klingt  das  in  mein  Ohr  .  .  .) 
Von  Kindesbeinen  an,  d.  h.  so  lange  ich  von  Vaterlands- 
liebe nur  etwas  hörte,  war  es  mein  Wunsch,  sie  an  den 
Tag  legen  zu  können.   Aber  es  war  und  ist  nicht  möglich"2). 


>)  Denkwürdigkeiten  I,  61. 
*)  I,  32. 


Emanuel  Osmund  and  Jean  Paul.  53 

Wie  dankbar  bewies  er  sich  för  die  kleinste  den  Ju- 
den erzeigte  Gunst!  Ein  Bayreuther  Beamter,  Kölle,  er- 
krankte. Er  hatte  för  die  Juden  der  Stadt  so  viel  gethan, 
dass  mehrere  för  ihn  um  Genesung  beteten.  Kölle  erfuhr 
dies  vor  seinem  Tode,  liess  der  Gemeinde  danken  und 
Lebewohl  sagen.  Emanuel  setzte  beides  mit  ein  „paar 
simpeln  Worten"  auf  und  liess  es  am  Tage  der  Zerstörung 
Jerusalems  in  der  Synagoge  vorlesen1). 

Jede  Nachricht  über  die  Bessergestaltung  der  socialen 
Verhältnisse  der  Juden  beglückte  ihn.  Nachdem  sich 
Jean  Paul  in  Berlin  aufgehalten,  bei  „dem  berühmten 
Herz  und  dessen  grossen  gelehrten  Frau"  gespeist  und 
bei  der  Bernard  -Gad  „mit  einem  zu  feurigen  Herzen  zu 
kämpfen  hatte",  schrieb  er  an  Emanuel:  „Es  wird  Sie 
meine  Nachricht  freuen,  dass  die  Juden  in  Berlin  den 
aufgeklärteren  Theil  Berlins  ausmachen  —  das?  sie  die 
jüdische  Noblesse  heissen,  fremde  Künstler  und  Gelehrte 
an  sich  ziehen  —  in  Graun's  Passion  gegen  sich  selber 
singen  und  zu  witzig  sind2).  „Ja  wohl  freut  es  mich", 
erwiderte  Emanuel ,  „  dass  die  Juden  in  Berlin  so  glücklich 
sind,  wie  bald  mehrere  werden  müssen  und  werden,  so- 
bald nur  die  jetzige  Jugend  Aelternpflichten  bekommt. 
Die  Juden  werden  Alles  eher  werden  als  Borger;  aber 
sie  werden's  doch.  Die  Juden  werden  wie  die  Christen 
nützlicher  und  besser,  wenn  die  Staatsverfassungen  besser 
werden.  Gleichwohl  kann  und  mag  ich  die  Juden  nicht 
lossprechen  von  der  Schuld  selbstbereiteter  Hindernisse"8). 

Sobald  sich  irgend  eine  Gelegenheit  bot,  die  Bildung 
seiner  Glaubensgenossen  zu  befördern  oder  sie  mit  christ- 
lichen Freunden  bekannt  zu  machen ,  so  scheute  er  keine 


!)  Briefwechsel  J.  Paul's  mit  Otto,  II,  82. 

*)  Denkwürdigkeiten  I,  73.  Seinem  Freunde  Otto  meldete  er 
n.  a.  (Briefwechsel  mit  Otto,  III,  362):  „Die  Juden  und  Jüdinnen  sind 
hier  (in  Berlin)  so  fein  geglättet  und  zugeschnitten  wie  ihr  Gold. 
Eine  Societät  von  vielen  Tausenden  zu  ihrer  Glaubens-Revolution  geht 
über  Europa  hin'4. 

*)  Denkwürdigkeiten  I,  74. 


54  Emanuel  Osmund  und  Jean  Paul. 

Mühe  und  kein  Opfer.  Jean  Paul  lernte ,  wir  wissen  nicht 
wie,  eine  jüdische  Familie  aus  Königsberg  kennen,  er 
erfreute  sie  durch  einen  Brief,  der  selbstverständlich  nicht 
unbeantwortet  blieb.  Emanuel  wünschte,  dass  Jean  Paul 
der  Königsberger  Familie  noch  einmal  schriebe,  was  der 
sonst  schreibselige  Dichter  aus  uns  unbekannten  Gründen 
zu  thun  sich  weigerte.  Emanuel  ersuchte  ihn  mehrere 
Male,  auch  der  gemeinschaftliche  Freund  Otto  legte  sich 
in's  Mittel.  „Emanuel  wünscht",  schreibt  er  am  9.  Octo- 
ber  1799,  dass  Du  den  jüdischen  Eheleuten  noch  einmal 
schreiben  möchtest.  Sein  Brief  sagt  Dir,  wie  viel  ihm 
daran  liegt.  Erfülle  seineu  Wunsch  ....  Ausser  der 
erfreulichen  Theilnahme  an  seinen  bessern  Religions- 
genossen verdient  die  Frau  recht  viel  Achtang  und  der 
Mann  hat  einiges  talmudische  Aehnliche  mit  Emanuel, 
besonders  in  der  Stelle:  mein  Dank  ist  wortarm,  aber 
reich  —  an  Dank,  hätte  ich  bald  gesagt,  und  im  Gegen- 
satz des  aufklärenden  18.  und  des  aufgeklärten  Jahrhun- 
derts, das  diesem  folgen  soll.  Für  mich,  da  ich  gewiss 
weiss,  dass  Du  an  die  Unbekannten  schreiben  wirst,  bitte 
ich,  dass  Du  sie  mit  E.  bekannt  machest"1).  Sieben 
Wochen  später  berührte  Otto  diesen  Punkt  noch  einmal: 
„Wenn  Dir  E.'s  Bitte  und  die  meinige  wegen  des  Königs- 
berger Ehepaares  schwer  vorkommt,  so  lass  sie  Dir,  ich 
bitte  Dich  nochmals,  nicht  unthunlich  scheinen.  E.  zweifelt 
oder  verzweifelt  beinah  an  seinen  Religionsgenossen  und 
wenn  er  dann  nur  etwas  Erfreuliches  findet,  so  erhebt 
es  ihn  und  er  schätzt  es  dann  höher  als  er  sollte"2). 
Nach  Monate  langem  Zaudern  gab  Jean  Paul  endlich  nach : 
an  demselben  Tage,  an  dem  Emanuel  gefährlich  darnieder- 
lag, richtete  der  christliche  Freund  von  Weimar  aus  am 
letzten  Tage  des  Jahres  1799  an  das  Königsberger  Ehe- 
paar folgendes  interessante  Schreiben: 

„Ich  will  dieses  Jahr  mit  keiner  Schuld  beschliessen, 
die  ich  tilgen  kann.  Meine  Sommerreisen  und  Herbst- 
arbeiten haben    mich  bisher  von   der    schönen    Stunde 


>)  Briefwechsel  mit  Otto,  III,  167. 
*)  Briefwechsel  mit  Otto,  III,  198. 


Emanuel  Osmund  und  Jean  Paul.  55 

entfernt,  liebenswürdiges  Paar,  worin  ich  mit  Ihnen  spre- 
chen wollte.  Gerade  der  entdeckte  Unterschied  unserer 
Religion,  wenn  er  noch  einer  ist,  gab  mir  eine  Freude 
mehr  und  eine  noch  grössere  Achtung  für  Sie,  weil  Sie 
mehr  Vorurtheile  zu  besiegen,  haben,  um  uns,  als  wir, 
um  Sie  kennen  und  lesen  und  lieben  zu  lernen. 

Der  Verstand  Ihrer  Nation  wird  einen  immer  reineren 
und  hohen  Weg  nehmen ;  aber  wie  sich  das  Herz  dessel- 
ben wärmer  und  heiliger  bilde,  ist  schwer  zu  prophezeien, 
da  zu  dieser  Bildung  immer  eine  äussere  Form  —  die 
der  Regierung,  der  Religion  etc.  —  gehört.  Die  jetzige 
ist  die  ungünstigste,  die  des  kleinen  Handels.  Unser 
ganzes  Jahrhundert,  zumal  in  England,  trinkt  aus  dem 
merkantilischen  Giftbecher ;  was  aber  Ihr  Volk  am  tiefsten 
zerrüttet  hat,  war  die  Notwendigkeit  weniger  des  Han- 
dels, als  des  kleinen,  und  die  eines  gegen  Feinde. 

Ich  habe  einen  Freund  unter  ihrer  Nation,  Emanuel 
in  Bayreuth,  mit  dem  ich  wenige  Freunde  aus  der  mei- 
nigen vergleichen  kann,  moralisch  vollendet,  stark  und 
weich,  thätig  und  denkend,  unerschütterlich  und  tolerant, 
für  die  Erde  und  den  Himmel  gemacht.  Seine  Liebe  für 
sein  Volk  hatte,  da  er  Ihren  lieben  Brief  sah,  viel  Antheil 
an  der  zweiten  Antwort  darauf. 

Leben  Sie  getröstet  vor  dem  dunkeln  Anblick  der 
Zeit,  und  stellen  Sie  sich  vor,  um  es  zu  werden,  dass 
das  Jahrhundert  nur  eine  Stunde  in  der  Erdenzukunft 
macht;  und  dann  wird  sie  eine  flüchtige  Wolke,  die  über 
die  Erde  wegweht,  weniger  irren. 

Antworten  Sie  mir  wieder  und  lieben  Sie  einander 
unverändert  fort,  dann  brauchen  Sie  keinen  Wunsch. im 
neuen  Jahrhundert! " 

J.  P.  Fr.  Richter1). 


*)  Dieser  Brief  wurde  von  Jolowicz  aus  einer  Autograplien- 
Sammlung  in  der  Ztg.  des  Juden ths.  1863,  S.  711  zum  ersten  Male 
yeröffentlicht,  ohne  aber  auf  seine  Entstehungsgeschichte  weitere 
Rücksicht  zu  nehmen. 


56  Emanuel  Osmund  und  Jean  Paul. 

Um  diesen  Brief  hat  sich  der  schwärmerische  Freund 
mit  seinen  überschwenglichen  Liebesversicherungen  so 
lange  bitten  lassen !  Mit  welch  seltener  Liebe  hing  Ema- 
nuel ihm  und  jedem  Einzelnen  seiner  Freunde  an!  „Wenn 
er  den  Himmel  gekauft  hätte,  so  schenkte  er  ihn  seinen 
Freunden,  und  böte  sich  nur  aus,  als  Mietbemann  darin 
zu  wohnen"1).  So  oft  Jean  Paul  nach  Bayreuth  kam, 
bot  ihm  Emanuel  nicht  allein  „Bett,  Tisch,  Stuhl  und 
Lampe  wie  ein  guter  Jude  lächelnd  und  freundlich  au"*), 
der  gastfreie  Freund  hatte  in  seinem  „  kleinen u  Hause 
ein  besonderes  Jean- Paul »Stübchen,  auch  wohl  das  blaue 
Btübchen  genannt,  mit  einem  in's  Kleinste  gehenden  Ameu- 
blement  hergerichtet,  „nicht  einmal  Bindfaden ,  Barometer, 
Himmelblau  (an  der  Wand),  Blumentopf,  Lichtscheere, 
Klavier,  Obst,  Bucher  und  gar  nichts  hat  mein  geliebter 
Emanuel  vergessen",  berichtet  Jean  Paul  an  Renate,  „und 
hätte  er  Mond  und  Sterne  gehabt,  er  hätte  sie  mit  an  die 
Decke  geklebt"8).  Unverdrossen  und  mit  unermüdlicher 
Hingebung  besorgte  er  für  den  an  Bedürfnissen  reichen 
Freund  die  verschiedenartigsten  Dinge ;  er  versah  ihn  mit 
Kleidern,  Federn,  Papier,  mietbete  für  ihn  Wohnungen, 
Kutscher  und  Aufwärter,  wurde  sein  Rathgeber  und  Agent 
in  allen  Geldangelegenheiten  und  jahrelang  der  Spediteur 
der  beträchtlichen  Sendungen  von  Bayreuther  Bier  nach 
Meiningen  und  Coburg,  ohne  das  Jean  Paul  bekanntlich 
nicht  leben  konnte.  Aus  Freundschaft  für  ihn  nahm 
Emanuel  den  jungen  Herder  in  schwieriger  Lage  mehrere 
Monate  bei  sich  auf,  eine  Gefälligkeit,  über  die  der  zärt- 
lich besorgte  Vater  hoch  erfreut  war  und  ihn  veranlasste, 
seinen  Dank  dem  ihm  persönlich  bekannten  und  von  ihm 
geschätzten  Juden  in  herzlichster  Weise  auszusprechen 
(Weimar,  26.  August  1799): 

„Den  herzlichsten  Dank  Ihnen,  edelgesinnter  Mann, 
für  die  so  liebevolle  Aufnahme  meines  Sohnes;  Dank, 
wie  er  sich  in  Worten  schwerlich  ausdrücken  lässt  von 


*)  Jean  Paul's  Briefe  an  eine  Jugendfreundin,  87. 

*)  Denkwürdigkeiten,  I,  98. 

•)  Jean  Paul's  Briefe  an  eine  Jugendfreundin,  90. 


Emanuel  Osmund  und  Jean  Paul.  57 

uns  beiden  Aeltern.  Unerwartet  frQh  kam  uas  Ihre  hilf- 
reiche Stimme  zu,  hilfreich  tröstend  an  seinem  und  meinem 
Geburtstage;  Ihr  bereitwilliges  edles  Herz  habe  und  ge- 
niesse  dafür  den  Lohn  in  sich.  In  zwei  oder  drei  Wochen 
kann  er  abgehen;  dann  schreibe  ich  mehr.  Heute  nur 
Dank,  Dank!    Mit  trenester  Verpflichtung,  lieber  Emanuel, 

Ihr 

Herder1). 

Vor  keinem  Opfer,  das  die  Freundschaft  von  ihm 
forderte,  schreckte  er  zurück.  Füf  dßn  gemeinsamen 
Freund  Otto,  der  auch  zuweilen  im  blauen  Stübchen 
Quartier  nahm,  hatte  er  sich  um  eine  Regimen ts-Quartier- 
meister  -  Stelle  beworben  und  die  damals  bedeutende 
Summe  von  3000  Gulden  Caution  für  ihn  erlegt*);  einem 
armen  Kinde,  das  mit  Otto  verwandt  war,  gab  er  eine 
ansehnliche  jährliche  Unterstützung8).  Seine  Wohlthätig- 
keit  war  bekannt  und  so  wurde  er  oft  um  Gefälligkeiten 
angegangen,  noch  öfter  betrogen4). 

Die  freundschaftliche  Begeisterung  steigerte  sich  und 
die  Freundschaft  wurde  noch  fester  geknüpft,  als  Jean 
Paul  sich  verheirathete  und  bald  darauf  in  Bayreuth  seinen 
Wohnsitz  nahm.  Sie  sahen  oder  schrieben  sich  täglich, 
theilten  sich  alle  Briefe  mit,  die  sie  erhielten,  machten 
gemeinsame  Spaziergänge,  gemeinsame  Reisen:  Emanuel 
nahm  an  Allem,  was  Jean  Paul  betraf,  den  innigsten 
Antheil  wie  kaum  ein  zweiter  und  wurde  lange  von  Keinem 
mehr  geliebt  als  von  dem  Freunde;  zu  seinem  ersten 
Kiade  musste  Emanuel  Pathe  stehen,  Emanuel  wurde  es 
genannt*). 


')  Denkwürdigkeiten  I,  85,  89. 

*)  I,  104. 

s)  Briefwechsel  J.  Paul's  mit  Otto,  III,  289. 

«)  Briefwechsel  J.  Paul's  mit  Otto,  TU,  354, 

*)  Denkwürdigkeiten  I,  113,  115. 

F  ra n  k  e  1 ,  Monatsschrift  XVII.  2. 


58  Emanuel  Osmund  uud  Jean  Paul. 

Mit  treuester  Gewissenhaftigkeit  wurden  die  Geburts- 
tage der  Freunde  im  Familienkreise  gefeiert:  bald  schenkte 
Emanuel  eine  Feuermaschine,  bald  einen  Vogel,  Rosen- 
stoek  u.  dergl.,  wohingegen  Dieser  mit  den  Schriften  des 
Freundes  gleich  nach  dem  Erscheinen,  mit  von  der  Hand 
der  Gattin  Jean  Paul's  gestickten  Westen  etc.  überrascht 
wurde.  Zum  Geburtstage  des  Jahres  1809  Hess  Jean  Paul 
aus  den  Haaren  seiner  Kinder  und  deren  Eltern  einen 
Haarring  mit  den  fünf  Anfangsbuchstaben  ihrer  Namen 
für  Emanuel  anfertigen.  Ich  sah  ihn  —  es  sind  Förster's 
Worte  —  im  Laufe  dieses  Sommers  (1863)  bei  der  Wittwe 
Emauuel's  in  Mainz,  die  ihn  als  ein  Heiligthum  bewahrt 
und  der  als  solches  gewiss  in  der  Familie  fort  und  fort 
verehrt  werden  wird1). 

Bis  zu  seinem  51.  Jahre  lebte  Emanuel  bei  seinen 
Eltern,  da  verlor  er  seinen  Vater  und  kam  bald  darauf 
zu  dem  Entschlüsse,  sich  zu  verheirathen ;  er  that,  wie 
seine  hierüber  hoch  erfreute  Mutter  an  Jean  Paul  schreibt, 
auf  der  Erde,  was  erst  der  Himmel  erkennt  —  er  liebte*): 
in  München ,  wo  er  einige  Jahre  früher  mit  dem  „philoso- 
phischen Patriarchen"  Jacobi  selige  Stunde  verlebte8), 
verlobte  er  sich.  Rührung  und  Liebe  empfand  Jean  Paul 
für  die  Unbekannte,  die  seinen  Emanuel  belohnen  sollte 
für  sein  Leben  der  Liebe4). 

Emanuel  verlebte  recht  glückliche  Jahre,  seine  Ehe 
war  glücklich  mit  Kindern  gesegnet.  Seine  Freundschaft 
mit  Jean  Paul  dauerte  fort  bis  sie  wenige  Jahre  vor  dem 
Tode  des  Letzteren  gelockert  wurde.  „Seit  anderthalb 
Jahren  ist  —  Emanuel  von  mir  geschieden  —  ohne  meine 
Schuld.  Nur  zuweilen  besucht  ihn  meine  Tochter.  Tren- 
nung —  eigentlich  Verschiebung  der  Freundschaft  durch 
den  Tod  ist  weniger  schmerzlich",  schreibt  Jean  Paul  im 
October   1824    an    die    auch   inzwischen    alt   gewordene 


>)  Denkwürdigkeiten,  XII,  216. 
*)  I,  263. 
»)  I,  252. 
«)  I,  272. 


Das  judisch -theologische  Semiuar  zu  Breslau.  59 

Jugendfreundin  Renate1).  Zu  Anfang  des  Jahres  1825 
söhnten  sich  die  alten  Freunde  wieder  aus ,  die  alte  Liebe 
schlug  wieder  in  hellen  Flammen  auf.  Wie  herzlich  gra- 
tulirte  Emanuel  zum  letzten  Geburtstage:  „Mein  einziger 
Richter,  mein  und  der  Meinigen  rein  und  innigst  Geliebter  I 
Schönes  wollte  ich  Ihnen  sagen  und  Gutes,  nachdem  ich 
lange,  mit  der  Feder  in  der  Hand,  gesonnen  und  bedacht 
mich  habe,  wünsch'  ich  das  Beste  mir,  uns:  der  liebe 
Gott  heile  Sie,  stärke  Sie  und  lasse  diesen  gesegneten  Tag 
wie  heute,  mit  Ihnen  noch  oft  erleben  uns,  mich. 

■ 

Ihr  alter  fünfköpfiger 
Emanuel    Osmund. 

Das  ist  das  letzte  kurze  Schreiben  Emanuel's  an  Jean 
Paul;  acht  Monate  später  wurde  ihm  der  Freund  entrissen. 


Das  jüdisch- theologische  Seminar  zu  Breslau/) 


Das  Seminar  begeht  die  vierzehnte,  an  das  Andenken 
seines  Stifters,  des  sei.  Königl.  Commerzienrathes  Jonas 
Fraenckel,  anknüpfende  Stiftungsfeier.  Auch  dieses 
Jahr  kamen  dem  Seminar  Zeichen  des  ehrenden  Vertrauens 
der  Gemeinden  in  Berufung  seiner  Hörer  als  Rabbiner.  Die 
israelitische  Gemeinde  zu  Stuhlweissenburg  berief  Herrn 
Dr.  A.  Kohu  t,  die  Gemeinde  zu  Saatz  Herrn  Dr.  A.  Frank, 
die  Gemeinde  zu  Worms  Herrn  Dr.  A.  Stein  noch  vor 
seiner  Entlassung,  die  Gemeinde  zu  Märkisch -Friedland 
Herrn  Dr.  J.  Horowitz,  die  Gemeinde  zu  Bereut  (West- 
Preussen)  Herrn  Dr.  A.  Blüh  als  Rabbiner;  ferner  wurde 
der  aus  dem  Seminar  hervorgegangene  Rabbiner  zu  Mär- 
kiech-Friedland,  Herr  Dr.  P.  Buchholz,  von  der  israeli- 
tischen Gemeinde  zu  Stargard  in  Pommern  als  Rabbiner 
berufen. 


>)  Jean  Paul's  Briefe  an  eine  Jugendfreundin,  128. 

*)  Dem  eben  erschienenen  Jahresberichte  entnommen.  4 


5# 


60  Das  jüdisch -theologische  Seminar  zu  Breslau. 

An  dein  herannahenden  Stiftungstage  werden  die  Herren 
Dr.  A.  Vogelstein  aus  Lippe-Detmold  und  A.  Sidon 
aus  Tyrnau  in  Ungarn  entlassen  werden.  Herr  Dr.  A* 
fitein  aus  Grombach  in  Baden  wurde  im  Juli  entlassen. 


Ueber  das  zu  Ende  gehende  Jahr  ist  ferner  zu  be- 
richten: 

An  dem  Seminar  wirkten  ausser  dem  Unterzeichneten 
die  Lehrer  DDr.  H.  Grätz,  B.  Zuckermann,  J.  Freu- 
denthal und  D.  Rosin. 

Rabbinerseminar. 

Dieses  zerfällt  in  zwei  Abtheilungen. 

In  der  oberen  Abtheilung  las: 

Der  Unterzeichnete:  Pentateuchexegese  (bis  Ende 
des  Sommersemesters) :  Leviticus  12  —  Ende  des  Buches  mit 
den  älteren  Versionen  und  Commentatoren.  —  Talmud 
s tatarisch:  Tractat  Pesachim  von  70  bis  Ende  des  Trac- 
tats.  Ketubot  2 — 20.  —  Talmud  cursorisch:  Chullin 
118  bis  Ende  des  Tractats.  Mo£d  Katan  2—14.  —  Jore 
Dea:  110  —  122.  201.  —  Einleitung  in  die  Midra- 
schim:  Rabboth.  —  Mösaisch-talmudisches  Crimi- 
nal-  und  Civilrecht:  Beweis.  Eherecht.  —  Anleitung 
zur  schriftlichen  Ausarbeitung  talmudischer  Themata. 

Dr.  Gr&tz :  E  x  e  g  e  s  e :  Pentateuch  mit  dem  Commentator 
des  R.  Samuel  b.  Melr  (Raschbam),  Leviticus  zum  Therl,  Nu- 
meri und  ein  Theil  von  Deuteronomium.  —  Jesaias  c.  30  bis 
Ende,  Hosea,  Joel,  Arnos,  Obadia,  Jona  und  Micha,  von 
Hagiographen  Threni.  —  Fortsetzung  der  exegetischen 
Uebungen  im  ersten  Coetus,  Ausarbeitungen  und  Vorträge 
nach  gegebenen  Thematen.  —  Jüdische  Geschichte 
verbunden  mit  Literaturgeschichte:  von  der  Vertrei- 
bung der  Juden  aus  der  pyrenäischen  Halbinsel  bis  auf 
die  neueste  Zeit  (inclusive).  —  Beginn  eines  neuen  Cyclus: 
Biblische  Geschichte  bis  zur  Salomonischen  Regierung.  — 
Fortsetzung  der  historischen  Uebungen  nach  gegebenen 
Thematen.   Ausarbeitungen  und  Vorträge  im  ersten  Coetus. 


Das  jüdisch  -theologische  Seminar  zu  Breslau.  61 

Dr9  Zuckennann :  Geometrie:  Trigonometrie  und 
Stereometrie  nebst  Aufgaben.  —  Arithmetik:  Gleichun- 
gen des  zweiten  Grades,  arithmetische  und  geometrische 
Reihen  und  Zinseszinsrechnung.  —  Physik:  Statik  und 
Mechanik  fester  und  flüssiger  Körper. 

Dr.  Freudenthal:  Geschichte  der  jüdischen  Religions- 
Philosophie  (fiir  die  reiferen  Hörer.)  -~  Griechisch:  Thu- 
kydides  J.  V.  Plato,  Gorgias  c.  1—- 35.  Grammatik :  Syntax. 
Alle  14  Tage  Exercitien  und  Extemporalien.  —  Latein: 
Horaz,  ausgewählte  Satiren  und  Episteln.  —  Geschichte 
Griechenlands  unter  den  Diadochen ;  Roms  unter  den  Kaisern 
von  Augustus  bis  Cons  tantin.  Römische  Literaturgeschichte. 
—  Geographie:  (1,  und  2.  Abtheilung  combinirt):  Asien. 

Dr.  D.  Bosin:  Pentateuch-Exegese  (seit  31.  Oct.  1867): 
Einleitung  in  die  exegetische  Literatur.  —  Homiletische 
Uebungen.  —  Griechisch:  Sophokles  An tigone  von  v.  451 
bis  Ende.  —  Homer,  Hias  Buch  IV— IX.  —  Latein:  Ci- 
cero, De  pratpre  I,  von  cap.  21  an.  —  Tacitus,  Agricola.  — 
Quintili^n,  Institut,  oral,  üb  X  —  Lateinische  Stilübungen 
(lat.  Aufsätze,  Exereitien  u.  Extemporalien).*  —  Deutsch: 
Deutsche  Stil-  und  fte^eübungen.    Leetüre  aus  Lessing. 

In  der  zweiten  Abtheilung  las: 

Dr.  Grätz:  Talmud  statarisch:  Tractat  Gittin  von 
p.  28  bis  p.  65  mit  Tossafot  und  Aschen.  Ausarbeitung 
talmudischer  Themata  aus  demselben  Tractat.  —  Talmud 
cursorisch:  Tractat  Synhedrin  vom  Beginn  des  Sommer- 
semesters von  p.  23  bis  p.  68. 

Dr.Znckermann:  Geometrie:  Recfctfication  und  Qua- 
dratur des  Kreises,  Trigonometrie  bis  zu  den  Functionen  zu- 
sammengesetzter Winkel. —  Arithmetik:  Potenzrechnung 
und  Logarithmen.  —  Physik:  Wiederholung  der  Statik 
und  Mechanik  fester  Körper. 

Dr.  Freudenthal:  Prophetenexegese:  Richter  c.  13 
bis  Ende.  1.  Buch  Könige  c.  1 — 10.  —  Griechisch:  Xeno- 
phon,  Cyropädie  1.  I.  und  ausgewählte  Stücke  aus  andern 
Büchern.  Plutarch  Leben  Agis'  c.  1  —  12.  —  Grammatik:  Un- 
regelmässige Verba.  Syntax:  Repetitian  der  Formenlehre. 


62  Das  jüdisch -theologische  Seminar  zu  Breslau. 

Alle  14  Tage  Exercitien  und  Extemporalien.  —  Latein: 
Virgil,  Aeneis  II,  670  —  III,  570.  Ovid,  Trisüen  I,  1, 
2  und  3.  Livius  I,  17 — 30  zum  Theil.  —  Geschichte  des 
Mittelalters  vom  Untergange  des  weströmischen  Reiches 
bis  auf  Otto  II.  von  Deutschland.  Repetitiou  der  rö- 
mischen Geschichte.  —  Geographie:  Vgl.  oben. 

Dr.  D.  Rosin:  Griechisch:  Homer,  Odyssee  1. IX.  been- 
digt, 1.  X.  bis  XIV.  —  Latein:  Lateinische  Grammatik,  ver- 
bunden mit  Exercitien  und  Extemporalien.  Livius  1, 30—55. 
—  Deutsch:  Göthe,  Hermann  und  Dorothea,  Gesang  IV. 
bis  Ende.  Schiller,  Piccolomini  und  Wallensteins  Tod. 
Monatlich  ein  Aufsatz.  Uebungen  im  freien  Sprechen.  — 
Hebräisch:  Hebräische  Grammatik.  Formen  der  festen 
und  schwachen  Verba.    Wöchentlich  schriftliche  Uebungen. 

Gantor  Deutsch  leitet  den  Gesangunterricht 


Das  Seminar  zählt  fünfzig  Hörer,  und  zwar  einund- 
zwanzig Preussen,  einundzwanzig  Oesterreicher,  drei  Ba- 
denser,  einen  Würtemberger,  einen  Baier,  einen  Sachsen- 
Meininger,  einen  Lippe-Detmolder  und  einen  Russen. 

Das  Seminar  gedenkt  mit  Wehmuth  des,  Ende  des 
Sommersemesters,  verstorbenen  talentvollen  Hörers  stud. 
phil.  W.  Li ss er  aus  Ratibor. 

Als  Preisaufgabe  zur  Erlangung  des  Lehmann 'scheu 
Prämienpreises  wurde  gestellt: 

Die  Religions-Disputation  des  R.  Jechiel  von  Paris  am  Hofe 
Ludwig's  des  Heiligen,  ihre  Veranlassung  und  ihre  Folgen. 

Zwei  Arbeiten  wurden  überreicht.  Sie  zeigten  von 
Fleiss  und  Quellenstudium,  doch  konnte  keiner  von  ihnen 
der  Preis  zuerkannt  werden. 

Das  Seminar  beging  am  27.  (28.)  Januar  die  Statuten- 
massige  Gedächtnissfeier  des  Stifters  der  Anstalt,  des  Hönigl. 
Commercienrathes  Jonas  Fraenckel. 

Am  22.  März,  als  dem  Geburtstage  Sr.  Majestät  des 
Königs,  wurde  ein  feierlicher  Gottesdienst  in  der  Seminar- 
synagoge abgehalten. 


Das  jüdisch -theologische  Seminar  zu  Breslau.  63 

Die  Anstalt  spricht  ihren  Dank  für  manche  ihr  gewordene 
Beweise  des  Wohlwollens  und  der  ehrenden  Theilnahme  aus. 

Der  zu  Danzig  voriges  Jahr  verstorbene  Privatlehrer 
Herr  Selig  Salomon  vermachte  in  seinem  Testament 
dem  Seminar  ein  Legat  von  316  Thalern.  —  Frau  Ro- 
salie  Zunz  zu  Dresden  übergab  dem  Seminar  zum  An- 
denkeil an  ihren  im  Sommer  verstorbenen  Gatten,  Herrn 
Lippmann  A   Zunz,  100  Thlr.  als  Stipendienstiftung. 

Die  Herren  Siegfried  Cässirer  und  J.  Cohn  aus 
Oberglogau,  welche  im  Jahre  1866  ohne  Nennung  ihres 
Namens  dem  Seminar  durch  Herrn  Rabbiner  Dr.  M  Joöl 
von  hier  eine  Stipendienstiftung  von  350  Thlr,  übergaben, 
haben  diese  Stiftung,  um  50  Thlr.  vermehrt. 

Beweise  des  Wohlwollens  legten  ferner  an  den  Tag: 
Herr  Professor  Lelia  della  Torre  in  Padua,  welcher 
der  Seminarbibliothek  mehrere  von  ihm  verfasste  Werke 
abergab.  —  Herr  S.  Nissen  von  hier:  pJTK  rYQ.  Pentapla 
2  Bände  und  andere  Werke.  —  Herr  Professor  Golden- 
thal  in  Wien:  Itm  pK  1W2  •  pTJPtfKb  •nnöDTl  4DW2  Wip» 
'DI  *  Ferner  die  neuerworbenen  handschriftlich  hebräischen 
Werke  der  Hofbibliothek  zu  Wien  und  andere  Werke.  — 
HerrH.M.Rosenberg  in  Kiew:  TftKEW  '1  V&mv  Itthn. 
—  Monsieur  Rodrigues  k  Paris:  Sinai  et  Golgatha  par 
M.  Graetz.  Rodrigues  L'origine  du  Sermon  de  la  mon- 
tagne.  -  HerrA.  Merz  b  ach  er  in  München:  Q^IBID  ^pnpi 
pETOCOfcn  ^KED  HN£.  — Ein  Ungenannter:  E.  Weyden, 
Geschichte  der  Juden  in  Köln;  S.  Hänle,  Geschichte,  der 
Juden  in  Ansbach;  L.  Herzberg — Fränkel,  Polnische  Juden ; 
Böttcher,  Ausführliches  Lehrbuch  der  hebräischen  Sprache, 
2.    und   3.   Heft.    —    Herr   Friedlieber    aus    Eperies: 

cnw  ^a«  n"w  -ira  a-iin  wz  ♦nnmft  inn- 

Durch  freundliche  Beiträge  bezeigten  ihre  Theilnahme : 
Herr  Curator  Dr.  med.  J.  Lobethal.  —  Frau  N.  Merz- 
b  acher  in  München.  —  Herr  W.  Gutmann  in  Wien.  — 
Die  israelitische  Gemeinde  zu  Oppeln.  —  Herr 
Rabbiner  Dr.  J.  Perles  in-  Posen.  —  Herr  Rabbiner 
Dr.  M.  G  ü  d  e  m  a  n  n  in  Wien.  —  Herr  Prediger  Dr.  S.  K  o  h  n 
in  Pesth.  —  Herr  S.  K.  Frankel  in  Prag.  —  Herr  Stadt- 
ratli  B.  Burchard  in  Landsberg  a.  W. 


64     Die  Commentarien  des  Ephraem  Syrus  im  Verhältniss 

Die  israelitische  Gemeinde  zu  Prag  bat  ein 
jährliches  Stipendium  von  200  Fl.  für  einen  am  Seminar 
studirenden  Prager  bestimmt.  —  Die  Herren  Vertreter 
der  israelitischen  Cultusgemeinde  zu  Wien  be- 
stimmten ein  jährliches  Stipendium  von  200  Fl.  Ar  am 
Seminar  Studirende.  —  Die  Herren  Repräsentanten 
der  auf  dem  flachen  Lande  wohnenden  Israe- 
liten Böhmens  haben  drei  Stipendien  zu  je  200  FL  für 
am  Seminar  studirende  böhmische  Jünglinge  errichtet. 

Der  zu  Dresden  im  Jahre  1864  verstorbene  Particulier 
Herr  Alexander  Bernhard  hat  in  seinem  Testament 
einen  Theil  der  Zinsen  seines  Vermögens  zur  Unter* 
Stützung  von  hiesigen  israelitischen  Gymnasiasten  und 
Seminaristen  bestimmt  In  Folge  dessen  hat  das  zur  Aus- 
führung des  Testaments  gebildete  Curatorium  dem  Semi- 
nar für  dieses  Jahr  25  Thlr.  überwiesen. 

Hehrere  Beförderer  der  jüdischen  Wissenschaft  zu 
Preussisch  -  Stargardt  ertheilen  einem  von  daselbst  das 
Seminar  Besuchenden  ein  jährliches  Stipendium  von  fünfzig 
Thalern.  * 

Breslau,  im  December  1867. 

Dr.  Z.  Prankel, 

Direetor. 


Die  Commentarien  des  Ephraem  Syrus  im  Yerhältniss 

zur  jüdischen  Exegese. 

Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  Exegese. 

Vou  Dr.  D.  Gerson. 

(FortaetiUDg.) 


Ausser  diesen  aus  jüdischen  Quellen  entlehnten  Erzählungen, 
die  bekannte  biblische  Charaktere  mit  sagenhaften  Zügen  aus- 
statten, enthalten  die  Commentarien  Ephraem s  auch  hinsicht- 
lich der  Auffassung,  Darstellung  und  Behandlung  biblischer 
Personen  Überhaupt  gewisse  mit  der  Hagada  übereinstimmende 
Elemente.    Öiese  pflegt  nämlich,  ebenso  wie  sie  ausgeprägten 


zur  jüdischen  Exegese.  65 

« 

biblischen  Charakteren  neue  Züge  andichtet,  den  weniger  be« 
kannten  einen  individuellen,  eigentümlichen  Charakter  aufzu- 
prägen, theils  indem  sie  ungenannten  Personen  charakteristische 
Namen  beilegt,  theils  dadurch,  dass  sie  einen  seltener  vor- 
kommenden Namen  mit  einem  anderen  bekannten  und  hervor- 
ragenden geradezu  identificirt.  Dieses  letztere  Verfahren  der 
"Hagadisten1)  findet,  sich  auch  bei  Ephr.,  bisweilen  sogar  in 
wörtlicher  Uebereinstimmung  mit  den  jüdischen  Quellen,  z.  B* 
Gen*  11,  29  „Jesca",  sagt  er,  „ist  Sara,  sie  wurde  nämlich  wegen 

ihrer  Schönheit  so  genannt".    (59  E:  >*^dj  «*o*  £a>  o»JM?  ]acbÜo 

tzcvf  kJ'J>L}  öjv&ojl  cf.  74  F,  156  C.)  Hieron.  bemerkt  kurz:  Sarai 
cognomento  Jesca  dvtowpov  (1.  1.  136  0),  der  genauer  unterrich- 
tete Ephr.  gibt  auch  den  etymologischen  Grund  dieser  Identi- 
ficirung  an,  die  jedoch  nur  in  der  jüdischen  Hagada  und  nur 
in  der  talmudischen  Sprache  stattfinden   konnte,  v.  Synhedrin 

69  a:  rT>EP3  pDD*iwW  rOD1»  KTpJ  PlöVl  fTW  1?  TOD1»-,  cf.  Me- 
gillah  14  a,  Jonathan  a.  1.  und  Jos.  Ant.  I,  6,  5:  'Aqavr\s  pht  notxa- 
X&iuop  vlbv  Atotov  %a\  Sccqccv  wd  MeX%ocv  Qvyoniga, 

Ebensor hat  die  Bemerkung,  die  Ephr.  über  Hagar  macht, 
in  der  hagadischen  Exegese  ihre  Quelle.  Gen.  16,  Uv.  Hagar 
fugt  er  hinzu:  „die  Pharao  ihr  (der  Sarah)  nebst  noch  anderen 
Mägden  geschenkt  hatte,  am  Tage  da  er  sie  zur  Frau  genommen. 

hatte".  (65  C:  J»ao  )SJj£~j?  Ja***  £x  <$£;&  ö&  Jooj  oofJj  jLsjo  V^oJ 

Jlbjf  ojk.  öpiQQjj.)  Die  Hagada  findet  dies  in  dem  Worte  *tän 
selbst  wieder,  indem  sie  es  in  tTUN  KD  (dies  ist  der  Lohn) 
auflöst.  Eine  weitere  poetische  Fiction  zur  Verherrlichung 
Abrahams  ist  der  Zusatz,  dass  Hagar  eine  Tochter  Pharaos  ge- 
wesen sei,  v.  Gen.  R.  c.  45  und  Jonathan  a.  1, 

Von  diesem  exegetischen  Hölfsmittel  macht  Ephr.  bisweilen 
recht  geschickten  Gebrauch ,  wo  der  Wortlaut  des  Textes  schein- 
bar einen  Widerspruch  enthält.  Die  verschiedenen  Benennungen 
der  Frauen  Esaus  (Gen.  26,  34;  28,  9  und  36,  3),  welche  unsere 
modernen  Exegeten  zur  Annahme  verschiedener  Verfasser  dieser 


>)  Vgl,  tu  B.  die  oben  S.  29  angeführte  Identificirung  von  Sem 
and  MeUrizedek.  Aehnliche  Beispiele  hat  Asaria  dei  Rossi  im  Meor 
Enaim  <\  18  gesammelt,  doch  lassen  sie  sich  noch  unendlich  verinpWu. 


66     Die  Commentarien  des  Ephraem  Syrus  im  Verhältniss 

Berichte  veranlasst  haben  (s.  Genesis  v.  Knobel  S.  249  f.),  ver- 
einigt er  durch  die  einfache  Erklärung,  Esau  habe  ausser  den 
beiden  26,  34  genannten  noch  drei  andere  Frauen  gehabt,  Basmath 
sei  nur  der  spätere  Name  der  Machlath  (174  F,  cf.  Jon.  HfcEQ  fY1 
rhtyo  KVl)>  und  der  Sohn  dieser  Machlath  sei  jener  Reuel ,  der 
(36,  4)  Sohn  der  Basmath  genannt  wird.  Diese  Erklärung,  sie 
mag  befriedigen  oder  nicht,  zeigt  doch  wenigstens,  dass  Ephr. 
ebensowenig  wie  der  Midrasch  es  verabsäumt  hat,  auch  auf  die 
sachlichen  Schwierigkeiten  des  Textes  genau  einzugehen,  wie- 
wohl ihre  Erklärungen  nicht  immer  den  Anforderungen  der 
einfachen  Interpretation  entsprechen. 

Weniger  glucklich  ist  Ephraems  Bemerkung  zu  Num.  10,  29 : 
Reuel  sei  der  Vater  des  Uobab  gewesen  und  Hobab  der  Vater 
des  Jethro;  Vater  und  Sohn  heissen  beide  Schwiegervater  des 
Moses,  obgleich  eigentlich  Jethro  sein  Schwiegervater  war 
(254  D).  Ephr.  hat  übersehen ,  dass  nach  seiner  Erklärung  Exod. 
2,  18  „ihr  Vater  Reuel"  =  ihr  Urgrossvater  (sc.  nach  der  Geuea- 
logie  Reuel -Hobab,  -Jethro  etc.)  aufgefasst  werden  müsste,  was 
doch  wohl  Niemand  zugeben  wird.  Besser  ist  es,  nach  der 
Hagada  Jethro  und  Reuel  für  eine  Person  zu  nehmen,  obgleich 
der  Grund  dieser  Identificirung  (v.  Exod.  R.  cap.  1 :  HT  ^NIJH 
bvb  JT»"1  TWVffl  VW)  wenig  befriedigt  (vgl.  Knobel  Exodus 
Seite  20). 

Bisweilen  geht  die  Hagada  davon  aus,  dass  sie  ähnlich 
klingende  Namen  verschiedener  Personen  als  Bezeichnungen 
einer  und  derselben  betrachtet  und  das  von  der  einen  Bekannte 
auf  die  andere  überträgt.  Dasselbe  thut  auch  Ephr.,  und  zwar 
ohne  Rücksicht  auf  Kritik  und  wissenschaftliche  Exegese.  So 
identificirt  er  Hiob  mit  Jobab ,  dem  Sohne  Serachs  (Gen.  36,  33) 
und  macht  ebenso  wie  die  bekannte  jüdische  Tradition  (Baba 
Bathra  15a)  Moses  zum  Verfasser  des  Buches  Hiob  (opp.  II,  l: 
«JVj  v=>  a£cl  Vsv  )voäod  .  .  .  o^fcaf  Jjlq»  ocLfi  j£fca ;  cf.  1 ,  184  F, 
Gen.  R.  c.  57  und  Ibn  Esra  zu  Geu.  36,  33).  Hieronymus  knüpft, 
übereinstimmend  mit  einer  anderen  Tradition ,  an  das  im  Buche 
Hiob  und  in  der  Genesis  1.  c.  vorkommende  Uz  an,  was  auf 
dieselbe  Identificirung  des  Jobab  mit  Job  hinausläuft  (l.  1.  pag. 
140  A  und  145  F;  cf.  LXX  zu  Hiob  Cp.  42  a.  E.  'Icaßaß  6  xoXotJ- 
pevog  'laß).  Wenn  der  Talmud  (l.  c.)  das  Buch  Hiob  als  poeti- 
sche Fiction  bezeichnet,  so  ist  hiermit  die  Frage  nach  der  Person 


zur  jüdischen  Exegese.  67 

des  Hiob  und  dem  Verfasser  des  Buches,  wenn  sie  noch  auf- 
geworfen wird,  in  das  Bereich  der  freien  Hagada  verwiesen, 
der  es  gestattet  ist,  je  nach  ihren  Zwecken  unbekümmert  am 
jede  Kritik  den  ethischen  Gedanken  der  Bibel  zu  deuten.  Die 
Hagada  war  eben  das  Gebiet,  auf  welchem  der  individuellen 
Ansicht,  der  unkritischen  wie  der  kritischen ,  der  freieste  Spiel- 
raum gelassen  war,  weshalb  denn  auch  in  den  Talmud en  und 
Midraschim  neben  den  naivsten  Anschauungen  sich  Aeusserungen 
finden,  die  mit  den  Resultaten  der  modernen  Forschung  nicht 
selten  übereinstimmen.  Die  Kirchenväter  aber  nahmen  den  jü- 
dischen Midrasch  ohne  kritische  Prüfung,  oft  sogar  ohne  rich- 
tiges Verständniss  auf,  und  es  darf  daher  nicht  Wunder  nehmen, 
wenn  auf  Grund  solcher  Erscheinungen  bei  der  Darstellung 
ihrer  Exegese  auf  „abgeschmackte  Mahrchen"  und  „alberne 
Fabeln"  der  Rabbinen  weidlich  geschimpft  wird l).  Doch  kehren 
wir  zu  Ephr.  zurück,  um  seine  Uebereinstimmung  mit  dem  Mi- 
drasch auch  in  Bezug  auf  die  eigentliche  Erklärung  des  Textes 
zu  verfolgen. 

*  IL    Hagada  als  Exegese  bei  Ephraem. 

Bekanntlich  sucht  der  Midrasch  oft,  indem  er  die  defective 
Schreibart  eines  Wortes  als  Anknüpfungspunkt  benutzt,  eine 
allgemein  verbreitete  Volksanschauung  im  Textworte  wieder- 
zufinden. Erklärungen  dieser  Art  nimmt  nun  Ephr.  ohne  Rück- 
sicht auf  die  Etymologie  in  seine  Exegese  auf,  z.  B.  Gen.  1,  20 
DWDH  HN  DV"6n  N"n*1.  Diese  grossen  thaninim  (JxJI),  meint 
Ephr.,  sind  Leviathan  und  Behemoth.  Zwar  werde  das  letztere 
(Hiob  40,  15  und  ip.  50,  10)  alsLandthier  geschildert;  allein  man 
muss  annehmen,  dass  sie  sich  gleichsam  die  Welt  getheilt  haben, 
so  dass  Leviathan  das  Meer,  Behemoth  das  Land  bewohnt 
(p.  18  A:  idSoojao  Jxvä  4Jg£>  jIoYlf  >po$k  qJ&l)  a^Zj?  VÜ>  xj  \~& 
\mzu2>).  Woher  diese  sonderbare  Erklärung  entstanden  ist,  er- 
giebt  sich  aus  der  Vergleichung   des   Midrasch  Gen.   R.   c.  7: 

frvfri  rroro  m  avo  oron  n£K  *crw  *n  am  on»  '»m,  die 

defective    Schreibung    der    Pluralform   D^3FJ    deutet  auf  zwei 
Thiere ,  die  nur  vereinzelt  vorkommen :  Behemoth  und  Leviathan. 


»)  V.  Rosenmueller  1.  1. 1  p,  172,  Winer  Bibl.  Real-W.  B.  Art  ür. 


Q$     Die  Commentariep  des  Ephrftem  Syrua  im  Verhältniss 

HAtte  die  Hagada  einmal  das  Gebiegt  der  freien  Auslegung 
betreten,  indem  sie  Zeitanschauungen  an  das  biblische  Wort 
anlehnte,  so  machte  sich  auch  der  noch  lebendige  Sprachgenius 
in  der  Weise  geltend»  dass  die  biblische  Sprache  als  eine  le- 
bende behandelt  und  aus  dem  spateren  Sprachgebrauehe  erklärt 
wurde ,  dass  also  der  Unterschied  zwischen  dem  Althebräischen 
und  Talmudischen  nicht  genau  festgehalten  und  sprachliche 
Erscheinungen  dieses  letzteren  Idioms  auf  das  erstere  übertragen 
wurden1)«  I&  der  Sprache  der  nachbiblischen  Zeit  nahm  man 
z.  B,  (Jen.  2,  ß  D^^Ö  Q*ch  Analogie  von  p^  Ollpfc  und  ahnlichen 
Ausdrücken  in  der  Bedeutung  „früher«,  und  daher  übersetzte 

es  Onkelos  durch  pplp^ö,  die  Pesch.  durch  yx>to  ;p,  während 
die  LXX  es  durch  *azä  dvcczolag  wiedergibt  (Aq.  anb  a?gifc). 
Durch  jene  Auffassung  entstand  aber  natürlich  die  Frage:  soll 

t 

dieses  „früher"  bedeuten  vor  Erschaffung  der  Welt,  oder  vor 
der  Schöpfung  des  Menschen?  Für  das  erstere  entscheidet  sich 
eine  Hagada,  die  auch  Hieronymus  erwähnt  (1.  1.  132  F),  eine 
andere  berichtigt  dieselbe  dahin ,  dass  die  Schöpfung  des  Para- 
dieses erst  am  dritten  Tage  stattgefunden  habe  (v.  Gen.  R.  c.  15 : 

dm  bw  hve&  o-np  -nao  n«  pro  -o  btmm  *n  tök  oipö 
npfaD  py  p  wwa  k-oj  an*  •  •  •  ]wtr\r\  dh6  cmp  vb*  wi), 

wie  auch  Ephr.  annimmt  (16  A,  cf.  22  D:  J&u^;  ^1  )d^x>  ;p  vojto 

Jooj  opv  J&JL?)  und  aus  der  biblischen  Angabe,  nach  welcher  am 
dritten  Tage  Bäume  und  Pflanzen  geschaffen  wurden  (Gen.  1, 
11  sq.)  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  gefolgert  werden  kann. 

Lässt  ein  Wort  zwei  Bedeutungen  zu,  so  wählt  die  Hagada 
vorzugsweise  diejenige,  an  welche  sich  eine  allgemeine  Sentenz 


')  Der  Grand  dieser  Eigentümlichkeit  der  Hagada  ist  eben  in 
den  Bestreben  zu  Sachen,  die  traditionelle  Bibelerklftrung  durch  die 
jedesmaligen  Zeitanschauungen,  durch  gleichklingende  verwandte  oder 
auch  aus  fremden  Sprachen  hergeholte  Wörter  zu  begründen  (vgl.  Zunz 
1. 1. 327).  Daher  begegnet  man  so  häufig  der  Uebertragnng  der  späteren 
Bedeutung  eines  Wortes  auf  den  bibl.  Gebrauch,  was  dieser  exegetischen 
Richtung  auch  am  nächsten  lag.    Vgl.  z.  B.  Gen.  R.  c.  68  zu  Gen,  28,  1 1 : 

oSy  hv  iDipo  ww  oipo  vw  v*mp  n"3p"n  W  idb>  t»jdo  no  wd 

im,  demnach  wird  DlpDJ  yjpj  erklärt  =  er  betete  zu  Gott,  cf.  Be- 
rachoth  26a  und  Chullin  91  b. 


zur  jüdischen  Exegese.  69 

oder  Moral  passend  anknüpfen  lasst  So  z.  B.  liebten  es  die 
Hagadisten,  den  ethischen  Gründsatz  PP*  TflÖ  •  D*W  JTTO3 
*&  pTflÖ  (Sotah  8b ,  Megillah  12  b;  cf.  Luc.  6,  ä8:  r«5  yop  ccvtd 
ps*pp  $  petQshs  avtiji^tq^trfietai,  v(uto)  auf  die  biblischen  Ereignisse 
in  ihrer  Aufeinanderfolge  als  Ursache  und  Wirkung  anzuwenden, 
offenbar,  weil  diese  Sentenz  sich  homiletisch  und  paränetisch 
Huf  die  verschiedenste  Weise  ausbeuten  Hess.  Man  zeigte  Also 
die  göttliche  Gerechtigkeit  in  der  Gleichartigkeit  des  Vergebens 
und  der  Strafe  in  dem  Untergange  der  Egypter  im  Meere,  weil 
sie  durch  Wasser  die  Israeliten  hatten  vernichten  wollen,  oder 
auf  das  Schriftwort  angewendet:  QJfc  VO^Si  Exod.  15,  8  von 
Q^y  (listig  sein)  abgeleitet  „die  Wasser  waren  klug"  (Onkelos 
*P&  Ift'Qn),  d.  h.  wie  Mechiltha  Beschallach  c.  7  erklärt  Wird: 

nöx  on  nrb  rmo  rn  niöw  m&a  d^ö  »t»  tdk  nrni 
niöny  pas  ytwy  K"n  crch  rxonu  nn>  nn«  *jk  fc  ntonru  nan. 

Die  Pesch.  hatte  hier  das  hebräische  Wort  beibehalten  (ao^ULj)* 
und  Ephr.  unterlässt  es  nicht,  den  Gründsatz  der  strengen 
Wiedervergeltung,  den  er  in  dem  Sterben  der  Erstgeborenen 
für  das  Tödten  der  hebräischen  Knablein  aufzeigt  (p.  213  D)  % 
auch  hier  in  dem  Worte  xnx  (klug  sein)  durchblicken  zu  lassen 

(216  E:  <^v&taiv  £»  ax&Jj  &sLjLa|  yaä)  jlo*a}  o] .  £&  ojd*a  ^lo^ab 

£}?  ;p  ^soo»  )op}  ^»Jt  ^Icäod  yfOO&a;  öß.  „Durch  deinen  Hauch 
sammelten  sich  die  Wasser,  entweder:  durch  den  Wind,  der 
von  dir  ausging,  wurden  die  Wasser  gelehrt,  sich  zu  theilen, 
oder:  durch  den  Befehl  deines  Mundes  blieben  sie  wie  gefesselt 
stehen,  so  dass  sie  nicht  weiter  flössen". 

Indem  die  Hagadisten  mit  der  Exegese  die  religiöse  Beleh- 
rung zu  verbinden  suchten ,  machten  sie  oft  durch  eine  geschickte 
metaphorische  Wendung  einen  Uebergang  von  einem  Worte  der 
Bibel  auf  einen  allgemeinen,  ethischen  Satz,  der  von  eben  diesem 
Schlagworte  ausging.  So  deuteten  sie  z.  B.  ^p|  (Sand)  Zugleich 
als  Bezeichnung  für  Israel,  das  an  Zahl  gleich  dem  Sande  des 
Meeres  zu  werden  bestimmt  war,  um  in  Gen.  2, 12  den  Gedanken 
anzuknüpfen:  „So  wie  man  Sand  von  hier  nimmt  und  ihn  dort- 
hin gibt,  ohne   dass  ein  Geräusch  vernommen  wird,  so  bleibe 


l)  Gf.  Exod.  R.  c.  3:  DJft3B1  tfÖ*  httiw  *|C&  ÖTinnK  TÖTM  *  •  ■ 

Ol  pn  fe  nDw  rrw  mos  mh  *mch  tm. 


70     Die  Commentarien  des  Ephraem  Syrus  im  Verhältnis s 

diese  That  (die  Tödtung  des  Mizri)  unter  euch  verborgen  und 
werde  nicht  gehört"1),  womit  zugleich  gegen  die  So  oft  gefahr- 
bringende Angeberei  gewarnt  werden  sollte.  Diesen  ethischen 
Zug  der  Hagada  verwischt  aber  Ephr.  und  gibt  nur  die  müssige 
poetische  Ausschmückung.  „Er  tödtete  ihn  und  verbarg  ihn  im 
Sande,  ihn,  der  das  Volk  bedrängte,  das  den  Segen  erhalten 
hatte,  sich  gleich  dem  Sande  zu  vermehren ;  am  Ufer  des  Flusses 
verbarg  er  ihn  vor  seinen  Genossen,   deren  Leichname  an  die 

Küste  des  Meeres  ausgeworfen  werden  sollten"  (189 E:  o&fyb 

Jiop  r  >\xj  IL«  T)  W&i?  7^1)?  Ji*/i  Jooj  JXXOJ   oofc.    lU^   Ojtt^O 

Ou?&ftXk  SOOJ  vp^  POU  ;9KTTM  iL»  ^XJ    >£JOJ    -O^O'^a*    pyö    JOOJ    Oj;X% 

>pop^jt).  Dasselbe  gilt  von  der  Bemerkung,  die  Ephr.  zu  Exod. 
4,  3  macht:  Die  Schlange,  in  welche  der  Stab  Mosis  verwan- 
delt wurde,  sollte  ihm  das  Bild  Pharaos  vergegenwärtigen,  den 
der  Prophet  (Ez.  29,  3)  mit  einer  Schlange  vergleicht  (203  B ,  cf. 

Exod.  R/c.  3:  »q\  wrO  *TipW  HinB  1^3  ttPüfj  flBön  TDPÜ  *]:£). 
In  ähnlicher  Weise  endlich  erklärt  Ephr.  auch  übereinstimmend 
mit  dem  Midrasch,  weshalb  die  Israeliten,  als  sie  über  das 
Manna  murrten,  gerade  durch  giftige  Schlangen  bestraft  wurden 
(Num.  21,  6):  „Weil  sie  über  das  Manna,  die  Speise  der  Engel 
murrten,  deshalb  bissen  sie  die  Schlangen,  die  Staub  essen  und 

nicht  murren  (263  A :  JloäJ  ^uj  o&L  £&dj  Jxw£  Ju»  "^i  a4*?  ^1 
^VO  IJo  Jväx  ^ofj;   cf.   Num.   R.   c.  19:    fofl  TDPlb  n&y   OTUH 

pws  taw»  twu  kw  renn  cwtofc^  ^enm  pn  nx  ptew 
p^&  psjnöi  nn«  pa  ptewn  jö  ynon  nnx  gpü  rra  renn 
renn. 

Aus  diesen  Beispielen  ersieht  man  bereits,  dass  Ephraem 
die  Exegese  in  einer  freien,  gewissermassen  homiletischen  Weise 
handhabt,  die  von  der  Richtung  seiner  oben  charakterisirten 
Vorgänger  wesentlich  verschieden  ist.  Wenn  nun  die  Hagadisten 
zu  dieser  freien  Textauslegung  in  vielen  Fällen  nur  auf  Grund 
des  hebräischen  Textes   und   der   hebräischen   Sprache   durch 


*)  Exod.  R.  c.  1 :    OK1?  nDN  hrt?  lhflMV  blCMP  *?V  JTTOD3  UDD 

tap>  pfi  ych  unui  )toQ  &w  oim  mn  hm  no  hto  üAnn  onx 
j?Dt&r»  xb)  urw  mn  rem  ,|dd,>  p  yotw. 


zur  jüdischen  Exegese.  71 

analytisches  Verfahren  gelangen,  Ephraem  hingegen  seine  mit 
Jenen  übereinstimmende  Erklärung  durch  den  syrischen  Text 
nicht  rechtfertigt,  noch  rechtfertigen  kann,  sondern  dieselbe, 
ohne  ihren  Ursprung  nachzuweisen,  als  fertiges  Resultat  auf- 
nimmt, so  liegt  es  auf  der  Hand,  dass  er  sie  aus  jüdischer 
Quelle  entlehnt  hat.  Hierfür  aber  sprechen  noch  eclatanter 
diejenigen  Erklärungen  Ephraems,  die  specifisch  jüdische  Tra- 
ditionen enthalten. 

Wenn  auch  in  den  Commentarien  Ephraems  zum  Pentateuch 
eigentliche  philologische  oder  sprachliche  Bemerkungen  von 
Bedeutung  sich  nur  selten  finden,  so  verrathen  doch  seine  sach- 
lichen Erklärungen  oft  einen  nüchternen  Sinn  und  richtiges 
Verständniss.  Einige  Beispiele,  zu  denen  gleichfalls  die  Paral- 
lelen aus  der  midraschischen  Literatur  angeführt  werden  sollen, 
mögen  hierfür  einen  Beleg  liefern. 

Ephraem  findet  es  auffallend,  dass  Gen.  1, 8  bei  der  Schöpfung 
der  Ausdehnung  der  Satz  ,  Und  Gott  sah,  dass  es  gut  war" 
fehlt,  da  derselbe  doch  bei  allen  anderen  Tagen  vorkommt, 
beim  sechsten  sogar  zweimal.  Hierüber  gab  es  schon  zu  Ori- 
genes'  Zeit  haggadische  Erklärungen,  die  dieser  jedoch  nicht 
ausdrücklich  mittheilt1).  Die  eine  dieser  Erklärungen  wird  von 
Hieronymus*),  die  andere  von  Ephraem  (p.  15  C)  angeführt.  Die 
erstere  betrachtet  die  Ausdehnung  als  Symbol  der  Theilung,  Tren- 
nung oder  Spaltung  (Hader),  die  andere  findet  diesen  Schöpfungsact 
darum  nicht  des  besonderen  göttlichen  Lobes  würdig,  weil  das 
Werk  dieses  Tages,  so  lange  die  Sonne  nicht  war,  noch  unvoll- 
ständig war,  weshalb  erst  am  Ende  der  Schöpfung  durch  den 
Ausdruck  „Und  siehe,  es  war  sehr  gut"  (Gen.  1,  31)  auch  die 
Ausdehnung  gesegnet  wurde;  v.  Pesachim  54a:  "iftfcü  N^ttf  B"]J"K 
VVVn,  fei  "ITn  31B  \D  n;  cf.  Gen.  R.  c.  4:  um  *tb  "«DTK  töWll 


')  V.  Epistola  ad  Afiricanum  4,  16:  Kai  iv  tjj  yevicei  8k  ro  slSsv 
6  &sog  oxt  naXov  htl  r©  ysvictcu  ctSQ&aiut  na$  !E/9oa/ot£  ov%  ev^loxstai 
xal  nQoßlfiiut  8&  hu  naf  avtotg  ov  ro  vo%bv  tovto;  vgl.  diese  Monats- 
schrift Bd.  3  S.  316. 

*)  V.  opp.  ed.  Frf.  t.  VI  p.  181  comm.  in  Aggaenm:  „Neque  enim 
poterat  secnndus  dies,  qui  nunierum  facit,  qui  ab  unione  dividit,  quod 
bonus  esset,  Dei  sententia  comprobari".. 


72  Die  Commentarien  des  Ephfaem  Syrus. 

Ein  genaues  Eingehen  auf  den  biblischen  Text  zeigt  Ephr. 
auch  da,  wo  er  für  unvollständige  Angaben  der  Bibel  den  Grund 
angibt,  z.  B.  zu  Num.  11,  26.  Was  die  dort  erwähnten  Eldad 
undMedad  phrophezeiten,  ergänzt  er  durch  den  Zusatz:  „Moses 
hat  uns  aus  Egypten  gefuhrt  und  Josua  wird  uns  in  das  Land 

der  Verheissung  bringen"  (cf.  257  E:  J*a&?  oooj  K\x>)  &o  ooj  )}£ 

(i2Lo»j  |*.uT^^a2D  mqsuo  ^'vo  ^  <Q2>f;  cf.  Synhedrin  17  a:  Hol 

yntö  tewn  n«  d^dö  yrrnir  nö  rw»  ucuro  nwaa ;  cf.  Jon, 

und  Jerusch.  a.  1.  Sifri  a,  1.  und  Num.  R.  c.  15l). 

Deut.  33  im  Segen  Mosis  ist  der  Stamm  Simeon  übergangen. 
Das,  meint  Ephraem,  dürfe  nicht  auffallen.  Denn  Simeon  war 
von  Jakob  wegen  der  Zerstörung  Sichems  verflucht  worden  und 
hat,  anstatt  sich  zu  bessern,  durch  das  Vergehen  des  Simri  den 
Tod  von  24,000  Israeliten  veranlasst.  Hingegen  hat  der  Stamm 
Levi,  der  im  Fluche  Jakobs  (Gen.  49,  5  ff.)  mit  eingeschlossen 
gewesen,  wiederum  seinen  Eifer  für  die  göttliche  Sache  gezeigt, 
erstlich,  als  er  gegen  die  Anbeter  des  goldenen  Kalbes  auftrat 
(Exod.  32,  26—29  und  Deut.  33,9)  und  zweitens,  indem  Pinchas 
den  Simri  tödtete :  mit  Recht  also  hat  der  Stamm  Levi  von  Moses 
den  Segen  empfangen  (p.  291) ;  cf.  Ihn  Esra  zu  Deut.  33,  6  und 
Jalkut  §  951 :  nyttO  rWÖ  töjpi  -»KW  13103  fffyw  DB  JHD  ^ 

oip&i  n«  nfcro  uro ,  10*61  n»6  iöki  "ib  *  nem  ronan 
jno  xbw  vh  vb  pww ,  fron  pn«  p  ib6k  p  dtod  'rw  crwa 
•td».i  lamm  wh  am  'w«f  rrfrn  im  «i>K* 

Zur  genaueren  Vergleichung  dieser  hermeneutischen  Richtung 
Ephraems  mit  dem  Midrasch  werfen  wir  noch  einige  Stellen 
aus  seinen  Commentarien  im  nächsten  Hefte  anführen. 


')  Ob  diese  Erklärung  auf  Deutung  des  Notarikon  D",|N'/i"jn//D 
=  D^JDb  yttftfl*  DVÄtf  pb  WDl  PWh  HB*  beruhe,  mag  dahingestellt 
bleiben. 

(Vorteetsung  folgt.) 

Berichtigung.    Im  vorigen  Hefte  mos»  es  S.  16  vorletate  Zeile 
Hagadisten  and  nicht  Leherendisten  heissen. 


Analekten.  73 


A  n  a  1  e  k  t  e  n. 


War  Raschi  das  Targum  zu  den  Hagiographen  bekannt? 

Gegen  Zunz,  der  (G.  V.  S.  64  Anm.  d)  diese  Frage  verneint, 
weist  Chajes  in  Jmre  Bina  No.  4  Bl.  17  vier  Citate  aus  dem 
Raschi- Commentar  nach,  welche  Raschi' s  Kenntniss  von  diesem 
Targum  beweisen  sollen.  Von  diesen  vier  Citaten  nehmen 
wiederum  Notiz  Rahmer  in  dessen  Targum  zur  Chronik  (S.  8 
der  hebr.  Vorrede)  und  Frank  bei  Gelegenheit  der  in  diesen 
Blättern  gegebenen  Recension  meines  Raschi-Werkes  (vgl.  Jahrg. 
1867  S.  277).  Bei  näherer  Prüfung  dieser  Citate  aber  werden 
wir  sehen,  wie  der  aus  ihnen  hergeholte  Beweis  vollständig  fällt. 

a.  Die  Stelle  in  Samuel  I  Kap.  11  V.  8  aus  dem  Targum 
zu  den  Proverbien  gehört  Raschi  gar  nicht  an,  sie  fehlt  in  meh- 
reren von  mir  eingesehenen  Handschriften  und  ist  ein  aus  dem 
Wörterbuche  Kimchi's  \vgl.  dort  s.  v.pn)  in  den  Raschi-Com- 
mentar  hineingetragener  Zusatz. 

b.  Die  Stelle  in  Megilla  13  b  bezieht  sich  nicht  auf  das 
eigentliche  Targum  zum  Buche  Esther,  vielmehr  auf  das  in 
Midrasch-  Manier  abgefasste  Targum  scheni  (vgl.  das.  Cap.  2 
V.  5  und  Raschi  zu  Megilla  l^b),  welches  Raschi  bereits  früher, 
nämlich  zu  Deuteron.  3,  V.  4,  mit  Targum  jeruschalmi  benennt. 

c.  Der  Commentar  zu  Taanith  18a  führt  wohl  das  Targum 
zu  den  Psalmen  an,  nicht  aber  Raschi  in  der  Parallelstelle  zu 
Rasch  haschana  Schlgw.  l^ßru  Ausserdem  gehört  der  Com- 
mentar zu  Taanith  in  der  uns  vorliegenden  Recension  keineswegs 
Raschi  an,  wie  dies  bereits  von  Chajes  näher  erwiesen  worden 
ist,  und  wie  ich  dies  bei  einer  anderen  Gelegenheit,  nachdem 
ich  den  der  Münchner  Bibliothek  gehörigen  Raschi-Codex  näher 
kennen  gelernt  habe,  mehrfach  werde  unterstützen  können. 

d.  Endlich  fällt  auch  der  Beweis  aus  Chagiga  22  b,  da  die 
Stelle  in  dem  erwähnten  Codex  (Seite  235  b)  nicht  anders  lautet 
als  CD^tPW  B25P1:  v^n  einem  Späteren  erweitert,  heisst  es  nun 
in  dem  gedruckten  Commentar  rb  WTVV)  D13"in  *  ^p  rb  E3SPV  — 

Frankel.  Monatsschrift.  XVII.  2 .  Q 


74  Analekten. 

Würde  Raschi  das  Targum  zu  den  Hagiographen  gekannt 
haben,  so  hätte  er  gar  oft  Gelegenheit  gehabt,  dasselbe  gleich 
den  anderen  Targumin  anzuführen.  Wir  weisen  nur  auf  Bera- 
choth  18b  hin,  wo  Raschi  aus  den  Halachoth  gedoloth  citirt 
jDltfn  r6lDn  Ülp"0»  wahrend  der  Aruch  die  Erklärung  aus  dem 
Targum  zur  Schrifstelle,  Höh.  Lied  Cap.  2  V.  I,  hat.  Auch  zu 
Berachoth  18b  würde  Raschi  nicht  sagen  VHp^  b^D)f  da  das 
Targum  zur  Chronik  I  Cap.  11  V.  22  die  H^nü  richtiger  wegen 
der  Verunreinigung  durch  die  Berührung  eines  todten  Gewürms 
motivirt  (vgl.  auch  R.  Jesaja  Pick's  Bemerkung  zur  angeführten 
Taluiudstelle). 

Während  der  Verfasser  des  Aruch  das  Targum  der  Hagio- 
graphen kennt  und  nicht  selten  citirt,  war  es  seinem  Zeitgenossen 
Raschi  nie  zu  Gesicht  gekommen*),  ähnlich  wie  R.  Meir  Rothen- 
burg vom  Targum  jeruschalmi  sagt  „es  findet  sich  nicht  unter 
uns  vor",  s.  Orchoth  Chajim  §  3  der  Mbltf  fWlp  niDS"!*  Den 
Enkeln  Raschids  jedoch  war  das  Targum  der  Hagiographen  be- 
reits zugänglich;  Sam.  ben  Meir  erwähnt  es  zu  Exodus  15,  2 
und  zu  Levit.  20,  17,  auch  "R.  Tarn  führt  im  Sefer  hajaschar  §  520 
eine  Stelle  aus  dem  Targum  zu  den  Proverbien  an.  So  hat 
Raschi  auch  die  Commentarien  des  R.  Chananel  noch  nicht  vor 
sich  gehabt"),  während  die  genannten  Enkel  sie  bereits  vielfach 
excerpiren,  nur  dass  die  Commentarien  noch  sehr  selten  waren 
und  ein  Zeitgenosse  des  R.  Tarn  diesem  gesteht  „dass  die 
Schriften  des  R.  Chananel  in  dieser  Stadt  nicht  existiren  und 
er  sie  noch  nie  gesehen  habe"  (s.  Sefer  hajaschar  Bl.  80 d). 


*)  Im  Index  zu  Baba  bathra  5  a  Schlgw.  N"QJ  lN^l  muss  daher 
statt  n"'1  D^nn  verbessert  werden  O  'N  ^NIDt^.  Die  Emendation  in 
Raschi  zu  Psalm  74  V.  19,  für  Dmn  ]\vk  n"^  "J^tP  TU"),  welche  zuerst 
Mirr  in  seinem  Athereth  Zebi  aufstellt,  dann  Luzatto  im  Ozar  Nechmad 
I  S.  145  auch  aus  einer  Handschrift  nachweist,  habe  ich  seither  in 
mehreren  Handschriften  bestätigt  gefunden. 

•*)  Irrthümlich  wird  im  Juchasin  ed.  London  S.  218  die  im  Raschi 
zu  Joma  30  enthaltene  Erklärung  des  R.  Chananel  so  angeführt,  als 
gebe  sie  Ersterer  selbst  im  Namen  des  Letzteren,  während  sie  in  den 
Druck- Ausgaben  als  Interpellation  bezeichnet  ist,  ebenso  wie  in  Baba 
bathra  5  a.  Im  Raschbara  das.  S.  30a  ist  nach  der  Lubliner  Ausgabe 
statt  „Chanina"  richtig  „Chananel'1  zu  lesen. 


Recensionen  und  Anzeigen.  75 

Erging  es  doch  auch  so  den  Commentarien  Raschids  selbst. 
Maimon  erwähnt  ihrer  nirgends,  wohl  aber  sein  Sohn  Abraham 
in  dessen  arabisch  geschriebenen  Pentateuch- Commentar,  wie 
Chwolson  in  der  jüdischen  Zeitschrift  für  Wissenschaft  und 
Leben  Jahrg.  1865  S.  316  berichtet. 

Dr.  Berliner. 


Recensionen  and  Anzeigen. 


Frank  und  die  Frankisten.  Eine  Sekten -Geschichte  aus 
der  letzten  Hälfte  des  vorigen  Jahrhunderts.  Von  Dr.  H. 
Graetz.  126  S.  gr.  Oct. 
Die  zweite  Hälfte  des  vorigen  Jahrhunderts  war  als  der 
Zusammenstoss  alter  und  neuer  Zeit,  Begegnung  von  dichter 
Finsterniss  und  grellem  Licht,  reich  an  geheimnissvollen  und 
blendenden  Truggestalten.  Die  Nachwelt  hat  manche  dieser 
Gestalten  in  ihrer  ganzen  Verwerflichkeit  erkannt  und  sie  ihres 
Glanzes  entkleidet,  von  manchen  ist  auch  sie  geblendet,  umgibt 
sie  mit  noch  höherer  Glorie,  ist  also  noch  heute  das  Spiel 
jener  Gaukler.  Zu  diesen  gehört  Jakob  Frank,  der  durch  den 
blendenden  Schein,  mit  dem  er  sich  und  seine  schöne  Tochter 
zu  umgeben  wusste,  der  Phantasie  reichliche  Nahrung  bietet, 
und  es  hat  noch  in  neuester  Zeit  die  Romantik  sich  seiner  be- 
mächtigt und  ihn  theils  in  Aufsätzen,  theils  in  vollständigen 
Werken  zum  Tugendhelden,  zum  „Ideal  gesinnungshoher  Sitt- 
lichkeit" gestempelt.  An  der  richtenden  schonungslosen  Ge- 
schichte ist  es,  über  die  romantischen  Spielereien  wegzusehen 
und  diese  nebelhafte  Gestalt  nach  ihrem  eigentlichen  Wesen 
darzustellen.  Der  neueste  Geschichtsschreiber  der  Juden,  Herr 
Dr.  Graetz,  hat  dieses  in  obiger,  das  diesjährige  Programm  des 
jüdisch -theologischen  Seminars  zu  Breslau  bildenden  Mono- 
graphie Unternommen  und  schlagend  nachgewiesen,  dass  Frank 
ein  gewissenloser  Betrüger  war,  der,  von  den  niedrigsten  Leiden- 
schaften getrieben,  mit  Religionen  und  Menschen  ein  höchst  ver- 
dammenswerthes  Spiel  trieb   und  kein  Mittel  scheute,  um  zur 


76  Recensionen  und  Anzeigen. 

Befriedigung  seines  ungezügelten  Ehrgeizes  zu  gelangen.  —  Frank, 
eigentlich  Jankiew  Lejbowicz  oder  Lebowicz,  im  südlichen  Ga- 
lizien  im  zweiten,  nach  Anderen  im  dritten  Decennium  des 
vorigen  Jahrhunderts  geboren,  war  ein  durchaus  ungebildeter 
und  unwissender  Mensch;  die  Basis  seines  Ansehens  bei  seinen 
Anhängern  lag  in  dem  Sabbatianismus ,  der  zu  jener  Zeit  viele 
Bekenner  in  Galizien  und  Podolien  zählte,  dene.n  es  aber  an 
einem  Oberhaupte  fehlte,  um  das  sie  sich  schaarten.  Frank 
fand  bei  seinem  Auftreten  Vieles  vorbereitet,  auch  fehlte  es  ihm 
in  seinen  Betrügereien  nicht  an  Helfershelfern,  einige  Mitglieder 
der  Familie  Schor  standen  ihm  als  solche  zur  Seite.  Die  rabbi- 
nischen  d.  i.  nichtsabbatianischen  Juden  wurden  endlich  auf 
dieses  Treiben  aufmerksam,  es  fehlte  nicht  an  Recriminationen 
und  Anklagen,  sie  und  an  ihrer  Spitze  die  Familie  Schor 
wurden  des  unzüchtigsten  Wandels  angeklagt  und  überfuhrt) 
und  es  sahen  sich  die  Behörden  zum  Einschreiten  veranlasst. 
Da  ertheilt  Frank,  der  sich  nach  Chozim  in  Sicherheit 
zurückgezogen  hatte,  seinen  Anhängern  den  Rath,  die  Er- 
klärung abzugeben,  dass  sie  an  eine  Dreieinigkeit  glauben  und 
den  Talmud,  der  voll  Irrthümer  und  Blasphemien  sei,  ver- 
werfen; mehrere  von  ihnen  nahmen  aufsein  Geheiss  die  Taufe. 
Die  Frankisten  fanden  nun  an  dem  Bischof  von  Podolien, 
Deinbowski,  einen  Gönner  und  brachten  über  die  Juden  unsäg- 
liches Leid;  sie  klagten  diese  an,  das  Blut  von  Christen  an  ihren 
Festtagen  zu  gebrauchen  und  veranlassten  den  Bischof  Dein- 
bowski, durch  ein  Edict  die  Verbrennung  des  Talmud  anzu- 
befehlen. Ein  Frankist  verbrannte  den  Talmud  an  einem  jüdi- 
schen Feiertage  vor  den  Augen  der  Juden.  —  Doch  Dembowski 
starb,  die  Fraukisten  geriethen  in  Noth,  sie  wendeten  sich  an 
den  Erzbischof  von  Lemberg,  Lubienski,  der  aber  wie  der 
päpstliche  Nuntius  zu  Warschau  das  Lügengewebe  durchschaute 
und  dass  ihr  christliches  Glaubensbekenntniss  nicht  ernstlich 
sei:  er  wies  sie  daher  mit  ihrem  Gesuche  um  Schutz  für  ihre 
Secte  nicht  vor.  Frank  nahm  endlich  auch  die  Taufe  an,  der 
König  August  von  Polen   war   sein  Taufpathe  (25.   Nov.   1759) 

• 

Doch  auch  jetzt  war  der  Argwohn ,  dass  das  angenommene 
christliche  Bekenntniss  nur  ein  Deckmantel  für  geheime  Pläne 
sei,  nicht  beschwichtigt,  und  Frank  wurde  endlich  gezwungen, 
dieses  in  einem  offenen  Bekenntnisse  abzulegen.    Er  wurde  zur 


Recensionen  und  Anzeigen.  77 

Kerkerstrafe  verurtheilt,  die  er  dreizehn  Jahre  zu  Czenstochow 
erlitt.  Als  die  Russen  Czenstochow  eroberten,  Hess  er  erklären, 
er  und  seine-  Anhänger  wollen  sich  zur  griechichen  Kirche  be- 
kennen. Er  erlangte  später  seine  Freiheit,  ging  mit  vielen  An- 
hängern, denen  er  als  gottgewordener  Mensch,  als  „heiliger 
Herr44  galt,  nach  Oe&t erreich  und  lebte  mehrere  Jahre  in  Brunn, 
und  als  er  diese  Stadt  verlassen  musste,  ging  er  nach  Offenbach, 
woselbst  er  Decbr.  1791  starb.  —  Dieses  in  kurzen  Worten  der 
Inhalt  dieser  sehr  interessanten  Monographie ;  der  Verfasser  hat 
mit  Wärme  und  an  mancher  Seite  mit  innerer  Indignation  ge- 
schrieben, es  ist  der  Ingrimm  der  Wahrheit,  der  spricht;  und 
dass  der  Verf.  von  Wahrheit  geleitet  wurde,  beweisen  die  der 
Schrift  beigegebenen  und  ihren  Werth  erhöhenden  Beilagen,  die 
Herr  Dr.  Graetz  aus  den  seltensten  und  schwer  zugänglichen 
Werken  gesammelt.  Doch  sind  die  Angaben  mancher  dieser 
Beilagen  mit  Sorgfalt  zu  prüfen.  So  ist  R.  Jakob  Emden  in 
seinen  Mittheilungen  nicht  ganz  zuverlässig;  ein  Mann  von  be- 
deutender Gelehrsamkeit,  ist  er  ein  eifriger  Zelot  und  bereit, 
auf  den  leisesten  Verdacht  zu  verdammen.  Begeifert  er  doch 
selbst  den  ihm  weit  überlegenen  R.  Jezechiel  Landau  und  zieht 
seine  Orthodoxie  in  Zweifel!  Und  Emden,  der  heftigste  Feind 
des  im  Sohar  wurzelnden  Sabbatianismus,  vermag  nicht,  sich 
vom  Sohar  und  der  Kabbala  loszusagen,  während  Landau  offen 
mit  der  Kabbala  brach  und  auf  den  Sohar  keinen  Werth  legte! 
Es  scheint,  dass  Emden  auch  gegen  Jonathan  Eibeschütz  sich 
in  seinem  Uebereifer  schwer  versündigt  und  ihm  Mehreres  auf- 
gebürdet habe,  das  bei  genauerer  Prüfung  schwindet;  vielleicht 
wird  es  uns  gegönnt  sein,  an  einer  anderen  Seite  hierfür  den 
Nachweis  zu  liefern. 

Kehren  wir  zu  der  Monographie  zurück,  so  scheint  bei  der 
Befriedigung,  die  sie  gewährt,  doch  noch  Manches  dunkel.  So 
ist  nicht  abzusehen,  wodurch  Frank  diesen  imponirenden  Einfluss 
und  das  göttliche  Ansehen  bei  seinen  Anhängern  gewann,  von 
denen  er  als  Adonai'  (S.  71)  verehrt  wurde,  da  er  doch  selbst 
Idiot  und,  wie  der  Verf.  mittheilt,  wenig  gewinnend  war.  Aber 
es  herrscht  über  das  Treiben  und  Wirken  der  Sabbatianer  über- 
haupt so  vieles  Dunkel,  dass  dem  Herrn  Verf.  kein  Vorwurf 
daraus  gemacht  werden  kann,  dass  er  nicht  ganz  das  Räthsel- 
hafte  in  der  Geschichte  dieser  Secte  gelöst.   Ref.  hatte  in  seiner 


78  Recensionen  und  Anzeigen. 

Jugend  Gelegenheit  in  Prag  die  Sabbatianer  zu  beobachten; 
ihre  Zahl  war  zwar  nicht  gross,  aber  es  herrschte  unter  ihuen 
ein  inniges  Zusammenhalten.  Ihr  äusseres  und  häusliches  Leben 
war  streng  talmudisch  religiös,  ihre  Orthodoxie  erstreckte  sich 
sogar  auf  die  Kleidung,  sie  waren  mit  dem  damals  den  frommen 
Juden  erkennbar  machenden  Dreimeister  oder  einem  dreieckigen 
Hute,,  unter  welchem  ein  Käppchen,  bekleidet.  Auch  heiratheten 
sie  Frauen  aus  frommen  Häusern,  die  das  Leben  des  elterlichen 
Hauses  weiter  führten  und  ihre  Männer  waren  mit  ihnen  hierin 
ganz  einverstanden.  Der  Umgang  dieser  Anhänger  Sabbatai 
Zewi's  wurde  gerade  nicht  geflohen,  aber  auch  nicht  gesucht. 
Sie  hatten  ihre  eigene  von  ihnen  besuchte  Synagoge  in  dem 
Hause,  des,  wie  es  scheint,  damals  an  ihrer  Spitze  stehenden 
J.  Wehl.;  welche  Gebete  sie  daselbst  verrichteten,  war  nicht 
bekannt,  doch  wurde  allgemein  —  und  wohl  auch  der  Wahrheit 
nahe  —  behauptet,  der  Tag  der  Zerstörung  Jerusalems  (9.  Ab.) 
sei  ihnen  ein  Freudentag,  da  nach  ihrer  Behauptung  der  Messias 
in  der  Person  S.  Zewi's  gekommen  sei.  Auf  das  Gerede,  dass 
sie  in  ihrer  Synagoge  Orgien  feiern,  wurde  nicht  nur  kein  Ge- 
wicht gelegt,  sondern  man  betrachtete  es  als  Verla umdung,  da 
ihr  Lebenswandel  sittenrein  war  und  sie  nach  der  Seite  ihres 
moralischen  Charakters  allgemeine  Achtung  genossen.  Die  da- 
malige Lage  der  Juden  in  Oesterreich  war  durch  viele  Beschrän- 
kungen sehr  gedrückt  und  es  gab  manchen  Schwachen,  der  sich 
hierdurch  zur  Abschwörung  des  Judenthums  drängen  liess;  von 
den  gedachten  Sabbatianern  hat  nie  Jemand  das  Judenthum  ver- 
lassen und  auch  ihre  Kinder  blieben  treu  dem  Judenthum.  Um 
so  befremdender  scheint  folgender  dem  Ref.  aus  Autopsie  be- 
kannter Zug.  In  katholischen  Ländern  läutet  wie  bekannt  um 
zwölf  Uhr  die  Glocke,  als  Zeichen  zum  Gebet,  gläubige  Katho- 
liken hören  auf  dieses  Zeichen.  Ref.  ging  einst  des  Vormittags 
in  einer  Strasse,  in  die  auch  der  obengedachte,  seiner  ganzen 
Bekleidung  nach,  wie  durch  einen  grossen,  damals  noch  nicht 
Mode  gewordenen  Bart  den  Juden  repräsentirende  J.  Wehl.  trat; 
es  läutete  zwölf  und  J.  Wehl.  zog  den  Hut  ab  und  ging  so 
durch  die  ganze  Strasse!  —  Hiermit  würde  wohl  zusammen- 
hängen, dass  manche  Prager  Sabbatianer  —  nicht  nur  der  von 
seinem  Vater  gesandte  Herr  v.  P.  (in  der  Monographie  wird 
ungenau  angegeben,  auch  mit  Willen  seiner  Mutter;  seine  Mutter, 


Monatschronik.  79 

Frau  des  äusserlich  ganz  rabbinischen  G.  P.  war  als  echt  ortho- 
doxe Jüdin  bekannt),  sondern  auch  ein  S.  Zerk  sich  nach  Offen- 
bach zu  dem  das  Christenthum  bekennenden  Frank  begaben; 
aber  Frank  trug  das  Christenthum  öffentlich  zur  Schau  und  die 
Prager  Sabbatianer  bekannten  es  nicht  frei,  Frank  hasste  und 
verwarf  den  Talmud  und  seine  Vorschriften,  diese  Sabbatianer 
beobachteten  sie ,  Frank  wollte  keinen  Juden  kennen,  diese  Sab- 
batianer hingen  an  Juden  und  ihren  orthodox  jüdischen  Frauen 
und  lebten  ganz  nach  deren  Weise!  -  Von  diesen  Prager  Sab- 
batianern  ist  noch  zu  erwähnen,  dass,  wie  allgemein  behauptet 
wurde,  sie  sich  täglich  zur  Stätte  begaben,  wo  früher  der  Galgen 
stand,  und  auch  von  Frank  wurde  Ref.  von  glaubwürdiger  Seite 
erzählt,  er  habe  sich  in.  Brunn  täglich  mit  glänzendem  Gefolge 
nach  der  Stätte  des  Galgens  begeben,  dort  sei  ein  grosser  Tep- 
pich ausgebreitet  worden,  auf  welchen  er  sich  setzte  und  aus 
einem  Buche  las. 

Es  bleibt  also  noch  Manches  in  der  Geschichte  Frank's  und 
seiner  Anhänger  räthselhaft,  doch  fühlt  sich  der  Geschichtsfor- 
scher Herrn  Dr.  Graetz  für  das  Dargebotene  zum  aufrichtigen 
Dank  verpflichtet  und  wird  ihm  gern  das  Verdienst  zuerkennen, 
in  diesen  mysteriösen  Sagen  aufgeräumt  und  die  bodenlose 
Verworfenheit  Frank's  nach  authentischen  Quellen  überführend 
dargelegt  zu  haben. 


Mooatschronik. 


Baden.  Der  bisherige  Ministeriairath  Elstetter  ist  bei  der 
vor  einigen  Tagen  erfolgten  Neubildung  des  Ministeriums  zum 
Präsidenten  des  Finanzministeriums  ernannt  worden.  Das  frei- 
sinnige Baden,  das  schon  seit  längerer  Zeit  jüdische  Richter 
und  Staatsanwälte  besitzt,  hat  durch  die  Berufung  Elstetter  s 
in  das  Ministerium  nun  auch  den  Ruhm  für  sich  in  Anspruch 
zu  nehmen,  der  erste  deutsche  Staat  zu  sein,  der  ein  Minister- 
portefeuille in  die  Hände  eines  Juden  gelegt  hat. 


80  Monatschronik. 

Berlin«  Am  27.  Januar  starb  hierselbst  der  Commercienrath 
und  Stadtrath  Leonor  Reichenheim,  langjähriger  Vertreter  des 
Kreises  Waidenburg  im  Abgeordnetenhause  und  Mitglied  des 
constituirenden  Reichstages  des  norddeutschen  Bundes.  Der 
Präsident  des  Abgeordnetenhauses  widmete  dem  Verstorbenen 
Worte  der  Anerkennung  für  seine  aufopfernde  Thätigkeit  als 
Abgeordneter  und  speziell  als  mehrjähriges  Mitglied  der  Budget- 
Commission,  und  lud  das  Haus  zurTheilnahme  an  seinem  Leichen- 
begängnisse ein.  Zahlreiche  Mitglieder  beider  Häuser  des  Land- 
tages, Deputationen  der  städtischen  Körperschaften  und  viele 
andere  hervorragende  Männer  gaben  dem  Entseelten  das  Geleit 
zum  israelitischen  Friedhofe. 

Paris.  Herr -Michel  Levy,  Mitglied  der  medicinischen  Aca- 
demie  und  Inspector  der  Sanitätscommission  im  Kriegministe- 
rium, ist  zum  Vicepräsidenten  des  Comite  für  Gesundheitspflege 
und  des  medicinischen  Ausschusses  zur  Leitung  der  Hospitäler 
ernannt  und  zur  Würde  eines  Gross  -  Offiziers  der  Ehrenlegion 
erhoben  worden*). 

Prag.  Die  erste  Ernennung  eines  Israeliten  zum  Auscultanten 
im  Justizfache  ist  dieser  Tage  vorgekommen.  Dem  Herrn 
Dr.  jur.  Moritz  Fischer  aus  Gaya  in  Mähren  wurde  vom  k.  k. 
böhmischen  Oberlandesgerichte  eine  Auscultantenstelle  mit  dem 
Jahresadjutum  verliehen.  Es  ist  dies  der  erste  Fall,  dass  das 
Princip  der  Zulassung  von  Israeliten  zum  juridischen  Staats- 
dienste in  praktische  Anwendung  kommt. 


*)  Diese  Nachricht  haben  wir  dem  in  Paris  erscheinenden  „Univers 
Israelite"  entlehnt.  Wenn  dieses  Blatt  sich  darüber  beklagt,  dass  in  der 
Monatschronik  dieser  Zeitschrift  bisweilen  Nachrichten  enthalten  seien, 
die  es  zuerst  gebracht,  ohne  dass  wir  es  der  Mühe  werth  hielten,  die 
Quelle  anzugeben,  aus  der  wir  geschöpft,  so  vergisst  dasselbe,  dass 
jede  Chronik,  die  ja  nicht  den  Anspruch  macht,  Originalberichte  zu 
liefern,  ihre  Nachrichten  gewöhnlich  den  öffentlichen  Blättern  entlehnt, 
ohne  dieselben  namhaft  zu  machen.  In  Deutschland  wenigstens  ist 
dies  allgemeiner  Brauch,  und  wir  werden  daher  bei  diesem  uns  völlig 
correct  erscheinenden  Verfahren  auch  in  Zukunft  beharren. 

D.  R. 


Mendelssohn-Skizzen. 

Von  Dr.  M.  Kayscrling. 


I.    Ein  Besuch  Moses  Mendelssohns  in  Friedrichsfelde. 

Es  war  im  Sommer  des  Jahres  1785  als  Moses  Mendels- 
sohn in  Begleitung  seines  Freundes  Ramler  eine  Spazier- 
fahrt nach  dem  von  Berlin  wenige  Stunden  entfernten 
Friedrichsfelde  machte.  Dort  weilte  zur  Zeit  der  Herzog 
von  Curland,  dessen  Gemahlin  die  Herzogin  Dorothea 
so  wohl,  wie  ihre  Schwester  Elise  von  der  Recke,  eine 
der  edelsten  Frauen  ihrer  Zeit,  den  jüdischen  Philosophen 
innig  verehrten  und  e9  als  einen  seltenen  Genuss  betrach- 
teten, den  liebenswürdigen  Gesellschafter  in  ihrer  Nähe 
zu  haben. 

Früher,  als  die  Herzogin  erwartet  hatte,  traf  Mendelssohn 
zum  Besuche  der  beiden  „unvergleichlichen  Schwestern" 
am  Curischen  Hofe  ein.  Sie  waren  gerade  mit  ihren 
Toiletten  beschäftigt  und  gaben  ihrer  Reisebegleiterin  den 
Auftrag,  die  beiden  Söhne  der  Weisheit  in  den  Schloss- 
garten zu  führen.  Mendelssohn  und  Ramler  lustwandelten 
in  dem  herrlichen  Park  unter  den  schattigen  Bäumen, 
geführt  von  einer  Dame,  welche  das  dreissigste  Jahr 
noch  nicht  überschritten  hatte.  Voller  Bewunderung  der 
Schönheiten  der  Natur  und  der  mannigfach  in  ihr  wir- 
kenden Kräfte  gingen  sie  stillschweigend  neben  einander, 
bis  endlich  die  anmuthige  Führerin,  welche  in  der  Gegen- 
wart dieser  geistvollen  Männer  Gott  und  seine  Welt  leb- 
hafter als  gewöhnlich  zu  fühlen  glaubte,  nicht  ohne  Zagen 

Frank el,  Monatsschrift.  XVII. 3.  7 


82  Mendelssohn-Skizzen. 

das  Schweigen  brach.  „Mir  kömmt  das  Niederhauen  eines 
grossen  schönen  Baumes  beinah  wie  ein  Mord  vor",  hob 
die  Dame  an,  „ein  so  wichtiges  Product  der  Natur  scheint 
mir  ein  Baum  zu  sein."  Das  führte  Mendelssohn  auf  die 
Idee  der  Alten,  auf  die  Bibel;  er  war  nicht  damit  zufrie- 
den, dass  der  Dichter  für  die  Erhaltung  des  Baumes 
ausser  der  innern  Belohnung,  gut  gehandelt  zu  haben, 
noch  äusseren  Wohlstand  gibt,  das  hiesse,  meinte  er,  die 
Tugend  zu  einer  feilen  Dirne  machen. 

Sophie  Becker,  so  hiess  die  Dame,  war  ein  höchst 
origineller  Charakter.  Sie  befand  sich  gerade  damals  in 
der  Periode  des  Zweifeins  und  erschloss  Mendelssohn  ihr 
ganzes  Herz,  er  wurde  ihr  „theuerster  Freund"  sie  ihm 
seine  „theuerste  Sophie".  Ihre  Seele  war  von  so  mancher- 
lei dunklen  Vorstellungen  und  durch  diese  von  so  ver- 
schiedenen Gefühlen  bewegt,  dass  sie  sich  irgendwo 
ergiessen  musste  Mendelssohn  war  der  Erste,  wie  sie 
in  dem  Briefe  vom  24.  December  1785  gesteht,  von  dem 
sie  glaubte,  er  würde  sie  verstehen,  oder  da,  wo  sie 
sich  selbst  nicht  versteht,  Licht  hinhalten  können.  In 
Betrachtungen  über  Menschenschicksal  versunken,  fühlte 
sie  in  ihrem  Herzen  eine  Leere,  sie  konnte  den  Gedanken 
Gott  nicht  mehr  fassen,  sie  konnte  nicht  mehr  beten, 
hatte  keinen  Sinn  mehr  für  den  öffentlichen  Gottesdienst 
„So  sieht  es  in  meiner  Seele  aus,  theuerster  Freund,  nur 
Ihnen  lege  ich  sie  offen  dar",  heisst  es  in  dem  erwähnten 
Briefe.  „Rathen  sie  mir,  auf  welche  Art  ich  es  anfange, 
meinem  Herzen  den  Gott  näher  zu  bringen,  den  mein 
Verstand  im  Sandkorn  wie  in  der  Sonne  anbetet"1). 

Mit  dieser  liebenswürdigen  Curländischen  Freundin  der 
Skepsis,  der  die  Unterhaltung  mit  Mendelssohn  Balsam 
war  und  sie  zur  reiferen  Prüfung  stimmte,  mit  dieser 
„theuersten  Sophie",  welche  den  letzten  köstlichen  Brief, 
den  das  Herz  des  Philosophen  dictirte,  als  ein  Zeugniss 
inniger  Freundschaft  bewahrte,  durchstrichen  die  beiden 
Gäste  der  Herzogin  den  Hofgarten,  bis  sie  selbst  erschien. 


')  Moses  Mendelssohn's  ges.  Sehr.  V,  646. 


Mendelssohn -Skizzen.  83 

Die  Morgenstunden  vergingen  schnell  in  traulichem  Ge- 
spräche und  die  Mittagszeit  rückte  heran.  Da  entfernte 
sich  Mendelssohn  stillschweigend.  Er  ging  in  das  nächste 
Wirthshaus,  wo  er  sich  ein  frugales  Mahl  bestellt  hatte, 
denn  —  es  sind  das  Sophiens  Worte  — =•  aus  einem  gewiss 
sehr  ehrwürdigen  Grunde  lässt  sich  dieser  philosophische 
Mann  nie  zu  den  Mahlzeiten  der  Christen  laden2). 

Nach  Tisch  kehrte  Mendelssohn  zu  den  Freundinnen 
zurück.  Ramler  wurde  aufgefordert,  Etwas  zu  lesen,  und 
da  gerade  Nathan  der  Weise  auf  dem  Tische  lag,  so 
wählte  er  Etwas  daraus.  Während  die  Herzogin  und 
Elise  von  den  Wahrheiten  seiner  Gedanken  oder  von 
dem  trefflichen  Charakter  des  Nathan  zur  lauten  Bewun- 
derung hingerissen  wurden,  sass  Mendelssohn  mit  verschlos- 
senem Munde  da,  seine  Seele  schien  sich  bloss  in  das 
Auge  zurückgezogen  zu  haben.  Um  die  ernste  Empfin- 
dung sanfter  zu  stimmen,  trat  endlich  die  Herzogin  an 
ihr  Ciavier  und  spielte  ein  paar  seelenvolle  Arien.  Am 
Schlüsse  derselben  empfahl  sich  Mendelssohn,  indem  er 
mit  Thränen  in  den  Augen  versicherte,  er  hätte  einmal 
mit  dem  Geiste  geschwelgt.  Er  hatte  einen  glücklichen 
Tag  verlebt. 


II.    Ein  ungedruckter  Brief  Moses  Mendelssohn^. 

Auf  das  intime  Verhältniss,  in  welchem  Mendelssohn 
zu  dem  Staatsrathe  von  Hennings  nahezu  dreizehn 
Jahre  gestanden,  habe  ich  in  mehreren  Stellen  meiner 
Biographie  hingewiesen  und  auch  den  grössten  Theil  des 
zwischen  ihnen  gepflogenen  Briefwechsels  zum  ersten 
Male  veröffentlicht  (S  519  —  538).  Erst  vor  einigen  Mo- 
iiaten  erhielt  ich  durch  die  Güte  des  Herrn  Prof.  Watten- 
bach in  Heidelberg  noch  ein  sehr  interessantes  Schreiben 
Mendelssohn's  an  Hennings,  das  die  Correspondenz  ver- 
vollständigt und  hier  seine  Stelle  finden  mag. 


')  Briefe  einer  Curländerin,  II,  172. 

7* 


8  t  Mendelssohn -Skizzen. 

Es  lautet: 

Ich  bin  einige  Tage  unschlüssig  gewesen,  ob  ich  Ihr 
gar  zu  ehrliches  Schreiben  an  M.3)  abgeben  soll.  Der 
beste  Buchhändler,  mein  Theurer!  ist  Buchhändler,  d.  i. 
in  beständigem  Kriege  mit  dem  Schriftsteller,  der  also 
seinem  Widersacher  nie  zu  viel  trauen  darf.  Einem  Buch- 
händler sich  unbedingt  in  die  Arme  werfen,  heisst  dem 
Wolf  den  Schnabel  gerade  in  den  Rachen  stecken.  Dann 
fordert  der  Storch  Honorarium! 

Das  Schlimmste  ist,  dass  sie  mir  den  Auftrag  gegeben, 
die  Geldsache  abzurunden,  mir,  der  ich  zwar  auch  Kauf- 
mann bin,  aber  diese  Art  von  Handel  am  Wenigsten 
verstehe  und  gar  leicht  überlistet  werden  kann.  Ich  fühle 
es  recht  sehr,  was  ein  edel  denkender  Schriftsteller  empfin- 
den muss,  wenn  ihn  die  Umstände  nöthigen,  die  Arbeiten 
seines  Geistes  feil  zu  bieten,  das  Verhältniss  als  Schrift- 
steller mit  dem  Verhältniss  als  Verkäufer  zu  verwechseln. 
Aber  eben  diese  feinen  Empfindungen  pflegen  sich  die 
feinen  Buchhändler  zu  merken  und  zu  ihrem  Vortheil  zu 
gebrauchen,  und  mit  mir  ist  ihnen  dieser  Kunstgriff  noch 
allzeit  gelungen.  Auch  wenn  ich  den  Handel  nicht  in 
meinem  Namen  schliesse,  fürchte  ich,  dass  er  ihm  ge- 
lingen werde,  denn  ich  empfinde  für  meine  Freunde,  was 
ich  für  mich  empfinde  und  liebe  es,  auch  in  ihrem  Namen 
jeden  Verdacht  des  Eigennutzes  zu  vermeiden.  Mein* 
erster  Entschluss  war  also,  den  Brief  zurückzuhalten  und 


8)  Mauren,  Buchhändler  in  Berlin  und  au^h  Verleger  Mendelssohn's. 
Schon  in  einem  früheren  Briefe  an  Hennings  vom  5.  December  1783 
(Biographie,  533)  sagt  Mendelssohn  von  Mauren:  „Er  ist  noch  nicht 
Buchhändler  genug,  um  unbillig  sein  zu  können.  Sobald  er  sich  auf 
Unkosten  der  Schriftsteller  wird  reich  verlegt  haben,  wird  er  wahr- 
scheinlicher Weise  in  die  Denkungsart  seiner  Zunft  einschlagen.  Wenn 
Sie  Bedingungen  machen,  so  lassen  Sie  ihn  über  das,  was  er  an 
baarem  Gelde  bezahlen  soll,  Wechsel  ausstellen.  Denn  mil  dem  haa- 
ren Gelde  sieht  es  bei  ihm,  wie  aus  dem  Vorigen  erhellt,  mehron- 
theils  misslich  aus".  Was  Mendelssohn  hier  schreibt,  stimmt  mit  dem 
Obigen  genau  überein. 


Mendelssohn -Skizzen.  85 

Sie  um  gemessene  Ordre  zu  bitten.  Littera  non  erubescit, 
dachte  ich.  Mau  kann  weit  besser  auf  seiu  Recht  beste- 
hen, wenn  man  etwas  aufzuweisen  hat,  darauf  man  sich 
stützt. 

Indessen  schien  mir  das  Hin-  und  Herschreiben,  zu- 
mal bei  jetzigem  Eisgange,  zu  viel  Zeit  zu  erfordern,  und 
ich  entschloss  mich,  es  zu  wagen.  Ich  werde  also  heute 
oder  morgen  Ihr  Schreiben  abgeben  und  sehen,  wozu 
sich  M.  entschliesset.  Allenfalls  schliesse  ich  bis  auf 
Ihre  Genehmigung,  wenn  er  sich  unbillig  zeigen  sollte. 

Alles  dieses,  mein  Bester!  belieben  Sie  in  allen  Fällen 
nicht  zu  unterlassen.  Bedingen  Sie  sich  die  Hälfte  des 
Honor.  gleich  nach  dem  Abdrucke  des  ersten  Theils  aus 
und  behalten  den  zweiten  Theil  so  lange  zurück.  M.  ist 
ein  junger  Anfanger,  der  nicht  viel  Vermögen  hat  und 
viel  unternimmt.  Es  scheint  ihm  oft  mehr  an  Fond,  als 
an  gutem  Willen  zu  fehlen.  Vorsicht  kann  also  nicht 
schaden;  von  mir  aber  würde  es  unschicklich  sein,  irgend 
ein  Misstrauen  dieser  Art  zu  erkennen  zu  geben. 

Und  hiermit  genug  von  der  Geldsache!  Ich  habe  Ihnen 
noch  ein  paar  Worte  über  die  Laune  zu  sagen,  mit  wel- 
cher Sie  immer  noch  auf  das  Thun  und  Lassen  der  Men- 
schen zu  sehen  scheinen.  Immer  noch  schmollende 
Philantropie ,  die  auf  der  Neige  steht,  in  Misantropie 
herab  zu  sinken.  Dieses  ist  mehrentheils  der  Antheil  der 
Besten  unter  den  Menschenkindern.  Sie  suchen  sich  ein 
Ideal  von  Menschen,  spannen  ihre  Forderungen  sehr 
hoch  und  wenn  sie  diese  Forderungen  in  der  Welt  Gottes 
nicht  erfüllt  sehen,  so  kehren  sie  in  sich  zurück,  schelten 
bald  die  Welt,  bald  ihre  eigene  Philosophie  und  sind  in 
Gefahr,  mit  beiden  in  beständiger  Uneinigkeit  zu  leben. 
Aber  in  der  That,  mein  verehrungswürdiger  Menschen- 
freund! geht  es  uns  Allen  so,  nur  so  lange  wir  auf  der 
Schwelle  der  Weisheit  stehen.  Ein  näherer  Hintritt  zum 
Altare  dieser  Gottheit  giebt  eine  weit  bessere  Aussicht, 
bringet  uns  in  Harmonie  mit  uns  selbst  und  macht  uns  zufrie- 
den mit  Gott,  mit  seiner  Welt  und  mit  uns  selbst.  Wenn 
Ihnen  gleich  diese  Maximen  jetzt  trivial  und  abgedroschen 
scheinen,  so  bin  ich  doch  versichert,  sie  werden  Ihnen 


86  Mendelssohn  -  Skizzen.  " 

in  einigen  Jahren  wahr  scheinen,  sobald  Ihr  guter  Ge- 
nius Sie  durch  Ihre  eigene  Empfindung  darauf  führen 
wird.  So  natürlich  ist  dem  bessern  Theil  der  Menschen 
dieser  Kreislauf  der  Gesinnungen,  sie  kommen  alle  wie- 
der auf  den  Punkt  zurück,  von  welchem  sie  ausgegangen 
sind ,  Menschenliebe.  —  In  welchem  Punkte  dieses  Kreises 
Sie  aber  auch  itzt  stehen,  so  lieben  Sie  doch  unstreitig 

Ihren 
Moses  Mendelssohn. 

Berlin,  den  15.  März  1784. 

Dieser    von    Mendelssohn    eigenhändig   geschriebene 
Brief  mit  der  Adresse: 

An 
Herrn  Etaatsrath  Hennings 

in 
fr.  Koppenhagen  (sie) 

Hamburg. 

an  dem  sich  auch  —  es  sei  das  beiläufig  bemerkt  — 
Mendelssohn's  Siegel:  ein  verschlungenes  MM.  mit  den 
beiden  darüber  stehenden  Buchstaben  Tö  (WlDJH  nttffc)1) 
befindet,  zeigt  uns  den  ganzen  Mann:  den  uneigennützigen 
Freund,  den  gewiegten  Geschäftsmann,  den  Menschen- 
kenner und  Philosophen. 


l)  Am  Schiasse  eines  Briefes  Mendelssohn's  an  Elkan  Herz  in 
Leipzig,  in  dem  er  den  Rabbiner  von  Neuwied  empfiehlt,  bemerkt  er: 
nDlTTOfl  lrnnDPOONim  (Biographie  492),  statt  Abele  Gumbinnen  ist 
dort  Moses  Isserleä  zu  lesen  b"l  JIDDH  h)}J?  "DJ1  p  und  geht  daraus 
unzweideutig  hervor,  dass  Mendelssohn  seinen  Stammbaum  bis  auf 
diese  rabbinische  Autorität  zurückführte.  Nun  lebte  gegen  1742  als 
Drucker  in  Dessau  RnpjTT  WD  YlHlD  DDTlDDm  anJH  ]^pn  p  .T^N 
h'\  aus  dessen  Officin  u.  A.  der  myn  p~)p  und  priN  p~)p  (1742,  1748) 
hervorgingen.  Auch  dieser  fügt  zu  seinem  Namen  hinzu:  nnDGPDD 
h"W  üblCFN  WD  T-ni1D  0DT1DDPI  Wvn  IßOn  und  ist  soweit  sicher 
ein  Verwandter  —  vielleicht  Cousin  —  unseres  Mendelssohn. 


vom  mosaisch -talmudischen  Standpunkte.  91 

und  die  Üeberzeugung  von  der  Schuld  des  Angeklagten 
musste  eine  so  vollkommene,  eine,  wir  dürfen  sagen  fast 
untrügliche  sein,  wenn  das  „Schuldig4'  ausgesprochen 
werden  sollte.  Und  doch  war  der  Gewissenhaftigkeit  und 
ängstlichen  Sorgfalt  der  späteren  jüdischen  Gesetzeslehre 
und  Gesetzesbücher  für  das  Leben  des  Angeklagten  selbst 
durch  diese  Bestimmungen  noch  nicht  Genüge  geleistet; 
die  Bibel  verlangt  bei  der  Aburtheilung  eines  Verbrechers 
nicht  blos  den  Nachweis  der  Culpa,  sondern  auch  des 
Dolus,  und  dieser  wird  nach  der  Anschauung  der  Talmu- 
disten  erst  dann  für  völlig  geführt  erachtet,  wenn  der 
Verbrecher  vor  der  Ausübung  seiner  That  ausdrücklich 
gewarnt  und  auf  die  für  seine  verbrecherische  Handlung 
angesetzte  Strafe  aufmerksam  gemacht  worden  war.  We- 
nigstens hat  die  talmudische  Speculation  zu  diesem  Re- 
sultate geführt,  und  wenn  auch  nicht  mit  Bestimmtheit 
anzunehmen  ist,  dass  zur  Zeit,  als  das  Strafrecht  der 
Juden  noch  praktische  Geltung  hatte,  die  vorherige  Ver- 
warnung des  Verbrechers  bei  einem  so  schweren  und  von 
dem  moralischen  Gefühle  eines  jeden  Menschen  gleich 
sehr  verurtheilten  Verbrechens,  wie  der  Mord  ist,  als 
unerlässliche  Bedingung  zur  Schuldigsprechung  anerkannt 
wurde,  so  zeugt  doch  der  Umstand,  dass  die  Forschung 
zu  einem  solchen  Resultate  gelangen  konnte,  unserer 
Üeberzeugung  nach,  unwiderleglich  dafür,  dass  die  Ge- 
setzeslehrer von  der  Zweckmässigkeit  der  Todesstrafe 
keine  hohe  Meinung  hatten,  und  dass  sie,  trotz  ihrer 
überaus  grossen  Verehrung  für  die  biblischen  Gebote,  es 
mit  ihrem  religiösen  Gewissen  vereinigen  zu  können 
glaubten,  das  biblische  Gebot  möglichst  zu  modificiren, 
ja,  dass  sie  im  Sinne  der  heiligen  Schrift  zu  handeln  sich 
bewusst  waren,  wenn  sie  die  bereits  sehr  verclausulirten 
Bestimmungen  über  die  Anwendung  der  Todesstrafe  noch 
mehr  einschränkten.  Sicherlich  ist  auch  aus  diesem  Ge- 
sichtspunkte das  Gesetz  hervorgegangen3),  nach  welchem 
die  Todesstrafe  an  dem  Mörder  in   dem   Falle   nicht   zu 


9)  Synhedrin  78  a. 


92  Ueber  die  Abschaffung  der  Todesstrafe 

vollziehen  sei>  wenn  der  Ermordete  nicht  lebensfähig 
gewesen,  wenn  er  mit  einer  Krankheit  behaftet  war,  die. 
notwendigerweise  auch  ohne  gewaltsame  Tödtung  in 
kurzer  Zeit  sein  Ende  hätte  herbeiführen  müssen.  Die 
menschliche  Gesellschaft  war  ja  dann  in  Wahrheit  nicht 
durch  das  verübte  Verbrechen  um  ein  Mitglied  beraubt 
worden,  Grund  genug,  um  in  einem  solchen  Falle  die 
Strenge  des  Gesetzes  nicht  zur  Anwendung  zu  bringen. 
Desgleichen  soll  nach  talmudischem  Grundsatze  das  Todes- 
urtheil  nicht  gesprochen  werden,  wenn  der  Tod  des 
Mörders  auf  naturgemässem  Wege  in  Folge  einer  Krank- 
heit in  kurzer  Zeit  eintreten  muss;  denn  wenn  die  Welt  ja 
ohnehin  durch  die  Hand  der  Vorsehung  von  diesem  ge- 
meinschädlichen Verbrecher  befreit  wird,  weshalb  soll 
die  weltliche  Gerichtsbarkeit  durch  eine  gewaltsame  Hin- 
richtung ihn  um  wenige  Tage  oder  Wochen  früher  in's 
Grab  befördern?  Die  Abneigung  gegen  die  Todesstrafe 
war  so  gross,  dass  man  das  häufige  Sprechen  eines  Todes- 
Urtheils  einem  Gerichtshofe  als  Vorwurf  anrechnete;  in 
der  Mischna  wird  das  Tribunal,  das  in  sieben,  und  nach 
der  Meinung  eines  Lehrers  sogar  in  siebzig  Jahren  ein 
Todesurtheil  gesprochen ,  ein  verderbliches  (mörderisches) 
genannt.  Ja,  zwei  berühmte,  mit  hoher  Autorität  be- 
kleidete Gesetzeslehrer,  Rabbi  Akiba  und  Rabbi  Tarfon 
erklären  ganz  unumwunden,  sie  würden  als  Mitglieder 
eines  peinlichen  Gerichtshofes  niemals  die  Todesstrafe 
verhängt  haben.  In  dem  Munde  des  Rabbi  Akiba  hat 
ein  solcher  Ausspruch  eine  ganz  besondere  Bedeutung, 
wir  dürfen  ihn  nicht  als  blosses  Resultat  der  Speculation 
betrachten,  das  in  der  Praxis  keine  Anwendung  gefunden 
haben  würde.  Rabbi  Akiba  war  bekanntlich  ein  begeis- 
terter Anhänger  Bar  Kochba's  und  zählte  mit  zu  den 
Leitern  des  blutigen  Aufstandes,  der  unter  Hadrian  den 
Juden  ihre  politische  Selbstständigkeit  wieder  verschaffen 
sollte.  Er  hegte  die  feste  Hoffnung,  den  jüdischen  Staat  in 
seinem  vollen  Glänze  wieder  hergestellt  und  dem  zufolge 
auch  das  Criminalrecht  der  Juden,  wieder  in  praktische 
Wirksamkeit  treten  zu  sehen ;  wenn  er  daher  den  erwähn- 
ten Ausspruch  that,  so   bezeichnete  er  damit  die  Norm, 


vom  mosaisch  -  talmudischen  Standpunkte.  93 

nach  welcher  er  in  wenigen  Jahren  zu  handeln  entschlossen 
war.  Und  wenn'  auch  die  meisten  Talmudlehrer  dem 
Rabbi  Akibah  in  diesem  Punkte  nicht  zustimmen,  so 
müssen  *wir  doch  allen  nachrühmen,  dass  sie  eine  Ver- 
minderung der  Todesstrafe  sämmtlich  angestrebt,  dass  sie 
den  Satz  der  heiligen  Schrift  „die  Gemeinde  suche  den 
Angeklagten  zu  retten"  in  seiner  weitesten  Ausdehnung 
zur  Geltung  gebracht  haben. 

Bevor  wir  jedoch  aus  dem  Gesagten  die  Nutzanwen- 
dung für  unsere  Zeitverhältnisse  ziehen,  müssen  wir 
einen  dunklen  Punkt  beleuchten,  der  das  ganze  Straf- 
recht der  Juden  illusorisch  zu  machen  scheint.  Die  Todes 
strafe  wurde,  wie  erwähnt,  nur  auf  das  durch  Augen- 
zeugen bewiesene  Verbrechen  verhängt,  der  vollkommenste 
Indicienbeweiss,  ja  Selbstgeständniss,  zogen  die  Todes- 
strafe nicht  nach  sich.  Soll  denn  aber  in  einem  solchen 
Falle  das  Verbrechen  straflos  bleiben?  Darf  die  Rücksicht 
auf  einen  bei  dem  vollständigsten  lndicien  beweise  immer- 
hin noch  möglichen  Irrthum  in  der  Praxis  so  weit  aus- 
gedehnt werden,  dass  der  menschlichen  Gesellschaft  gegen 
heimliche  Verbrecher  kein  Schutz  gewährt  werde?  In 
der  Bibel  fiudet  sieh  in  der  That  keine  Bestimmung  für 
solche  Fälle  und  man  hat  ihr  diese  Mangelhaftigkeit  viel- 
fach zum  Vorwurfe  angerechnet.  Allein  man  darf  nicht 
vergessen,  dass  die  heilige  Schrift  nicht  einen  vollständigen 
Criminal  Codex  liefern  wollte,  sie  wollte  nur  die  Theorie, 
die  Grundsätze  feststellen,  nach  denen  der  Richter  zu 
verfahren  habe,  überliess  aber  die  Erweiterung  und  Aus- 
führung ihrer  Bestimmungen  dem  Ermessen  und  der  Ein- 
sicht derjenigen  Behörden,  welche  als  Wächter  des  Ge- 
setzes und  Hüter  des  Staates  eingesetzt  waren.  Bei  der 
offenbaren  Abneigung  des  Gesetzgebers  gegen  eine  häufige 
Anwendung  der  Todesstrafe  war  es  zur  Zeit  der  mosai- 
schen Gesetzgebung  ja  auch  kaum  möglich,  eine  geeignete 
Strafe  für  den  Mörder  festzusetzen,  dessen  Verbrechen 
zwar  nicht  durch  Zeugen,  wohl  aber  durch  lndicien  er- 
wiesen war.  Ausser  der  Todesstrafe  finden  wir  in  der 
Bibel  für  die  Uebertretung  der  Gebote  nur  noch  eine 
einmalige  körperliche  Züchtigung  und  bei  unfreiwilligem 


94  Ueber  die  Abschaffung  der  Todesstrafe 

Morde  die  Strafe  der  Verbannung  in  eine  Freistatt  fest- 
gesetzt; es  leuchtet  ein,  dass  diese  beiden  Strafen  für 
absichtlichen  Mord  nicht  ausreichen,  da  durch  sie  ja 
keineswegs  die  Unschädlichmachung  des  Verbrechers  er- 
reicht wird.  Gefängnisse  gab  es  im  Alterthume  nicht, 
die  Organisation  des  Staates  war  noch  nicht  so  weit  ge- 
diehen, dass  man  es  wagen  konnte,  schwere  Verbrecher 
jahrelang  gefangen  zu  halten,  der  ganze  Verwaltungs- 
apparat des  Staates  war  zu  einfach,  um  dergleichen  zu 
ermöglichen.  Dieser  Umstand  hat  unseres  Erachtens 
wesentlich  dazu  beigetragen,  dass  in  den  meisten  alten 
Gesetzgebungen  auch  auf  verhältnissmässig  leichte  Ver- 
brechen die  Todesstrafe,  oder  was  derselben  gleichkommt, 
die  Strafe  der  Verbannung  gesetzt  war.  Die  jüdische 
Lehre  wollte  aber  die  Todesstrafe  beschränkt  wissen,  eine 
Verbannung  aus  dem  Lande  konnte  sie  ebenfalls  nicht 
verhängen,  denn  das  hiesse  ja,  den  Verbrecher  aus  der 
religiösen  Gemeinschaft  ausschliessen ,  ihn  der  höchsten 
Segnungen  der  Religion  berauben,  und  wäre  vom  Stand- 
punkte des  Judenthums,  das  auch  den  Sünder  als  Bruder 
ansieht,  eine  noch  härtere  Strafe  gewesen  als  selbst  der 
Tod.  Was  blieb  also  anderes  übrig,  als  den  Gerichten 
oder  den  vollziehenden  Gewalten  die  Bestimmung  der 
Strafe  anheimzugeben,  die  sie  den  Zeitverhältnissen  ent- 
sprechend für  angemessen  hielten?  Und  die  Praxis  wusste 
auch  bald  dafür  zu  sorgen,  dass  das  Verbrechen  des 
Mordes  nicht  straflos  blieb,  auch  wenn  die  zur  Aus- 
sprechung des  Todesurtheiles  erforderlichen  Beweise  durch 
Augenzeugen  nicht  vorhanden  waren.  „Wer  ohne  Zeugen 
umgebracht  hat  (d.  h.  wer  durch  den  Indicienbeweis  als 
Mörder  überführt  ist),  den  sperrt  man  in  ein  enges  Ge- 
fangniss  und  verabreicht  ihm  spärliche  Kost  u.  s.  w.tc, 
setzt  die  Mischnah  fest;  man  suchte  also  die  menschliche 
Gesellschaft  auf  geräuschlosem  Wege  von  dem  Verbrecher 
zu  befreien  und  wandte  hierbei  ein  Mittel  an,  das  zwar 
nach  unserer  Anschauung  der  Hinrichtung  fast  gleichkommt, 
das  aber  unter  den  damaligen  Verhältnissen  das  einzig 
mögliche  war,  wenn  man  einerseits  die  Gesellschaft 
schützen,  und    andererseits   das   Leben  des  Verbrechers 


Ueber  die  Abschaffung  der  Todesstrafe.  87 

TJeber  die  Abschaffung  der  Todesstrafe  vom 
mosaiscil-taliiradiscilen  Standpunkte. 


Das  heiligste  aller  Bücher,  die  Bibel,  hat  unstreitig 
auch  das  eigenthümlichste  Schicksal  von  allen  erfahren. 
Oder  ist  es  etwa  nicht  ein  ganz  besonderes  Schicksal 
dieses  Buches,  dass  seit  Jahrtausenden  seine  Aussprüche 
citirt  werden  einerseits  zur  Empfehlung  alles  Guten  und 
Edelen,  zur  Förderung  friedfertiger,  liebevoller  Gesin- 
nungen, und  andererseits  zur  Erregung  von  Hass  und 
Streit,  zur  Rechtfertigung  von  Grausamkeiten  und  Gewalt- 
taten aller  Art,  zur  Unterdrückung  von  Recht  und  Frei- 
heit? Mit  der  Bibel  in  der  Hand  treten  die  Vorkämpfer 
wahren  Fortschrittes  kühnen  Muthes  den  lichtscheuen 
Bestrebungen  ihrer  Feinde  entgegen,  und  mit  dem  Hin- 
weise auf  dieselbe  Bibel  wird  der  nur  zu  oft  vom  Erfolge 
gekrönte  Versuch  gemacht,  jeden  Fortschritt  zu  hemmen, 
sich  der  Einführung  gerechter  und  heilsamer  Zustände  zu 
widersetzen,  der  Aufrechterhaltung  veralteter  und  ver- 
derblicher Einrichtungen  Vorschub  zu  leisten.  Wenn  wir 
den  Grund  dieser  seltsamen  Erscheinungen  zu  erforschen 
uns  bemühen,  so  dürften  wir  ihn  —  abgesehen  von  den 
Fällen,  in  welchen  Böswilligkeit  und  Unehrlichkeit  einzelne 
Verse  aus  der  heiligen  Schrift  absichtlich  ihrem  Zusammen- 
hange entreisst  und  ihnen  dadurch  einen  unrichtigen  Sinn 
unterschiebt  —  vorzugsweise  in  dem  Umstände  finden, 
dass  man  theils  aus  Unkenntniss,  theils  aus  einer  falschen 
Pietät  viele  in  der  Bibel  unter  bestimmten  Voraussetzun- 
gen und  für  bestimmte  Verhältnisse  erlassene  Vorschriften 
und  Anordnungen  ohne  Weiteres  auf  unsere  völlig  ver- 
änderten, ja  oftmals  geradezu  entgegengesetzten  Zustände 
anwenden  zu  können  vermeint.  Dies  gilt  in  ganz*  beson- 
ders hohem  Grade  von  allen  in  das  Gebiet  der  Politik 
und  des  öffentlichen  Rechtes  einschläglichen  Bestimmungen 
der  heiligen  Schrift,  und  es  heisst  geradezu  die  Bibel  in 
den  Augen  des  Volkes  herabwürdigen,  wenn  man,  wie 
es  noch  jetzt  in  den  meisten  Staaten  Europas  von  clercialer 


88  Ueber  die  Abschaffung  der  Todesstrafe 


o 


Seite  geschieht,  mit  Bibelversen  die  Nothweifdigkeit  oder 
Schädlichkeit  einer  politischen  Massregel  zu  beweisen 
sucht.  Es  trägt  sicherlich  nicht  zur  Hebung  des  Ansehens 
der  Bibel  bei,  wenn  man  beispielsweise  eine  nach  den 
heutigen  Anschauungen  völlig  erlaubte  Opposition  gegen 
die  Regierung  eines  Landes ,  oder  eine  Kritik  ihrer  Mass- 
nahmen durch  den  Hinweis  auf  die  heilige  Schrift,  welche 
Gehorsam  gegen  die  Staatsbehörden  lehre,  als  gottlos 
und  sündhaft  darstellt,  und  diejenigen,  welche  so  eifrige 
Klage  führen  über  den  Mangel  an  Religiosität,  der  unserer 
Zeit  anhaftet,  sind  oftmals  nicht  frei  zu  sprechen  von  dem 
Vorwurfe,  durch  allzu  grossen  Eifer  für  die  Religion,  durch 
willkürliche  Erweiterung  der  Grenzen  der  Religion,  zum 
Verfalle  derselben  wesentlich  beigetragen  zu  haben.  Wir 
sind  nicht  gewillt,  an  dieser  Stelle  das  Thema  über  die 
Grenzen  der  Religion  und  Politik  erschöpfend  zu  behan- 
deln, wollen  aber  an  einem  eclatanten  Beispiele,  der 
Frage  über  Abschaffung  oder  Beibehaltung  der  Todes- 
strafe, nachzuweisen  versuchen,  dass  ohne  grosse  Vor- 
sicht und  vor  Allem  ohne  genaue  Kenntniss  der  biblischen 
Institutionen  das  Hineinziehen  religiöser  Momente  in  die 
Tagesfragen  zu  Unzuträglichkeiten,  zu  falschen,  dem 
Geiste  der  Bibel  direct  widersprechenden  Schlüssen  führt. 
Eclatant  nennen  wir  dieses  Beispiel,  weil  es  auf  den 
ersten  Blick  den  Anschein  hat,  dass  in  dieser  Frage  — 
wir  sprechen  nur  von  der  auf  Mord  gesetzten  Todesstrafe 
—  die  Zeitumstände  Nichts  geändert  hätten  und  daher  die 
biblische  Vorschrift  und  Auffassung  hierbei  noch  völlig 
massgebend  wäre.  Der  Mörder  steht  zu  der  menschlichen 
Gesellschaft  noch  heute  in  demselben  feindlichen  Verhält- 
nisse wie  zur  Zeit  der  mosaischen  Gesetzgebung;  warum 
sollte  ihn  nun  nicht  auch  die  Strafe  treffen,  die  nach  dem 
geoffenbarten  Gesetze  auf  sein  Verbrechen  gesetzt  ist? 
Diese  mit  einem  gewissen  Anschein  von  Berechtigung 
ausgesprochene  Ansicht  hören  wir  nicht  nur  aus  dem 
Munde  von  Theologen,  auch  Juristen  neigen  sich  derselben 
zu,  und  ein  neuerer  Criminalist  —  Professor  Hälschner 
in  Bonn  —  hat  unumwunden  erklärt,  dass  über  die  Recht- 
mässigkeit der  Todesstrafe  ein  genügendes  Urtheil  vom 


vom  mosaisch  -  talmudischen  Standpunkte.  89 

Standpunkte  der  Rechtswissenschaft  und  Rechtsphilosophie 
überhaupt  nicht  gefallt  werden  könne;  das  könne  vielmehr 
nur  geschehen,  nachdem  zuvor  mehrere  theologische 
Vorfragen  erörtert  seien.  Wir  theilen  diese  Ansicht  nun 
ganz  und  gar  nicht,  sind  vielmehr  der  Meinung,  dass  die 
Lösung  dieser  wichtigen  Frage  nicht  unbeträchtlich  er- 
schwert, dass  der  einzig  richtige  Standpunkt,  von  dem 
diese  Frage  behandelt  werden  muss,  nämlich  der  Stand- 
punkt  des  Rechtes,  der  Zweckmässigkeit  und  der  Huma- 
nität verrückt  wird,  wenn  man  das  Material  zur  Beant- 
wortung derselben  aus  den  in  der  Bibel  speziell  für  den 
jüdischen  Staat  erlassenen  Rechtsvorschriften  entlehnt. 
Wenn  man  der  Religion  eine  entscheidende  Stimme  bei 
der  Lösung  von  Rechtsfragen  einräumen  will,  so  muss 
man  jedenfalls  die  besonderen  Verhältnisse  in's  Auge 
fassen,  welche  für  die  biblischen  Anordnungen  massgebend 
gewesen,  darf  aber  keineswegs  sclavisch  den  Buchstaben 
der  heiligen  Schrift  allein  befragen.  Ist  es  nun  in  der 
That  schon  ausgemacht,  dass,  von  religiösem  Standpunkte 
beurtheilt,  die  Frage  über  die  Beibehaltung  oder  die  Ab- 
schaffung der  Todesstrafe  nothwendig  im  Sinne  derer 
beantwortet  werden  muss,  welche  der  Aufhebung  der 
Todesstrafe  sich  feindlich  entgegenstellen?  Es  leuchtet 
ein,  dass  der  kurze  Wortlaut  der  heiligen  Schrift  uns 
nicht  in  den  Stand  setzen  kann,  hierüber  ein  richtiges 
Urtheil  abzugeben,  dass  wir  vielmehr  die  praktische  An- 
wendung, welche  das  biblische  Gebot  gefunden,  die  Art  und 
Weise,  wie  es  zur  Ausführung  gebracht  wurde,  und  endlich 
die  besonderen  Verhältnisse  berücksichtigen  müssen,  für 
die  es  gegeben  ist.  Aufachluss  hierüber  können  uns  nur 
der  Talmud  und  die  rabbinischen  Schriften  geben,  die 
das  Strafrecht  der  Juden  behandeln,  und  wir  lassen  des- 
halb die.  wichtigsten  Bestimmungen  über  die  Anwendung 
der  Todesstrafe  nach  talmudischen  Grundsätzen1)  hier 
folgen. 


')  Nach  „Frank ei,  Der  gerichtliche  Beweis^. 


90  Ueber  die  Abschaffung  der  Todesstrafe 

Auf  vorsätzlichen  Mord  stand  als  gesetzliche  Strafe 
der  Tod,  keine  Zufluchtsstätte  war  dem  absichtlichen 
Mörder  gewährt,  ja  selbst  der  Altar  des  Herrn  bot  ihm 
keine  Freistätte.  Aber  zur  Verhütung  von  Justizmorden 
hatte  die  Schrift  die  ausdrückliche  Bestimmung  erlassen, 
dass  die  Todesstrafe  nur  dann  zu  erkennen  sei,  wenn 
zwei  Augenzeugen  alle  wesentlichen  Momente  der  That 
mit  angesehen  hatten  und  den  Verbrecher  bestimmt  re- 
cognoscirten.  Ausserdem  hat  die  Bibel  an  verschiedenen 
Stellen2)  es  den  Richtern  an's  Herz  gelegt,  ein  sehr 
strenges  Zeugenverhör  vorzunehmen,  sodann  die  falsche 
Zeugenaussage  mit  derselben  Strafe  geahndet,  die  auf  das 
bezeugte  Verbrechen  gesetzt  war,  und  endlich  den  Zeugen 
aufgegeben ,  bei  der  Hinrichtung  zugegen  zu  sein  und  das 
Urtheil  vollstrecken  zu  helfen.  Nebenbei  erwähnen  wir 
noch,  um  falschen  Anschauungen  und  Vorurtheilen  entge- 
genzutreten, dass  von  einer  grausamen  Hinrichtung  in  der 
Bibel  nirgends  die  Rede  ist,  dass  qualificirte  Todesstrafen, 
langsame,  martervolle  Executionen  nicht  gestattet  waren, 
dass  eine  Verstümmelung  der  Leiche,  ja,  eine  längere 
Zurschaustellung  derselben  als  eine  Entwürdigung  des  im 
Ebenbilde  Gottes  erschaffenen  Menschen  betrachtet  wurde, 
und  dass  auch  der  Verbrecher  als  unser  Bruder  angesehen 
werden  sollte.  —  Standesunterschiede  gab  es  im  Juden- 
thume  nicht,  ein  Recht  galt  für  alle,  kein  Amt  und 
keine  Würde  schützte  den  Verbrecher,  rechtlos  war  Nie- 
mand, auch  der  Sclave  nicht,  und  der  an  einem  Sclaven 
verübte  Mord  zog  ebenso  die  Todesstrafe  nach  sich,  wie 
die  Ermordung  eines  freien  Mannes. 

Aus  dem  bisher  Gesagten  erhellt  zur  Genüge,  dass 
eine  stricte  Befolgung  der  Vorschriften  der  heiligen  Schrift 
die  praktische  Anwendung  der  Todesstrafe  auf  die  aller- 
seltensten  Fälle  reduciren  musste;  das  Verbrechen  schleicht 
im  Dunkeln,  die  Gegenwart  von  Zeugen  lässt  den  ver- 
brecherischen Gedanken  nicht  zur  Ausführung  kommen, 


»)  Deuter.  17,  7.   19,  19. 


vom  mosaisch -talmudischen  Standpunkte.  $5 

nicht  direct  antasten  wollte.  Hätte  man  Gefängnisse  wie 
die  unsrigen  gehabt,  in  denen  der  Verbrecher  unbeschadet 
der  öffentlichen  Sicherheit  sein  Leben  zubringen  und  sich 
noch  nützlich  machen  kann,  so  hätte  man  unbedingt  die 
durch  Indicien  überführten  Mörder  in  denselben  ihre 
Strafe  verbüssen  lassen,  ja,  wir  gehen  noch  einen  Schritt 
weiter,  wir  halten  es  für  sehr  fraglich,  ob  die  heilige 
Schrift  bei  ihrer  Abneigung  gegen  die  Todesstrafe  über- 
haupt eine  Hinrichtung  vorgeschrieben  halte,  wenn  eine 
anderweitige  Unschädlichmachung  des  Mörders  und  zu- 
gleick  eine  Befriedigung  des  öffentlichen  Rechtsbewusstseins 
zu  erzielen  gewesen  wäre.  Es  zwingt  uns  wenigstens 
Nichts,  diese  Frage  ohne  Weiteres  zu  bejahen;  die  den 
Richtern  so  häufig  anempfohlene  Vorsicht  bei  der  Sprechung 
eines  Todesurtheils  und  die  Verseltsamung  der  Todes- 
strafe bieten  weit  eher  Anlass,  die  Frage  im  entgegen- 
gesetzten Sinne  zu  beantworten.  Wir  finden  ja  in  der 
Bibel  mehrere  Rechts- Vorschriften,  die  nur  durch  die 
Rücksicht  auf  die  damaligen  Zustände  zu  erklären  sind. 
So  wird  z.  B.  Niemand,  der  in  den  Geist  der  heiligen 
Schrift  eingedrungen  ist,  bestreiten  können,  dass  sie  der 
Sclaverei  abhold  ist,  dass  sie  .die  persönliche  Freiheit  als 
ein  hohes,  unschätzbares  Gut  auflfasst,  dass  sie  das  Auf- 
geben der  Freiheit  missbilligt1),  und  dieselbe  einem  An- 
deren gewaltsam  zu  rauben,  als  ein  todeswürdiges  Ver- 
brechen ansieht.  Und  dennoch  hebt  sie  in  Anbetracht 
der  Zeitverhältnisse  die  Sclaverei  nicht  völlig  auf,  begnügt 
sich  vielmehr  damit,  das  Loos  der  Sclaven  zu  mildern, 
ihr  Leben,  ihre  körperliche  und  geistige  Wohlfahrt  zu 
schützen ,  die  Zeit  ihrer  Knechtschaft  zu  beschränken  und 
vielfache  Anordnungen  zu  ihren  Gunsten  zu  treffen.  Eine 
ähnliche  Beurtheilung,  scheint  uns,  lassen  die  so  sehr 
verclausulirten  und  eingeschränkten  Bestimmungen  hin- 
sichtlich der  Todesstrafe  zu,  und  wer  sich  aus  religiösen 
Gründen  der  Abschaffung  der  Todesstrafe  widersetzt,  ver- 
kennt den  humanen,  Liebe  athmenden  Geist   der  Schrift 


')  Exodus  21,  6. 


96  Ueber  die  Abschaffung  der  Todesstrafe 


^ 


ebenso  sehr  wie  einige  fanatische  christliche  und  jüdische 
Geistliche  in  Amerika,  die  noch  vor  wenig  Jahren  znm 
Gelächter  der  ganzen  gebildeten  Welt  die  Abschaffung 
der  SclaTerei  ans  religiösen  Gründen  fttr  unzulässig  er- 
klärten. 

Zum  Schluss  wollen  wir  —  da  wir  ja  nicht  die  Absicht 
haben ,  alle  juristischen  und  politischen  Gründe  Air  oder 
wider  die  Todesstrafe  hier  auseinanderzusetzen,  uns  viel- 
mehr darauf  beschränken,,  die  Frage  Ober  die  Abschaffung 
der  Todesstrafe  lediglich  vom  Standpunkte  des  mosaisch- 
talmudischen  Rechtes  zu  besprechen  —  noch  auf  einige 
Umstände  hinweisen,  welche  die  Vollstreckung  der  Todes- 
strafe in  heutiger  Zeit  viel  barbarischer  und  ungerechter 
erscheinen  lassen,  als  es  im  jüdischen  Staate  der  Fall 
war.  Nach  dem  jodischen  Criminalrechte  wurde  der 
Mörder,  wenn  die  Zeugen  vernommen  waren  und  die 
Schuld  des  Angeklagten  hinlänglich  dargethan  hatten,  als- 
bald verurtheilt,  und  das  Crtheil  in  der  kürzesten  Zeit 
vollstreckt  Man  ersparte  dem  Verbrecher  eine  längere 
Beraubung  seiner  Freiheit,  man  ersparte  ihm  all  die  un- 
säglichen Qualen  und  Marter,  welche  ihm  die  Gewissheit, 
seines  Schicksals  verbunden  mit.  der  Verzögerung  der 
Hinrichtung  nothwendig  bereiten  müssen,  man  befolgte 
aufs  Strengste  den  Grundsatz,  dass  der  Tod  genügende 
Strafe  für  das  begangene  Verbrechen  sei,  dass  die  ge- 
waltsame Hinrichtung  vollständige  Sühne  für  das  Unrecht, 
gewähre,  dass  es  zur  Befriedigung  des  Rechtsbewusstseins 
hinreiche,  den  Verbrecher  aus  der  Welt  zu  schaffen.  In 
jetziger  Zeit  hingegen  hat  der  Mörder  zuerst  eine  lange 
Untersuchungshaft  auszuhallen,  bis  die  Anklage  zur  Ab- 
urtheilung  durch  die  Geschworenen  reif  befunden  wird, 
nach  Verkündigung  des  Urtheils.  das  ihm  das  Leben  ab- 
spricht, vergehen  wiederum  mehrere  Wochen,  bis  das 
Urlheil  rechtskräftig  geworden,  sodann  unterliegt  es  der 
Bestätigung  von  Seiten  des  Staatsoberhauptes,  die  oftmals 
erst  nach  Jahresfrist  erfolgt  Ein  kleiner  Formfehler  fährt 
nicht  selten  die  Vernichtung  des  Urtheils  herbei,  und  mit 
dem  Verbrecher  wird  noch  einmal  das  ganze  weitläufige 
Verfahren  von  Neuem  begonnen,  noch  einmal   erwacht 


vom  mosaisch  -  talmudischen  Standpunkte.  97 

in  ihm  die  Hoffnung  auf  das  Leben,  noch  einmal  wird 
seine  Hoffnung  getäuscht,  und  nach  mehrjährigem  Kerker 
wird  ihm  endlich  das  Glück  zuTheil,  sein  Haupt  auf  den 
Block  legen  zu  djirfen  und  sein  Verbrechen  zu'  sühnen. 
Wahrlich]  alle  Folter-  und  Marterwerkzeuge,  mit  denen 
man  in  früheren  Jahrhunderten  den  Verbrecher  peinigte, 
die  grausamsten  qualificirten  Todesstrafen,  sie  verlieren 
das  Schrecklicht,  das  ihnen  anhaftete,  wenn  man  an  die 
Qualen  denkt,  die  den  Mörder  in  dem  gegenwärtigen 
civilisirten  Zeitalter  erwarten.  Kein  Verbrecher,  und 
wäre  er  der  verruchteste  Bösewicht,  hat  durch  seine  That 
eine  solche  entsetzliche  Peinigung  verdient;  die  Todes- 
strafe, in  dieser  Weise  zur  Anwendung  gebracht,  verliert 
ganz  den  Charakter  einer  Strafe  und  nimmt  den  dsr 
Rache  und  Wiedervergeltung  an. 

Vom  religiösen  Standpunkte  kann  man  daher  der 
Aufrechterhaltung  der  Todesstrafe  keineswegs  Vorschub 
leisten ,  es  sei  denn ,  dass  man  dem  Buchstaben  der  Schrift 
zu  Liebe  ihren  Geist  zu  verleugnen  sich  nicht  scheut.  Wer 
es  aber  als  seine  Aufgabe  erkennt,  religiöse  Belehrung  dem 
Volke  zu  ertheilen,  humane  Gesinnuugen  zu  verbreiten, 
die  Sitten  zu  mildern  und  Unrecht  zu  verhüten  —  der 
suche  den  Theil  des  Volkes,  der  an  Bluturtheilen  noch 
Gefallen  findet,  der  die  Hinrichtung  des  Mörders  für  not- 
wendig erachtet  zur  Sühne  des  Unrechts,  über  die  vielen 
Unzuträglichkeiten  und  Ungerechtigkeiten  aufzuklären, 
welche  die  Aufrechthaltung  der  Todesstrafe  nach  sich 
zieht,  der  suche  den  Vorkämpfern  des  Fortschrittes  die 
Wege  zu  bahnen  und  sein  Scherflein  beizutragen  zur 
Abschaffung  eines  Gesetzes,  das  in  der  Vergangenheit 
nothwendig  gewesen,  in  der  Gegenwart  aber  schäd- 
lich ist. 


Frank el    Monatsschrift XVn.  3.  Q 

o 


98     Die  Commentarien  des  Ephraem  Syrus  im  Verhältniss 

Sie  Commentarien  des  Ephraem  Syrus  im  Verhaltniss 

zur  jüdischen  Exegese. 

Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  Exegese. 

Von  Dr.  D.  Gerson. 

(Fortsetzung.) 


Das  Opfer  Abels  wurde  wohlgefällig  aufgenommen  (Gen.  4,  4), 
und  das  verdross  Kain;  dieser  muss  also  die  Bevorzugung  seines 
Bruders  offenbar  gesehen  haben.  Daher  nahm  Ephr.  überein- 
stimmend mit  der  Hagada  an,  ein  Feuer  sei  vor  den  Augen 
Kains  vom  Himmel  herabgefahren  und  habe  das  Opfer  Abels 
verzehrt  (ppp.  I  p.  40  F  cf.  143  D :  o£oj  Ä&>jo  jfaf  IäLJo  TtfN  HTV 
inrUÖ  ron^  hei  Raschi  a.  1.).  Diese  Erklärung  gewinnt  an 
Wahrscheinlichkeit  durch  die  Vergleichung  mit  Lev.  9,  24  und 
1  Regg.  18,  33  und  wird  auch  von  Theodotion  (durch  ivsnvQi^s) 
Hieronymus  (1.  1.  A.  III  p.  133  D)  und  den  meisten  jüdischen 
Exegeten  gegeben. 

Dass  Kenaan  von  Noah  verflucht  wird,  (Gen.  9,  25)  obgleich 
sein  Vater.  Harn  sich  vergangen  hatte  (ibid.  22)  erklärt  Ephr. 
aus  zwei  Gründen,  welche  beide  auch  von  der  Hagada  angegeben 
werden..  „Einige  sagen,  weil  Harn  gesegnet  worden  war  mit 
denen,  welche  in  die  Arche  gingen  und  wieder  herausgingen, 
deswegen'  verfluchte  er  nicht  ihn  selbst  .  .  .  Andere  hingegen 
sagen:  Da  es  in  der  Schrift  heisst,  Noah  sah,  was  ihm  sein 
kleiner  Sohn  gethan  hatte,  so  ist  klar,  dass  es  nicht  Harn  war; 
denn  Harn  war  der  mittelste  und  nicht  der  jüngste,  also  sagen 
sie  „sein  kleiner  Sohn"  beziehe  sich  auf  Kenaan  (p.  56  —  57  cf. 
154  D  und  III  682  E)  v.  Gen.  R.  c.  36:  QV^N  ya*)  3YOV  ^iv 

.  imd  -im  ittwi  ^Eb  ro-n  cipnn  rbbp  pw  r»  nw  n:  n« 
urb  -rom  mtn  ]md.  n&N  n  wo  tm\ . 

Die  Ursache  der  Vertreibung  Hagars  giebt  Ephraem  also  an: 
„Nachdem  Isaak  beschnitten  und  entwöhnt  worden  war,  sah 
Sara  den  Ismael  spotten  am  Tage  des  grossen  Gastmahles, 
das  Abraham  bei  der  Entwöhnung  Isaaks  gemacht  hatte.  Da 
nun  .Sara  sah,  dass  Ismael  ganz  nach  der  Art  seiner  Mutter 
schlug  und  ihren  Sohn  verspottete,  wie  Hagar  sie  selbst  gering 


zur  jüdischen  Exegese.  99 

geachtet  hatte  und  sie  auch  befürchten  musste ,  dass  nach  ihrem 
Tode  Ismael  nicht  mit  Isaak  das  väterliche  Erbe  th eilen,  sondern 
für  sich  als  Erstgeborenen  zwei  Theile  beanspruchen  wurde, 
so  vertrieb  sie  Hagar"  (75  D).  In  gleicherweise  hebt  auch  die 
Hagada,  um  diese  lieblose  That  der  Patriarchin  zu  rechtfertigen 
oder  wenigstens  zu  mildern,  die  übertriebenen  Erbansprüche 
Ismaels  hervor  und  bringt  die  Vertreibung  Hagars  mit  dem 
Gastmahle  in  unmittelbare  Verbindung,  v.  Gen.  R.  53;  cf.  Hieron. 
Quaest.  1.  1.  p.  139  A:  sive  quod  idola  lutro  fecerit  .  .  .  sive 
quod  adversum  Isaac  quasi  majoris  aetatis  joco  sibi  et  ludo 
primogenita  vendicaret. 

Gen.  42,  24.  Den  Simeon  behielt  Joseph  bei  sich  zurück, 
weil  dieser  sich  'besonders  grausam  gegen  ihn  benommen  hatte, 
als  er  gebunden  und  verkauft  wurde  (96  B).  Dass  dies  gerade 
Simeon  gewesen,  weiss  nur  die  Hagada,  indem  sie  es  in  der 
defectiven  Schreibart  des  Wortes  innp^  (Gen.  37,  24)  angedeutet 

findet;  v.  Gen.  c.  84,  Jonathan,  Tanch.  und  Jalk.  a.  1. 

Nach  Art  des  Midrasch  liebt  es  auch  Ephraem,  wo  die 
Bibel  ein  Ereigniss  einmal  erwähnt,  die  öftere  Wiederholung 
desselben  anzumerken  und  im  Einzelnen  durchzuführen.  Hierher 
gehört  z.  B.  dass  er  zu  Gen.  22,  1  (Gott  versuchte  den  Abraham) 
die  10  Versuchungen  Abrahams  aufzählt,  nämlich:  Gen.  12,  1 
und  15;  13,  7 5  14,  23;  15,  6;  21,  10;  17,  11;  20,  12;  22,  2  und  24, 
3  (p.  172  E;  die  talmudischen  und  midraschischen  Angaben 
hierüber  s.  vollständig  bei  Beer  Leben  Abr.  S.  190  ff.).  Ebenso 
fasst  Ephr.  Num.  14,  22:  „Sie  versuchten  mich  schon  zehn  Mal" 
nicht  als  biblische  Redeweise  für  eine  öftere  Wiederholung, 
sondern  zählt  die  10  Versuchungen  auf,  nämlich  nach  i/>  106  V. 
7,  14,  16,  19,  24,  28,  32,  35  sq.,  37  und  43  (p.  255  D),  womit  im 
Wesentlichen  übereinstimmt  Erachin  15  a:  YQ2  '2  0*M  'D  G^D  '3 
hW2  'K  Tbufo  '2,  d.  i.  nach  dem  Texte:  Exod.  14,11,30;  15,23; 
16,  2,  20;  17,  2,  32;  Num.  11,  1,  4  und  14,  2,  cf.  Aboth  di  R.  Na- 
than c.  4r  und  Maimonides  Comm.  zu  Aboth  c.  V. 

Wenn  bisher  in  der  Exegese  Ephraem  seine  so  weitgreifende 
Uebereinstimmung  mit  der  jüdischen  zu  Tage  getreten  ist,  so 
lässt  sich  seine  Abhängigkeit  vom  Midrasch  dadurch  zur  völligen 
Gewissheit  erheben,  dass  er  sogar  halachische  Erklärungen  in 
seine  Commentarien  aufgenommen  hat. 

8* 


100    Die  Commentarien  des  Ephraem  Syrus  im  Verhältniss 

Inwiefern  es  nämlich  der  hagadischen  Exegese  um  religiöse 
Belehrung  zu  thun  ist,  streift  sie  auch  oft  auf  das  Gebiet  der 
Halacha  über,  um  eine  gesetzliche  Bestimmung,  die  sich  im 
Volke  längst  eingelebt  hat,  im  Schriftworte  angedeutet  zu  finden, 
z.  B.  die  Institution  des  Mincha  -  Gebetes  in  Gen.  24,  68  TVNfcj 

~  T 

welches  Wort  die  Pesch.  durch  ^^  (um  zu  gehen)  die  LXX 
durcli  adoteaxficcu  wiedergibt,  während  die  Tradition  es  von  rpfr 

(i/>  102,  1)  ableitet  und  durch  „um  zu  beten"  erklärt  (daher  Onk. 

rtobüb  cf.  Berachoth  26  b  und  Chulin  91  b).    Ephr.  bemerkt  zu 

dieser  Stelle,  nachdem  er  den  Wortlaut  der  Pesch.  angeführt 
hat:  „d.  h.  um  zu  beten  (a^x£);  denn  für  „um  zu  gehen"  sagt 
der  Hebräer  „um  zu  beten""  (p.  173 A:  a2&tO#L}  ~oj  y^«gK~ 
)P*,^y  y&ftj  a&d£).  Dieser  Sinn  liegt  aber  in  dem  hebräischen 
Ausdrucke  nur  dann,  wenn  man  die  traditionelle  Exegese  gelten 
lässt.  Diese  muss  also  Ephr.  offenbar  erfahren  haben ;  denn  hätte 
er  seine  Erklärung  unmittelbar  aus  dem  Hebräischen  geschöpft, 
so  hätte  er  das  hebräische  Wort  selbst  angeführt  und  auch  nicht 
psM,f  (eig.  tradidit),  sondern  c*.ho  gesagt,  also  etwa:  .»oj  *sk~ 
)??-\?-n  ou&a  T\wb  Q^opdLj1).  Auch  Hier.  Quaest  a.  I.  (1.  1.  p. 
140 G)  erwähnt  hier  die  jüdische  Tradition,  und  ebenso  lassen 
sich  mehrere  Beispiele  anfuhren ,  wo  Ephraem  stillschweigend 
die  jüdische  Tradition  aufnimmt,  während  Hieronymus  sich  aus- 
drucklich auf  Mittheilung  der  Juden  (aiunt  v.  tradunt  Hebraei) 
beruft»). 


>)  Ueberdiess  wird  später  bewiesen  werden,  dass  Ephr.  vom  he- 
bräischen Texte  keine  Eenntniss  gehabt  hat 

*)  V.  Ephr.  I  p.  78  B  zn  Gen.  24,  2  „er  beschwur  ihm  beim  Bande 

der  Beschneidung".  (Jooj  ojJxf)  ojl^ou?  r?  °°J  ffifl^  cf-  104  C  zu 
Gen.  47,  29)  vgl.  Hieron.  1.  1.  140 D:  Tradunt  Hebraei  quod  in 
sanctificatione  ejus  i.  e.  in  circumcisione  juraverit;  cf,  Jonathan  a.  1. 
und  Schebuoth  35b.  —  Vgl.  ferner  die  Entschuldigung,  die  Hieron. 
für  die  That  der  Töchter  Lots  anführt  (1.  1.  138  eo  quod  putaverint 
defecisse  humanuni  genus)  mit  Ephr.  p.  72  B  and  Gen.  R.  c.  51  and 
Ephraems  Erklärung  zu  Gen.  19,  12  (p.  71  D  und  73  D)  mit  Gen.  R. 
c.  50:  HWHM  'Dl  niDTIN  '3  b  m  niJ3'T  und  Hieron.  1.  1.  p.  138  F 
Nonnulli  arbitrantur,  illas  quae  viros  habuerunt,  in  Sodomis  reman- 
sisse  et  eas  exiisse  cum  patre,  quae  virgines  fuerunt,  quod  cum 
scriptura  non  dicat  etc. 


zur  judischen  Exegese.  101 

Die  halachische  Schrifterklärung  finden  wir  bei  Ephraem 
auch  an  folgender  Stelle.  Exod.  23,  18  erklärt  er:  „Entweder 
ist  dies  jenes  Gebot,  es  soll  bei  ihnen  beim  Schlachten  des 
Lammes  kein  Sauerteig  gefunden  werden  (Exod.  12,  19),  oder 
sie  sollen  die  Opfer  nicht  vermischen  und  das  Blut  eines  anderen 
Opfers  zu  dem  ersten  hinzubringen,   das   geschlachtet  ist   und 

auf  dem  Altare  liegt"  (p.  222  C:   h^J  >po£>  ^oftju  0;  -oj  *oj  o) 

jLxyo  >fci  f**\~h  J»?   >$uacDJO   jJc&   ^K^\*m  fij  oj  .  );x>J?  0^02 

J*l^*x>  ^  Jxvcdo  jLcojf);  cf.  Mechiltha  Mischpatim  c.20:  Enttfn  fc«6 

nrpai  *6n  ^  pa  ^kumt»  >an  nan  o"p  pn  pmn  nocn  nx 
■»nat  ci  y#n  p^ö  npni;  cf.  Pesachim  63  a:  «nny  ny  a^n  wk 
mya  i&p  «nnp  -ijn  man  ua»  nn«^  w  p-mbi  tonrc6  pnn. 

Die  zweite  Erklärung  Ephraems  geht  aus  Pesach.  65a  fin.  hervor.  (?) 
Als  fernere  Belegstellen  für  das  Vorkommen   halachischer 
Exegese  bei  Ephraem  mögen  noch  folgende  Beispiele  dienen. 

Lev.  16,  16  erklärt  er:  „Er  soll  sühnen  die  Unreinheiten 
des  Volkes,  das  oft  mit  Wissen  oder  ohne  Wissen  (in  das 
Heiligthum)  hineingegangen,  während  es  nicht  reiß  war  von 
Allem,  wovrn  das  Gesetz  ihnen  befohlen  sich   rein  zu  halten" 

^39  JJ  p  O^  CLX  jtsX^  JJjO  IkXftS    ^JOJ    JäDJ    J2QX}  Oflojx^  ^  jtSiLiJ 

ouatAxb.  Jcdoxu  vpjf  fOaj  ^3  ^  p.  244  D);  cf.  Torat  Coh.  a.  1.  ^y 

cnaen  i>a^  w  *poa  crfc  jnu  «h  rwöioa  impöb  pwan 
nNöiea  -ptaa  pwan  *)»  dtwwdöi  •  nw  »vi  natom;  cf. 

Lev.  24,  11  ist  von  einem  Manne  die  Rede,  der  den  Namen 
Gottes  lästerte.  Die  Rabbinen  fanden  in  dieser  Stelle,  indem 
sie  das  hebr.  3p*l  in  der  Bedeutung  „bestimmt   und   deutlich 

aussprechen"  (cf.  Gen.  30,  28)  erklärten,  eine  Begründung  des 
Verbotes,  den  Gottesnamen  (Tetragrammaton  ttTflÖDn  Cttf  P* 
jm>v&  v.  Barhebraeus  Comm.  in  Ps.  8,  2  D.  M.  G.  Z.  IV,  199) 
auszusprechen,  v.  Synhedrin  56a  und  Tor.  Coh.  a.  1.  Qttfn  nN 
UTOBbn  ÜW  m.  Onk.  a.  1.  NQtf  ni  ty'np%  Ephr.  249  B  j&>Jx* 

CQ~0  w-,  JO^JJ   QJOf. 
?  J 

Num.  25,  7  erklärt  Ephraem:  Pinehas  sagte  zu  den  Midja- 
nitern :  gehet  hinein  und  saget  ihr,  Pinehas  will  hineinkommen. 
Als  Simri  das  hörte,  freute  er  sich,  da  er  glaubte,  die  ganze 
Gemeinde  treibe  Buhlerei.  Da  ging  Pinehas  hinein,  durchbohrte 
sie  und  kam  heraus,   indem  er  sie   auf  seiner  Schulter  trug. 


102    Die  Commentarien  des  Ephraem  Syrus  im  Verhältniss 

Deswegen  bekommt  der  Priester  das  Schulterstück  und  den 
Schenkel  (266  C).  Vgl.  Synh.  82b  und  Num.  R.  c.  20,  woselbst 
die  Erzählung  ebenso  drastisch  durchgeführt  ist,  und  zu  dem 
letzten  Passus  Chulin  134b  -fl»  yntH  DnfcW  W  nniön  W7TI 
'Dl  1T3  HÖH  np^  1ÖW  WH  pl  Tn;  cf.  Sifri  zu  Deut.  18,  3 
§  165. 

Eine  besonders  frappante  Parallele  endlich  findet  in  den 
midrascbischen  Quellen  die  ausführliche  Erklärung  Ephraems 
über  das  Vergehen  des  Nadab  und  Abihu,  von  denen  kurz  er- 
zählt wird ,  sie  hätten  ein  ungehöriges,  von  Got,t  nicht  befohlenes 
Rauchopfer  dargebracht  (Lev.  10,  1).  Inwiefern  sie  nun  den 
Tod  verschuldet,  suchte  schon  der  Uebersetzer  der  Pesch.  zu 
rechtfertigen ,  indem  er  nach  Jk-v^oj  JVqj  die  Worte  o^op  JJj  ein- 
schaltete „nicht  zur  gehörigen  Zeit",  da  Rauchopfer  nur  an  je- 
dem Morgen  und  Abend  von  Ahron  dargebracht  werden  sollten 
(v.  Exod.  30,  7).  Mit  dieser  Erklärung  begnügt  sich  jedoch 
Ephraem  nicht,  sondern  führt,  nachdem  er  zwei  Ansichten 
widerlegt  hat,  noch  vier  andere  Gründe  an  (249  E  sq,)  und  zwar 
völlig  übereinstimmend  mit  den  jüdischen  Quellen1).  Man  ver- 
gleiche die  Worte  Ephraems:  „Nicht,  weil  das  Feuer  erlosch, 
wie  Einige   sagen,   auch   nicht,   weil   sie   von   Wein  berauscht 

waren,  wie  andere  sagen  toj".  .  .  o;»J*  ^juJj  ^f  AÜi?  Jtajj  ^j  dL 

.  .  .  o;X)J  Jja*»J;  T)  oooj  ^o?  )^ko  äo!  mit  Jalkut  §  524 :  )$TW  p3 

bwmw  oiK  ~\b  w  *n  niDK  ruw  rm»  vb)  ivxnpn  bj  nyw  , 
GMrnpn  wy  mh  idmji  mt  w*  *te:  im  twt  «bn  bwnn 

Lev.  R.  c.  12  und  Jalk.  1.  c.  1DJM0  *6«  pH«  5w  V»  TIÖ  «^ 
pi  ^nttff  „sondern",  fährt  Ephr.  fort,  „aus  vielen  Gründen,  wie 
die  Schrift  andeutet.  Erstens,  weil  sie  fremdes  Feuer  brachten 
zu  dem,  das  damals  vom  Himmel  herabfuhr  und  ihr  Opfer  ver- 
zehrte", cf.  Jalk.  i.  c.  bv  ronbi  arm  nwö  mv  rrcnn  wn 

H^iyn  HN  rotön  „zweitens,  weil  sie  Moses  und  Ahron  gering 
achteten  und  Specereien  brachten,  ohne  dass  sie  von  ihnen  Er- 
laubniss  erhalten  hatten",  cf.  Tor.  Coh.  a.  1.  und  Jalk.  1.  c.  tÖ 
T21  ntP&2  D^Di>  „drittens,  „weil  sie  die  Ordnung  ihres  Dienstes 


l)  Auf  diese  Parallele  legt  auch  Herr  Dr.  Graetz  besonderes  Ge- 
wicht, s.  Monatsschr.  1854  6.  319. 


zur  j  üdischen  Exegese.  103 

störten  und  zur  ungehörigen  Zeit  Specereien  brachten".  Diese 
Ansicht,  der  auch  die  Pesch.  folgt,  wird  in  den  angeführten 
Quellen  auf  R.  Ismael  zurückgeführt  HTO  tte'MlD^n  „und 
endlich  viertens,  weil  sie  in  das  Allerheiligste,  eintraten,  wohin 
selbst  ihr  Vater  Ahron  nur  einmal  iui  Jahre  kbmuiefvdurfte"1); 
cf.  Tor.  Coh.  a.  1.  und  Jalk.  1.  c.  Q^xb)  ^üb  1M32W  bV- 

Um  das  Verhältniss  Ephraems  zur  Hagada  auch  nach  einer 
anderen  Seite  zu  charakterisiren ,  heben  wir  auch  einige  von 
seinen  chronologischen  Bemerkungen  heraus.'  "Zur  Schöpfungs- 
geschichte bemerkt  er,  die  Welt  sei  im  Nisan  geschaffen  wor- 
den (9  A),  die  Sonne  habe  bereits  am  ersten  Tage  als  feuriger 
überall  verbreiteter  Lichtkörper,  etwa  wie  die  Wolkensäule  in 
der  Wüste ,  die  Welt  erhellt  (9  B,  cf.  123  E),  sei  aber  erst  am 
vierten  Tage  zugleich  mit  dem  Monde  am  Himmel  befestigt 
worden.  Damit  nun  der  Unterschied  des  Sonnen*' lind  Mond- 
jahres ausgeglichen  würde,  habe  der  Mond  seine  Bahn  mit  dem 
dritten  Viertel  begonnen,  als  die  Sonne  den  vierten*  er  selbst 
den  fünfzehnten  Tag  zählte,  wodurch  denn  auch  #4s  Geschlecht 
Adams  die  Differenz  von  11  Tagen  zwischen  dem  Sonnen-  und 
Mondjahre  lernen  konnte  (17  E).  Dehn  nicht  die  Ctialdäer  haben 
die  Zeitrechnung  erfunden,  sie  war  vielmehr  schon  (lern  Adam 
und  seinen  Nachkommen  bekannt,  und  man  kannte' sie  zur  Zeit 
der  Sintfluth  so  genau,  dass  man  die  Daue*r  derselben  gerade 
auf  365  Tage,   vom  17.  Ijar  bis  zum  27.   des   folgenden   Jahres 

(nach  Gen.  5,  14  rf  ooji}  ^Ujr  jl^oo),  also  auf  ein  volles  Sonnen- 
jahr oder  ein  Mondjahr  und  11  Tage  angeben  konnte  (53 F  152  A), 
Vgl.  Gen.  R.  c.  38:  Wirb  DT»  fQ  *6k  Ißmb  K"1p  *p»  m  *6 

tot  *6k  p«n  mm  wn  t&nnb  üv  t"M  b"n  höVpan  mm 


*)  u«j)  \^  JLvdoj  |taj  c*aJ?  ^  \^ .  poV  J^ÄÖJ  r )  )£tQx>  \^i>  JJ) 
p  POOD3  dsjjo  NpiojDo  JjlqxL  q£jl}  ^.JLuj  .  \*A^  op  ,^opyoj  &o)o 

{»CDS  CkxJO  ^OfJb*»fci}    JllQft.  CK^\^?    &JLj   .   <VmT>    JJ   JICUGQ320    >pOM» 

o^  Jaoj  >&Ji  )fcajo  l^j  JUjJ  .  Jxil  j*aj  ^  q^  ckxj  \ij2»)j  .  ^pop^o  0; 


104     Die  Commentarien  des  Ephraem  Syrus  im  Verhältniss 

ruaSl  bV  C*W  n^nn  PTDTO  UV  l*1;  cf.  Bosch  hasch.  IIb  Pirke 
di  R.  Elieser  c.  8  und  B.  d.  Jub.  1.  1.  II  S.  240  und  246 1>. 

Eine  gute  chronologische  Bemerkung  macht  Ephr.  zu  Exod. 
12,  40.  Die '430  Jahre  seien  nicht  von  dem  Zuge  Jakobs  und 
seiner  Ffctiilie  nach  Egypten  zu  rechnen,  sondern  von  dem 
Bündnisse,  das  Gott  mit  Abraham  geschlossen  hat  (214  A,  cf. 
250  B).  Auf  dieselbe  Weise  wird  der  Widerspruch  zwischen 
Gen.  1.%  13  und  Exod.   12,  40  gelöst  Mechiltha  Bo  c.  14:  mrO 

iq)  oroin  "mmr  "irw  woi  rw  nw»  jdtni  uwbv  ">öw  in« 
pnsp  Tbu  vbv.  iy  ruw  cn&b»  ifei  nunp»  w  fl^pn*  tjpd 
cnron  p  nna  mTMV- 

Eine  andere  chronologische  Notiz  Ephraems  dürfte,  wenn 
sie  auch  nicht  zur  Lösung  einer  Schwierigkeit  geeignet  ist,  doch 
zur  Vergleichung  mit  anderen  Angaben  von  Interesse  sein.  Von 
der  Sintfluth  bis  zu  Abraham  sagt  er  (156  B)  sind  940  Jahre  und 
von  Adain  bis  Abraham  3000  Jahre.  Diese  Angabe  stimmt  aber 
weder  mit  dem  hebräischen  oder  syrischen  Texte,  nach  welchem 
sich  nur  1948  J.  ergeben ,  noch  auch  mit  der  griechischen  Ueber- 
setzung  überein  und  ist  wahrscheinlich  lediglich  aus  der  dog- 
matischen Tendenz  hervorgegangen,  Abraham  als  die  Mitte  der 
6  Jahrtausende  anzunehmen,  die  von  Erschaffung  der  Welt  bis 


0  Auch  t.  Lengerke  bemerkt,  dass  die  Ansicht  Ephraems,  die 
Welt  sei  im  Nisan  geschaffen  worden,  von  den  Talmudisten  entlehnt 
sei  (1.  1.  p.  20  sq.).  Allein  die  Uebereinstimmang  mit  dem  Mi  drasch 
liegt  noch  mehr  in  der  Art,  wie  er  die  Dauer  der  Sintfluth  berechnet. 
Zur  Annahme  der  Weltschöpfung  im  Nisan  könnte  Ephr.  auch  wohl 
der  Text  der  Pesch.  bewogen  haben,  die  Gen.  8,  14  nach  rUj  ]££oo 
den  Zusatz- v»)  oojj  hatte,  woraus  eo  ipso  folgt,  dass  der  erste  Monat 
Nisan  war.  Dass*  dieser  Zusatz  ursprünglich  in  der  Pesch.  gestanden 
und  bereits  Ephr.  vorgelegen  hat,  beweisen  ähnliche  Zusätze,  wie 
Gen.  4,  8  Ephr.  p.  43  D  und  LXX  a.  L;  Gen.  41,  44  p.  93  B;  Lev.  10, 
1  p.  239  E;  Num.  21,  18  p.  263  C. 

*)  Diese  Erklärung  ist  zwar  schon  von  der  LXX  in  den  Text 
aufgenommen  worden,  was  auch  der  Talmud  (Megilla  9a,  cf.  Me- 
chiltha I.  c.)  ausdrücklich  berichtet;  allein  Ephr.  kann  hier  nicht  aus 
derselben  seine  Erklärung  hergeholt  haben,  da  er  in  diesem  Falle 
nicht  verfehlt  haben  würde,  die  abweichende  Lesart  des  griech.  Textes, 
die  er  sonst  bisweilen  anführt  (vgl.  weiter)  anzumerken.' 


zur  jüdischen  Exegese.  105 

zur  Geburt  Jesu  verflossen  sein  sollen.  Nach  der  Berechnung 
des  Hesychius,  die  sich  auf  die  LXX  stützt,  soll  Phaleg  die 
Mitte  dieser  6  Jahrtausende  bezeichnen ;  es  ist  jedoch  genügend 
erwiesen,  dass  in  der  LXX  die  chronologischen  Angaben  bei 
den  Lebensjahren  der  Patriarchen  vor  Abraham  wegen  der  er- 
wähnten   chiliastischen    Anschauung    gefälscht    worden    sind1). 

« 

Es  ist  also  klar,  dass  weder  die  Berechnung  des  Hesychius, 
die  von  dem  hebräischen  Texte  um  1243  J.,  noch  die  des  Ephr., 
die  von  demselben  um  1052  J.  differirt,  Anspruch  auf  Genauig- 
keit machen  kann. 

Viel  häufiger  als  derartige  ausführliche  Exegesen  der  bibli- 
schen Erzählung  hat  Ephr.  kurze  Bemerkungen,  die  den  bibl. 
Text  entweder  einfach  paraphrasiren  (s.  z.  B.  Gen.  Cap.  46  in  it. 
p.  103  C,  cf.  Pirke  di  R.  Elieser  c.  39),  oder  gleichsam  mit  Glos- 
semen bereichert  wiedergeben,  z.  B.: 

Gen.  4,  7  HNttf  D^OFl  CK  „Wenn  du  den  Bruderhass  fahren 
lassest,  so  nehme  ich  dich  wieder  auf  (&^jo),  sonst  lagert  die 
Sünde  vor  der  Thür  deines  Herzens"  (.p&j  J&I  ^i  143  A).  Nach 
dieser  Auffassung  könnte  man  nNttf  (v.  NttfJ  seil,  py)  =  „Ver- 
gebung" nehmen,  cf.  Onkelos  a.  1.  ^h  pDFIU/?. 

Eine  fast  kühne  Bemerkung  macht  Ephr.  über  die  Gottes- 
söhne (Gen.  6,  2).  Als  Seth,  der  den  wahren  Glauben  dem  Sem 
und  den  späteren  Geschlechtern  überliefern  sollte  (1  C),  sich  von 
den  Kainiten  getrennt  hatte,  nannten  sich  seine  Nachkommen 
nach  dem  Namen  des  Herrn,  nämlich  das  gerechte  Volk  des 
Herrn  (Gen.  4,  26  p.  47  D)*).  Diese  Gottessöhne  nun»)  heiratheten 


l)  S.  Frankel  Einfluss  der  paläst.  Exeg.  S.  71,  Graetz  in  Frankeis 
Monatsschr.  1853  S.  432  ff.  und  Rahmer  a.  a.  0.  S.  21. 

_.»         »      r         9»    .0  vr  ^    ..  *.   »      .00       .  o     r     ,»     ^  ».       +  r      »    r  9 

*)  ;$  c*i2u  A-jl  Jooi  jl'3?  Vs^^d  .  JI;»}  Jxuo  |'*0M&.  *»;&  x?güqj 

.9    0       .0    +  r  .o  r        *    r  o    .0    0        »  k  *.iw*ip.ä 

£;»}  Jo-jj  pax  ^?cuoj  Uv&  P*^  >pö^  o***oZj  K\ö  io;. 

*)  DT&Nn  \22  =  jSSj  (opp.  I,  p.  49  D)  oder  )0uo>ö\  jüö  (opp.  III, 
p.  564  E),  wie  LXX  (vidi  xov  frtov)  und  Pesch.  in  ihrer  jetzigen  Lesart 
haben.  Dass  die  erste  Lesart  in  der  Pesch.  die  ursprüngliche  und 
ächte  ist,  ergibt  sich  aus  der  Vergleichung  des  Onk.,  der  Gen.  6,  2 
H^0TÜT\  "03  übersetzt  und  des  Midrasch  Gen.  R.  c.  21:  }}."■&  N"ip  i"2W"l 
NJ^l  *02.  Aehnliche  Stellen,  die  von  Ephr.  nach  dem  echten  Texte 
der  Pesch.  citirt  werden,  während  unser  heutiger  Text -eine  nach 
der  LXX  geänderte  Lesart  aufweist,  s.  weiter. 


106     Die  Commentarien  des  Ephraem  Syrus  im  Verhältnis s 

später  Töchter  der  Kainiten,  und  dieser  Verbindung  der  Se- 
thiten  mit  den  Kainiten  entstammte  das  Geschlecht  der  Riesen 
(49  D,  146  B). 

Ebenso  kann  man  in  Ephraems  Erklärung  zu  Gen.  32,  25 
einen  kleinen  Ansatz  zur  rationalistischen  Exegese  finden.  Der 
Engel,  der  Jakob  erscheint,  ist  nach  ihm  entweder  eine  blosse 
Vision  Jakobs,  damit  er  Esau  gegenüber  Muth  bekommen  sollte, 
oder  „weil  er  gelobt  hatte,  Gott  den  Zehnten  zu  geben  und  ihn 
dem  Esau  gab"  (p.   181  B,  cf.  87  B,  88  B^  cf.  Jeruschalmi  a.  1. 

xrwvb  m&a  «Sn  ieki  n-dj  rmra  rro»  w*6ö  wranNi 

Indem  Ephr.  auf  diese  Weise  die  biblische  Erzählung  mit 
erklärenden  Zusätzen  bereichert,  stimmt  er  oft  auffallend  mit 
den  jüdischen  Paraphrasten  überein,  z.  B.  Gen.  49,  7:  „Ich  will 
sie  vertheilen'-,  „was  auch  geschah,  da  der  Stamm  Levi  keinen 
Länderbesitz,  sondern  nur  einzelne    Städte  unter  den  übrigen 

Stämmen  hatte  und  der  Stamm  Simeon  im  südlichen  und  west- 

» * 

liehen  Theile  des  Stammes  Juda  (s.  Josua  19,  1—9)  sein  Gebiet 
hatte"  (187  D),  cf.  Jonathan  a.  1. 

Hiermit  sind  wir  bei  einem  Capitel  angelangt,  bei  welchem 
die  exegetische  Richtung  Ephraems  am  deutlichsten  hervortritt; 
denn  bei  der  Interpretation  dieses  prophetischen  Stückes  zeigt 
sich  das  Schwanken  zwischen  den  verschiedenen  exegetischen 
Principien  in  der  schroffsten  Weise.  Abgesehen  von  den  ver- 
schiedenen christologischen  Beziehungen  findet  er  im  Segen 
Jakobs  theils  Rückblicke  auf  die  früheren  Schicksale  Josephs 
und  seiner  Brüder,  theils  prophetische  Hinweisungen  auf  die 
spätere  Geschichte  der  12  Stämme.  In  letzterer  Beziehung 
nimmt  er  ebenso  wie  die  Hagada  meist  die  Richterzeit  als  histo- 
rischen Hintergrund  der  Prophetie  an,  obgleich  er  diesen  exege- 
tischen Faden  nicht  festhält  und  auch  aus  späteren  Zeiten  histo- 
rische Belege  für  die  Erfüllung  der  Prophezei hung  anführt. 
V.  14  z.  B.  bezieht  er  auf  Gideon  (p.  109  B),  wobei  er  freilich 
übersieht,  dass  (nach  Jud.  6,  15)  Gideon  aus  dem  Stamme  Ma- 
nasse  war.  Richtiger  finden  daher  Jon.  und  Jerusch.  den  Hin- 
weis auf  denselben  in  V.  18  ibid. 

Zutreffender  ist  seine  Erklärung  zu  V.  16  sq.  „Das  ist  Sim- 
son,  der  Israel  40  Jahre  regierte"  (109  D).    Ebenso  Onkelos  a.  1., 


zur  jüdischen  Exegese.  107 

cf.  Sotah  9b  und  Hieran.  Quaest.  in  Gen.  a.  1.  Vollständig  ist 
die  Parallele  durchgeführt  Gen.  R.  c.  98. 

V.  19  paraphrasirt  Ephr.:  „Gad  zieht  an  der  Spitze  der 
Stämme  nach  Palästina  und  führt  den  Nachtrab  hinter  sich,  so 
wie  die  Ferse  dem  Haupte  folgt"  (HOC,  cf.  188 B).  Vgl.  On- 
kelos  a.  1. 

V.  21.  „Naphthali  etc.  das  ist  Barak,  der.  frohe  Botschaft 
schickte  Allen,  die  vor  der  Macht  und  Stärke  Sisrahs  geflohen 
waren"  (110  D).    Vgl.  Gen.  R.  1.  c.  -)Wni  HfctW  JTW  IT  "IDltf 

mm. 

V.  27  bezieht  er  an  einer  Stelle  auf  den  Apostel  Paulus 
(114C),  an  einer  anderen  auf  die  Besiegung  der  Inder,  Sanhe- 
ribs  und  Gog's  durch  Benjamin  (sie!  p.  112  B),  ein  anderes  Mal 
wieder  auf  die  Vorgänge  in  Gibea  (Jud.  21 ,  21)  oder  auf  Saul 
und  Amalek  (188  D).     Vgl.  Gen.    R.  1.  c.   Tanchuma  und  Jalk. 

a.  i.  •  •  •  enotorn  rbw  ro»  wm  ck  orrorn  vpw  aw  ywxt 
*x\  bwtz/  ro  uf  k*n  npan  «"i* 

Andere  Stellen  jedoch  erklärt  er  durch  Parallelen  aus  der 
Geschichte  der  Söhne  Jakobs,  z.  B.  V7.  9:  „Vom  Morde  der 
Thamar  und  ihrer  beiden  Kinder  hast  du  dich  fern  gehalten, 
oder:  am  Morde  Joseph's  wolltest  du  dich  nicht  betheiligen*' 
C107D,  187  D),  vgl.  Gen.  R.  1.  c.  Ebenso  bezieht  er  V  23  auf 
die  Feindseligkeit  der  Söhne  Jakobs  gegen  Joseph  (HOF,  cf. 
Onkelos  a.  1.  u.  Gen,  R.  1.  c). 

Denn  dass  diese  Rede,  so  wie  sie  vorliegt,  von  Jakob  theils 
in  Rückblick  auf  die  früheren  Vorgänge,  theils  in  prophetischem 
Hinblick  auf  die  spätere  Zeit  gehalten  worden,  daran  wagte 
auch  die  Exegese  der  Kirchenväter  nicht  zu  rütteln,  und  wenn 
sie  auch  die  historischen  Beziehungen  auf  die  Richterzeit  im 
Allgemeinen  richtig  erkannten  und  deuteten,  so  waren  sie  doch 
weit  entfernt  von  der  modernen  rationalistischen  Exegese,  die 
wegen  dieses  auf  eine  bestimmte  Zeit  hinweisenden  historischen 
Hintergrundes  gleich  bereit  ist,  auch  die  Abfassung  dieses 
Stückes  in  jene  Zeit  zu  setzen.  —  Dieser  Mangel  an  kritischer 
Schärfe  schliesst  jedoch  nicht  aus,  dass  unter  den  kurzen  exe- 
getischen Bemerkungen  Ephraems  sich  einige  finden,  die  auch 
von  der  modernen  Exegese  aufgenommen  zu  werden  verdienen, 
z.  B.  Gen.  15,  6  „die  Bereitwilligkeit',  Isaak  zu  opfern,  rechnete 
Gott  dem  Abraham  als  Verdienst  an"  (77 D)  np-ßf  syr.  Jjdojj 


108    Die  Commentarien  des  Ephraem  Syrus  im  Verhältniss 

hat  also  hier  nicht  die  Bedeutung  „Frömmigkeit",  sondern 
„Verdienst",  cf.  Onk.  a.  1.  I3fj?  und  Deut.  6,  25. 

Zu  Exod.  Cap.  15  bemerkt  Ephraem,  das  Lied  sei  als  Wechsel- 
gesang gesungen  worden,  indem  das  Volk  jeden  Vers,  den 
Moses   ihm  vortrug,    wiederholte    (216  B),    cf.    Exod.   R.   c.   23 

c^n  by  wnnx  nne«  *p  inw  mwo  «  bv  rmnen  jtiöw. 

Namentlich  bemüht  sich  Ephraem,  tropische  Ausdrücke  der 
Bibel  sachgemäss  zu  erklären,  und  dies  thut  er  zuweilen  mit 
richtigem  Verstandniss  und  feinem  Sprachgefühl,  z.  B. 

Deut.  32,  16:  „Er  Hess  es  Honig  saugen  etc.  seil,  wegen  der 
vielen  Bienen"  (286  E).  Besser  bezieht  Jonathan  diese  Stelle 
auf  die  Fruchtbarkeit  des  Landes  (NJTTjpp  Rttfjn  )1fflV  p\)lNl 
PCS  b%  V^yyD*!).     Hätte  Ephr.  vom  Parallelismus  der  Vers- 

'  •   •         •         • 

glieder  nur  eine  Ahnung  gehabt,  so  hätte  er  aus  dem  zweiten 
Hemistichion  ersehen  müssen,  dass  im  ersten  nicht  an  Bienen- 
honig, sondern  an  Dattelhonig  zu  denken  ist1).  Denn  den 
Schluss  des  Verses  erklärt  er  ganz  richtig:  „Oel  etc.  damit 
sind  die  Oliven  bezeichnet,  die  in  dem  gesegneten  Palästina 
auf  den  Bergen  wachsen"  (287  A);  cf.  Sifri   a.  1.  §  316:    pxtn 

DTin  £«  "HS  «nöina. 

Deut.  32,  32:  „Vom  Weinstocke  Sodoms  ist  ihr  Weinstock, 
d.  h.  sie  gleichen  den  Sodomitern  durch  ihre  Thaten"  (287  C), 
cf.  Sifri  a.  1.  §  323. 

Deut.  33,  3:  „Er  liebte  die  Völker:  Völker  nennt  er  die 
Stämme"  (288  C),  cf.  Onkelos  a.  1.  WKattfr  pJMn  *)N» 

Deut.  33,  17:  „Des  Reem  Hörner  sind  seine  Iförner,  d.  h. 
so  wie  kein  Joch  auf  das  Reem  kommt,  so  soll  Ephraim  nicht 
unterworfen  werden"  (289  D)*). 


')  Falsch  erklärt  er  übrigens  auch  den  Tropus  Deut.  33,  17:  „Er 
gibt  den  Zehnten  mit  erstgeborenen  Stieren  (289  D).  Der  Sinn  ist 
vielmehr:  Er  hat  die  Würde  eines  erstgeborenen  Stieres.  Cf.  Gen. 
27,  27:  „Das  gesegnete  Feld  nennt  er  das  Land  des  Paradieses,  oder 
auch  Maria,  die  gesegnete'1  (156  F).  Hier  ist  nicht  an  das  Paradies, 
sondern  an  ein  fruchtbares  Saatfeld  zu  denken,  vgl.  jedoch  Gen.  R. 

c  65  b"ta  Niri  tan  py  p  noy  hd:dj  von  hw  apjr  otn  dem  nj/aa 
rm?  rvno  \n  rm. 

*)  Andere,  von  richtigem  Sprachgefühl  zeugende  Erklärungen  s. 
zu  Gen.  49,  4  p.  105  F,  zu  Rum.  21,  7  und  23,  10,  ferner  zu  Deut 


zur  jüdischen  Exegese.  109 

III.    Ephraems  Verhältniss  zur  Peschito, 

dem  Urtexte  und  der  griechischen  Uebersetzung  und 

kritischer  Werth  seiner  Exegese. 

Die  bisherige  Beweisführung  für  die  Abhängigkeit  Ephraems 
von  der  jüdischen  Exegese  lässt  sich  nunmehr  als  historische 
Thatsache  feststellen  und  in  ihrer  ganzen  Tragweite  bemessen, 
wenn  nachgewiesen  werden  kann,  dass  er  schon  vermöge  seiner 
geringen  sprachlichen  Vorkenntnisse  sich  veranlasst  sehen  musste, 
die  traditionelle  jüdische  Exegese  in  seine  Commentarien  auf- 
zunehmen. Und  in  der  That  verräth  er  in  sprachlicher  Hinsiebt 
bisweilen  so  wenig  kritischen -Sinn,  dass  er  durch  den  Text 
der  Pesch.  sich  zu  ganz  ungereimten  Erklärungen  verleiten  lässt. 
So  z.  B.  nimmt  er  Jjoqio  (Gen.  9,  25,  hebr.  pn2)  =  Markt  und 

folgert  daraus,  dass  damals  schon  eine  Stadt  existirt  habe,  also 
mehrere  Jahre  nach  der  Sintfluth  verflossen  waren  (56  BJ.  Allein 
das  syr.  (00*2»  bedeutet  in  der  Sprache  des  Uebersetzers  wie 
das  chald.  KpItPS  des  Onk.  nur  den  Gegensatz  zum  Zelte  „im 

Freien".  Aber  auch  wo  die  Lesart  der  Pesch.  offenbar  falsch 
ist,  beruhigt  sich  Ephr.  bei  derselben  und  citirt  z.  B.  Gen.  47, 
31  Ofl^cL  ju(  ^  *Ja>  „er  bückte  sich  zu  Häupten  seines  Stabes", 
wofür  es  nach  dem  hebr.  und  den  Targg.  ofdo'A   heissen  muss1). 


26,  13;  32,  8;  33  V.  7  und  16,  p.  282  E,  286  D,  289  C  und  187  F,  wie 
auch  die  Erklärung  anthropomorphischer  Ausdrücke  der  Bibel,  z.  B. 
Gen.  8,  2  ,,Gott  roch  etc.  d.  h.  Gott  sah  die  Aufrichtigkeit  des  Herzens, 
mit  der  Noah  das  Opfer  brachte"  (54  D).  Vgl.  zu  Gen.  11,  5  p.  58  E, 
zu  Gen.  18,  21  p.  69  E  und  zu  Gen.  18,  24  p.  72  A. 

')  Derselbe  Fehler  ist  übrigens  auch  in  der  LXX  a.  1.  (&ri  tö 
Sxqov  xov  Qdßdov  avzov),  und  schon  Hieron.  (1.  1.  III  p.  147  F)  macht 
darauf  aufmerksam,  dass  diese  Lesart  dem  hebr.  inadäquat  ist,  da  hier 
wie  48,  2  HpD  nicht  Ht3D  gelesen  und  durch  %Uvr\  übersetzt  werden 
muss.  Dass  hier  die  Lesarten  von  Abschreibern  nach  Hebr.  11,  21 
geändert  worden  sind,  haben  Frankel  (Vorstudien  zu  der  Septuag. 
8.  193  d)  und  Perles  (Melet.  Pesch.  p.  31),  ersterer  in  Bezug  auf  die 
LXX,  letzterer  in  Bezug  auf  die  Pesch.  nachgewiesen. 

(Schluss  folgt.) 


110  Analekten. 


A  n  a  1  e  k  t  e  n. 


Das  Grab  der  biblischen  Esther  in  Hamadan*). 

Als  im  Anfange  dieses  Jahrhunderts  das  Feld  des  westlichen 
Asiens  zum  erstenmal  in  neuerer  Zeit  dem  Forschungsgeist 
abendländischer  Reisenden  erschlossen  ward,  ging  man  sogleich 
daran,  jeden  Gegenstand  aufzusuchen,  der  vergleichende  Geo- 
graphen in  Stand  setzen  konnte,  die  Lagen  der  merkwürdigsten 
Orte,  von  denen  wir  in  der  profanen  sowohl  als  in  der  heiligen 
Geschichte  lesen,  zu  bestimmen.  Sir  Malcolm,  sowie  diejenigen, 
die  ihn  auf  seinen  Gesandtschaftsreisen  in  Persien  begleiteten, 
Hessen  keinen  Stein  unumgekehrt,  um  diesen  Zweck  zu  er- 
reichen, und  die  Nachforschungen  Macdonald's,  Kinner's  und 
Anderer  waren  so  erfolgreich ,  dass  im  Laufe  weniger  Jahre  der 
Schleier  gelüftet  ward,  welcher  Hunderte  von  Jahren  über  die- 
sem Theile  der  Welt  gelegen  und  europäische  Reisende  konnten 
die  Genugthuung  gemessen,  dem  Rückzugswege  der  Zehntau- 
send zu  folgen  und  die  Plätze  zu  betreten,  die  Zeuge  gewesen 
von  der  Gefangenschaft  der  Kinder  Israels. 

Unter  den  andern  Lagen,  die  zum  Gegenstand  der  Nach- 
forschung gemacht  wurden,  war  die  des  Palastes  Susan.  Der 
Aehnlichkeit  des  Namens  wegen,  vermuthete  man  eine  Zeitlang, 
dass  die  neueren  Ruinen  von  Sus  keine  andere  sein  könnten  als 
diejenigen  der  Stadt,  welche  zur  Zeit  ihres  Glanzes  den  Triumph 
der  Esther  und  die  Schmach  Hamans  gesehen.  Als  aber  neues 
Licht  auf  die  Frage  geworfen  wurde ,  sah  man ,  dass  ein  anderer 
Ort  besseren  Anspruch  als  die  Ruinen  von  Sus  darauf  hatte, 
die  Sage  „des  Palastes"  zu  sein.  Der  Sage  zufolge  bestand  in 
Hamadan  —  das  identisch  ist  mit  Ekbatana  —  ein  altes  Grab, 
welches  man  das  Grab  der  Esther  und  Mardochai's  nannte.    Vor 


*)  Aus  Chambers  Journal. 


Analekten.  111 

einigen  Wochen  nun  hatte  ich  Gelegenheit,  dieses  Grab  zu  be- 
suchen, und  es  dürfte  den  Leser  interessiren,  zu  erfahren,  in 
welchem  Zustand  ich  es  fand.  Dass  Hamadan  eine  Stadt  des 
höchsten  Alterthums  ist,  zeigt  der  erste  Blick.  Die  alten  Baum- 
gänge, die  sich  von  der  Stadt  aus  nach  allen  Richtungen  hin 
erstrecken,  weisen  auf  das  Vorhandensein  einer  gewissen  Menge 
Wasser,  das  in  der  dürren  Ebene  nur  im  Laufe  vieler  Jahr- 
hunderte gesammelt  werden  konnte.  In  den  Erdhügeln,  die  man 
innerhalb  der  weiten  Reihe  der  Stadtmauern  findet,  entdeckt 
man  von  Zeit  zu  Zeit  Gold-  und  Silbermünzen  mit  der  Inschrift 
Alexanders  und  der  Könige,  die  man  als  die  Vorgänger  des 
macedonischen  Eroberers  kennt;  Tafeln,  die  in  den  malerischen 
Thälern  des  Berges  Elokud  an  den  Seiten  der  Felsen  einge- 
hauen  sind,  enthalten  Inschriften  in  der  Schrift  der  altpersischen 
Sprache,  und  endlich  gibt  es  Hunderte  von  Juden  daselbst, 
deren  genealogische  Tafeln  beweisen,  dass  sie  von  Juden  ab- 
stammen ,  die  seit  vielen  Generationen  in  Hamadan  lebten.  Einer 
dieser  ehrwürdigen  Abkömmlinge  Israels  geleitete  mich  an  den 
Ort,  welcher  der  Gegenstand  der  Wallfahrt  so  Vieler  seines 
Volkes  ist.  In  der  Mitte  eines  offenen  Raumes  innerhalb  der 
Mauern  Hamadans  steht  ein  aus  Back-  und  lebendigen  Steinen 
aufgeführter,  gewölbter  Bau,  in  welchen  ein  schmaler  Thürgang 
mit  einer  solid  steinernen  Treppe  führt,  die  sich  auf  zwei  An- 
geln bewegt.  Der  Wächter  des  Platzes  öffnete  diese  feste 
Schutzwehr  und  führte  uns  in  einen  kleinen  äussern  Gang, 
welcher,  da  er  theilweise  unter  dem  Boden  ist,  dumpf  und 
dunkel  war;  allein  wir  hielten  uns  nicht  lange  daselbst  auf,  son- 
dern traten  schnell  in  die  innere  Capelle,  wo  zwei  Sarkophage 
stehen,  welche  die  der  Esther  und  Mardochai's  sind.  Die  Ca- 
pelle ist  klein  und  hat  nur  so  viel  Raum,  dass  man  zwischen 
den  Gräbern  hindurch  und  um  dieselben  herum  gehen  und  dass 
eine  Versammlung  von  20-30  Personen  darin  Platz  finden  kann, 
um,  wie  es  von  Zeit  zu  Zeit  geschieht,  am  Schrein  der  hebräi- 
schen Fürstin  zu  beten,  durch  welche  ihrem  Volke  die  grosse 
Wohlthat  der  Befreiung  aus  der  Gefangenschaft  (?)  zu  Theil 
geworden.  Die  Gräber  selbst  sind  aus  geschnitztem  Gold  — 
Wallnussholz,  wie  ich  glaube  —  und  man  sagte  mir,  dass  sie 
die  Asche  der  Todten,  zu  deren  Andenken  sie  errichtet  worden, 
nicht  enthielten,  sondern  dass  die  Heiligen,   deren   Namen  sie 


112  Analekten. 

tragen,  verrauthlich  unter  denselben  ruhen.  Es  liegt  nichts  Un- 
wahrscheinliches in  der  Thatsache,  dass  die  Königin  Esther 
getrennt  von  ihrem  Gemahl  begraben  worden,  denn  noch  heutigen 
Tages  werden  die  Frauen  "der  Könige  von  Persien  nicht  in  den 
Capellen  begraben,  welche  der  Aufbewahrung  der  Asche  der 
Schahs  geweiht  sind  und  der  Leichnam  der  Nachfolgerin  Waschti's 
dürfte  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  bei  ihrem  Tode  den  Hän- 
den ihres  Volkes  übergeben  und  im  Grabe  des  -Hebräers  Mar- 
dochai  beigesetzt  worden  seih.  Die  beiden  Gräber  sind  mit 
Inschriften  in  hebräischer  Sprache  und  die  Wände  der  Capelle 
mit  den  Namen  der  Pilger  bedeckt,-  die  von  fern  und  nah  ge- 
kommen, um  ihre  Andacht  an  dem  Grabe  der  hebräischen  Kö- 
nigin zu  verrichten. 

Ich  verliess  die  Capelle  mit  dem  Eindrucke,  dass  ich  nie 
etwas  gesehen,  was  in  so  hohem  Grade  die  Idee  düstersten 
Alterthums  in  mir  erweckte.  Das  persönliche  Interesse,  welches 
sich  an  den  Platz  knüpft,  hat  mehr  Reiz  als  die  grossen  aber 
unbestimmten  Erinnerungen,  die  in  der  Seele  auftauchen  bei 
dem  Gedanken,  dass  man  auf  den  Ruinen  von  Babylon  oder 
inmitten  der  sculpturirten  Paläste  von  Ninive  steht.  Mein  Füh- 
rer wurde,  als  er  sab,  welches  Interesse  der  Platz  mir  einflösste, 
endlich  mittheilsamer,  als  er  anfangs  hatte  sein  wollen.  Er 
sagte:  noch  innerhalb  Menschengedenkens  sei  hier  ein  Galgen 
gestanden,  der  auf  Befehl  der  weltlichen  Behörden  von  Hama- 
dan  entfernt  worden,  und  die  örtliche  wie  die  jüdische  Ueber- 
lieferung  behaupte,  dass  dieser  Galgen  der  nämliche  gewesen, 
an  dem  der  unglückliche  Haman  den  Tod  erlitten,  welchen  er 
dem  Juden  zugedacht,  der  sich  vor  dem  Feinde  des  verbannten 
jüdischen  Volkes  nicht  demüthigen  wollte. 

Dergleichen  Ueberlieferungen  dürften  vergleichenden  Geo- 
graphen zur  Rechtfertigung  dienen,  wenn  sie  Hamadan  die  Ehre 
zu  Theil  werden  lassen,  die  Lage  zu  sein,  auf  welcher  der 
Susan- Palast  gestanden. 


.«._*w/.   _ 


Recensionen  und  Anzeigen.  113 


Receosiooen  und  Anzeigen. 


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ipw  jpd^ö  Tjn  ruiön  wwn  p£*6  yp  rüWE  -p  aro 
niöbnn  nwnouö  romn  pir^a  ™d*ä&  nwx  Gneon 
c^d  onD.iD  nai  nwip:>  ninn  cy,  dib-ü  wtq  "oran 
d"t  ncppn  neo  npjn  «ran  t  aro  kiö»  roaw  nwratt 
-na^  nnym ,  apjn  pjn  *nö»  d^w  *nn  ctodiöi  maoa 
nas  njhn  ^pw  o"w  Gewann  nm  ^  ^y  «raun  n« 
.jww^atn  i^p^T  n&iw  m&a  wm  jro  ^kd") 

Auch  unter  dem  Titel: 

Variae  Lectiones  in  Miscboam  et  in  Talmud  ßabylonicum  quam 
ex  aliis  libris  antiquissimis  et  scriptis  et  impressis  tum  e 
Codice  Monachensi  praestantissiino  collectae,  annota- 
tionibus  instructae  auctore  Raphaelo  Rabbinovicz.  Pars  I. 
Tract.  Berachoth  et  totus  ordo  Serai'm.  Monacbi.  H.  Roesl. 
1867. 

Der  babylonische  Talmud,  obschon  von  jeher  Gegenstand 
des  fleissigsten  und  sorgfältigsten  Studiums,  theilte  dennoch 
scbon  in  früher  Zeit  das  Schicksal  aller  litter.  Werke:  er  war  an 
vielen  Stellen  durch  Verschiedenheit  der  Lesearten  und  Ab- 
schreibefehler entstellt.  Die  Verschiedenheit  der  Lesearten  war 
im  Studium  des  Talmud  selbst  begründet.  Dieses  Werk,  das 
nur  an  der  Hand  des  Commentators  zugänglich,  befand  sich 
lange  Zeit  ohne  Commentar  und  nur  die  mündliche  Erklärung 
öffnete  den  Weg  zu  ihm.  Aber  auf  diesem  Wege  gehet  gar 
Vieles  verloren,  die  Zeit  verlöscht  Manches  aus  dem  Gedächt- 
niss,  Anderes  wird  zweifelhaft,  man  weiss  sich  nicht  mehr  mit 
Genauigkeit  das  Tradirte  zurückzurufen  und  findet  sich  an 
schwierigen  Stellen  rathlos.  In  solcher  Verlegenheit  nahm 
mancher  Leser  Zuflucht  zu  Comhinationen;  es  war  bekannt,  dass 
Vieles  durch  Abschreiber  entstellt  war,  wollte  nun  der  vorlie- 
gende Text  keinen  Sinn  ergeben,  so  combinirte  mancher  Leser 
eine  dem  Zusammenhange  entsprechende  Leseart,  die  er  als 
Glossem  an  den  Rand  schrieb,  zuweilen  aber  auch  die  alte 
Leseart  strich  und  die  combinirte  an  deren  Stelle  setzte.    Dieses 

Franke!,  Monatsschrift  XVII.  3.  9 


114  Recensionen  und  Anzeigen. 

letztere  höchst  unkritische  Verfahren  drohete  den  ursprunglichen 
Talmudtext  ganz  zu  verwischen,  und  es  sah  sich  daher  R.  Ger- 
schom,  die  Leuchte  der  Gola  (960— 1028),  veranlasst,  den  Bann 
gegen  die  auf  solche  Weise  den  Text  Verbessernden,  eigentlich 
Verstümmelnden,  auszusprechen.  R.  Saloino  Jizchaki,  Raschi 
(1040 — 1105),  der  unübertroffene  Commentator  des  babyl.  Talmud, 
erwarb  sich  nicht  nur  durch  seinen  Commentar,  sondern  auch 
durch  seine  Feststellung  der  Lesearten  unvergängliche  Verdienste 
um  den  Talmud,  wobei  er  das  des  eminenten  Erklärers  und 
Kritikers  würdige  Verfahren  einschlug,  die  vorgefundenen  fal- 
schen Lesearten  nicht  zu  streichen:  er  begnügte  sich  damit,  die 
von  ihm  als  besser  erkannte  oder  vorgeschlagene  Leseart  in 
seinen  Commentar  aufzunehmen  (vgl.  R.  Jakob  Tarn,  Vorrede 
zum  Sefer  Hajaschar).  Später  wurden  jedoch  ohne  Verschulden 
Raschids  die  alten  Lesearten  gestrichen  und  die  von  Raschi  als 
besser  erkannten  an  deren  Stelle  gesetzt,  ein  Verfahren,  das 
nicht  nur  sehr  bedauerlich,  sondern  das  auch  mitunter  die 
Worte  Raschi's  selbst  schwer  verständlich  macht,  da  an  mancher 
Stelle  nicht  abzusehen  ist,  wogegen  Raschi  eigen tlick  kämpft. 
Nur  der  Traktat  Sota  macht  eine  Ausnahme :  hier  wurden  an 
den  meisten  Stellen  die  alten  Lesearten  belassen  (vgl.  Monats- 
schrift 1.  Jahrg.  S.  553). 

Vergegenwärtigen  wir  uns,  dass  wohl  eine  geraume  Zeit 
verstrich,  ehe  die  Codd.  nach  Raschi  verbessert  wurden  und 
die  so  verbesserten  Codd.  sich  allgemein  verbreiteten,  erinnern 
wir  uns,  dass  die  Raschi  vorangehenden  grossen  Lehrer  an- 
dere Erklärungen  und  daher  andere  Lesearten  hatten,  gedenken 
wir  ferner,  dass  manche  an  den  Rand  geschriebene  Leseart  wie 
so  häufig,  in  den  Text  kam,  so  wird  die  Thatsache  der  Ver- 
schiedenheit der  Lesearten,  wie  sie  sich  im  Vergleiche  unserer 
Ausgaben  mit  den  Lesearten  alter  Autoren  und  nicht  selten 
zwischen  den  früheren  Ausgaben  selbst  herausstellt,  das  Be- 
fremdende verlieren  und  muss  nur  umsomehr  bedauert  werden, 
dass  in  den  früheren  Ausgaben  nicht  von  den  Editoren  ange- 
geben wurde,  nach  welchem  Manuscript,  ob  einem  französischen 
italienischen  u.  s.  w.  und  aus  welchem  Jahre  die  Edition  erfolgt 
sei.  Dass  ferner  die  Manuscripte  häufig  durch  Abschreibefehler 
entstellt  waren,  wurde  schon  oben  bemerkt;  in  den  gedruckten 
Ausgaben  sind  manche  Fehler  verbessert  worden,  die  aber  an 


Recensionen  und  Anzeigen.  115 

neu  eingeschlichenen  einen  reichen  Ersatz  fanden.  Diese  Mo- 
mente zusammen  genommen  machten  schon  lange  den  Wunsch 
nach  einem  Manuscript  aus  früher  Jeit  rege,  das  wie  voraus- 
zusehen an  Lesearten  und  Textverbesserung  wohl  reichlichen 
Stoff  bieten  würde.  Dieser  Wunsch  wurde  noch  lebhafter  als 
bekannt  wurde,  dass  auf  der  Konigl.  Bibliothek  zu  München 
sich  ein  vollständiges  Talmudmanuscript  aus  dem  14.  Jahrh.  be- 
finde; der  sei.  Dr.  Beer  hat  manche  sehr  beachtenswerthe  Va- 
rianten aus  demselben  im  6.  Jahrg.  dieser  Monatsschrift  mitge- 
theilt.  Herr  Rabbinowicz  hat  es  in  dem  Eingangs  genannten 
Werke  unternommen ,  die  Varianten  des  Münchner  Codex  mit- 
zutheilen  und  er  hat  in  dem  uns  vorliegendem  ersten  Theil,  der 
die  Varianten  zu  Traktat  Berachoth  und  der  Ordnung  Serann 
bringt  (auf  dem  hebr.  Titelblatt  ist  dieses  nicht  angegeben,  ge- 
nauer ist  hierin  das  lateinische  Titelblatt  und  möge  Herr  R. 
aufmerksam  gemacht  sein,  in  Zukunft  eine  Conformität  zwischen 
den  beiden  Titeln  eintreten  zu  lassen)  sich  als  einen  durch  um- 
fassende Talmud  -  Gelehrsamkeit  wie  durch  die  sorgfaltigste 
Genauigkeit  zu  diesem  Unternehmen  ganz  passenden'Mann  legi- 
timirt.  Der  Herr  Verf.  ist  auch  noch  weit  über  die  Forderun- 
gen hinausgegangen,  die  die  Untersuchung  dieses  Codex  an 
ihn  stellte:  er  hat  noch  drei  ändere  Manuscripte  der  Mün- 
chener Bibliothek,  zwei  Manuscripte  der  Hamburger  Bibliothek 
und  ein  Pariser  Manuscript,  mehrere  alte  Ausgaben,  ferner  die 
bei  den  ältesten  und  alten  Autoren  angeführten  Talmudstellen 
verglichen,  und  den  reichsten  Stoff  zu  Emendationen  geliefert. 
—  Doch  ehe  wir  zu  den  Varianten  und  Emendationen  über- 
gehen ,  wollen  wir  mit  einigen  Worten  die  von  dem  Verf.  voraus- 
geschickte Einleitung  besprechen,  die  schon  an  sich  ein  treff- 
liches Werk  und  Herrn  R.  als  gelehrten  und  kritischen  Biblio- 
graphen documentirt. 

Herr  R.  theilt  vorerst  mit,  wie  er  bei  der  Vergleichung 
dieses  Codex  zu  Werke  gegangen  und  welche  Ausgabe  er  zu 
diesem  Zwecke  zu  Rathe  gezogen.  Hierauf  folgt  eine  genaue 
Beschreibung  des  Manuscripts,  wie  viel  Seiten  es  enthält, 
wie  viele  Zeilen  jede  Seite,  die  verschiedenen  Schriftarten  u.  s. 
w.  Sehr  bemerkenswerth  ist  die  Aufeinanderfolge  der  Ord- 
nungen und  Traktate  —  niHJDiD  G'HID  —  die  von  unseren 
Ausgaben  ganz  verschieden  und  worauf  schon  Dr.  Beer  an  der 


116  Recensionen  und  Anzeigen. 


Ö' 


früher  gedachten  Stelle,  die  Herr  R.  nicht  gekannt  zu  haben 
scheint,  aufmerksam  gemacht.  Auch  ist,  wie  Beer  sagt,  „das 
erste  Blatt  rO£IP  halb  weggerissen  und  in  niD  ist  ein  grosser 
Blotlleck"  (das.  S.  457),  Herr  R.  hat  diese  Notiz  nicht  mitge- 
theilt.  —  Der  Codex  enthält  neben  deni*babyl.  Talmud  noch 
verschiedene  andere  Werke,  die  auch  Beer  aufzählt;  Beer  theilt 
ferner  mit,  dass  nach  der  pttfftn  rON^Öl  Kn^lS  e*n  hebräisches 
Gedicht  2"N  i£  Sy  folge.  Herr  R.  macht  hiervon  keine  Erwäh- 
nung. —  Hierauf  gehet  der  Verf.  auf  die  Zeit  der  Abfassung 
des  Codex  ein.  Dieser  hat  zweimal  die  Jahreszahl  103  =  1343 
der  übl.  Zeitrechnung;  das  eine  Mal  zu  Ende  der  Talmudtrak- 
tate, wo  der  Abschreiber  sagt:  m^>  ITlttfP  DTlttQ  CTIE^DI 
WW  ffwb  XübW)  HNO  fW  )büD,  dann  zu  Ende  der  den  Trak- 
taten folgenden  nnDEl  D^lTtt  VID/  woselbst  es  heisst:  G^nft^DI 

new  *£*6  wbm  n«ö  roty  raw  ttnirfc  dt»  ntrw  nynty^*  Allein 

auffallend  ist,  dass  an  einem  gegen  das  Ende  des  Codex  ge- 
brachten Getformulars  es  heisst:  tfflw  -}rß  ^y  fcOrP"  KTO  t^HD 
WW  TU  bV)  und  hier  ist  die  Jahreszahl  FWfcH  FW 
PUÖltfl  O^W)  D^X  (1308)  angegeben;  nun  wurden  aber 
die  Juden  im  J.  1306  aus  Frankreich  vertrieben  und  kehrten 
erst  im  J.  1360  zurück,  daher  sowohl  die  Angabe  tt^ttfl  HMD  wie 
früher  angeführt,  als  FOftttn  G^ttfttf  im  Getformular,  unrichtig  zu 
sein  scheinen.  Dr.  Grätz,  Geschichte  der  Juden  8.  Band  S.  10 
Anmerk.  9  meint,  es  sei  bei  der  Angabe  ttfbttfl  HNE  das  Wort 
CP"ltyy  ausgefallen,  wogegen  Herr  R.  einwendet,  dass,  da  die 
Angabe  wbw)  HWD  sich  zweimal  wiederholt,  schwer  anzunehmen 
sei,  dass  Ü'HItfy  zweimal  ausgefallen.  Noch  unhaltbarer  wird 
diese  Hypothese  durch  die  Jahreszahl  des  Getformulars  D^ttfttfl 
rUÖtW  dieser  Get  wurde,  wie  angegeben  wird,  geschrieben 
in  NHÖ  ttniD»  also  Juden  in  Paris  im  J.  1308!  Herr  R.  schlägt 
daher  Folgendes  vor,  um  aus  der  Verlegenheit  zu  helfen:  dass 
der  Codex  zu  Paris  geschrieben  sei,  ergibt  sich  allein  aus  dem 
Getformular,  bei  den  beiden  anderen  Stellen,  die  das  Jahr  HNO 
tl^ttn  haben ,  findet  sich  keine  Ortsangabe.  Nun  pflegt  bei  For- 
mularen Ort  und  Zeit  fingirt  zu  werden,  die  Angabe  *)j)  W~)& 
im  Getformular  ist  daher  von  keinem  Gewicht  und  besagt  durch- 
aus nichts  über  Ort  und  Zeit  der  Abfassung  des  Manuscripts. 
Diese  Lösung  scheint  eine  recht  glückliche.  Die  Frage  nach 
dem  Orte  der  Abfassung  des  Manuscripts  ist  eine  subordinirte : 


Recensionen  und  Anzeigen.  117 

Herr  R.  entscheidet  sich  aus  manchen  Gründen  für  Deutschland 
und  theilt  hierauf  geschichtlich  mit,  wie  es  nach  der  Bibliothek 
zu  München  gekommen  ist. 

Herr  R.  gibt  hierauf  die  ferner  von  ihm  benützten  Manu- 
scripte  an.  Diese  enthalten  nur  einzelne  Traktate,  manches 
nur  einen,  andere  mehrere  Traktate y  zuweilen  neben  voll- 
standigen  Traktaten  auch  Bruchstücke.  Ein  Manuscript  ist 
nach  dem  Dafürhalten  des  Herrn  R.  aus  dem  11.  Jahrhundert 
und  enthält  Theile  aus  Traktat  Pesachim  und  ein  Bruchstück 
aus  Traktat  Chagiga.  —  Ein  anderes  Manuscript  wurde  nach 
der  Angabe  des  Abschreibers  zu  Gerona  J.  4944  =  1184  ge- 
schrieben und  enthält  die  drei  Traktate  3"2  ft"2  p"D*  Diese 
beiden  Manuscripte  zählen  wohl  zu  den  ältesten  vorhandenen 
Talmudmanuscripten. 

(Schluss  folgt.) 


Notizen. 


Lieder  zu  Ehren  Sabbathai  Zwi's. 

In  einem  Manuscripte,  das  mir  in  diesen  Tagen  zu  Händen 
gekommen  ist,  finden  sich  mehrere  Lieder  (Piutim)  auf  Sabba- 
thai Zwi,  die  vielleicht  der  Veröffentlichung  nicht  unwürdig 
sind.  Das  Manuscript  ist  eine  Art  nj\)  (Djonk)  d.  i.  eine  Art 
Hauspostille ,  wie  sie  die  türkischen  Juden  anzulegen  und  worin 
sie  allerlei  Piutim  und  Lieder  aufzunehmen  pflegen.  Das  mir 
vorliegende  Manuscript  ist,  nach  den  Handschriften  zu  urtheilen, 
im  Besitze  von  verschiedenen  Eigenthümern  gewesen.  Es  be- 
finden sich  darin  ungedruckte  Lieder  von  Israel  hagara,  Abtaliun 
b.  Mardechai,  Jakob  Amron  und  vielen  Anderen,  mit  Angabe 
der  Melodie  (]r6)i  nach  welcher  sie  zu  singen  sind.  Auf  dem 
ersten  Blatte  finden  sich  als  Titel  die  Worte:  Qvpttfl  Q^COVD 
IMfcfl^  VUftD-  An  einer  anderen  Stelle  finden  sich  die  Jahres- 
angaben bbttfbh,  ^hhtt'S,  Wbht  welche  den  Jahren  1661,  1670, 
1671  gew.  Ztr.  entsprechen  würden.  Die  meisten  Lieder  be- 
ziehen sich  auf  den  Messias  und  die  Wiederaufbauung  Jerusa- 
lems, Viele  von  ihnen  haben  das  Akrostich  Sabathi,  doch  ist 
es  deshalb  nicht  unbedingt  ausgemacht,  dass  sie  sich  auf  den 
Pseudomessias  dieses  Namens  beziehen ,  da  der  Akrostich  auch 


118 


Recensionen  und  Anzeigen. 


den  Namen  des  Verfassers,  der  bei  den  meisten  Liedern  akro- 
stichisch angegeben  ist,  bedeuten  kann.  Die  folgenden  Lieder 
jedoch  haben  wie  verschiedene  andere  unzweifelhaft  Sabbathai 


Zwi  zum  Gegenstande: 


tw  m")  m  ds  yqip 
n:n  ron  -w  m  m 
'Di  m  *as  tqt& 
"iDi  m  ras  toip 
'di  m  mi  va» 


o:b  ivp  mm«  dt»  k 

min  p«i  cti  p*o 
mn  pw  dw  .paö 

(Hier  ist  vermuthlich 
ein  Vers  ausgefallen.) 

Wien  im  Februar. 


I. 


nm  w»  nein  rar 
^n  ^  n:n  n:n 

nmni  vdw  Tn»  cp 


IL 


tinp  i«  o^yte  ü^u 
*)  'di  -in  &o  th  ron 
^sc  ^p  bnn  mwa 
rroM  bnr  *o  l&w 

'di  run 
^axn  p«a  nu/1»  dw 
>ns  ^nrni  rrron 
'dt  Pün 

'dt  run 

Dr.  Gödemann. 


!)  Die  Worte  "Hl  u.  s.  w.  haben  an  sich  keine  Bedeutung,  sondern 
dienen  nur  wie  unser  tralala  zur  Ausfüllung  der  Melodie.  Sie  finden 
sich  so  und  ähnlich  noch  an  vielen  Stellen  der  Handschrift  und  sind 
auch  heute  noch,  wie  mir  Herr  Chacham  Baruch  mittheilt,  bei  den 
türkischen  Juden  in  Gebrauch. 

*)  Siehe  die  vorhergehende  Anm. 


Monatschronik.  119 


Monatschronik. 


Berlin.  Der  vor  einigen  Wochen  geschlossene  Landtag  be- 
schäftigte sich  in  seinen  letzten  Sitzungen  mehrfach  mit  Petitio- 
nen über  jüdische  Angelegenheiten.  Eine  Petition  aus  Nakel, 
dahin  gerichtet,  die  Inspection  der  dortigen  jüdischen  Elementar- 
schule dem  evangelischen  Geistlichen  zu  entziehen  und  dem 
Ortsrabbiner  zu  übertragen,  wurde  mit  grosser  Majorität  nach 
kurzer  Debatte  der  Regierung  zur  Berücksichtigung  überwiesen, 
desgleichen  ohne  Debatte  eine  Petition ,  in  welcher  die  Abschaf- 
fung des  Eides  more  judaico  erbeten  wurde. 

Der  Cultusminister  Tiat  in  jüngster  Zeit  mehrere  Rescripte 
erlassen,  die  Anstellung  oder  richtiger  die  Nichtanstellung  der 
jüdischen  Candidaten  des  höheren  Schulamts  sowie  die  Zulas- 
sung derselben  zur  Abhaltung  des  Probejahres  an  christlichen 
Lehranstalten  betreffend.  Nur  ausnahmsweise  soll  es  gestattet 
sein,  Juden  an  christlichen  Lehranstalten  unterrichten  zu  lassen, 
und  auch  dann  nur  in  solchen  Fächern,  die  eine  confessionelle 
Behandlung  nicht  zulassen.  Auch  wird  in  einem  dieser  Re- 
scripte ausdrücklich  erklärt,  dass  jüdische  Philologen  durch 
das  Ablegen  des  Oberlehrerexamens  nicht  das  Recht  erwerben, 
an  christlichen  Schulen  ihr  Probejahr  abzuhalten,  sie  werden 
vielmehr  sämmtlich  auf  die  jüdischen  Realschulen  in  Frankfurt 
am  Main  verwiesen. 

Buoharest.  Der  preussische  Minister  der  auswärtigen  An- 
gelegenheiten Graf  Bismarck  hat  dem  Präsidenten  der  Alliance 
Israelite  zu  Paris  auf  deren  Verwendung  für  die  Israeliten  in 
Rumänien  unterm  22.  Februar  ein  sehr  verbindliches  Antwort- 
schreiben übersandt,  worin  mitgetheilt  wird,  „dass  die  königl. 
Regierung  ihren  Vertreter  in  Bucharest  aufs  Neue  angewiesen 
hat,  dass  derselbe  seinen  ganzen  Einfluss  anwende",  den  Israe- 
liten Rumäniens  den  Schutz  zu  Theil  werden  zu  lassen,  „wel- 
chen sie  in  allen  Ländern,  in  welchen  die  Gesetzgebung  auf  den 
Grundsätzen  der  Humanität  und  Civilisation  beruht",  gemessen. 
Weiter  heisst  es:  „Ich  bin  zudem  fest  überzeugt,  dass  die 
Absichten  des  Fürsten  Carl  vollständig  mit  unseren  Wünschen 


120  Monatschronik. 

übereinstimmen  und  Se.  Hoheit  mit  festem  Willen  die  Ent- 
wickelung  der  Verfassung  des  Landes  herbeiführen  wird,  durch 
welche  die  Regierung  die  Ausübung  eines  gleich  wohlwollenden 
Schutzes  für  alle  Klassen  der  Bewohner  und  in  einer  schnelle- 
ren Weise,  wie  in  der  Vergangenheit,  gesichert  wird". 

Diese  Ueberzeugung  des  Herrn  Ministers  vermögen  wir 
leider  nicht  zu  theilen,  ein  vor  Kurzem  veröffentlichtes  Schreiben 
des  Fürsten  Carl  beweist  vielmehr,  dass  derselbe  von  grossen 
Vorurtheilen  gegen  die  Juden  beherrscht  wird,  und  dass  die 
rumänischen  Juden  ihr  Heil  nicht  von  ihm  zu  erwarten  haben. 

Wien.  Zu  Anfang  dieses  Jahres  trat  Herr  Joseph  Werth- 
heimer,  der  35  Jahre  hindurch  Vertreter  der  israelitischen 
Cultusgemeinde  und  eine  lange  Reihe  von  Jahren  Praeses  des 
Vorstandes  derselben  gewesen  war,  von  seinen  Ehrenämtern 
zurück.  Die  gemeinnützliche  Thätigkeit  Werthheimer's  ist  nicht 
nur  für  die  Wiener  Gemeinde  sehr  segensreich  gewesen,  son- 
dern hat  auch  viele  österreichische  Gemeinden  indirect  geför- 
dert, indem  die  durch  Werthheimer  in's  Leben  gerufenen  In- 
stitutionen auch  an  anderen  Orten  Nachahmung  fanden.  Darum 
hat  auch  der  Rücktritt  Werthheimer's  von  seinen  Aemter.n  eine 
mehr  als  locale  Bedeutung  und  einen  Jeden,  der  an  dem  Auf- 
blühen der  Wiener  Gemeinde  Interesse  nimmt,  wird  es  mit 
lebhafter  Freude  erfüllen,  wenn  er  erfährt,  in  wie  ehrender 
Weise  die  Verdienste  Werthheimer's  von  der  Wiener  Gemeinde 
gewürdigt  worden  sind.  In  einer  vom  Gemeindevorstand  sowie 
von  den  Vertretern  der  Synagogen  und  Wohlthätigkeitsanstalten 
unterschriebenen  Adresse  wurde  dem  scheidenden  Präses  der 
Dank  votirt  für  seine  Leitung  der  Gemeindeangelegenheiten  und 
insbesondere  für  die  wesentlich  seinen  Bemühungen  zu  dankende 
Gründung  der  Kinderbewahranstalt,  des  Handwerksvereins  und 
des  Vereins  zur  Unterstützung  hülfsbedürftiger  Waisen.  Die 
Wiener  Cultusbeamten  überreichten  ebenfalls  eine  Adresse  uud 
Hessen  zum  beständigen  Andenken  das  Bild  des  hoch  verdienten 
Mannes  in  Erz  prägen.  Der  #Secretair  der  Gemeinde,  Herr 
Dr.  L.  A.  Frankl  hob  in  besonderer  Ansprache  die  Bedeutung 
Werthheimer's  als  Schriftsteller  und  Vorkämpfer  für  die  Eman- 
cipation  der  Juden  hervor. 


Sie  Alliance  Univers.  Israölite  und  die  Juden  Rumäniens. 

T(om  Heraasgeber. 


Im  Jahre  1867  traten  zu  Paris  einige  junge  Männer  zusam- 
men, um  einen  Verein  zu  bilden,  der  sich  zum  Ziele  setze, 
die  verletzten  Rechte  der  Juden  auch  in  den  entferntesten 
Ländern  zu  vertreten,  den  Juden,  wo  sie  je  über  Ver* 
folgungen  zu  klagen  haben,  mit  Rath  und  That  beizu- 
stehen und  ihre  Klagen  vor  die  Mächte  Europas  tond  vor 
die  noch  grössere  Macht,  die  Oeffentlichkeit,  zu  bringen 
und  ohne  Unterlass  für  den  Frieden  und  die  Freiheit  der 
israelitischen  Glaubensgenossen  seine  Stimme  zu  erheben. 
Dieser  Verein  sollte  selbstredend  die  Juden  in  den  un- 
civilisirten  oder  halbcivilisirten  Reichen  im  Auge  haben;  in 
den  auf  Civilisation  basirten  Staaten  bedurfte  es  nicht  einer 
Vertretung  von  aussen:  die  Civilisation  schliesst  Verfolgung 
und  Verkümmerung  der  Rechte  einesTheiles  der  Bürger  von 
selbt  aus.  Und  weil  die  Vereinsthätigkeit  barbarischen 
und  halbbarbarischen  Staaten  gelten  sollte,  dürfte  einem 
derartigen  Verein  nicht  genügen,  seine  Aufmerksamkeit 
auf  den  politischen  Zustand  der  Juden  in  diesen  Ländern 
zu  richten,  sondern  es  wäre  nicht  minder  durch  zu  er- 
richtende Schulen  und  zweckmässigen  Unterricht  für  ihre 
geistige  Hebung  zu  wirken  und  sie  unter  den  Barbaren 
zu  Civilisirteu,  unter  den  an  roher  Körperkraft  Mächtigen 
zu  Geistesüberlegenen  zu  machen  und  ihnen  eine  Waffe 
zu  geben,  die,  sie  selbst  stärkend  und  kräftigend,  ihnen  eine 
Abwehr  gegen  das  wilde  Toben  ihrer  Feinde  werde.  Der 

Frank el,  Monatsschrift.  XVII.  4.  ]0 


122  Die  Alliance  Univers.  Isra61ite 

Gedanke  fand  Anklang,  es  traten  treffliche  Männer  jeder 
Confession  zu  einem  solchen  Vereine  zusammen,  denn 
er  galt  dem  Menschen,  nicht  der  Confession,  er  galt 
wegen  ihres  Glaubens  Verfolgten  und  Beeinträchtigten, 
es  galt  dem  blutigen  Fanatismus  seine  Opfer  zu  entreissen 
und  es  galt  nicht  minder  niedrigen  Leidenschaften  ent- 
gegenzutreten, die  gern  den  Glauben  zum  Deckmantel 
ihrer  im  Finstern  schleichenden  Pläne  nehmen.  —  Der 
Verein  nahm,  da  er  für  die  Juden  auch  in  den  entfern- 
testen  Gegenden  wirken  will,  die  Benennung  Alliance 
Universelle  Israälite  an,  und  er  hat  durch  seine  nach 
zwei  Richtungen  hin  sich  entfaltend^  Thätigkeit,  Eintreten 
für  das  Recht,  Errichtung  von  Schulen,  sich  bereits 
viele  Anerkennung  erworben;  es  haben  sich  in  den  ver- 
schiedensten Ländern  Zweigvereine  gebildet  und  der  Ver- 
ein zählte  beim  Ablaufe  des  vergangenen  Jahres  6826 
Mitglieder. 

Es  ist  eine  merkwürdige  Erscheinung,  dass  die  Juden- 
hetzen in  Europa  dem  Laufe  grosser  Ströme  folgen. 
Was  weiss  nicht  der  alte  Vater  Rhein  zu  erzählen,  wie 
oft  färbten  sich  seine  Fluten  mit  dem  Blute  der  Juden 
und  welches  Wehklagen  vernahm  er  von  seinen  Ufern 
herüber!  Das  Unrecht  ist  zum  grossen  Theil  gesühnt, 
andere  Geschlechter  von  anderen  Gesinnungen  beseelt 
bewohnen  die  von  ihm  durch  rauschten  Städte 
und  Länder,  und  er  wird  nicht  mehr  in  seinem  Laufe 
von  dem  Jammergeschrei  wegen  ihres  Glaubens 
Verfolgter  gestört.  Auch  die  Donau  war  häufig  trauriger 
Zeuge  blutiger  Verfolgungen  und  sie  blickt  mit  stillem  Seuf- 
zen auf  den  Rhein,  der  in  der  Gegenwart  nicht  sein 
Auge  den  Vorgängen  an  seinen  Ufern  zu  verschliessen 
braucht;  noch  sind  die  Gestade  der  Donau  in  ihrem 
untern  Laufe  so  ungastlich  wie  ehedem  und  es  hausen 
noch  heute  daselbst  Bosheit  und  Barbarei,  sie  ver- 
nimmt zwar  das  moderne  Geklingel  „Constitution,  Selbst- 
bestimmungsrecht", aber  diese  Rufe  sind  um  so  wider- 
licher, als  sich  durch  sie  die  barbarische  Gesinnung  ge- 
steigert und  das  moderne  Gewand  eine  selbst  von  der 
früheren  Zeit  nicht  gekannte  Mord-  und  Raubgier  verbirgt. 


und  die  Juden  Rumäniens.  123" 

Mit  den  Vorgängen  in  Serbien  wurden  die  Leser  dieser 
Monatsschrift  aus  aktenmässigen  Quellen,  die  die  Alliance 
Universelle  veröffentlichte,  bekannt  gemacht;  wir  lassen 
nun  die  Alliance  über  die  Ereignisse  in  Rumänien  sprechen 
und  fügen  manchen  späteren  Vorfall  an,  der  dem  Bericht- 
erstatter der  Alliance  noch  nicht  bekannt  sein  konnte. 

Am  19.  December  v.  J.  fand  eine  Generalversammlung 
des  Vereins  statt.  Herr  M.  N.  Leven,  Secretär  des  Ver- 
eins, verlas  einen  Bericht  über  die  Arbeiten  des  Central- 
comites.  Wir  heben  hier  seine  Thatigkeit  nach  der  poli- 
tischen Seite  heraus,  von  der  wir  einen  kurzen  Auszug  geben, 
um  ausführlicher  über  Rumänien  sein  zu  können. 

„Die  Juden  Persiens,  beginnt  der  politische  Bericht, 
sind  die  unglücklichsten  im  Orient»  Die  Regierung  dieses 
Landes  ist  ohnmächtig  dem  Fanatismus  eines  Pöbels  gegen- 
über, der  stets  bereit  ist,  den  Juden  seine  Verachtung  für 
ihre  Schwäche  fühlbar  zu  machen  und  sich  zu  den 
barbarischsten  Ausbrüchen  hinreissen  lässt.  Sie.  erinnern 
sich  des  schrecklichen  Vorfalles  zu  Balfarusch:  achtzehn 
Israeliten  wurden  ermordet,  und  die  Gefahr  einer  all- 
gemeinen Niedermetzelung  nöthigte  die  Ueberlebenden, 
ihr  Heil  in  der  Bekehrung  zum  Islam  zu  suchen.  Wir 
haben  ihre  Klagen  vor  die  ffegierungen  Persiens,  Eng- 
lands und  Frankreichs  gebracht,  und  diese  Unglücklichen 
haben  die  Erlaubniss  erhalten,  zu  ihrer  Religion  zurück- 
zukehren. Es  wurde  ferner  die  Bestrafung  der  Mörder 
anbefohlen  und  der  Stadt  Balfarusch  eine  Steuer  zu  Gun- 
sten der  Juden  auferlegt. 

In  der  Türkei  findet  man  noch  fanatische  Muselmänner 
in  den  entfernten  Gegenden  des  Reiches,  doch  die  Re- 
gierung zügelt  den  wilden  Fanatismus.  Die  Juden  zu 
Erwil  beklagten  sich  über  die  Ungerechtigkeit  des  Pascha, 
der  ihnen  schwere  Frohnden  aufbürdete  und  systematisch 
die  ernstesten  Vorstellungen  zurückwies ;  zu  Naplus  schloss 
der  Gouverneur  durch  eine  willkürliche  Verordnung  die 
Synagoge;  zu  Zliten  im  Regierungskreis  Tripoli  hatten 
Fanatiker  die  Synagoge  angezündet.  Wir  brachten 
diese  Vorfälle  zur  Kenntniss  des  türkischen  Ministers  des 
Auswärtigen ,    Fuad    Pascha ,    bei    seiner    Anwesenheit 

10* 


124  Die  Alliance  Univers.  Isrelite 

zu  Paris;  er  liess  uns  ungesäumt  mittheilen,  es  sei  ein 
Befehl  nach  Constantinopel  ergangen,  „eine  strenge  Unter- 
suchung in  Zliten  einzuleiten,  die  Schuldigen  zu  bestrafen 
und  der  Gemeinde  die  erlittenen  Verluste  zu  ersetzen." 
Die  Untersuchung  hat  auch  stattgefunden  und  unterstützt 
von  der  englischen  und  französischen  Regierung  gelangte 
sie  zu  einem  die  Juden  befriedigenden  Resultate.  Es 
wurde  anbefohlen:  1.  der  Wiederaufbau  des  verbrannten 
Tempels  auf  Kosten  der  Muselmänner;  2.  die  Bezahlung 
einer  Schadloshaltung  für  die  zertsörten  Bibeln,  die  Be- 
strafung des  Kadi,  seiner  Beisitzer  und  aller  jener, 
die  die  Muselmänner  gegen  die  Juden  aufgestachelt  hatten. 

In  Konstantinopel  wurden  unsere  gewöhnlich  daselbst 
in  Ruhe  lebenden  Glaubensgenossen  durch  einige  Tage 
in  Unruhe  versetzt;  der  Zorn  der  Griechen  brach  näm- 
lich gegen  einen  Juden  los,  den  sie  beschuldigten  ihre  Religion 
beleidigt  zu  haben,  und  man  befürchtete  Gewaltauftritte. 
Auf  die  Bitte  unseres  Comitös  intervenirte  der  Patriarch 
von  Konstantinopel  und  die  Ruhe  wurde  wieder  hergestellt. 

ZuMarocco  hat  das  Raub  wesen  grausame  Leiden  den  Ju- 
denbereitet. Riffpiraten  griffen  im  vergangenen  Mai  die  Juden 
und  Mauren  von  Tetuan  an.  Zwei  Juden  wurden  am 
Eingange  der  Stadt  angefallen,  einer  von  ihnen,  Pariente, 
ein  österreichischer  Schützling,  ermordet,  der  andere,  Asulai, 
Dolmetscher  des  französischen  Consulats,  als  todt  zurück- 
gelassen. Die  Mörder,  die  Strafe  fürchtend,  wiegelten 
ihre  Stämme  gegen  die  Stadt  auf;  diese  belagerten  sie 
und  drohten  durch  mehrere  Wochen  Jeden  zu  tödten^ 
der  es  wagen  würde,  vor  die  Thore  hinauszugehen. 
Ein  unglücklicher  Familienvater  ging  mit  seinem  Sohne 
hinaus,  um  im  Felde  zu  arbeiten;  sie  wurden  beide  ge- 
tödiet.  Auf  die  Reclamationen  der  englischen  und  fran- 
zösischen Regierung  durch  ihre  zu  Tanger  residirenden 
Repräsentanten  sendete  die  maroccanische  Regierung  einen 
Pascha  nach  Tetuan  mit  den  strengsten  Befehlen  gegen 
die  Räuber.  Der  Pascha  konnte  ihrer  nicht  habhaft  wer- 
den, er  zündete  das  Dorf  an,  das  im  Verdachte  stand, 
ihnen  eine  Zuflucht  gewährt  zu  haben.  Die  französische  Regie- 
rung verlangte  eine  Geldentschädigung  für  Asulai  und  erhielt 


.  und  die  Juden  Rumäniens.  125 

sie  auch;  die  Familie  des  Pariente  hat  noch  keine  Ent- 
schädigung bekommen,  doch  wird  ohne  Zweifel  die  öster- 
reichische Regierung  ihr  eine  solche  verschaffen. 

Zu  Tunis  hat  unser  Comitö  an  dem  französischen 
Generalconsul  eine  energische  Stütze  gegen  Gewalthand- 
lungen gefunden,  über  die  sich  die  tunesischen  Juden  ernst- 
lich zu  beklagen  hatten.  80  hielt  ein  Vornehmer  zu 
Tunis  mehrere  junge  Mädchen  in  seinem  Hause  einge- 
sperrt, um  sie  zum  Islam  zu  bekehren.  Der  General- 
consul verwendete  sich  und  die  jungen  Mädchen  wurden 
ihren  Familien  zurückgegeben.  —  Die  tunesische  Regie- 
rung selbst  ist  wohlwollend  gegen  unsere  Glaubensgenossen. 
Auf  Ansuchen  des  französischen  Generalconsuls  hat  die 
Regierung  ein  Grundstück  zum  Baue  einer  Schule  ge- 
schenkt; unser  Localcomitö  wird  sie  errichten,  sobald  es  sich 
von  der  Sorge  über  das  Elend  der  Juden  befreit  sehen 
wird.  Die  Mildthätigkeit  der  dortigen  (reicheren)  Juden 
erschöpft  sich,  ohne  diesem  Uebel  Abhülfe  zu  bringen,  sie 
haben  sich  mit  einem  Aufruf  an  Europa  gewendet  und 
es  sind  in  mehreren  Ländern  Subscriptionen  eröffnet  worden. 

Doch  es  ist  nicht  in  Asien  und  Africa,  wo  wir  dieses 
Jahr  am  meisten  für  den  Schutz  unserer  Glaubensgenossen 
zu  thun  hatten. 

In  Europa  ist  die  religiöse  Freiheit  das  Fundamental- 
gesetz der  meisten  grossen  Staaten;  zwei  kleine  Staaten, 
Rumänien  und  Serbien,  stossen  es  unter  dem  Einfluss 
der  verwerflichsten  Leidenschaften  hartnäckig  zurück. 
Die  Furcht  vor  kaufmännischer  und  industrieller  Con- 
currenz  der  Juden,  die  Gier  nach  deren  Vermögen,  die 
durch  den  Wechsel  der  Gesetze  bedrohete  Gewohnheit 
an  Erpressungen  vertritt  daselbst  die  Stelle  des  Fanatis- 
mus; sie  bedienen  sich  der  Freiheit,  die  ihnen  Europa  ge- 
schenkt, um  die  Juden  zu  unterdrücken,  und  das  gegen 
die  Handlungen  der  gehässigsten  Verfolgung  protestirende 
Europa  wird  kaum  gehört. 

Der  Redner  gehet  nun  zu  den  unseren  Lesern  be- 
kannten Vorgängen  in  Serbien  über  und  schliesst  mit 
den  Worten:  „Wir  sind  selbst  vor  einigen  Monaten  zu 
dem  in  Paris  anwesenden  Fürsten  von  Serbien  gegangen. 


126  Die  Alliance  Univers.  Israälite 

um  von  ihm  die  Emancipation  der  Juden  zu  erbitten. 
Er  hat  uns  erklärt,  das  einzige  Hinderniss  gegen  diese 
Emancipation  liegt,  wie  es  die  serbischen  Minister  dem 
englischen  Generalconsul  erklärt  haben,  in  der  Handels- 
eifersucht der  Kaufleute,  die  die  Vertreter  des  serbischen 
Volkes  bilden  und  die  Juden  als  Concurrenten,  die  bessere 
und  billigere  Waare  verkaufen,  zurtickstossen.  Er  erwarte 
von  einer  liberalen  Kammer  die  Emancipation,  die  er 
selbst  wünscht  und  die  er  vorbereitet,  indem  er  bei  allen 
Gelegenheiten  den  Juden  Beweise  seiner  Achtung  an  den 
Tag  legt."  Docfi  die  entmuthigten  Juden  gedenken  dieses 
unwirthüche  Land  zu  verlassen  und  Europa  wird  das 
traurige  Schauspiel  haben,  die  Serbien  zugesicherte  Frei- 
heit habe  nur  gedient,  um  es  zu  der  Vertreibung  eines 
Theiles  seiner  redlichen,  friedfertigen  und  fleissigen  Ein- 
wohner zu  kräftigen. 

„Ein  anderes  Land,  beginnt  nun  der  Redner,  welches 
wie  Serbien  sein  Dasein  dem  Protectorat  der  Grossmächte 
verdankt,  Rumänien,  hat  durch  seine  Barbarei  gegen  die 
Juden  sie  in  Erstaunen  gesetzt  und  sie  gegen  sich  erregt 
und  aufgebracht.  Unsere  Glaubensgenossen,  von  lange 
her  in  diesem  Lande  ansässig,  bilden  einen  beträchtlichen 
Theil  der  Bevölkerung;  man  schätzt  ihre  Zahl  auf  mehr 
als  300,000.  Ein  ausgezeichneter  Eingeborner,  der  frühere 
Minister  Epureano,  sagte  vor  dem  Hofe  zu  Jassy,  wo- 
selbst er  dös  Vagabundirens  angeklagte  Juden  verthei- 
digte  (vgl.  weiter):  „Die  Juden  arbeiten,  ihnen  verdankt 
das  Land  seinen  Handel,  seine  Industrie,  seine  Credit» 
anstalten,  seine  Verbindungen  mit  dem  Occident;  sie 
haben  das  Monopol  jeder  wie  immer  gearteten  Production, 
denn  die  Rumänen  ziehen  jeder  Art  von  den  Juden  betrie- 
benen Arbeit  öffentliche  Aemter  (Stellenjägerei)  vor." 
Ein  französischer  Schriftsteller,  der  genug  lange  sich  im 
Lande  aufgehalten,  um  die  schlimmsten  Vorurtheile  zu  er- 
fassen, Herr  Desjardins,  verkennt  ebenfalls  nicht,  „dass  die 
Juden  gewerbfleissig,  sittlich,  geduldig,  über  jede  Be- 
schreibung öconomisch  und  unermüdlich  arbeitsam  sind." 
Sie  sind  also  nützliche  Bürger  und  die  Rumänen  hätten 
sie  brüderlich  behandeln  sollen. 


und  die  Juden  Rumäniens.  127 

Der  vor  einigen  Jahren  erfolgte  Beginn  einer  liberalen 
Regierung  Hess  ihre  bürgerliche  und  politische  Emanci- 
pation  hoffen.  Sie  war  vorbereitet  durch  die  diplomatische 
Convention  vom  Jahre  1858,  welche  die  bürgerlichen 
Rechte  allen  Rumänen  ohne  Unterschied  des  Glaubens 
sicherte,  durch  die  Gesetze  des  1864  veröffentlichten  bür- 
gerlichen Gesetzbuches,  aufgenommen  in  dem  Constitutions- 
entwurfe  von  1866  und  den  Kammern  vorgelegt;  man 
liess  sie  aber  fallen  unter  dem  Drucke  eines  Aufstandes. 
Die  Regierung  gab  nämlich  in  ihrer  Schwäche  einem 
Aufstande  nach,  welchen  sie  in  einem  öffentlichen  Akten- 
stücke als  durch  fremde  Intriguen  hervorgerufen  erklärte, 
und  diese  Schwäche  stachelte  die  Feinde  der  Juden  auf. 
Diese  Feinde,  unterstützt  von  allen  Intriguanten,  von  allen 
Feinden,  von  den  Journalen  der  entgegengesetztesten 
Parteien,  die  die  Juden  „als  ein  Geschlecht  von  Vagabun- 
den darstellten,  das  seit  achtzehn  Jahrhunderten  von 
Land  zu  Land  irrt,  um  sich  mit  der  Arbeit  der  christ- 
lichen Bevölkerung  zu  mästen":  diese  Feinde  predigten 
Beraubung  und  Austreibung  der  Juden  aus  dem  Lande. 
Die  Regierung  glaubte  durch  Duldung  dieser  wilden  Auf- 
regungen einen  Beweis  ihrer  Achtung  vor  der  Freiheit 
zu  liefern,  An  Minister  vermeinte  einen  Akt  politischer 
Geschicklichkeit  in  diesem  Nachgeben  auszuführen. 

Sie  kennen  das  Rundschreiben,  welches  die  durch  die 
diplomatische  Convention  vom  Jahre  1858  und  durch  den 
Artikel  1912  des  bürgerlichen  Gesetzbuches  abgeschafften 
Gesetze  und  Verordnungen  wieder  in's  Leben  rief  und 
den  Präfecten  bekannt  machte,  dass  den  Juden  verboten 
sei,  in  ländlichen  Gemeinden  zu  wohnen,  Gast-  und 
Schankwirthschaft  zu  betreiben  und  Felder  zu  pachten,  und 
welches  die  strenge  Ausführung  dieser  aufgehobenen  Verord- 
nungen anbefahl.  Dieses  war  eine  Vernichtung  aller  mit  Pri- 
vaten und  mit  dem  Staate  eingegangenen  Pachtverträge,  eine 
Vertreibung  der  Juden  aus  dem  Besitze,  ein  Nieder- 
schlagen  aller  erworbenen  und  von  der  früheren  Regie- 
rung geachteten  Rechte» 

Die  beraubten,  aus  den  Gemeinden  gejagten  Juden 
wurden  nun  Vagabunden,  Umherirrende.    Den  Präfecten 


128  Die  Alliance  Univers.  Isra&ite 

nnd  anderen  Administrationsbeamten  wurde  jetzt  die  Voll- 
streckung aller  durch  das  Criminalgesetzbuch  ebenfalls 
abgeschafften  administrativen  Massregeln  gegen  das  Vaga- 
bondiren  durch  ein  anderes  Rundschreiben  anbefohlen. 
Diese  willkürlich  wieder  in's  Leben  gerufenen  Gesetze 
gaben  der  Einsperrung  und  Ausweisung  der  Juden  einen 
Anschein  von  Gesetzlichkeit,  ihre  Ausführung  wurde  den 
wüthendsten  Judenfeinden  überlassen. 

Am  23.  Mai  benachrichtigte  uns  eine  Depesche  aus 
Jassy,  die  Juden,  Arbeiter,  Hausbesitzer,  Handeltreibende 
seien  ohne  Unterschied  des  Alters  überfallen,  gefesselt, 
gemissbandelt  und  unter  dem  Jammergeschrei  ihrer  Frauen 
und  Kinder,  das  kein  anderes  Echo  fand,  als  das  wilde 
Lachen  eines  wahnsinnigen  Pöbels,  in's  Gefangniss  ge- 
worfen worden.  Die  Consuln  protestirten.  Der  Minister 
versprach  mehrere  Juden  in  die  Municipalcommission 
aufzunehmen,  die,  freilich  ungesetzlicher  Weise,  beauf- 
tragt war,  ein  Statut  über  das  Vagabondiren  zu  entwerfen; 
die  Commission  wollte  sie  nicht  aufnehmen.  Die  Consuln 
erhoben  von  Neuem  Protest. 

Die  Presse  von  ganz  Europa  sprach  ihren  Unwillen 
aus,  die  Regierungen  erhoben  Einspruch.  Aus  dem 
Kabinet  des  Kaisers  erging  auf  Einschrdlten  unseres 
Präsidenten  die  merkwürdige  Depesche,  welche  erklärte, 
dass  eine  Regierung,  welche  eine  solche  Verfolgung 
dulde,  sich  in  die  Acht  der  Nationen  erkläre.  Die  eng- 
lische und  die  österreichische  Regierung  machten  dem 
Fürsten  energische  Vorstellungen,  die  aufgeregte  öffentliche 
Meinung  Europa's,  sowie  die  Haltung  der  Regierungen 
beunruhigten  die  rumänische  Regierung;  sie  leugnete  die 
Verfolgung,  gab  die  Verordnungen,  die  sie  hervorgerufen, 
bald  als  Gesundheits-,  bald  als  polizeiliche  Massregeln 
an,  die  gegen  alle  Vagabunden  ohne  Unterschied  der 
Confession  ergriffen  worden  waren,  ja  sogar  als  Mass« 
regeln  für  das  öffentliche  Wohl  gegen  die  Intriguen 
Russlands.  Und  um  diesen  Versionen  Glaubwürdigkeit 
zu  verschaffen,  verfolgte  man  drei  und  dreissig  Juden 
wegen  Vagabondirens ;  alle  wurden  von  dem  Gerichtshof 
zu  Jassy   verurtheilt;  neunzehn  legten   Appellation   ein, 


und  die  Juden  Rumäniens.  129 

der  Appellhof  sprach  das  Nichtschuldig  über  eilf  Ver- 
urtheilte  aus.  Drei  von  ihnen  wurden  von  Epureano 
vertheidigt;  er  erhob  ihre  Vertheidigung  bis  zur  Höhe 
einer  politischen  Debatte,  in  welcher  er  das  Benehmen 
der  Regierung  besprach  und  schon  aus  dem  Gesichts- 
punkte der  Landesinteressen  scharf  beurtheilte.  Es  war 
auch  fast  überflüssig,  die  Verurtheilten  zu  vertheidigen, 
denn  sie  waren  nicht  Vagabunden,  sondern  betrieben 
Handwerke,  der  eine  von  ihnen  war  Schneider,  der  andere 
Schuhmacher,  der  dritte  Böttcher;  sie  hatten  bis  zu  dem 
Tage  gearbeitet,  an  welchem  man  sie  aus  dem  Hause 
ihrer  Meister  riss,  um  sie  ins  Gefäugniss  zu  werfen.  Da 
nun  das  Gesetz  nur  die  für  Vagabunden  hält,  die  weder 
Metier  noch  Domicil  haben,  musste  die  Verurtheilung 
fallen:  die   drei  Verurtheilten  wurden  freigesprochen. 

Die  Verfolgung  hörte  jedoch  nicht  auf.  In  Varlui 
wurden  einige  in  Freiheit  gesetzte  Juden  von  Neuem 
eingekerkert,  in  Bakeu  ergriff  die  Nationalgarde  die  Waf- 
fen, um  die  von  den  Dörfern  verjagten  und  daselbst  eine 
Zuflucht  suchenden  Juden  zurückzustossen ;  in  Jassy 
wurde  ein  Jude  gemeuchelmordet,  der  den  Gefangenen 
Nahrung  brachte.  —  Die  Alliance  theilte  diese  neuen 
Handlungen  der  Barbarei  den  Regierungen  und  der 
Presse  mit. 

Die  französische  Regierung  machte  neue  Vorstellungen 
beim  Fürsten;  in  England  wurde  die  Regierung  von  bei- 
den Kammern  interpellirt.  Im  Oberhause  eröffnete  der 
ehrwürdige  Lord  Redcliff  de  Stratfort  am  11.  Juli  die  Dis- 
cussion.  Er  sprach  seinen  Unwillen  über  die  Wahrneh- 
mung aus,  dass  die  Verfolgung  sich  heimlich  fortspinne 
und  die  rumänische  Regierung,  indem  sie  einen  Minister, 
der  die  Verfolgung  anbefohlen,  an  der  Spitze  der  Ge- 
schäfte läset,  der  Meinung  der  Grossmächte  Trotz  biete. 
Er  führte  die  Geschichte  der  Juden  an,  belobte  ihre  fried- 
lichen Sitten  und  drückte  sein  Mitgefühl  für  ihre  Leiden 
in  folgenden  schönen  Worten  aus :  „Ich  denke,  dass  die  Juden 
ebenso  gegen  Verfolgung  empfindlich  sind  wie  die  ersten 
Christen  und  dass  der  Unterschied  der  Religion  nicht  die  Sym- 
pathie vermindern  darf,  welche  derartige  Leiden  einflössen. 


130  Die  Alliance  Univers.  Israelite 

Ich  werde  im  Gegentheile  sagen,  dass  ein  Volk*  welches 
wie  dieses,  ausgeschieden  von  den  anderen  Völkern,  der 
Verachtung  und  der  Verfolgung  zur  Zielscheibe  gedient 
hat,  unser  ganzes  Mitgefühl  verdiene." 

Der  Graf  Denbigh  fügte  hinzu:  „Ich  bin  schmerzlich 
ergriffen  von  der  Weise,  in  der  die  unglücklichen  Juden 
behandelt  wurden,  und  noch  mehr,  da  ihr  Verbrechen 
darin  bestehet,  friedliche  und  fleissige  Menschen  zu  sein, 
die  ihre  Waaren  billiger  als  die  anderen  Einwohner  ver- 
kaufen/4 Er  endigte  mit  den  Worten:  „Es  gibt  nichts 
Unglücklicheres  zu  allen  Zeiten  als  Verfolgungen,  und 
jetzt  öffnet  sich  eine  Aera,  in  welcher  die  Bekenner  aller 
Religionen  Gott  nach  ihrem  Gewissen  anbeten  können, 
ohne  hierin  gestört  zu  sein,  und  dieselben  bürgerlichen 
und  politischen  Rechte  besitzen  sollen."  Der  Minister  ver- 
sprach dem  Hause,  die  Correspondenz  vorzulegen;  es 
werde  aus  ihr  die  Haltung  der  Regierung  entnehmen. 

In  dem  Hause  der  Gemeinen  machte  Sir  Francis 
Goldsmid  die  Mittheilung  dieser  traurigen  Vorgänge;  der 
Minister,  Lord  Stanley,  nahm,  nachdem  mehrere  Redner 
gesprochen,  das  Wort  und  bezeichnete  diese  Verfolgung 
als  „das  Resultat  einer  Meinung,  die  vor  drei  oder  vier 
Jahrhunderten  herrschte  und  gegenwärtig  zahlreiche  An- 
hänger in  Rumänien  hat,  dass  man  durch  die  Verfolgung 
Andersglaubender  die  eigene  Immoralität  sühne."  „Dieses 
Volk,"  fuhr  er  fort,  „ist  unlängst  etnancipirt  worden  und 
ist,  da  es  aus  einem  untergeordneten  Zustand  hervor- 
gehet, glücklich,  eine  Glaubensgemeinde  zu  finden,  gegen 
die  es  ähnliche  Verfolgungen  ausüben  könne,  wie  es  sie 
selbst  erlitten."  —  Den  6.  Juli  theilte  Lord  Stanley  dem 
englischen  Generalconsul  zu  Bucharest  mit,  dass  die  Ver- 
folgung der  Juden  in  der  Moldau  in  den  beiden  Häusern 
eine  Verhandlung  hervorgerufen,  welche  die  Regierung  Ihrer 
Majestät  im  Interesse  der  Fürstenthümer  und  des  Fürsten 
durch  wirksame  Massregeln  gegen  die  grausame  Verfol- 
gung, deren  Opfer  die  Juden  gewesen,  als  überflüssig 
gewünscht  hätte. 

Die  österreichische  Regierung  erhob  ebenfalls  Ein- 
spruch mit  neuer  Energie. 


und  die  Juden  Rumäniens.  131 

Die  Verfolgung  schien  nach  diesen  wiederholten  Pro- 
testen aufzuhören,  der  Fürst  bereiste  die  Moldau,  um  sie 
zu  beruhigen.  Dem  Minister  der  auswärtigen  Angelegen- 
heiten, der  durch  einen  mit  Recht  eines  guten  Rufes  sich 
erfreuenden  rumänischen  jüd. Glaubensgenossen  einen  Schritt 
bei  unserem  Präsidenten  gemacht  hatte,  empfing  von  uns 
einen  Entwurf  der  Maassregeln,  durch  deren  Erfüllung  wir 
unsere  Klagen  bei  den  Regierungen  und  unsere  Angriffe  in 
den  Journalen  einzustellen  bereit  wären,  da  kam  die  Nach- 
richt von  der  schrecklichen  Ersäufung  zu  Galacz. 

Zehn  unglückliche  aus  dem  Lande  ausgestossene  Juden 
wurden  am  14.  Juli  in  einem  kleinen  Schiffe  auf  das 
türkische  Ufer  übergesetzt.  Unter  diesen  armen  Leuten 
befand  sich  ein  so  schwacher  Greis,  dass  zwei  Soldaten 
ihn  anfassen  mussten,  um  ihn  ins  Schiff  zu  werfen.  Statt 
diese  Juden  der  Wache  zu  Zatoca  zu  consigniren,  setzten 
die  mit  der  Ausführung  beorderten  Soldaten  sie  auf  die 
Galacz  gegenüberliegende  unbewohnte  und  von  Wasser 
überschwemmte  Insel  aus  und  warfen  sie,  wie  sie  es 
früher  gethan  hatten,  in  den  Sumpf.  Einer  von  ihnen 
kam  daselbst  um,  über  die  anderen  erbarmten  sich  die 
türkischen  Soldaten  und  führten  sie  nach  Galacz,  in  der 
Absicht,  sie  der  vor  dem  Hafen  postirten  Wache  zu  über- 
geben. Allein  statt  die  Unglücklichen  aufzunehmen, 
stiessen  sie  die  Soldaten  mit  Kolben  und  Bayonetten  ins 
Wasser.  Zwei  Juden,  der  kranke  Greis  und  ein  junger 
Mann,  suchten  sich  vor  den  Bayoneten  in  das  Schiffchen 
zu  flüchten,  es  gelang  ihnen  aber  nicht  und  sie  ertranken 
in  dem  reissenden  Strom.  Kein  Versuch  wurde  von  den 
Soldaten  znr  Rettung  der  vor  ihren  Augen  unweit  des 
Ufers  ertrinkenden  zwei  Menschen  gemacht  Ein  kleines 
in  der  Eile  ausgerüstetes  Dampfschiff,  der  der  österreichi- 
schen Donaugesellschaft  gehörende  Mercur,  kam  zu  spät, 
um  noch  retten  zu  können.  Die  anderen  Unglücklichen 
wurden  endlich,  nachdem  sie  einige  Zeit  im  Wasser  ge- 
lassen wurden  und  den  Sonnenstrahlen  ausgesetzt  waren, 
aufgenommen  und  ins  Gefängniss  geworfen. 

Die  ganze  civilisirte  Welt  protesürte  gegen  dieses 
Verbrechen,  doch  schon  früher  hatten  sich  die  gesammten 


132  Die  Alliance  Univers.  Israelite 

Consuln  zu  Galacz  versammelt  und  schrieben  (16.  Juli) 
an  den  Präfecten:  „Wir  wissen  nicht,  ob  sich  unter  diesen 
Juden  ein  fremder  Jude  befindet,  allein  wir  halten  es  der 
notorischen  Verfolgung  gegenüber,  die  in  diesem  Lande 
die  Juden  trifft,  -für  unsere  gebieterische  Pflicht,  im  Namen 
der  von  uns  vertretenen  Regierungen  laut  gegen  diese* 
barbarischen  Handlungen  zu  protestiren,  deren  Verant- 
wortung gegenüber  der  civilisirten  Welt  wir  Ihnen,  Herr 
Präfect,  und  der  höheren  Autorität  überlassen.44  Dieser 
Protest  wurde  von  allen  zu  Bucharest  residirenden  General- 
consuln  beim  Fürsten  erneuert,  und  sie  verlangten  drin- 
gend unter  Geltendmachung  der  von  der  Regierung  ver- 
kannten Gesetze  der  Menschlichkeit,  dass  alle  gegen  die 
Juden  erhobenen  Massregeln  suspendirt  werden. 

Die  rumänische  Regierung  schob  vor  jeder  Unter- 
suchung das  Verbrechen  von  Galacz  auf  die  Türken  und 
befahl  dann  erst  eine  Untersuchung  einzuleiten,  welche 
denn  auch  die  Schuld  der  Türken  und  die  Unschuld 
aller  rumänischen  Beamten  nachwies.  Die  Türkei  be* 
schuldtgte  nicht  die  Rumänen,  sondern  schlug  eine  noch- 
malige Untersuchung  durch  eine  aus  Rumänen  und  Tür- 
ken gemischte  Commission  vor,  welche  die  Wahrheit  an 
den  Tag  bringen  würde.  Die  rumänische  Regierung  wies 
diesen  Vorschlag  zurück  und  die  türkische  Regierung 
brachte  diese  Weigerung  zur  Kenntniss  aller  europäischen 
Mächte;  dieses  war  ihr  einfacher  Protest  gegen  die 
falsche  Zuschiebung  dieses  Verbrechens.  Die  rumänische 
Regierung  aber  bestrafte  auch  nicht  die  Urheber  und  der 
Präfect  Lucazco  behielt  weiter  seine  Präfectur. 

Wir  befanden  uns  unter  dem  Eindrucke  dieses  schreck- 
lichen Ereignisses,  als  der  damals  zu  Paris  weilende 
Secretär  des  Fürsten  von  Rumänien  in  unsere  Mitte  trat 
Er  sagte,  dass  er  zwar  ohne  Auftrag  der  Regierung,  aber 
in  der  Absicht,  ihr  zu  dienen,  uns  die  Eindrücke,  die  das 
Gesammte  dieser  Ereignisse  auf  ihn  gemacht,  wiederzu- 
geben und  die  unserigen  entgegenzunehmen  wünsche. 
Er  bot  Alles  auf,  um  das  Schauderhafte  dieser  Ereignisse 
abzuschwächen  und  versicherte  uns  der  guten  Gesinnun- 
gen des  Fürsten  gegen  die  Juden,  an  denen  wir  doch  nicht 


und  die  Juden  Rumäniens.  133 

gezweifelt  hatten.  Aber  uns  lag  daran,  dass  die  Regie- 
rung ihre  Handlungen  mit  diesen  Absichten  in  Einklang 
bringe;  unser  Comitö  verlangte  in  einein  an  den  Fürsten 
gerichteten  Schreiben  die  Absetzung  des  Präfecten  von 
Galacz,  die  Entfernung  des  Ministers,  die  Zurücknahme 
seines  Rundschreibens,  die  Anerkennung  der  den  Juden 
nach  der  diplomatischen  Convention  vom  J.  1858  zu- 
kommenden bürgerlichen  Rechte  durch  eine  Regierungsakte, 
endlich  den  Kammern  ein  Gesetz  vorzulegen,  welches 
den  Juden  die  politischen  Rechte  einräumt 

Einige  Tage  später  kündigte  man  die  Entlassung  des 
Ministers  an;  es  war  eine  der  öffentlichen  Meinung  ge- 
gegebene Genugthuung,  doch  nicht  ausreichend,  denn  die 
auf  die  Verfolgung  der  Juden  erpichtesten  Regierungs- 
beamten wurdfen  in  ihren  Stellen  belassen  und  säumten 
nicht,  durch  die  Ungestraftheit  ermuthigt,  die  Verfolgung 
vom  Neuen  ins  Werk  zu  setzen.  So  befahl  Präfect 
Lupazco  im  Monat  October,  die  Juden  aus  den  Nachbar- 
gemeinden von  Galacz  zu  verjagen,  der  Bürgermeister 
von  Jassy  rief  ein  Gesetz  vom  Jahre  1744  ins  Leben, 
das  den  Juden  das  Halten  christlicher  Dienerschaft  ver- 
bot; ein  Gerichtshof  weigerte  sich  unter  dem  Vorgeben, 
dass  weder  ein  hypothekarisches  noch  ein  Eigentums- 
recht den  Juden  gehören  könne,  eine  Hypothek  auf  den 
Namen  einer  jüdischen  Gemeinde  einzutragen. 

Die  Regierungen  wurden  von  diesen  Hergängen  be- 
nachrichtigt und  die  Journale  nahmen  ihre  Polemik  von 
Neuem  auf;  da  kam  Bratiano  nach  Paris.  Einer  unserer 
Glaubensgenossen,  ein  Freund  Bratiano's,  erhielt  von  ihm 
gute  Versprechungen  für  die  Juden  und  Bratiano  wollte 
sie  uns  wiederholen.  Eine  Conferenz  fand  zwischen  ihm 
und  uns  in  Gegenwart  des  Herrn  •  Cretzulesco,  Agenten 
der  Fürstenthümer  zu  Paris,  statt,  die  vorgefallenen  Er- 
eignisse waren  Gegenstand  einer,  wie  leicht  zu  denken, 
mit  Hitze  geführten  Debatte.  Bratiano  versprach  aus- 
drücklich, die  rumänische  Regierung  werde  von  nun  an 
keine  Plackerei  der  Juden  gestatten  und  werde  alle  unsere 
direct  an  den  Agenten  der  Fürstenthümer  gerichteten 
Reclamationen  befriedigen.    Dieser  Weg  der  Versöhnung 


134  Die  Alliance  Univers.  Isra&ite 

werde,  wie  Bratiano  sagte,  bald  in  die  vollständige  Eman- 
cipation  der  Juden  ausmünden  " 

Wir  haben  dieses  Versprechen  entgegengenommen: 
seine  treue  Ausführung  ist  im  Interesse  Rumäniens  wie 
zur  Ehre  der  rumänischen  Regierung  unerlässlich. 

Soweit  der  vom  Herrn  Leven,  Secretär  der  Alliance, 
am  19.  December  abgestattete  Bericht.  Hören  wir,  wie 
Bratiano  sein  Versprechen  gehalten.  Am  25.  December 
fand  durch  die  Machinationen  Bratiano's  in  der  mol- 
dauischen Stadt  Berlad  ein  Pöbelauflauf  gegen  die  Juden 
statt,  wie  solche  nur  das  Mittelalter  kannte.  Der  Bericht- 
erstatter der  hebräischen  Wochenschrift  „Hamagid"  theilt 
hierüber  Folgendes  mit: 

„Bratiano  kehrte  von  Paris,  woselbst  er  sein  Wohl- 
wollen für  die  Juden  betheuert,  zurück '  und  gelangte 
wieder  an  die  Spitze  der  Regierung.  Um  diese  Zeit 
wurden  die  Kammern  in  Bukarest  eröffnet.  Die  Majorität 
der  Abgeordneten  ging  nicht  mit  der  Regierung  und 
namentlich  sprach  der  Abgeordnete  Epureano  harten  und 
bitteren  Tadel  über  das  Verfahren  Bratiano's  gegen  die 
Juden  aus.  Bratiano  löste  am  3.  November  die  Kam- 
mern auf  und  entsetzte  die  den  Juden  nicht  abholden 
Beamten,  und  unter  ihnen  den  Präfecten  von  Berlad, 
Wasiliko  Romili,  ihres  Amtes,  um  an  ihre  Stelle  seine 
Creaturen,  „die  Rothen,"  zu  setzen,  die  die  Wahlen  in 
seinem  Sinne  beeinflussen  sollten.  Zu  diesem  Zwecke 
schickte  er  um  diese  Zeit  den  Mönch  Warnan  nach 
Berlad.  Dieser  Mönch  predigte  gegen  die  Juden  und 
wiegelte  die  Menge  gegen  sie  auf,  ein  leichtes  Mittel,  die 
Pöbelgunst  zu  gewinnen.  Er  wurde  auch  am  14.  Decem- 
ber zum  Abgeordneten  gewählt,  das  Volk  führte  ihn  die 
darauf  folgende  Nacht  im  Triumphe  durch  die  Strassen 
und  er  hielt  nun  wieder  eine  der  blutgierigsten  Reden 
gegen  die  Juden.  Die  Juden  schwebten  diese  Nacht  in 
grässlicher  Todesangst. 

Am  25.  December  erbrach  der  Gastwirth,  bei  welchem 
der  Mönch  sich  einlogirt  hatte,  die  Thüre  seines  Zimmers, 
da  er  schon  zwei  Tage  nicht  herausgekommen  war,  und 
fand  ihn  unter  Schmerzen  sich  windend  auf  dem  Boden 


und  die  Juden  Rumäniens.  135 

liegen.  Er  sagte  aus,  er  habe  vor  zehn  Tagen  in  einer 
christlichen  Herberge  ein  Fleischgericht  gegessen  und 
empfinde  seit  damals  grosse  Schmerzen.  Er  starb  bald 
darauf  und  man  streuete  das  Gericht  aus,  die  Juden 
hätten  ihn  vergiftet.  Der  Pöbel  stürzte  hierauf  gegen 
Abend  in  die  Häuser  und  Gewerbelocale  der  Juden, 
plünderte  und  raubte,  wobei  nicht  eine  Thüre  oder 
eine  Scheibe  verschont  blieb,  ergoss  sich  von  da  in 
die  Synagogen  und  wüthete  gegen  die  Bibeln  und 
sonstige  Gerätschaften.  Die  Juden  flohen  voll  des 
tiefsten  Schreckens,  versteckten  sich  in  Kellern;  manche 
wurden  auf  der  Flucht  von  dem  wüthenden  Haufen 
schrecklich  gemisshandelt,  ein  alter  Mann  fiel  entseelt 
hin.  Inzwischen  sass  der  neue  Präfect  Dimitrote  Müller 
gemüthlich  im  Theater  und  weder  er  noch  die  sonstigen 
Beamten  thaten  den  Plünderern  Einhalt.  Als  sie  endlich 
glaubten,  das  Volk  habe  seine  Raubsucht  befriedigt,  er- 
mahnten sie  es  mit  zahmen  Worten,  abzulassen  und  nach 
Hause  zu  gehen/' 

Hören  wir,  was  weiter  erfolgte.  Die  Nachricht  von 
dieser  Unthat  kam  schnell  zu  den  Ohren  Montefiore's, 
der  im  Sommer  des  vorigen  Jahres '  ungeachtet  seines 
hohen  Alters  sich  nach  Rumänien  begeben  hatte  und  den 
der  Fürst  mit  den  Versicherungen  seines  Wohlwollens  für 
die  Juden  entliess.  Montefiore  verfügte  sich  unmittel- 
bar zu  Lord  Stanley,  der  gegen  diesen  Auftritt  reclamirte. 
Im  vergangenen  Februar  erging  an  Montefiore  ein  Schrei- 
ben des  Fürsten  Karl,  contrasignirt  vom  Minister  Golesco, 
„es  werde  den  Juden  der  ihnen  zugefügte  Schaden  ersetzt 
und  ihr  früheres  Besitzthum  wieder  hergestellt  werden. 
Doch  sei  zu  bemerken,  dass  nach  einer  angestellten  Unter* 
suchung  die  Provocation  von  den  Juden  ausgegangen  sei/4 

Wir  halten  diesen  Nachsatz  eines  der  rotheg  Clique 
angehörenden  Golesco  würdig,  aber,  wir  müssen  es  mit 
Bedauern  sagen,  eines  aus  Hohenzollern  stammenden 
Fürsten  unwürdig.  Bratiano  und  Genossen  mögen  mit 
frecher  Stirne  behaupten,  eine  Untersuchung  sei  ange- 
stellt worden,  die  die  Schuld  auf  Seite  der  Juden  nach- 
gewiesen, aber  wer  war  unparteiisch  genug,  um  über  die 


136  Die  Alliance  Univers.   Israelite 

Provocation  auszusagen,  und  wer  waren  die  Unter- 
suchungsrichter? Etwa  der  Präfect  Müller  und  die 
Polizeiagenten,  die  ruhig  dem  Auflaufe  und  der  Plünderung 
zusahen?  Liegt  nicht  die  Provocation  sonnenklar  zu 
Tage  in  den  fanatisch-aufwiegelnden  Reden  des  Sendlings 
Bratianos,  des  Mönchs  Waman?  Und  rnuss  nicht  dieses 
Ministerium,  so  ihm  nicht  jedes  Schamgefühl  fremd,  in  seinem 
Innersten  erröthen,  dass  es  solche  Beamten  angestellt, 
dass  seine.  Verwaltung  durch  derartige  Ausbrüche  ge- 
brandmarkt und  für  immer  geschändet  werde?  Auch  zu 
Galacz  wurde  eine  Untersuchung  angestellt,  „die  die 
Schuld  der  Türken  und  die  Unschuld  sämmtlicher  rumä- 
nicher  Beamten  erwies,"  auch  dort  dasselbe  frevelhafte 
Spiel,  und  die  Minister  sind  so  sehr  ihrer  dem  Souverän 
des  Landes  schuldigen  Achtung  uneingeäenk,  dass  sie 
ihn  seinen  Namen  unter  dieses  Document  setzen  lassen? 
Ein  derartiger  Frevel  grenzt  an  Hochverrath,  dessen  sich 
schuldig  zu  machen  ein  Bratiano,  so  es  seinen  Plänen 
gilt,  nicht  beanstanden  dürfte.  Wir  wollen  aber  auch 
gegen  diesen  Mann  gerecht  sein.  Es  mag  ihm  nicht  mit 
seinen  zu  Paris  gemachten  Betheuerungen,  er  meine  es  mit 
den  Juden  gut,  Ernst  sein;  seine  Aufreizung  zur  Juden- 
verfolgung, die  von  ihm  veranstalteten  Judenhetzen  und 
andere  unmenschliche  Massregeln :  sind  das  Spiel 
seiner  Politik:  hierdurch  wird  die  grosse  Masse  ge- 
wonnen, die  dann  gefügige  Abgeordnete  in  die  Kammern 
schickt.  Doch  wehe  den  Männern,  die  auf  solchem  blu- 
tigen Wege  zur  Macht  gelangen,  wehe  dem  Lande,  dessen 
Bürger  auf  solchem  Wege  zu  beeinflussen  sind,  wehe  der 
Freiheit  der  Constitution,  die  sich  auf  derartigen  blutigen 
Unterlagen  aufbauet.  Constitution,  Selbstbestimmungs- 
recht, welcher  Hohn  im  Munde  dieser  Barbaren,  welcHe 
schneidende  Waffe  in  der  Hand  dieser  unreifen  Horden, 
die  das  Spiel  einiger  gesinnungs-  und  gewissenlosen 
Ehrgeizigen  1 

Einen  freundlichen  Punkt  in  diesem  Blutmeere  bildet 
die  oft  wiederholte  Versicherung  des  Fürsten  Karl  von 
seiner  freundlichen  Gesinnung  gegen  die  Juden:  sie  legt 
ein  erhebendes  Zeugniss  für  die  Güte  des  Herzens  ab. 


und  die  Juden  Rumäniens.  137 

Doch  Regententagenden  und  RegentenpQichten  geben  weit 
über  das  Herz  hinaus;  was  für  gut  erkannt  wurde,  muss 
mit  Kraft  ausgeführt  werden,  zu  der  mannhaften  Gesinnung 
soll  in  dem  mannhaften  Regenten  sich  die  mannhafte  That 
gesellen.  Die  Krone  darf  nicht  durch  einen  Bratiano  be- 
sudelt werden,  der  Thron  eines  deutschen  Fürstensohnes 
darf  nicht  auf  Blutmenschen,  wie  Lupzaco  und  den  ihm 
gleichgesinnten  Präfecten  aufgebauet  werden,  die  Hand- 
habung der  Gerechtigkeit  darf  sich  nicht  auf  auferlegten 
Geldersatz  —  die  Sühne  für  vergossenes  Blut,  für  Leben 
und  Gesundheit  untergrabende  Todesangst!  —  beschrän- 
ken :  ein  starkes  Gesetz,  ein  starker  Fürst,  der  sein  Wort, 
der  die  Verfassung  zur  Wahrheit  macht,  so  verlangt  es 
Mannes-  und  Fürstenehre.1) 


Wir  wenden  uns  von  diesen  traurigen  Begebenheiten 
ab  und  heben,  soweit  es  der  Raum  gestattet,  manches 
Erfreuliche  aus  der  ferneren  Thätigkeit  der  Alliance 
heraus.  Der  Verein  hat  einen  Herrn  Joseph  Halevi 
nach  Abyssinien  geschickt,  um  daselbst  Erkundigungen 
einzuziehen  über  die  Falascha,  einen  jüdischen  Stamm, 
von  welchem  einige  protestantische  Missionäre  und  Herr 
d'Abbadie  berichteten  (vgl.  2.  Jahrg.  dieser  Monatsschrift 
8.  425  ff.).  Herr  Halevi,  mit  geschichtlichem  und  litera- 
rischem hebräischen  Wissen,  ferner  mit  Kenntniss  meh- 
rerer ethiopischen  Mundarten  ausgerüstet,  begab  sich 
nach  Egypten,  wo  ihm  die  jüdischen  Glaubensgenossen 
nützliche  Fingerzeige  gaben.  Er  ging  hierauf  nach  Mas- 
sua,  von  wo  er  am  7.  October  1857  folgenden  Brief  an 
das  Centralcomit6  der  Alliance  schrieb:  „Sie  haben 
meinen  Brief  vom  vorigen  Monat  empfangen  und  Sie 
wissen,  dass  ich  mich  zu  Suaukin  auf  einem  Segelschiffe 


')  Vgl.  Monatsr hronik. 

Frankel    MonaUschrifL  XVIL  4.  U 


138  Dfc  Alliance  Univers.  Israfelite 

nach  Massua  einschiffte.  Ein  conträrer  Wind  hat  unsere 
Reise  verzögert,  und  als  wir  endlich  ankamen,  machte  ich  so- 
gleich dem  französischen  Consül,  Herrn  Hunzinger,  meine 
Aufwartung,  der  mir  einige  nützliche  Mittheilungen  über 
die  von  ihm  durchstreiften  Gegenden  machte;  über  die 
Falascha  wusste  er  jedoch  unglücklicherweise  nichts  Neues 
zu  sagen.  Auch  die  Priester  der  katholischen  Mission, 
die  schon  mehrere  Jahre  in  Abyssinien  lebten,  wussten 
mir  über  die  Falascha  nichts  weiter  zu  berichten,  als 
dass  zahlreiche  jüdische  Colonien  jenseits  des  Tacasse 
leben.  Sie  erz&hlten  mir,  dass,  als  sie  vor  sieben  Jahren 
ihre  Kirche  baueten,  sie  »ich  veranlasst  sahen,  zwei 
falaschische  Maurer  aus  dem  Innern  zu  holen,  da  die 
christlichen  und  muselmännischen  Maurer  sieh  untauglich 
zeigten.  Die  Priester  können  nicht  genug  die  Redlich- 
keit und  das  tiefe  religiöse  Gefühl  dieser  Juden  loben. 
Auf  meinen  Excursionen  im  Norden,  wo  die  Agaou- 
(Belem-)  Sprache  von  einem  Theile  des  aus  Süden  ein- 
gewanderten Volkes  gesprochen  wird,  vernahm  ich,  dass 
die  Falascha  im  Umgange  mit  ihnen  die  Agaousprache, 
mit  ihren  christlichen  Nachbarn  die  Amaharra-Sprache 
sprachen.  Die  Agaousprache  scheint  die  Sprache  der 
Eingebomen  vor  der  Einwanderung  des  Volkes  Geez 
(semitische  Ethiopier)  gewesen  zu  sein  und  es  ist  Grund 
zu  der  Muthmaassung,  dass  die  Ankunft  der  Juden  in 
Abyssinien  viel  früher  als  die  der  herrschenden  Nation 
erfolgt  sei.*)  Weitere  Untersuchungen  werden  vielleicht 
einiges  Licht  auf  dieses  geschichtliche  Problem  werfen. 

Als  ich  nach  Massua  zurückkehrte,  hörte  ich,  dass  sich 
daselbst  zwei  junge  von  den  englischen  Missionären  be- 
kehrte und  von  dem  Negus  Theodorus  verbannte  Fala- 


*)  Vgl.  die  Stelle  der  Monateschrift,  auf  die  im  Text  hingewiesen 
wurde.  Ich  glaube  dort  wahrscheinlich  gemacht  zu  haben,  dass  die 
Falascha  ein  Zweig  der  egyptischen  Diaspora  seien.  Dafür  spricht  auch, 
dass  sie  die  Weisheit  Salomonis,  das  Bach  Tobias,  Judith  u.  s.  w.  als 
canonisch  anerkennen.    Vgl.  das.  8.  427  f. 


.    and  die  Juden  Rumäniens.  139 

scha  befinden,  loh  machte  ihre  Bekanntschaft;  man 
erkennt  trotz  ihrer  dunkeln  Farbe  den  jüdischen  Typus, 
aber  sie  sind  so  unwissend,  dass  man  von  ihnen  nichts  über 
ihre  besonderen  Gebräuche  erfahren  kann.  Die  jungen  Leute 
wurden  im  Alter  von  fünfzehn  Jahren  von  den  Missio- 
nären verfahrt  und  aus  dem  Schosse  ihrer  Familie  ge- 
rissen. Der  weniger  Unwissende,  der  sich  der  Sohn 
eines  Hohenpriesters  nannte,  hat  mir  eine  kleine  Hymne 
in  Geez  oder  Agaou  dictirt,  die  sich  im  Morgengebet 
findet  Die  abyssinisohen  Juden  haben  den  Gebrauch 
der  Meturgemanim  beibehalten;  sie  singen  eine  Hymne 
in  Geez  oder  Agou,  hierauf  übersetzen  sie  sie  in  die 
Yulgärsprache,  damit  das  Volk  sie  verstehe«  Folgen- 
des iat  die  Ueberaetaung  der  gedachten  Hymne:  „Er- 
höre, o  Ewiger,  mein  Gebet!  Höre,  o  Ewiger,  auf 
meine  flehende  Stimme!  Durch  Deine  grosse  Macht  hast 
Du  uns,  o  Ewiger,  aus  Egypten  geführt  und  das  Heer 
Pharao's  untergehen  lassen.  Da  hast  uns  in  der  Wüste 
ernährt,  Du  hast  uns  durch  eine  Wolkensäule  des  Tages 
und  eine  Feuersäule  des  Nachts  geführt  Wer  ist  Dir 
gleich,  Dir,  der  gerecht  ist  in  der  Versammlung  der  Hei- 
ligen? Welcher  Gott  ist  wie  unser  Gott?  Du  bist  von 
aller  Ewigkeit  und  Deine  Jahre  sind  ohne  Ende.  Gedenke, 
o  Ewiger!  des  Gesetzesbundes  mit  Moses,  den  Du  auf 
Horeb  hast  bekannt  gemacht.  Lobet  Gott  in  allen  Jahr- 
hunderten.   Amen,  Amen8)". 

Der  französische  Consul  zu  Bagdad,  Hadjoute  Pellissier, 
richtete  den  14.  Decbr.  folgendes  Schreiben  an  A.  Cremienx, 
Vicepräsidenten  der  Alliance: 

„Herr  Vicepräsident!  Ich  war  gestern  mit  wahrhaftem 
Vergnügen   bei   der  jährlichen  Sitzung   der  Schule   der 


•)  Die  Hymne  bestehet  fast  durchgehend  wörtlich  aus  Psalmen- 
stellen, welches  sehr  beachtenswert^  nur  wäre  zu  erforschen,  ob  sich 
nicht  bei  dem  jungen  Falaschah  der  Einfluss  der  Missionäre  geltend 
gemacht. 

11* 


140  Die  Alliance  Univers.  Israelite. 

Alliance  (zu  Bagdad)  gegenwärtig  und  ich  fühle  mich  glück- 
lich, Ihnen  sagen  zu  können,  dass  die  Schüler  in  einem 
Jahre  in  den  drei  Abtheilungen  bemerkenswerthe  Fort- 
schritte gemacht  haben.  Mein  ehrenwerther  englischer 
College  hat  die  Schüler  auf  Englisch,  ich  sie  auf  Fran- 
zösisch ausgefragt,  und  wir  haben  in  beiden  Sprachen  in 
den  verschiedenen  Unterrichtszweigen  die  befriedigendsten 
Antworten  erhalten.  Dieses  glückliche  Resultat  ist  dem 
unermüdlichen  Eifer  und  der  vollständigen  Hingebung 
des  Herrn  Lurion  (Lurje),  Präsidenten  des  Comites  zu 
Bagdad  zu  verdanken,  welcher  'das  grösste  Lob  verdient 
und  Anspruch  auf  den  Dank  des  Vereins  hat.  Er  kämpft, 
ohne  Jemanden  zu  verletzen,  geduldig  gegen  den  Fana- 
tismus und  die  beschränkten  Ideen«  der  eingebornen 
Juden  und  bringt  sie  allmälig  dahin,  den  Nutzen  der 
unter  seiner  Leitung  sich  befindenden  Schule  anzuerken- 
nen. Diese  Schule,  welche,  wie  ich,  Herr  Vicepräsident, 
nicht  anstehe  auszusprechen,  um  Vieles  vorzüglicher  als 
die  verschiedenen  christlichen  Schulen  zu  Bagdad  ist, 
verdient  das  besondere  Wohlwollen  des  Centralcomites, 
und  es  wäre  nur  gerecht,  sie  durch  ansehnlichere  Mittel 
aus  Europa  zu  ermuthigen. 

Ich  endige,  indem  ich  Sie,  Herr  Vicepräsident,  ersuche, 
sobald  als  möglich  einen  Nachfolger  des  Professors  Nerson 
nach  Bagdad  zu  senden.  —  Zwei  Schüler  der  ersten  Ab- 
theilung,  der  junge  Saul  Sommer  und  Isaak  Schameye, 

unterrichten  französich  und  englisch  in  der  dritten  Ab- 
theilung 

Empfangen  Sie  u.  s.  w. 

Hadjoute  Peilissier". 


Die  Commentarien  des  Ephraem  Syrus.  141 

Sie  Commentarien  des  Ephraem  Syrus  im  YerMltniss 

zur  jüdischen  Exegese. 

Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  Exegese. 
Von  Dr.  D.  Gerson. 

iSchloss.) 


Die  hier  folgenden  2  Beispiele  werden  es  vollends  zur  Ge- 
wissheit machen ,  dass  Ephr.  die  Pesch.  geradezu  missverstanden 
hat,  wo  ihn  die  Vergleichung  des  Urtextes  oder  der  LXX  das 
Richtige  hätte  lehren  können. 

Deut.  32,  34  ist  ^£J?  durch  ^ox  übersetzt,  das  ganze  He- 

mistichion  lautet:  «*2ox  ;*£)  Jof  „siehe,  es  ist  aufbewahrt  bei  mir". 
Ephr.  nimmt  dieses  ~jqx  =  Volk  und  erklärt:  „es  (das  Volk) 
ist  jetzt  geschützt  in  seinem  Besitze  vor  diesen",  (p.  287  D : 
^4  £  ojlolw  <L*  Jiloi  ;4*  ta  *>*)•  Ibid.  41  qWk  W^p)), 
was  Onk.  durch  üWjK,  die  Pesch.  durch  )chjtj  wiedergibt,  er- 
klärt  Ephr.:  „Er  übergab  sie  (die  Hebräer)  den  Medern,  Chal- 
däern  und  Assyriern"  (287  E).  Er  hat  also  jc&tf  als  Aph.  (tra- 
dam)  statt  )&*)*  (persolvam,  retribuam)  gelesen1). 

Nach  dem  Gesagten  dürfte  man  nun  geneigt  sein  zu  erwar- 
ten ,  dass  Ephr.  sich  an  die  Pesch.,  die  er  ausdrücklich  „unsere 
Uebersetzung"  (Niuaax>  I  p.  380  A)  nennt,  sklavisch  gehalten  hat 
und  sich  berechtigt  glauben,  nach  seinen  Citaten  den  Text  der- 
selben zu  emendiren.  Allein  auch  hierin  ist  er  ein  Gewährsmann, 
auf  den  man  sich  nur  mit  der  grössten  Vorsicht  verlassen  kann. 
Zwar  haben  seine  Commentarien  in  der  That  stets  die  Pesch. 
zur  Grundlage,   da  seine  Citate   die  ursprünglichen  Zusätze*), 


•)  Als  falsche  Erklärungen  der  Pesch.  bei  Ephr.  vgl.  noch  75  A 
zu  Gen.  20,  16  and  265  C  zu  Nam.  24,  10. 

*)  Gen.  4,  8  )&jo2^  fj'J  p.  41 D;  Gen.  41,  44  .;•&£?  Cro2>  *$&&  Jj) 
p.  93  B;  Lev.  10,  1  opp  fij  p.  293  D;  Lev.  21,  20  zu  frV?  W>?fl 

r 

zwei  ü cbers.  p.  246 C;  Nam.  21,  18 1>\&  bzx&lfiQo  £  p.  263  C. 


142   Die  Commentarien  des  Ephraem  Syrus  im  Verhältniss 

Abweichungen  vom  hebräischen  Texte1)  und  hebräische9)  oder 
chaldäische  Wörter*)  enthalten,  die  sich  auch  in  unserer  Pesch. 
finden.  Aber  an  vielen  anderen  Stellen  wiederum  weichen  seine 
Citate  von  unseren  Lesarten  ab ,  ohne  dass  ihnen  unbedingt  der 
Vorzug  vor  den  letzteren  gebührt.  Diese  Varianten  bei  Ephr. 
sind  nämlich  theils  durch  willkürliche  Zusätze  zu  den  angeführ- 
ten Stellen4),  theils  durch  offenbare  Flüchtigkeit  beim  Citiren 
der  Verse  aus  dem  Gedächtnisse*)  entstanden.  In  anderen  Fäl- 
len stimmen  sie  mit  der  LXX  überein,  wo  die  Pesch.  dem  Hebr. 


>)  Gen.  49,  25  "qtf  riNl  Pesch.  nnd  Ephr.  p.  111  0  -^SLf;   Exod. 

14,  25  va>Jo  215E  (-»d*i  =  IDNn);  Nnm.  5,  28  J/TJ  n}T)TJ]  ßaj  pjto 

252  C,  et  Jon.  IDT  -ga  "Q^nni;  Num.  10,  11  DnbJ£  jhaB&  254  D; 

Num.  16  1  trp  ng2  ^iljo  260  B,  cf.  Onk  a.  1. ;  Num.  31,  28  tf  DHO 

niNp  ^aal  4  JtW£»  268 A;  Deut  32,  18  7$np  *£&*}  (tic!)  p. 

286  C;  Deut  33,  2  nnw  opaxo  2880,  vgl.  auch  Gen.  47,  31  p.  89  B 
und  104  C. 

*)  Gen.  1,  2  ojcoo  ojot  p.  6E;  Gen.  28,  19^)LrJ  178  F;  Gen. 
49,  25  J^flll  C;  II  Regg.  3,  4  jJxJ  523  E;  Jes.  10,  26  fco*  II  p. 
39  B,  cf.  Wisemann:  Horae  Syriacae  p.  122  sqq.  n.  Perles  1.  1.  p.  26. 

•)  Gen.  1,  1  &?,  welches  Ephr.  für  eine  hebr.  Praep.  =  dem  syr. 
\l  hält  (116  D  \k  a*£Wd  cvLß  cnJLf  jLbx  Jxw*  IqxuJo  £o  {.£  jfof). 
Er  verwechselt  also  hier  das  Chaldäische,  die  Volkssprache  der  He- 
bräer mit  dem  Hebräischen.  Vgl.  Joh.  5,  2,  wo  'Eß^dCazl  ebenfalls 
die  chald.  Volkssprache  bedeutet,  cf.  Act.  Ap.  21,  40  und  22,  2  und 
Lightfoot  horae  hebr.  q.  1005.  —  Dan.  8,  2  opp.  II,  217  A. 

4)  Gen.  1,2  zu  rj  fcoooil  ergänzt  Ephr.  )££}  8C;  Gen.  18,  15 
wA^^sv  erg.  «jä-ä  «dL  69  C;  Ex.  9,  16  7*xvjöjerg.  j!u;~a  210  A;  Ex. 
14,  15  bjf  fijo  ]üqd  erg.  ^  paj?  214  E,  cf.  Gen.  31,  46  p.  86  E;  Gen. 
45,  9  p.  101  D;  Gen.  48,  1  p.  104D;  Ex.  15,  11  p.  216 F.  u.  a.  m. 
Vgl.  auch  oben  8.  105. 

»)  Gen.  31,  24  jSjlA  Jxyi  \i=^  £  Ephr.  86  A  J»^o  jktfr  £ 
jlVc£j£;  Gen.  49,  17  #oJ  \^j  £<w  p.  109 E  /LVK*r,  Deut  23,  24 
JsZ  jL*£?  J»^  p.  281  C  .,£>£  lb,  cf.  Lev.  23,  24,  27,  40  p.  248 C; 
Dent  30,  4  p.  286  A. 


zur  jüdischen  Exegese.  143 

näher  kommt1),  oder  endlich  mit  dem  hebr.  Texte,  wo  die 
Pesch.  die  Lesart  der  LXX  wiedergibt*).  In  diesem  letzteren 
Falle  nun  kann  kein  Zweifel  darüber  obwalten,  dass  Ephraems 
Lesart  den  Vorzug  verdient  und  dass  die  Uebereinstimmung 
der  Pesch.  mit  der  LXX  zum  grossen  Theile  von  Jacob  von 
Edessa  herrührt,  der  nach  dem  Zeugnisse  des  Barhebraeus  (v. 
Assem.  B.  O.  II,  p.  336)  die  Pesch.  nach  der  LXX  oder  nach 
der  hexaplarisch-syrischen  Uebersetzung  redigirt  hat,  zumal, 
da  sich. sogar  an  einzelnen  Stellen  nachweisen  lässt,  dass  Jac. 
v.  Edessa  noch  die  achten  Lesarten  vor  sich  gehabt  und  ver- 
ändert hat1).  Es  bleibt  aber  noch  die  Frage:  wie  steht  es  mit 
den  übrigen  Varianten  bei  Ephraem?  Sind,  seine  Lesarten  immer 
die  ursprünglichen,  oder  hatte  die  Pesch.  schon  zu  seiner  Zeit 
Emendationen  von  einer  anderen  Hand  erfahren?  Oder  rühren 
jene  Varianten  daher,  dass  Ephr.  ausser  der  Pesch.  noch  einen 
anderen  Text,  den  hebräischen  oder  griechischen  benutzt  hat? 

Für  die  Benutzung  des  Urtextes  oder  der  LXX  würden  we- 
nigstens die  Stellen  sprechen ,  wo  er  sich  auf  den  Efenrit  (££ax), 


l)  Gen.  49,  6  Pesch.  J*ojl  oySi  ^fcxwao  =  Tir  npj/,  Ephr. 
187  B  JtoÄfc.  o£l  >po* uo;z>o  =  LXX  hsvQoxoTtrjöav  tccvqov;  Exod.  24, 
15  P.  jicÄ>  jc&gdo  Ephr.  223  C  erg.  ßa^  ^ojuo  =  LXX.  cf.  Exod. 
15,  15  p.  217  B  )£&,  Exod.  37,  1  p.  228  D  jfrW  tf>  J&Jb  und  Deut. 
23>  4  °V^)?  ^1  mit  LXX  a.  11. 

v)  Gen.  4,  8  P.  )Lix2o  ±  iv  nsdtat,  Ephr.  41  E  J&u»a  =  iVip; 

Gen.  6,  2  p,oj&  Jld  =  vloi  tov  Veov,  Ephr.  49  D  und  146  B  )2!$ 


vgl.  S.  105;  Exod.  15.  21  «~oju  =  a6m[u*,  Ephr.  216  B  Q~AL  =  Wtf; 
y  50,  10  P.  $4o  pQ^>f  )woor  =  h  xotg  oq&si  ml  ßosg,  Ephr.   18  B 

*)  So  ist  Gen.  28,  9  für  foyött*  ra  rhr\0  die  Lesart  J&xo  in 
der  Pesch.  (nach  36,  3)  geändert,  nicht  die  ursprüngliche,  wie  Perles 
1.  1.  p.  35  annimmt;  denn  Ephr.  and  auch  Jac  v.  Edessa  müssen  die 
•Lesart  &Jx>  noch  gehabt  haben,  wie  man  ans  der  Erklärung  Ephr. 
(174  F)  und  der  des  Jac.  v.  Edessa  (175  C)  ersieht.  Ebenso  hatte 
Jac.  v#  Ed.  Gen.  36,  2  für  JiJD»  m  die  ächte  Lesart  >p^  L*=>  (ib.), 
wofür  unsere  Pesch.  =  LXX  ^  hat. 


144    Die  Commentarien  des  Ephraem  Syrtis  im  Verhältniss 


.00   r, 


resp.  Jarooio  (J»jgl)  ausdrücklich  beruft;  es  ist  also,  um  Ober 
sein  Verhältniss  zur  Pesch.  in's  Klare  zu  kommen,  zuvörderst 
das  zu  diesen  Beiden  zu  erledigen. 

Obgleich  nun  die  Anfuhrungen  des  Ebroio  bei  Ephr.  nicht 
selten  sind,  so  beweist  doch  keines  dieser  Citate  eine  eigent- 
liche Kenntniss  des  Hebräischen,  kaum  eine  oberflächliche  Be- 
kanntschaft mit  dem  hebr.  Texte1).  Denn  kein  einziges  gibt 
ein  hebr.  Wort  syrisch  transscribirt  wieder,  fast  alle  beziehen 
sich  auf  Eigennamen  oder  solche  hebr.  Wörter ,  die  in  der  Pesch. 
selbst  beibehalten  worden  waren.  Sind  nun  diese  Citate  des 
Hebr.  nicht  aus  Autopsie  und  Kenntniss  des  Hebr.  zu  erklären, 
so  muss  entweder  Ephraems  Text  syr.  Glossen  aus  dem  hebr. 
Originale  gehabt  haben*),  oder  Ephr.  eiti  rt  den  hebr.  Text  nur  nach 
mündlicher  Mittheilnng.  Dieses  letztere  ist  man  aber  darum  an- 
zunehmen genöthigt,  weil  es  sich  sonst  in  keiner  Weise  erklä- 
ren Hesse ,  dass  sein  Ebroio  mit  dem  hebr.  Texte  oft  gar  nicht , 
übereinstimmt,  vielmehr  ihn  gerade  so  wiedergibt,  wie  die. tra- 
ditionelle Exegese  ihn  erklärte  und  die  Targomim  (des  Onk.  oder 
Jon.  b.  Us.)  übersetzten. 

So  bemerkt  Ephr.  z.  B.  zu  Gen.  24,  63:  o^opcfv?  *»oj  ;*!  «s&«» 
Cl^L  k&J  *Rj*£  (p.  173  A).  Diesem  oXjrtv  entsprechen  aber  nur 
Onkelos  a.  1.  (HK^)  und  die  Tradition  (Berach.  26b,  vgl.  S.  100). 
Ist  es  denkbar,  dass  ein  Glossator  diese  traditionelle  Ueber- 
setzung  angemerkt  hat,  oder  liegt  nicht  vielmehr  die  Annahme 
näher,  dass  Ephr.  aus  derselben  Quelle,  der  er  die  Kenntniss 
der  Hagada   verdankte,  auch  diese  Varianten   geschöpft  hat? 


*)  Den  Ebroio  citirt  Ephr.  Gen.  31,  24  p.  139  A;  Gen.  24,  63  p. 
173  A;  Gen.  25,  25  p.  173 C;  Gen.  26,  33  p.  174 C;  Gen.  36,  24  p. 
184  D;  Deut.  9,  25  p.  273  C;  Jos.  13,  6  p.  303  C;  Jos.  15,  2  p.  305  B; 
Jud.  5,  29  p.  316  A;  I.  Sam.  3,  11  p.  340 D;  I.  Sam.  14,  4  p.357F; 
I.  Sam.  21,  8  p.  376  E;  I.  Sam.  23,  28  p.  379  E;  I.  Sam.  24,  4p.380A; 
IL  Sam.  19,  36  p.  423  A;  I.  Regg.  7,  21  p.  460  A;  I.  Regg.  18,  44  p. 
498  F;  IL  Regg.  3,4  p.  523  E;  II.  Regg.  3,  15  p.  »24  A;  II.  Regg.  8, 
10  p.  539  D;  Hiob.  26,  13  opp.  II  p.  18  E;  Jes.  17,  9  p.  48  C;  Ez.  7, 
17  p.  172  D ;  Arnos  6,  1  p  263  C  und  Jonah  3,  4  cf.  Assem.  B.  O. 
I,  70. 

*)  Rödiger  in  Herzogs  Real-Encykl.  IV  8.  87  und  Lengerke  comm. 
crit.  p.  19  sq. 


zur  jüdischen  Exegese.  145 

Man  vergleiche  ferner  p.  173  C  zu  Gen.  25,  25:  );*a>j  )&&£  «Sfe~ 
jT£ax  ;»)Pu£a>)*„Für  Ringe  von  Haaren  sagt  der  Hebräer  JUL&odJ*4. 
Die  Pesch.  hatte  hier  durch  Jvaxaoj  JAjbjx.  die  jüdische  Auffassung 
ausgedrückt,  die  auch  Jonathan  durch  Avj  (geringelte  Fäden) 
wiedergibt;  der  Hebräer  aber,  der  n*fjK  durch  JU(^a>f  erklärt, 

•   •     • 

ist  nicht  schwer  zu  finden,  v.  Synh.  44  a  und  cf.  Jon.  Gen. 
9,  25*"). 

Zu  Gen.  36,  24  bemerkt  Ephr. :  „Das  ist  Ana ,  der  die  Quel- 
len in  der  Wüste  fand  .  .  .  für  er  fand  die  Quellen  sagt  der 
Hebräer  er  fand   die  Kiesen   in   der  Wüste>"  (p.  184  D:  JÜ  ooj 

,p        r         ,»P    r  r     (*      r,p  .00      *   .P  r         .P  .p        r         .P  r        ^  r     •* 

h-yrr»  J<PJ^  <-o*J  yo|  l*;^  £n  «2fc~  .  .  .  Jv^^  Jx»  o^  w*3aJj 
Aber  welcher  Hebräer  sagt  denn  dies?  O^pVI  ist  die  verbürgte 

Lesart,  die  auch  Hieron.  hatte  (v.  opp.  HI  p.  145  E),  und  dafür  soll 
es  im  Hebräischen  „Riesen"  heissen?  Allerdings,  und  zwar 
nach  der  traditionellen  jüdischen  Erklärung;  denn  so  hatte  es 
auch  Olkelos  übersetzt  (WD:i)>  weil  er  CWi  —  D^NH  (Gen. 

13,  5)  nahm.  Dieses  N'^Stt  des  Targum  also,  syrisch  )^tl  hält 
Ephr.  auf  Grund  mündlicher  Mittheilung  für  das  entsprechende 

hebräische  Wort  für  £x>  o£,  oder  vielmehr  JxüDofc. ,  welche  ächte 
Lesart  er  nicht  mehr  kannte*). 


l)  Im  bab.  Talmud  ist  bekanntlich  N^tETN  oder  vhwDX  {<noXr\) 
der  eigentliche  Ausdruck  der  Vulg&rsprache  für  das  chald.  DvJ  oder 
KD  vi  In  der  Pesch.  findet  sich  dieses  Wort  unseres  Wissens  nir- 
gends, das.  ist  rmN  durch  JUfaoJ  (Jos.  7,  21)  oder  );2&»  1.  Regg.  19, 
19  und  II.  Regg.  2,  8)  oder  J^  (Jonah.  3,  6)  oder  Juodj  t>*»  (Zacb. 
13,  4)  übersetzt 

*)  Dass  £x>  o^.  durch  Flüchtigkeit  der  Abschreiber  aus  (jedoo^ 
entstanden  ist,  beweist  Perl  es  L.  1.  p.  9.  —  Dass  dem  Ephr.  schon 
offenbar  corrumpirte  Lesarten  vorgelegen  haben,  zeigt  auch  58 B 
Jäb,  wofür  es  nach  dem  Hebräischen  Gen.  10,  10  (&3  heissen  moss 
(cf.  154  A),  oder  —  da  dieser  Fehler  auch  auf  Rechnung  des  Editors 
gesetzt  werden  könnte  —  seine  Bemerkung  zu  I.  Sam.  23,  28  p.  379 E: 
\£o  v£  (sie)  -oj  jLv^x  VoxifiD  yL  jlq^sSj  JäJd  *«ojo;  aber  *aja>  be- 
deutet im  Hebr.  gar  nicht  Fels,  sondern  hier  stand  für  nifc&nön  ]/ta 
vwie  V.  20  ibid.  zeigt)  Jl<^&}  >&cd  und  daraus  wurde  )lq^A  v 


146     Die  Commentarien  des  Ephraim  Syrus  im  Verhältnis* 


Auch  die  Variante  Epbraeins  j£q^£  ^Ü  für  ßot »«?»  (Gen. 
49,  23  p.  HOF)  wird  man  vergebens  wo  anders  als  bei  Onkelos 
und  der  Hagada  suchen.  Denn  seine  Worte  jiq^d  *<&£  vjo 
~o»QOjo  ^ojovood  ojlqAd  «jq  Vsv  >pjf  ~oja»|  ~oj  p  ~oj  Ja*A3 
„Wenn  jlq^d  <aL=>  steht4'  (seil,  im  Hebr.  oder  nach  dem  Hebr. 
zu  übersetzen  ist)  etc.  haben  nur  dann  einen  Sinn,  wenn  man 
für  c^n  ^I?3  die  Uebersetzung  des  Onkelos  Kn1llfo  ^}H  sub- 
stituirt,  cf.  Gen.  R.  c.  98. 

Dasselbe  gilt  von  der  Anfuhrung  des  Ebroio  zu  Num.  19, 17 
£*2ü?  vof^xati  fc»  J&I  Js»  «2tu*  „Für  lebendiges  Wasser  sagt  der 
Hebräer  sprudelndes  Wasser".  Das  hebr.  Q»n  Q^D  bedeutet 
aber  gar  nichts  andere«  als  fc~,  und  nicht  der  hebr&ische  Text, 
sondern  Onkelos  und  Jonathan  haben  dieses  ^>*v?  Joo  JFI2MD  nfc* 

weil  es  so  die  Halacha  erklärte,  v.  Pesachim  34b  und  Sotah 
15  b1). 

Da  also  Ephr.  den  hebräischen  Text  nicht  verglichen,  noch 
weniger  aber  selber  ein  Targum  benutzt  hat,  so  kann  er  nur 
derartige  Lesarten  durch  Mittheilung  von  Juden  erfahren  haben. 


Dass  diese  Emendation  richtig  ist,  beweist  I.  Sara.  23,  19,  woselbst 
der  Uebersetzer  nVTCöD  ebenfalls  unverändert  wiedergegeben  hat, 
nämlich  Lojjßa  corrurapirt  loVxo.  —  Wir  beschränken  uns  hier 
übrigens  auf  den  Pentateuch,  da  wir  es  nur  mit  den  Commentarien 
zu  diesem  zu  thun  haben;  aber  auch  sonst  ist  anter  Ebroio,  wie  sich 
leicht  zeigen  läset,  nicht  der  hebräische  Text  zu  verstehen,  sondorn 
der  von  einem  Hebräer  dem  Ephr.  mitgetheilte  Targumtext,  v.  p. 
524  A  zu  II  Regg.  3,  15  Cg)D)  jx>f  ojXjf  yof  (aqoj  .  Jaoo*  ^t  oU] 

00       %       ¥    0         T    00  %        T     *h0  w  p       wa 

pt^x  V»)?  f*J  )vo  o)  WQ^?  Ja.aaj.  ist  aber  nichts  anderes  als  Cither- 
spieler  (v.  «axu  =  yü)  und  das  angeblich  hebräische  Wort  Jvo  hat 
nicht  der  hebräische  Text,  sondern  der  des  Jonathan   b.  Usiel  a.  1. 

mtoa  kuA  jn'T  «"oa* 

')  Das  oben  erwähnte  Scholion  fehlt  in  unserer  Ausgabe,  findet 
sich  jedoch  cod.  Vat.  103  fol.  23  b  (s.  Pohlmann  1.  1.  II,  28).  Der 
Herausgeber  hat  nicht  nur  einzelne  Scholien,  sondern  ganze  Stacke, 
die  dem  Ephr.  angehören,  ohne  Grund  ausgelassen.  So  ist  opp.  II 
p.  93  1.  37  zu  sappliren  fol.  fc)9—  216,  e.  Pohlmann  ibid.  p.  22,  30 
und  31. 


zur  jüdischen  Exegese.  147 

Denn  er  lässt  den  hebräischen  Text  Dinge  sagen,  die  nur  der 
traditionellen  jüdischen  Exegese  angehören.  So  sagt  er  auch 
z.  B.  zu  Deut.  9,  25  „Wo  es  in  der  Pesch.  heisst  Ich  betete,  da 
steht  im  Hebräischen  Ich  fastete"  (278 C  fco.;  uLjf  '♦»)?  v*I*S&~ 
)f(^v%,  c*j&3).  Das  ist  geradezu  unwahr;  denn  wo  die  Fesch, 
fco.  hat,  ist  das  hebräische  Wort  ^DHN  oder  ^&2ntt,  nirgends 
Steht  im  Hebräischen  ein  Wort,  das  dem  syrischen  *ä£  ent- 
spricht. Wohl  aber  könnte  die  von  Ephr.  angedeutete  Erklä- 
rung auf  Derach;  30h  zurückgeführt  werden ,  wo  der  Ausdruck 
i>IT!  in  ähnlicher  Weise  gedeutet  wird1). 

Die  nähere  Prüfung  der  Anfuhrungen  des  Ebroio  hat  erge- 
ben, dass  Ephr.  kaum  eine  oberflächliche  Kenntnis s  des  Hebr. 
besessen  hat,  also  auch  den  hebr.  Text  nicht  gelesen  und  mit 
der  Pesch.  verglichen  haben  kann.  Dieses  Urtheii  wird  durchaus 
nicht  alterirt,  wenn  man  die  Stellen  in  Betracht  zieht,  wo  er 
hebräische  Wörter  der  Pesch.  erklärt;  denn  entweder  sind  dies 
solche  Wörter,  die  mit  geringer  Veränderung  auch  im  Syrischen 
vorkommen*),  oder  die  Erklärung  ist  eben  auf  Mittheilung  der 


")  Vgl.  noch  139  A  zu  Gen.  3,  24:  rm  tor&  £p)  .  &&  (0*. 

>^g  %$s>  pj)  J2>)  }ooj  $B)   Juan*?   1**^»  Jj~   luOJj   ^  jk)  Jüjj 

JLOO|    Jä&OjteD}   Jft*£k.   )3L£D}   JJLOQOJ   JöOJ    )j~   JLLj    JdLUo    JaL»t;&.    Jooj 

'•»)PjL^i^Jto  JrtoJ  j£o;a  v2tL»  •♦-!  ^v^x  .  ^o»J^~.  Diese  Erklärung 
hat  mit  dem  hebräischen  2TD  gar  nichts  zu  thun,  denn  dieses  Wort 
bedeutet  niemals  „Trugbild".  Sie  hat  nur  dann  einen  Sinn,  wenn 
man  sie  auf  tDH?  bezieht  und  annimmt,  Ephr.  habe  die  im  Talmud 
mitgeth eilte  Erklärung  gehört,  nach  welcher  bei  3"inn  ür&  an  Sinnes- 
täuschung zu  denken  ist  (v.  Synh.  67  b  pi  D^DBO  nPJrtD  &K  DTTODflfel 
TOOnnon  T\m  ürf?  rwi  1D1N  NVI).  Da  nun  hier  ffir  rm  'b  in  der 
Pesch.  J&;*!}  Jlul  stand  icf.  Onk.  N3"in  ^Jtf),  die  Erklärung  also  gar 
nicht  zutreffend  erscheinen  musste,  so  bezog  Ephr.  jene  rein  etymo- 
logische Deutung  auf  das  schwierige  Wort  J^o;s* 

*)  Vgl.  z.  B.  die  Erklärung  des  Wortes  DIN  =  jjl&fjo  &Ax 
(129  A);  <M**»£  =  Joj&f  jL£  (178F,  522  F);  I.  Sam.  3, 11  ~of'cu?oJ  ^ 
(340 D)  *fa»  j£ax  Aj?  JjJ  ^ac*?  pf  U^  >*i;  I.  Sam.  21,  8  Joe*  j£>, 
wofür  Ephr.  die  ächte  Lesart  £u  hatte  v.  376  E  tju  jL£a£  l£o  L-Jz 

Jh9       H  9       T         ♦       9    999 

J^at  px  ^.  ~oj  J*»iqL  (der  Uebersetzer  hatte  in  der  Bosch.  ;jj  bei- 


148     Die  Commentarien  des  Ephraem  Syrus  im  Verhältniss 

jüdischen  Tradition  zurückzufuhren1).  Es  bleibt  nun  noch  zur 
kritischen  Würdigung  seiner  Commentarien  zu  untersuchen,  wie 
weit  seine  Kenntniss  und  Benutzung  der  LXX  sich  erstreckt. 

Zwar  findet  sich  in  den  Commentarien  zum  Pentateuch  die 
griechische  Uebersetzung  nirgends  ausdrücklich  citirt*),  jedoch 
muss  Ephr.  sie  wohl  gekannt  haben ,  wie  sich  aus  dem  Scholion 
zu  Gen.  1,  2*),  einem  ungedruckten  Scholion  zu  Gen.  41,  454) 
und  mehreren  stillschweigend  nach  der  LXX  citirten  Stellen5) 
ergiebt.  Ob  nun.  diese  Benutzung  der  LXX  dadurch  zu  erklä- 
ren ist,  dass  Ephraems  Text  mit  einzelnen  syrischen  Glossen 
aus  den  griechischen  Uebersetzungen  versehen  war6),  oö^r  dass 
er  durch  Kenntniss  des  Griechischen  zur  Vergleichung  der- 
selben befähigt  war7),  kann  hier,  wo  nur  die  Commentarien 
zum  Pentateuch  in  Betracht  gezogen  werden  sollen ,  nicht '  ent- 


behalten, weil  er  "igttt  =  des  Festes  wegen  versammelt  nahm  (cf. 
Ge8eniu8  W.  B.  s.  v.)  I.  Regg.  7,  21  rpL  nnd  pö  =  ^33  und  Jpo 
(460  A)  cf.  Kimchi  a.  1. 

0  Vgl.  aasser  den  oben  S.  142  Note  2  angeführten  Stellen  noch 
Gen.  6,  16  p.  147  E:  jftop»  xjojoj  |j£.oj  and  Onk.  a.  1.  "llnj,  ferner 
Lev.  24,  11  p.  249  A. 

*)  Sonst  citirt  er  den  Jaunoio  L  Regg.  14,  3  p.  480  B;  Arnos  6, 1 
opp.  II  p.  263  C;  Zach.  11,  15  II,  304  C  und  Jonah  3,  4  v.  Assem.  B. 
0.  I,  70. 

*)  V.  p.  116  E:  VD)  Jjv-J  ^j  U~»J*  •  l*o**o  J*j.  ^?Qjo»  •  ojoöo  OfOL 
|£jl0&>  JJo  Jft»duj*JUD  JJ  hooi  o*JbLf  Jxif  LXX  aoQcczog  cnuxzaaxivccczog. 

4)  Bei  Pohlmann  1.  1.  I,  p.  22  aus  Cod.  Vat.  103:  ybf  ^  jLjal 

JiüdJl;  jLu£>  JatSbfcoo  cv&J?  *.o*  sa^oaoijj  Jjop  ^;a£j»  L-J~>  A*a>JJ ; 
cf.  LXX  a.  1.  'Aoeved1  &vyateQa  IleT£<pQTJ  ItQicog  'HXuonolsmg. 

»)  Gen.  6,  2  opp.  III  564  E  puo»&  Jos  vlol  zwo  fcov ;  die  echte 


Lesart  fö"  hat  er  I,  49  D  und  146  ß ;  Gen.  6,  3  ^£o>  jiliLai  146  D  = 
iv  tolg  äv&Qcbwoig  tovxoig,  nach  der  Pesch.  citirt  er  dieselbe  Stelle  p. 
49  C.    Ueber  Gen.  49,  6  s.  o  S,  143  Note  1. 

•)  S.  Herzog's  Reai-Encyclop.  IV  S.  87. 

7)  V.  8ocr.  Hißt.  Eccl.  II,  IX  sha  tä  ^UrpHov  ncudev&elg  naQcc 
rc5  trpi%avtaL  h  'ESiajj  htiBr^jfiavtt  ncudevrjj  cf.  Assem.  B.  0.  I,  48. 
Wäre  diese  Frage  ausser  allem  Zweifel  (vgl.  jedoch  dagegen  Tillemont 
m6m.  eccl.  t.  VIII  Note  XII  p.  1280),  so  könnte  man  auch  allenfalls 
annehmen,  dass  er  wie  Chrveostomus  and  Theodore*  (cf.  Ernesti  narret. 


zur  judischen  Exegese.  149 

schieden  werden  und  muss  der  weiteren  Forschung  über  seine 
exegetischen  Schriften  vorbehalten  bleiben.  Was  hier  als  wich- 
tiges Resultat  hervorgehoben  werden  muss,  ist,  dass  diese 
Commentarien,  wenn  auch  ihr  Werth  nicht  auf  Vergleichung 
des  Urtextes  und  der  Versionen  beruht,  doch  für  die  Berichti- 
gung und  das  kritische  Verständniss  der  Pesch.  ganz  unschätzbar 
sind.  Nur  darf  hierbei  nicht  ausser  Acht  gelassen  werden,  dass 
Ephraems  Lesarten  nicht  unbedingt  Anspruch  auf  Glaubwürdig- 
keit und  Ursprünglichkeit  machen  können,  sondern  nur  dann 
vor  den  unsrigen  den  Vorzug  verdienen,  wenn  sie  dem  Geiste 
der  Uebersetzung,  wie  er  im  Grossen  und  Ganzen  sich  dar- 
stellt, entsprechen. 

Hingegen  hiesse  es  den  Werth  der  Commentarien  über- 
schätzen ,  wenn  man  an  dieselben  mit  der  Voraussetzung  heran- 
ginge, in  ihnen  eine  reiche  Ausbeute  für  die  eigentlich  wissen- 
schaftliche Erklärung  des  Urtextes  zu  finden.  Denn  zu  einer 
gründlichen  philologischen  Forschung  fehlte  Ephr.  einerseits 
der  wissenschaftliche  Geist  eines  Hieronymus,  andererseits  lag 
sie  überhaupt  nicht  in  dem  Plane,  den  er  bei  Abfassung  dieser 
Commentarien  befolgte.  Daher  ist  er  z.  B.  in  Bezug  auf  geo- 
graphische Bemerkungen  nur  dann  zuverlässig,  wenn  sie  die 
Gegenden  des  Euphrat,  die  er  aus  eigener  Anschauung  kannte, 
betreffen1).  In  vielen  anderen  Beziehungen  ist  seine  Unselbst- 
ständigkeit  und  Abhängigkeit  von  der  jüdischen  Exegese  im 
Einzelnen  nachgewiesen  worden.  Wenn  also  Ephr.  auch  oft 
richtige  Erklärungen  bietet,  so  kann  doch  das  endgiltige  Urtheil 
über  seine  exegetische  Leistung  derBewunderung,  die  man  ihr  bis- 
her gezollt  hat,  nur  in  sehr  eingeschränktem  Maasse  beipflichten. 


crit.  de  interpr.  mess.  in  dessen  opusc.  theo!,  p.  524)  sich  der  Hexapla 
des  Origenes  bedient  und  aus  derselben  die  Kenntniss  des  Ebrolo 
geschöpft  habe. 

*)  80  trifft  er  offenbar  das  Richtige,   wenn    er  Gen.  10,  10  die 

Namen  Jüoo  ;d)  ^V|  —  Edessa,  Nisibi$  and  Ctesiphon  (^£^v>  ,  |co;f 

*  ♦  ^  ► 
v.  -ftp***  ^  ~ojto|,  cf.  Jon.  und 'Jenisch.  a.  1.  und  Gen.  R.  c.  37)  er- 
klärt (p.  58  B  und  154  A),  während  er  andererseits  %.  B<  die  Flüsse 
Gichon  und  Pischon  (Gen.  2,  11)  mit  Nil  und  Danubins  identificirt 
(23  B),  wo  man  weit  eher  an.  Indus  und  Oxus  zu  denken  hat  (siehe 
Knobel  Genesis  8.  29  ff.). 


150  Analekten. 


A  n  a  1  e  k  t  e  n. 


1.    Ein  vergessener  Rabbiner  ans  der  Zeit  der 
französischen  Revolution. 

Unsere  Zeit  darf  mehr  als  jede  frühere  es  sich  zum  Lobe 
anrechnen ,  dass  sie  die  Männer  nach  Verdienst  ihrer  Leistungen 
für  Judenthum  und  jüdisches  Schriftthum  nach  Gebühr  würdigt 
und  nicht  blos  diejenigen,  welche  in  ihr  gelebt  und  gewirkt 
haben,  sondern  auch  alle  Diejenigen  wieder  in  Erinnerung  zu 
bringen  sucht,  über  welche  die  undankbare  Mitwelt  mit  Still- 
schweigen  hinweggegangen  ist  Wie  mancher  redliche  Arbeiter 
im  Dienste  des  Judenthuws  ist  heute,  kaum  noch  dem  Namen 
nach  bekannt l 

Es.  erscheint  als  ein  Act  der  Pietät,  einem  Manne  ein  Denk- 
mai zu  setzen,  dessen  von  den  Bibliographen,  so  weit  mir 
bekannt  ist,  mit  keiner  Silbe  gedacht  wird. 

R.  Isaak  Lunteschütz  —  das  ist  der  Name  des  verges* 
senen  Rabbiners  —  war  ein  Urenkel  des  berühmten  Predigers 
Salomon  Ephraim  Luntschütz1)  und  Sohn  eines  sonst 
unbekannten  Jakob  Samuel  ben  Aron  Luntschütz.  Von 
seinem  Leben  wissen  wir  nichts,  als  was  er  uns  selbst  erzählt. 
In  seiner  Jugend  gefahrlich  erkrankt,  wurde  ihm  der  Zuname 
Abraham  beigelegt;  später  verschlang  er  eine  grosse  Nadel  — 
ilbTW  brO  bw  OHO  —  von  deren  Folgen  er  gerettet  wurde. 
Isaak  bekleidete  längere  Zeit  das  Rabbinat  Westhafen  bei 
Strassburg  und  hatte  während  der  französischen  Revolution, 
namentlich  unter  der  Gewaltherrschaft  Robespierre's  viel  zu  lei- 
den, er  büsste  nicht  allein  sein  Vermögen,  sondern  auch  auf 
vierzehn  Tage  seine  Freiheit  ein.     Er  berichtet  selbst  darüber: 

dnyb  n&a  njn  mn  din  vbv  Dips  ote  -oa  b)pwn  . .  • 
bv  ray  rww  wäd  .töd  vnso  nnvw  rem  ndn  renoa 
*n  idnm  wi  DJ  si»  rraö  -«wn  *pan  bz  cm  wn 
am  'b  dv  ny  "ftpn  renn  rb  am  rvoa-i  roron»  rrnnn  von 


■)  w  nWo,  Vorrede:  onDK  nMny  ^jd  •  •  •  Tonn  inan  ypr 


Analekten.  151 

.♦•♦*)  An  einer  anderen  Stelle  schildert  er  die  unsäglichen 
Leiden,  denen  die  Juden  in  der  Revolutionszeit  ausgesetzt  waren : 

rorotf  \frcb  crw«  v»n  orwottnö .  niwpaa  bmono  can 
•  ruiia  nav  pa^pi  mntpn  raxtaa  nrmni  rww  rv»aa  jt*d^ 
nmrfc  iana  n:ao  nn  d»  rrppnn  ta  ntDifc  w  iwdn  rrn  &6  ca 
^bö  -nra  rrn  tan  rw»  ]5r©m  «rpi  n^enn  i^dk  . ♦ ♦  bxwb 
roDon8). 

R.  Isaak  Luntschütz  ist  Verfasser  mehrerer  halachischer 
Werke;  unter  dem  Titel:  pflSP  EmaK  naia  schrieb  er  Novellen 
zu  n^Dia  TD  und  unter  dem  Titel  pn2P  taf  llw  Novellen  zu  KM 
&CJP!JD>  dieselben  wurden  nie  gedruckt;  von  einem  anderen  gros* 
seren  Werke  erschien  nur  etwa  ein  Drittel  im  Druck  unter  dem 

Titel:  Sp  Tons  nforo  aicoi  nn&N&  -W9  bb)D  *dp  n^ta 

.  •  ♦  .  KMMTO  '"nWCl  mpffll  D"D1  n^pDD  ^ta  (Rödelheim, 
Heidenheim,  1813). 

Ehe  noch  das  Werk  im  Drucke  beendet  war,  erhielt  er  das 
durch  den  1813  erfolgten  Tod  des  Rabbiners  Raphael  Ris  er- 
ledigte Rabbinat  der  schweizerischen  Israeliten,  das  er  aber 
nur  etwa  zwei  Jahre  bekleidete,  denn  schon  am  24.  Elul  1815 
wurde  er  aus  dem  Leben  abberufen. 

Kayserling. 


Zur  Geschichte  der  jüdischen  Aerste. 

Abraham  da  Fonseca,  einer  der  ersten  Grunder  der 
wohlthätigen  Anstalt  „Maskil  el  dal"  in  Amsterdam,  Verfasser 
des  1667  zu  Amsterdam  gedruckten  Werkes  QniaK  ^JJ>  welcher 
später  als  Chacham  der  portugiesischen  Gemeinde  in  Glückstadt 
lebte  und  den  27.  Juli  1671  in  Hamburg  starb,  war  der  Stamm- 
vater einer  Familie,  in  welcher  die  medicinische  Kunst  sich  von 
Vater  auf  Sohn  vererbte. 

Von  Abraham's  Söhnen  bildete  sich 

Josua  da  Fonseca 
als  Art  aus  und  practicirte  in.  Hamburg.    Dessen  Sohn 


*)  Das.  29a,  30a. 
■)  Das.  30  a. 


152  Recensionen  und  Anzeigen. 

Joseph  da  Fonseca 

promovirte  den  31.  Juli  1683  mit  der  Dissertation  „De  Dysen- 
terie (Lugd.  Batav.  1863.  4.)  in  Leyden. 

.   Joseph  hatte  zwei  Söhne  „Abraham  und  Jacob: 

Abraham  da  Fonseca 

schrieb  „De  Peste"  (Lugd.  Batav.  1712.  4.)  und  Hess  sich  nach 
der  Promotion  in  Hamburg  nieder; 

Jacob  da  Fonseca, 

geboren  zu  Hamburg  1699,  promovirte  am  13.  September  1719 
mit  der  Dissertation  „De  Chilificatione"  (Lugd.  Batav.  1719.  4.) 
und  starb  in  seiner  Heimathsstadt  den  13.  Januar  1754. 

Sechs  Monate  vor  dem  Tode  Jacob's ,  den  4.  Juli  1753,  pro- 
movirte 

Abraham  da  Fonseca  de  Mattos 

zu  Leyden  mit  der  Dissertation  „De  Fractura"  (Lugd.  Batav. 
1753.  4)  und  starb  in  Hamburg  gegen  1809. 

« 

Kayserling. 


Reeensienen  and  Anzeigen. 


Auch  unter  dem  Titel: 
Variae  Lectiones  in  Mischnam  et  Talmud  Babylonicum  et.  et. 
Auetori  Raphaelo  Rabbinovicz.    (Schluss.) 

In  dem  darauffolgenden  Abschnitt  der  Einleitung  geht  der 
Herr  Verfasser  über  auf  die  verschiedenen  Ausgaben  des  Tal- 
mud seit  seinem  ersten  Erscheinen  im  Druck  bis  auf  die  neueste 
Zeit.  Dieser  sehr  interessante  und  belehrende  Abschnitt  sichert 
dem  Werke  auch  abgesehen  von  seinem  sonstigen  wichti- 
gen Inhalt  einen  bleibenden  Werth  und  darf  zu  den  schätzens- 
werthesten  Erzeugnissen    auf  dem  Gebiete   der  Bibliographie 


Recensionen  und  Anzeigen.  159 

gerechtet  werden.    Von  dem  Talmud  wurden  zuerst  nur  einzelne 
Traktate  gedruckt  und  zwar  zu  Sonoino  in  der  Lombardei  durch 
Josua  Salomo ,  Sphn  des  Israel  Nathan.    Im  Jahre  1484  erschien 
zu  Soncino  Traktat  Berachot,  dem  in  dem  Zeitraum  von  etwa 
36  Jahren  andere  24  Traktate  folgten.     Schon  im  Jahre   1473 
waren  mehrere  hebräische  Werke,  als  die  Bibel,  Aruch,  Jad 
Hachaaaka  des  Maimonides  u.  a.  im  Drucke  erschienen;  dass 
der  Talmud  später  und  auch  dann  nur  langsam  erschien,  lag  in 
der  über  ihn  verhängten  Verdammungsbulle   Gregor'«  IX.  im 
Jahre  1239»    die  von  Clemens  IV.    im  Jahre   1264  wiederholt 
wurde.    Durch  die  Bulle  des  fanatischen  Gregor  IX.  wurden  in 
Frankreich  Tausende  von  Talmudexemplaren  und  andere  hebr. 
Werken  dem  Seheiterhaufen  übergeben  und  sogar  der  Besitzer 
des  Talmud  war  mit  Todesstrafe  bedroht.    Die  Bulle  gerieth 
»War  allmälig  in  Vergessenheit,   dennoch  wagte  Niemand  mit 
einem  Talmudwerke  öffentlich  hervorzutreten.    Den  Talmud  um 
die&e  Zeit  in.  Druck  zu  legen,  war  also  ein  gefährliches  Unter- 
nehmen und  konnte  deshalb  auch  nur  langsam  vorgeschritten 
werden.    Auffallend  saheint  jedoch,  dass  zu  Constantinopel  und 
Saloniki,  wo  kein  Verbot  gegen  den  Talmud  bestand  und  hebr. 
Werke ,  wie  Alfasi,  Sifri,  Mechilta  u.  a.  schon  vom  Jahre  1509 
ab  im  Druck  erschienen,  vom  Talmud  auch  nicht  ein  Traktat 
gedruckt  wurde«    Herr  R.  meint  (kommt  aber  hiervon  zurück), 
dass  vielleicht  einzelne  Traktate  gedruckt  wurden,  die  aber 
dmeh  fleissiges  Studium  bald  abgenützt  sieh  nicht  auf  die  Nach- 
welt erhielten;  Folgendes  dürfte  jedoeh  zu  erwähnen  sein.    Der 
frühere  ConstanÜnopier  und  Saloniker  Druck  war  schlecht^  das 
Seminar  besitzt  das  CFJHt  PtOTTP  TVW  '0  gedruckt  au  Oonstantinopel 
im  Jahre  1602.    Das  Werk  ist  kaum  lesbar«  Papier  schlecht, 
die  Buchstaben  schwach  ausgeprägt  und  in  einander  verschwom- 
men, und    selbst  noch   spätere    türkische  Druckwerke   lassen 
Vieles  hinsichtlich  der  Typen  und  deren  Ausprägung  zu  wün- 
schen: auf  welcher  Stufe  mag  die  Typographie  in  der  ersten 
Zeit  ihrer  Einführung  m  die  bcbr.  Litteratur  in  der  Türkei  ge- 
standen  haben!     Es   ist  ferner  leicht  zu  ermessen,   dass   in 
der  zu  jener  Zeit  an  Künstlern  gewiss  armen  Türkei  der  Guss 
der  Typen  mit  viel  grösserem  Geldaufwand  als  in  Italien,  über- 
haupt in  Westeuropa  verbunden  war«,  der  Druck  des  Talmud 
würde  also  ungemeine  Kosten  verursacht  haben   und  konnte 

Frankel,  MonaUachrift.  XV1L  4.  12 


154  Recensionen  und  Anzeigen. 

theils  weil  nach  den  grossen  Druckkosten  ein  hoher  Preis  ge- 
setzt werden  musste,  theils  wegen  der  gedachten  Undeutlich- 
keit  nur  auf  geringen  Absatz  bei  der  Menge,  gegenüber  den 
Abschreibern,  die  deutlich  und  billig  schrieben,  rechnen.  Wenn 
Mechilta,  Sifri  u.  s.  w.  gedruckt  wurden,  so  ist  erstens  deren 
Umfang  nicht  so  gross  wie  der  des  Talmud ,  dann  ist  der  Druck 
auch  nicht  so  beschwerlich  und  an  Undeutlichkeit  leidend,  da 
der  Talmud  mehrere  Druckarten  zugleich,  eine  für  den  Text 
und  andere  für  die  Gommentatoren  erfordert.  Hieraus  dürfte 
sich  also  der  Rückstand  der  Türkei  am  Drucke  des  Talmud 
erklären» 

Kehren  wir  zu  Westeuropa  zurück.  Der  Sonciner  Heraus- 
geber, Josua  Salomo,  siedelte  im  Jahre  1489  nach  Neapel  über 
und  beendigte  daselbst  im  Jahre  1492  den  Druck  der  Michnajot 
mit  dem  Commentär  des  Maimonides.  (Dieses  Werk  ist  im 
Besitze  des  Seminars  und  wurde  seiner  in  dieser  Monatsschrift 
9.  Jahrgang  ausfuhrlich  Erwähnung  gethan.)  Um  dieselbe  Zeit 
erschienen  auch  zu  Lissabon  einige  Talmudtrakte  im  Druck, 
auch  wurde  in  Soncino  der  Druck  des  Talmud  durch  Gerschom, 
den  Neffen  von  Josua  Salomo,  fortgesetzt.  Herr  R.  hat  mit 
grossem  Fleisse  mehrere  Traktate  der  soncinischen  Ausgabe 
verglichen  und  bringt  viel  Bemerkenswerthes  über  die  sich  in 
ihnen  befindenden  Lesearten,  Jahr  des  Druckes,  Correctoren 
u.  a.  —  Im  Jahre  1520  hob  Leo  X  das  alte  Verbot  auf  und  ge- 
stattete den  Druck  des  Talmud.  Von  da  ab  beginnt  eine  neue 
Aera  und  ist  der  eigentliche  Druck  des  Talmud  von  dieser  Zeit 
ab  zu  rechnen ,  denn  nun  erst  erschien  der  Talmud  vollständig« 
Der  erste  Herausgaber  des  vollständigen  Talmud  ist  Daniel 
Bomberg,  Venedig,  begonnen  1520,  beendigt  Spätherbst  1522. 
Wir  bemerken  hier,  das  Seminar  befindet  sich  im  Besitze  der 
ersten  Ausgabe  des  jerusal.  Talmud,  Venedig,  Daniel  Bomberg. 
Die  Jahresangabe  fehlt;  doch  wird  auf  dem  Titelblatte  Gott  ge- 
dankt  dafür,  dass  er  Kraft  gegeben  „unsern  (den  babyl.)  Talmud 
zu  vollenden"  (j^n  «"MObn  Köbtt*6  *6n  ich  3HH),  und  am 
Ende  des  Werkes  heisst  es :  „so  wie  wir  diesen  Talmud  vollen- 
det,  möge   es   uns  auch   gelingen,    den  „Jad"  zu  vollenden1, 

Ct»ö  tjötw  nwia^ö  ronm  dp  brar\  T"»n  'übarab  row 

TOJ  ^llttm)-  Dieser  „Jad",  in  dessen  Besitz  sich  ebenfalls  das 
Seminar  befindet,  erschien  im  Jahre  1424,  woraus  mit  Gewissheit 


Recensionen  und  Anzeigen.  155 

zu  schliessen,  das  der  jerus.  Talmud,  der  wie  aus  den  ange« 
führten  Stellen  zwischen  dem  babyl.  Talmud  und  dem  Jad  er« 
schien,  im  Jahre  1523  an's  Licht  trat;  hieraus  ergibt  sich  aber 
auch  die  Richtigkeit  der  Behauptung  des  Herrn  R.,  der  babyl, 
Talmud  sei  im  Herbst  des  Jahres  1522  und  nicht  wie  Stein- 
schneider meint,  im  Frühling  des  Jahres  1523  vollendet  worden, 
da  von  da  ah  ein  zu  kurzer  Zeitraum  für  den  in  demselben 
Jahre  erschienenen  jerus.  Talmud  verbleiben  würde. 

Diese  Bomberg'sche  Ausgabe,  der  zwar  noch  Manches  aber 
in  Betracht  des  Ganzen  nicht  Bedeutendes  abgeht  (es  fehle« 
die  Traktate  Q^n  'D  N"l  'Ott  JW  *T1  nHK)  zeichnet  sich  durch 
Schönheit  des  Druckes  und  des  Papieres  aus  und  überragt,  wie 
Herr  R.  versichert,  hierin  alle  späteren  Talmudausgaben.  Sie 
ist  der  Sonciner  (insoweit  diese  Traktate  brachte)  nachgedruckt, 
doch  sind,  hier  auch ,  wie  Herr  R.  mit  vielem  Fleisse  nachweist, 
andere  Manuscripte  benutzt  worden.  (Für  die  zu  Soncino  nicht 
erschienenen  Traktate  ist  dieses  selbstverständlich.)  Sehr  zu 
bedauern  sind  die  vielen  Druckfehler  im  Ascheri  dieser  Aus-» 
gäbe.  —  Eine  zweite  Ausgabe  erschien  bei  Bomberg  im  Jahre 
1528  —  1531,  die  ganz  wie  die  erste,  nur  reicher  an  Druckfehlern 
ist.  —  Im  Jahre  1546  — 1551  erschien  bei  Marco  Antonio  Giusti~ 
niani,   Venedig,    eine  vollständige   Ausgabe   des  Talmud   (mit 

k"i  'Döi  }ro  '-n  mm  die  mao  -w  vvwo  pm  -rft&nn  n-noa 
nsiw  bin  inaö  nn  ywro  "i  mrm  c^dehö  oipö  ntciöi 

fpVl  bV  CnnJD  brachte.  Nach  der  Seitenzahl  dieser  Ausgabe 
sind  alle  späteren  Ausgaben  gedruckt  und  ist  sie  gewissermassen 
als  die  editio  princeps  zu  betrachten»  Auch  Bomberg  benutzte 
in  der  von  ihm  im  Jahre  1548  veranstalteten  dritten  Ausgabe 
die  Ginstinianische. 

Aber  es  war  wieder  über  den  Talmud  der  Feuertod  ver- 
hängt. Drei  getaufte  Juden,  unter  ihnen  ein  Enkel  des  Gram- 
matikerks  Elias  Levita,  denuncirten  beim  Papst  Julius  III.  den 
Talmud  als  christenfeindlich  und  blasphemirend ,  und  so  wurden 
auf  dessen  Befehl  im  Jahre  1553  viele  Tausende  Talmudexem- 
plare in  Rom,  Venedig  und  anderen  italienischen  Städten  ver- 
brannt. In  der  Geschichte  des  Talmud  vergegenwärtigt  sich 
die  Geschichte  der  Juden!  — -  Doch  wie  die  Juden  trotz  der 
blutigsten  Verfolgungen  und  errichteten  Scheiterhaufen  nicht 
vernichtet  werden  konnten  und  hier  ausgestossen  anderwärts 


156  Recensiänen  .und  Anzeigen. 

«ich  erhoben,  so  richtete  sich  auch  der  Talmud  wieder  auf: 
schon  im  Jahre  1559  begann  in  Lubün  der  Druck  des  Talmud, 
und  von  da  ab  erschienen  in  Polen  mehrere  Ausgaben.  Diesen 
Ausgaben  sind  die  Venetianef  (Giustiniani)  zu  Grunde  gelegt, 
Manuseripte  standen  t  wie  Herr  R.  behauptet,  trotz  manchen 
Angaben  auf  dem  Titelblatt  nicht  zu  Gebote,  aber  der  Mangel 
an  Majtuscripten  Wurde  reichlich  durch  die  scharfsinnigen  krl* 
tischen  Textesverbesserungen  des  R.  Salomon  Luria  tywiffä 
ersetzt  und  ein  lesbarer  Text  hergestellt.  (Auch  R.  Samuel  Edels 
K"W*ti1&  hat  ein  grosses  Verdienst  durch  seine  Textesemenda* 
tionen  zu  einigen  Traktaten;  auch  hat  er  ein  Talmudmanuscript 
besessen.)  *«-  Später  wendeten  sich  die  italienischen  Juden,  die 
den  Talmud  nicht  aus  Polen  beziehen  konnte,  an  Pius  IV.  und 
an  das  Tridentinische  Concil;  durch  viele  Bestechungen  erhiel* 
ten  sie  im  Jahre  1564  die  Erlaubnis« ,  den  Talmud  zu  drucken» 
doch  sollte  er  erst  die  Gfensur  zu  Rom  passiren,  auch  dürfe  das 
Werk  nicht  die  Aufschrift  „Talmud"  führen*  Sa  erschien  nun 
im  Jahre  1578^-1581  eine  Talmadausgabe  zu  Basel  mit  grossen 
Censurlficken  (Feuertod  und  Censurqualen  !),  mit  der  Aufschrift 
Geniara,  die  Benennung  „Talmud"  war  (wie  lachet* lieh!)  verpönt* 
Auch  ist  in  der  Baseler  Ausgabe  der  Traktat  Aboda  sara  weg« 
gelassen« 

Herr  R.  zahlt  nun  die  ferneren  Ausgaben  des  Talmud  bis 
auf  die  neueste  Zeit  auf.  Die  vollständigen  Talmudausgaben 
belaufen  sieh  in  ihrer  Oesammtheit  auf  fÖnfundvierzig,  einzelne 
Traktate  sind  unzähligemal  gedruckt  worden*  Das  jüdische 
Nationalwerk  ging  aus  allen  Verfolgungen  siegreich  hervor! 

Nachdem  Herr  R.  in  einem  anderen  kurzen  Abschnitte  einige 
alte  Druckwerke  besprochen ,  geht  er  zu  dem  eigentlichen  Werke* 
der  Vergleichung  des  Münchener  Manuscripts  mit  unseren  Aus- 
gaben über.  Die  Varianten  sind  zahlreich.  Herr  R.  versucht 
theils  durch  Parallelstellen  aus  anderen  Talmudtraktaten,  theils 
aus  Anführungen  bei  früheren  Autoren  die  richtige  Leseart  zu 
eruiren  und  legt  hierbei  eine  ungemeine  Belesenheit  in  der  tal- 
mudischen und  nachtalmudisohen  Litteratur  an  den  Tag.  Zu 
bedauern  ist*  dass  Herr  R.  nicht  die  eigentlichen  Grundzüge  der 
Varianten  festgestellt  hat.  Diese  sind:  der  Münchner  Codex 
hat  manche  grössere  Stellen,  die  in  unseren  Ausgaben  fehlen, 
vgl.  S*  n%  K"P  202,  208  u.  a.;  der  Münchner  Codex  hat  ein 


Recensfcnen  und  Ankeigen.  157 

erklärendes  Wörtohen  oder  einige  erklärende  «Wörter,  die  m 
unseren  Ausgaben  fehlen  Und  umgekehrt;  der  Münchner  Codex 
veriirt  mitunter  in  der  Aufeinanderfolge  der  Stellen ;  der  Münch- 
ner Codex  variirt»  durch  Angabe  mancher  Wörter  und  klei- 
neren Stellen ,  die  wesentlich  «um  Verständnis*  beitragen  oder 
einen  anderen  Sinn  ergeben  ab  die  unserer  Ausgaben.  Hin« 
sichtlich  der  grösseren  Stellen  ist  offenbar  dieser  Codex,  ver* 
gleicht  man  ihn  mit  Raschi  au  den  betreffenden  Orten,  nicbt 
nach 'Raschi's  £u»endetionen  (vgl.  vor.  Heft  S.  114)  abgeiasst, 
sondern  nach  einem  früheren  glossirtton  Text;  diese  Stellen  sind 
nämlich  Glossen  aus  dem  Halachot  Gedoiot,  die  Raschi  (und 
Tosafot)  mit  Recht  aus  dem  Text  entfernt  wissen  wollte.  Hin« 
sichtlich  der  anderen  Varianten  ist  zuweilen  unseren  Ausgaben 
zuweilen  diesem  Codex  der  Vorzug  zu  geben,  wie  Herr  R.  an 
den  betreffenden  Stellen  bemerkt. 

Auf  das  Einzelne  der  Varianten  einzugehen,  würde  den 
Raum  einer  Anzeige  überschreiten  und  scheint  auch  überflüssig, 
darnach  unserem  Dafürhalten  Herr  R.  meist  das  Richtige  ge- 
funden: wir  verweisen  daher  auf  das  Werk  selbst,  doch  mö- 
gen hier  einige  Bemerkungen  folgen.  S.  32  zu  NH  'O  hätte  Herr 
R.  in  der  Anmerk.  p  auf  Rapoport  verweisen  mögen,  der  in 
seinen  -jnyn  5>W  fM  In  'Tl  nnhn  schlagend  dargethan  hat, 
dass  diese  Stelle  interpolirt  sei.  Herr  R.  scheint  überhaupt  mit 
der  neueren  jüdischen  Litteratur  nicht  bekannt  zu  sein,  was  bei 
ihm  um  so  mehr  zu  bedauern,  als  er  nicht  zu  jenen  Talmud- 
gelehrten gehört,  die  für  eine  wissenschaftliche  Behandlung  des 
Talmud  keinen  Sinn  haben.  —  S.  192  Anmerk.  J  wäre  Aruch 
anzuführen  gewesen,  der  die  Leseart  flfcDDTtO  hat,  also  unsere 
Ausgabe'  WDDfTlD  richtig  O  und  p  verwechseln  sich  häufig 
in  der  Aussprache),  und  ist  das  tt&pOID  des  Manuscripts  ein  Ab- 
schreibefehler. —  Zu  bedauern  ist  ferner,  dass  nicht  an  der  Spitze 
der  Seiten  fortlaufend  Blatt  und  Seite  des  Talmud  angegeben  sind: 
dieser  Mangel  erschwert  sehr  das  Aufsuchen,  und  da  das  Werk 
nicbt  zum  Durchlesen,  sondern  zum  Benützen  beim  Studium 
bestimmt- ist,  so  war  die  resp.  Seitenangabe  des  Talmud  an  jler 
Spitze  jeder  Seite  ein  umso  dringenderes  Gebot.  S.  206  ist  so- 
gar die  Blattzahl  des  Talmud  durch  Druckfehler  falsch  ange- 
geben, für  n"b  mnss  sein  n"b>  nun  muss  der  Leser  durch 
mehrere  Seiten  auf  diese  Seite  zurückgreifen,  und  hier  findet 


158  Monatschronik. 

er  sich  wieder  «athlos!  Wir  hoffen,  Herr  R.  wird  diesem  Uebel- 
stand  in  den  folgenden  Theilen  abhelfen. 

Wir  scheiden  von  dem  Werke  mit  vieler  Anerkennung  für  den 
Verfasser  und  dem  Wunsche,  das  Publikum  möge  ihn  durch 
zahlreiche  Theilnahme  in  seinem  schwierigen  Unternehmen  unter* 
stützen»  Erfreulich  ist  zu  melden,  dass,  was  in  unserer  Zeit 
so  selten,  diesem  Unternehmen  auf  jüd.  wissenschaftlichem  Ge- 
biete ein  grossherziger  Mäcen  in  der  Person  des  Herr  A.  Merz- 
bacher zu  München  erstanden  ist«  Herr  Merzbacher  streckte, 
wie  der  Verfasser  in  der  Widmung  berichtet,  die  ganzen  Druck- 
kosten vor,  kaufte  alle  zu  dieser  Arbeit  ndthigen  Werke  an 
und  förderte  durch  Bürgschaft  bei  der  Königl.  Münchner  Bi- 
bliothek und  in  anderer  Weise  das  Werk. 

Das  Werk  ist  trefflich  in  Druck  und  Papier  ausgestattet; 
Druckfehler  sind  selten*). 

Frankel. 


Monatsehronik. 


Bukarest.  Der  Kammer  wurde  von  dreissig  Mitgliedern  ein 
Gesetzentwurf  hinsichtlich  der  Juden  Überreicht,  der  eine  gänz- 
liche Austreibung  der  Juden  in  Rumänien  beabsichtigt.  Wir 
heben  einige  Punkte  hervor:  Kein  Jude  darf  sich  ohne  beson- 
dere Bewilligung  in  einer  Stadt  ansässig  machen.  Die  Ansässigkeit 
in  einem  Dorfe,  und  sei  es  auch  nur  auf  kurze  Zeit,  ist  durchaus 
untersagt.  —  Kein  Jude  darf  ein  Grundstück  weder  in  Städten 
noch  in  Ddrfern  kaufen.  Hat  ein  Jude  dagegen  gehandelt,  so 
wird  das  Grundstück  verkauft:  ein  Drittel  erhält  der  Denun- 
ciant,  zwei  Drittel  fallen  in  den  Armenfonds.  —  Kein  Jude  darf 
ein, Grundstück,  Mühle,  Wirthshaus  u.  s.  w.  pachten.  —  Kein 


*)  Im  vorigen  Hefte  ist  8.  116  Z.  10  für  103  =  1343  zu  lesen: 
103  s  1243. 


Monatschronik«  159 

Jude  darf  Victualien  und  Getränke  an  einen  NichtJuden  ver- 
kaufen. —  Die  bisher  in  Städten  und  Dörfern  bestehenden  jud. 
Gemeinden  werden  aufgelöst.  —  Alle  bisher  zu  Gunsten  der 
Juden  erlassenen  Gesetze  sind  als  aufgehoben  zu  betrachten. 

Herr  von  Bismark  liess  dem  Fürsten  von  Rumänien  dringend 
von  der  Sanctionirung  dieses  Gesetzes  abrathen,  und  auch  das 
Wiener  Cabinet  liess  energisch  dagegen  protestiren.  Bratiano, 
auf  dessen  Veranlassung,  wie  der  Correspondent  der  hebr. 
Zeitschrift  „Hamagid"  mittheilt,  dieser  Gesetzentwurf  über- 
reicht wurde,  beeilte  sich  mit  der  entgegenkommenden  Versi- 
cherung, die  Regierung  werde  nicht  den  Entwurf  genehmigen. 
Auch  wurde  das  Gesetz  von  der  Kammer  selbst,  hinter  der 
Bratiano  steht,  verworfen.  Ein  sprechendes  Zeichen  für  die 
Reife  des  Volkes  und  seiner  Vertreter  ist;  der  Präsident  der 
Kammer  befand  sich  unter  den  Unterzeichnern  des  Gesetzent- 
wurfes. Wie  mag  nun  der  Herrscher  an  der  Seine  Über  den 
von  ihm  hingeworfenen  Feuerbrand  „Nationali tat"  urtheiien! 
Und  welche  Früchte  der  „Constitution"* bei  diesem  Volke,  das 
solche  Vertreter  in  die  Kammer  schickt! 

Zu  derselben  Zeit  wurde  bekannt,  dass  im  Bezirke  Bakeu 
Judenverfolgungen  stattgefunden.  Die  Regierung  verlegte  sich, 
ganz  eines  Bratiano  würdig,  aufs  Leugnen:  aber  die  Consule 
fast  sämmtlicher  Mächte  Europa's,  der  englische,  österreichische, 
französische,  russische,  griechische  u.  s.  w.,  bestätigten  in  einer 

4 

zu  Jassy  den  15.  April  aufgenommenen  Protokoll,  dass  Juden- 
verfolgungen stattgefunden.  Abermaliges  energisches  Einschreiten 
der  Mächte.  Sir  Francis  Goldsmid  brachte  in  diesen  Tagen  im 
englischen  Unterhause  diese  Angelegenheit  zur  Sprache  und 
wies  nach ,  um  wie  viel  diese  christliche  Herrschaft  der  früheren 
mahomedanischen  nachstehe.  Lord  Stanley  erwiderte,  dass  ihm 
sowohl  das  Leid  der  Juden  wie  die  Schmach ,  die  durch  solche 
Vorgänge  auf  die  Christen  falle,  sehr  nahe  gehe  und  fügte 
hinzu,  dass  er  eine  energische  Note  an  die  rumänische  Regie- 
rung erlassen,  der  er  allein  die  Schuld  zuschreibe:  der  Fürst 
Karl,  so  sei  er  überzeugt,  stehe  diesen  Vorgängen  fern.  —  Diese 
Ueberzeugung  wird  auch  allgemein  getheilt,  nur  klagt  man  von 
mancher  Seite  den  Fürten  der  Schwäche  an:  er  muss  die  Bra- 
tiano, Golesco  und  Gesellen  entlassen  und  darf  vor  den  Folgen 
der  Umtriebe  dieser  Elizun  nicht  bangen. 


160  Monatschronik. 

Pilsen.  In  diesen  Tilgen  wurde  Dr.  H.  Vogelstein  au« 
Lage  in  Lippe-Detmold,  froherer  Hörer  des  Seminars  zu  Bres- 
lau, einstimmig  sunt  Prediger  in  hiesiger  Gemeinde  gewählt. 

Posen,  Den  Sabbat  vor  dem  Passachfeste  wurde  die  hiesige. 
Gemeinde  in  tiefe  Trauer  versetzt.  Der  Rabbiner  M.  Löwen- 
stamm bestieg  die  Kanzel,  doch  mitten  im  Vortrage  stürzte  er 
hin  vom  Schlage  geröhrt  und  gab  sogleich  den  Geist  auf.  Die 
Gemeinde  erleidet  in  ihm  einen  grossen  Verlust:  sein  biederer 
Charakter,  seine  umfassende  Gelehrsamkeit,  seine  unsägliche 
Herzensgüte  hatten  ihm  allgemeine  Liebe  und  Verehrung  er- 
worben: in  ihm  ging  einer  der  würdigsten  und  gelehrtesten 
Rabbiner  zu  Grabe,  sein  Andenken  wird  langein  der  Gemeinde 

fortleben. 

• 

Wien«  Der  Prediger  Herr  Dr,  M.  Gudemann  erhielt  diese 
Tage  ein  Schreiben  von  dem  Culturvorstand  der  jüd.  Gemeinde, 
in  welcher  ihm  unter  Anerkennung  seiner  Amtstätigkeit  mit- 
getheilt  wird,  der  Vorstand  habe  beschlossen,  ihm  eine  Gehalts- 
zulage von  900  Fl.  zu  geben. 


Druckfehler« 


&  44,  Z.  8  stets  ttwhte  ües  tischte.  &  44,  Z.  31  statt  Sjnnenblieke 
lies*  SonnenUicke.  &  44,  Z.  33  statt  Adensate  lies*  Adne  sute.  S, 
49,  Z.  23  lies  als  entblösste.  S,  50,  Z.  11  statt  einiger,  einigen  lies 
ewiger  y  ewigen.    8«  58,  Z.  26  nach  glücklich  ist  ein  Komma  an  setzen. 


Voltaire  und  die  Juden. 

Von  Dr.  Graetz. 


Seitdem  der  sinnvolle  Psalmist  der  Stufengesänge  jenen 

geflügelten  Vers  gedichtet  hat:   „Vielfach  haben  sie  mich 

'-*•  '  von  meiner  Jugend  an  angefeindet,  konnten  mich  aber 

-  -  •~rS  doch  nicht  überwinden",  —  es  sind  mindestens  2300  Jahre 
•-.z~l  *-  her  —  wje  viei  Judenfeinde  sind  seitdem  aufgetaucht,  ohne 
_...*->■  (ja8S  es  ifynen  gelungen  wäre,  ihre  giftigen  Velleitäten  zu 

realisiren!  Wenn  das  Sprichwort  Wahrheit  enthält:  viel 
Feind,  viel  Ehr',  so  gebührte  dem  jüdischen  Volke  viel 
Ehre.  Denn  unstreitig  hat  kein  Volk  auf  Erden  so  viele 
Feinde  und,  fügen  wir  hinzu,  so  wenig  aufrichtige  Freunde 

-  gehabt,  wie  das  jüdische.  Es  liesse  sich  eine  ansehnliche 
Galerie  füllen  mit  Charakterbildern  aus  allen  Zeiten  und 
Zonen  von  dem  Urtypus  des  Judenfeindes  Harn  an  bis 
auf  einige  Mitarbeiter  der  Kreuzzeitung  und  des  Vater- 
landes und  den  rumänischen  Minister  Bratiano.  Das 
grösste  Contingent  hat  Deutschland  geliefert,  ich  meine 

S/äffc      von  systematischen,  ehrlichen  Judenfressern,  welche,  wenn 
0jp*       nicht  den  Untergang,  so  doch  die  Demüthigung  der  Juden 
p>4       als  einen  besonderen  Kitzel  empfanden.    Indess  hat  jede 
-1/0*       Nation,  mit  der  die  Söhne  Israels  in  Berührung  kamen, 
einige  Muster  aufgestellt.    Nur  bei  Wenigen  derselben  ist 
man  im  Stande,  die  Genesis  ihres  Judenhasses  so  zu  ver- 
folgen wie  bei  Voltaire,  dem  gefeiertsten  Schriftsteller  des 
achtzehnten  Jahrhunderts,  der  dieses  Jahrhundert  gewisser- 
massen  nach  einer  Seite  hin  geschaffen   oder   ihm    sein 
Gepräge  aufgedrückt  hat. 

Frank  el,  Monatsschrift.  XVII.  5.  \% 


162  Voltaire  und  die  Juden. 

Ist  es  nicht  eine  beachtenswerte  Erscheinung,  dass 
Voltaire,  dieser  Apostel  der  Humanität  und  der  Toleranz, 
der  zuerst  seine  gewaltige  Stimme  gegen  die  Vorurtheile 
in  jeder  Gestalt  erhoben  hat,  dass  gerade  er  die  gröbsten 
Vorurtheile  gegen  die  Juden  hegte,  sie  verbreitete  und,  wenn 
es  auf  ihn  angekommen  wäre,  eine  Razzia  gegen  sie  aufge- 
stachelt hätte!  Dieses  physiologische  Räthsel  löst  ein  Blick 
in  seinen  inneren  Charakter.  Friedrich  der  Grosse,  der  ihn 
mit  Ehren  und  Aufmerksamkeiten  aufgenommen  und  ihn  dann 
mit  Schimpf  fortgejagt  hat,  kannte  diesen  Apostel  der 
Humanität  recht  gut,  als  er  von  ihm  und  zu  ihm  sagte: 
Jede  seiner  Schriften  verdiente  ein  Denkmal,  und  jede 
seiner  Handlungen  ein  Brandmal.  Gewiss,  die  Natur  hat 
wenige  Erscheinungen  in  die  Welt  gesetzt  wie  Voltaire, 
in  dem  zwischen  Gesinnung  und  Phrase  eine  so  tiefe 
Kluft  lag.  Wenn  der  Witz  gerade  da  herausgefordert 
wird,  wo  das  Erhabene  niedrig  erscheint,  oder  die  Klein- 
lichkeit sich  grossartig  geberdet,  so  bot  gewiss  keiner 
mehr  als  Voltaire  Gelegenheit  für  die  bissigste  Satyre 
und  den  kaustischen  Witz.  Sein  schmutziger  Geiz,  sein 
kleinlicher  Charakter,  seine  kindische  Verbissenheit  stan- 
den in  einem  grellen  Gegensatze  zum  Pomp  seiner  philo- 
sophisch aufgebauschten  Redensarten.  Bei  all'  seiner 
Klugheit  und  Verschmitztheit  verstand  er  doch  nicht,  die 
Blosse  seiner  Charakterlosigkeit  zu  verhüllen,  oder  viel- 
mehr seine  Eitelkeit  hielt  es  nicht  für  nöthig,  sie  zu  ver- 
hüllen. Er  glaubte  eine  exceptionelle  Stellung  einzuneh- 
men und  sich  über  die  hausbackene  Moral  hinwegsetzen 
zu  dürfen. 

So  viel  man  weiss,  kam  Voltaire  zwei  Mal  in  Conflict 
mit  Juden  und  zwar  mit  Geldjuden,  und  weil  er,  wie  er 
behauptete,  von  ihnen  beschwindelt  wurde  oder,  wie  es 
sich  wenigstens  einmal  herausstellte,  weil  er  einen  Solchen 
beschwindelt  hat,  ergoss  sich  seine  Galle  gegen  die  Ge- 
sammtjudenheit,  gegen  die  Juden  der  Gegenwart  und 
Vergangenheit,  begeiferteer  auch  das  jüdische  Alterth  um  mit 
cynischer  Rohheit.  Als  er  wegen  eines  Streites  mit  einem 
Seigneur  aus  Paris  verbannt  worden  war  und  in  London 
lebte,  machte  er,  obwohl  noch  jung  (1726  —  1729)  Geld- 


Voltaire  und  die  Juden.  163 

geschalte  mit  einem  portugiesischen  Juden,  den  er  einmal 
Medi na  und  das  andere  Mal  Acosta  nennt.  Nach 
Voltaire's  Erklärung  habe  er  bei  diesem  jüdischen  Banquier 
auf  einen  Wechsel  von  20,000  Frank  den  grössten  Theil 
dieser  Summe  verloren  $  weil  der  Acceptant  Banquerout 
gemacht  habe.  Er  wäre  gar  nicht  so  sehr  auf  den  Ban- 
queroteur  böse  gewesen,  nachdem  dieser  ihm  erklärt 
habe:  dass  es  nicht  seine  Schuld  sei,  dass  er  vielmehr 
unglücklich  wäre,  dass  er  niemals  ein  Sohn  Belials  ge- 
wesen, dass  er  vielmehr  immer  getrachtet  habe,  als  Sohn 
Gottes,  d.  h.  als  ehrlicher  Mann,  als  guter  Israelit  zu 
leben.  ,.Er  rührte  mich",  so  fährt  Voltaire  in  der  Erzäh- 
lung fort,  „ich  umarmte  ihn,  wir  lobten  Gott  zusammen 
und  ich  verlor  achtzig  Procent".  —  In  dieser  epischen 
Ruhe  erkennt  man  noch  den  Schmerz,  den  der  am  Gold 
hängende  Dichter  über  den  Verlust  empfunden  haben 
muss.  Ob  Alles  so  gemüthlich  zugegangen  ist,  wie  er  es 
darstellte,  und  überhaupt  ob  er  an  einen  Juden  auf  die 
angegebene  Weise  Geld  eingebüsst  hat,  darf  man  Voltaire 
nicht  aufs  Wort  glauben.  Die  Wahrheit  war  nie  seine 
inspirirende  Muse  gewesen.  Er  blieb  stets  ein  Jesuiten- 
zögling. 

Voltaire's  Verlegenheit  und  niedrige  Gesinnung  traten 
ganz  besonders  bei  seinem  Processe  mit  dem  Berliner 
Juden  Abraham  Hirsch  oder  Hirschel  an's  Licht, 
der  damals  eine  cause  celebre  war,  ihm  die  Ungnade  des 
Königs  zugezogen  und  ihn  mit  galliger  Verbissenheit  gegen 
die  Juden  im  Allgemeinen  erfüllt  hat.  Das  Kammerge- 
richt hat  zwar  aus  Schwäche  und  Rücksichtsnahme  auf 
Voltaire's  Berühmtheit  den  jüdischen  Gegner  scheinbar 
verurtheilt;  aber  die  öffentliche  Meinung  und  der  König 
haben  den  Stab  über  Voltaire  gebrochen;  daher  war  seine 
Erbitterung  nur  noch  gesteigerter.  Wiewohl  dieser  Pro- 
cess  im  Allgemeinen  bekannt  ist,  so  ist  er  doch  nicht  in 
seiner  Entstehung,  seinem  Verlaufe  und  seinen  Folgen 
so  klar  auseinandergesetzt  worden,  dass  daraus  die  ganze 
Verworfenheit  Voltaire's  kenntlich  wäre. 

Selten  ist  ein  Dichter  so  glanzvoll  empfangen  worden, 
wie   Voltaire    am    Hofe   Friedrich's    des    Grossen.      Der 

13* 


164  Voltaire  und  die  Juden. 

König,  damals  noch  voll  jugendlichen  Enthusiasmus,  be- 
wanderte dessen  sprudelnden  Witz,  Leichtigkeit  der 
Versification  und  Anmuth  des  Styles,  und  der  Hof,  sowie 
die  gebildeten  Kreise  blickten  mit  einer  Art  Vergötterung 
auf  den  französischen  Schriftsteller,  dem  der  Eroberer 
Schlesiens  seine  Huldigung  darbrachte.  Voltaire  aber,  der 
sich  hinter  dem  Rücken  des  Königs  über  dessen  hol- 
prige französische  Verse  lustig  machte,  gedachte  die 
Huldigung  auszubeuten,  um  politische  Intriguen  mit  den 
auswärtigen  Gesandten  gegen  Preussen  anzuknöpfen  und 
sich  zu  bereichern.  Als  Mittel  zu  seiner  raschen  Berei- 
cherung wollte  er  ein  sächsisches  Papier  benutzen,  das 
damals  35  Procent  unter  Pari  stand.  Friedrich  hatte 
nämlich  im  Dresdner  Frieden  sich  ausbedungen,  dass  dieses 
Papier,  die  Steuerscheine,  den  preussischen  Inhabern 
voll  ausgezahlt  werden  sollte,  dagegen  hatte  er,  um 
die  sächsische  Kasse  vor  Defraudation  zu  schützen,  ein 
Verbot  ergehen  lassen,  dass  kein  Preussischer  Unterthan  fer- 
nerhin diese  Steuerscheine  ankaufen  dürfte.  Auf  seine 
Ausnahme-Stellung  vertrauend,  hoffte  Voltaire  das  könig- 
liche Verbot  übertreten  und  sich  durch  Ankauf  des  Pa- 
pieres,  das  ihm  pari  ausgezahlt  werden  würde,  bereichern 
zu  können.  Zu  diesem  Zwecke  Hess  er  den  Juwelier 
Abraham  Hirschel  zu  sich  kommen  (Nov.  1750),  mit 
dessen  Vater  er  bereits  Geldgeschäfte  gemacht  hatte,  und 
forderte  ihn  auf,  für  ihn  Steuer§cheine  in  Dresden  zu 
kaufen,  und  da  dieser  Bedenken  trug,  das  königliche 
Mandat  zu  übertreten,  versicherte  er  ihm :  „dass  er  klug  ' 
genug  sei,  nichts  ohne  Einwilligung  des  Königs  zu  unter- 
nehmen^ dass  er  ihm,  wenn  er  seinen  Auftrag  gut  aus- 
führen würde,  seinen  Schutz  zuwenden  und  ihm  vom  König 
einen  schmeichelhaftenTitel  verschaffen  würde.  Durch  Vol- 
faire's  Ansehen  beim  König  gedeckt,  glaubte  Hirschel  auf 
dieses  Geschäft  ohne  grosses  Wagniss  eingehen  zu  dürfen. 
Der  philosophischeDefraudateurwar klug  genug,  sichDiaman- 
ten  im  Werth  von  mehr  denn  18,000  Thlr.  als  Sicherheit 
geben  zu  lassen,  für  die  Wechsel  auf  seinen  Namen  aus- 
gestellt, die  er  dem  Juden  zum  Einkauf  der  Steuerscheine 
übergeben  hatte. 


Voltaire  und  die  Juden.  165 

Der  Brotneid,  diese  niedrige  Leidenschaft,  welche  die 
Juden,  ehe  sich  ihnen  die  Schranken  der  Gewerbefreiheit 
öffneten,  gegen  einander  bewaffnete,  führte  alsbald  ein 
Zerwürfniss  zwischen  Voltaire  und  dem  jüdischen  Juwe- 
lier herbei.  Ephraim  Veitel,  zweideutigen  Andenkens 
in  der  Geschichte,  der  Finanzmann  Friedrich  des  Grossen? 
der  nicht  ohne  Wissen  des  Königs  die  Ephraim iten 
prägen  Hess,  später  ein  Wohlthäter  des  redlichen  Hart- 
wig Wessely,  damals  noch  nicht  bei  Hofe  accreditirt, 
beneidete  Abraham  Hirschel  um  dessen  Verbindung  mit 
Voltaire,  wusste  diesem  zu  insinuiren,  dass  er  durch  diesen 
Agenten  keine  Steuerscheine  erlangen  werde,  weil  er  an 
den  Dresdner  Hof  Diamanten  verkaufte,  und  erbot  sich, 
ohne  Profit  und  ohne  Wechsel,  nur  um  die  Gunst  der 
Protection  für  Voltaire  Scheine  zu  besorgen.  Voltaire, 
hocherfreut  über  dieses  Anerbieten,  avisirte  seinem  Ban- 
quier  in  Paris,  seine  dem  jüdischen  Agenten  übergebenen 
Wechsel  nicht  zu  respectiren  und  annullirte  den  Vertrag, 
den  er  abgeschlossen  hatte.  Hirschel  hatte  aber  bereits  die 
Wechsel  bei  einem  Banquier  discontirt  und  gerieth  durch 
den  Protest  gegen  dieselben  in  Misscredit.  Voll  Unwillen 
über  den  Streich,  den  ihm  Voltaire  gespielt,  kehrte  er 
nach  Berlin  zurück,  machte  dem  speculirenden  und  wort- 
brüchigen Philosophen  Vorwürfe  und  drohte  mit  Anzeige 
bei  dem  König.  Diese  Drohung  wirkte,  Voltaire  ging 
auf  einen  Vergleich  ein  und  kaufte  Hirschel  einen  Theil 
der  Diamanten  ab,  welche  dieser  bei  ihm  verpfändet 
hatte,  mit  denen  Voltaire  —  auch  nicht  sehr  gewissenhaft 
—  inzwischen  seine  Brust  geschmückt  hatte*  Vorsichtig 
wie  er  war,  hatte  Voltaire  die  Diamanten  bei  einem  be- 
glaubigten Juwelier  abschätzen  lassen.  Er  liess  sich  auch 
von  dem  Verkäufer  einen  Schein  ausstellen  (19.  Dec), 
dass  er  so  und  so  viel  taxirte  Bijouterie-Stücke  von  ihm 
um  einen  bestimmten  Preis  gekauft  habe. 

Hatte  es  Voltaire  gereut,  dass  er  dem  Agenten  für  die  Steuer- 
scheine einige  Entschädigung  hatte  gewähren  müssen,  oder 
speculirte  er  auf  einen  Gewinn  im  Geschäft  mit  einem  Juden, 
dem  man  im  Falle  eines  Processes  wenig  Glauben  schenken 
und  kaum  dessen  Eid  acceptiren  würde?  Genug,  kurz  nach 


16G  Voltaire  und  die  Juden. 

dem  Abschluss  des  Vertrages  Hess  er  sich  von  demselben 
neue  Diamanten  bringen,  auch  einen  werthvollen  Spiegel 
liefern,  und  erklärte  darauf:  Diese  müssten  den  Aus- 
fall und  den  Verlust  decken,  den  er  durch  Hirschel  beim 
Ankauf  der  ersten  Stücke  erlitten  habe  und  um  so  und- 
so  viel  äbervortheilt  worden  wäre.  Um  sicher  zu  gehen, 
hatte  der  Lehrer  der  Moral  und  Philosophie  einige  werth- 
volle  Juwelen  mit  anderen  minder  werthvollen  vertauscht, 
um  behaupten  zu  können,  sie  hätten  nicht  den  stipulirten 
Werth  gehabt.  Er  hat  sich  also  geradezu  einen  Diebstahl 
erlaubt.  Um  sich  endlich  gegen  die  Entdeckung  zu 
sichern,  dass  er  Steuerscheine  bestellt  hatte,  fälschte  Vol- 
taire das  Schriftstück,  das  er  von  Hirschel  in  Händen 
hatte.  Er  setzte  im  Anfang  hinzu:  Als  Zahlung  von 
3000  Thlr.,  die  ich  schuldig  war  (pour  payment  de 
3000  R.  par  moy  düs)  und  veränderte  das  Wort  taxirt 
(tax6)  in  taxirbar  (taxable).  Ausserdem  zog  er  in  Ge- 
genwart seines  Bedienten  dem  Hirschel  einen  Ring  vom 
Finger,  mit  der  Behauptung,  er  gehöre  ihm  und  sei  ihm  ent- 
wendet worden,  und  misshandelte  Hirschel  noch  obendrein 
auf  brutale  Weise.  Er  durfte  sich  das  Alles  erlauben,  in 
der  Hoffnung,  als  Poet. und  Kamnierherr  des  Königs  un- 
verantwortlich zu  sein,  besonders  da  ihm  Prinzen,  Mar- 
schälle, Staatsminister  und  Herren  vom  ersten  Range 
huldigten,  und  er  sie  mit  Herablassung  behandeln  durfte. 
Sollte  ein  so  tief  unter  ihm  stehender  Jude  es  wagen,  ihn 
zu  belangen?  J 

Indessen  hatte  sich  Voltaire  doch  verrechnet.  Er  hatte 
viele  heimliche  Feinde,  welche  ihm  seine  exceptionelle 
Stellung  zum  König  beneideten,  oder  die  er  durch  sein 
egoistisches,  herzloses  Wesen  verletzt  hatte.  Diese  hetzten 
Hirschel,  so  bald  dessen  Beschwerde  gegen  Voltaire  be- 
kannt worden  war,  dem  Könige  die  ganze  schmutzige 
Geschichte  vorzulegen;  sie  scheinen  ihm  dabei  behülflich 
gewesen  zu  sein.  Friedrich,  den  die  Affaire  anwiderte, 
wies  sie  vor  Gericht  und  Voltaire,  dem  es  nicht  gelungen 
war,  die  Geschichte  niederschlagen  zu  lassen,  beeilte  sich, 
Hirschel  zuvorzukommen  und  als  Kläger  gegen  ihn  auf- 
zutreten (30.  Dec):  dass  dieser  ihm  Wechsel,  welche  er 


Voltaire  und  die  Juden.  167 

ihm  zum  Einkauf  von  Diamanten  und  Pelzwerken 
übergeben  habe,  ohne  den  Auftrag  ausgeführt  zu  haben, 
vorenthalten  und  nicht  zurückgeliefert  habe.  Voltaire 
brachte  überhaupt  so  viel  Unklarheit  in  den  Process  hin- 
ein, dass  die  Richter  selbst  den  Faden  verloren.  Diese 
waren  der  Grosskanzler  Cocceji,  der  Präsident  von 
Jariges  und  der  Geheimrath  Lop  er.  Voltaire  liess  kein 
Mittel  unversucht,  um  die  Richter  für  sich  zu  gewinnen 
oder  sie  mit  dem  Gewichte  seiner  Stellung  einzuschüch- 
tern. In  den  französischen  Akademiker  Maupertuis 
drang  er,  seine  Sache  dem  Präsidenten  Jariges  ans  Herz 
zu  legen,  und  da  dieser  sich  nicht  hineinmischen  mochte, 
wurde  er  ihm  ein  Todfeind.  Dafür  wusste  er  durch  an- 
dere angesehene  Persönlichkeiten  auf  die  Richter  einzu- 
wirken. Ein  unparteiischer,  rechtskundiger  Mann,  der 
Kainmergerichtsrath  Klein,  erklärte  nach  Einsicht  der 
Akten:  dass  dieser  Process  auf  eine  durchaus  un- 
regelmässige Weise  geführt  wurde1).  Wenn  auch 
der  König  strenge  Gerechtigkeit  in  dieser  Sache  geübt 
wissen  wollte,  so  scheint  das  Collegium  doch  darauf  Rück- 
sicht genommen  zu  haben,  den  Günstling  des  Königs  nicht 
als  einen  gemeinen  Betrüger  zu  entlarven.  Voltaire  fuhr 
fort,  alle  Welt  zu  terrorisiren.  Durch  den  Minister  von 
Bismarck  erwirkte  er  gleich  darauf  einen  Verhaftsbefehl 
gegen  Hirschel  (1.  Jan.  1751),  angeblich  weil  dieser  die 
Wechsel  nicht  sofort  ausgeliefert  habe,  was  streng  genom- 
men erst  nach  gelalltem  Urtheil  hätte  geschehen  können. 
Der  Grosskanzler  Cocceji  entschuldigte  sich  später,  dass 
der  Personalarrest  gegen  Hirschel  ohne  sein  Wissen  ver- 
fügt worden  sei;  der  König  selbst  missbilligte  in  hohem 
Grade  diese  Willkür;  nichts  desto  weniger  blieb  der  Betro- 
gene in  Haft,  bis  er  Caution  stellte2).  Diese  Verhaftung 
hatte  aber  die  nächste  Folge,  dass  Hirschel's  Vater  vor 
Schrecken  den  Geist  aufgab. 


l)  Die  Akten  dieses  Processes  sind  zusammengestellt  in  Kleines 
Annalen  der  Gesetzgebung  in  den  preussischen  Staateu  B.  II.  8.  215? 
271.    Das  oben  angeführte  Citat  das.  S.  248. 

■)  Das.  S.  233,  255  fg. 


168  Voltaire  und  die  Juden. 

Dieses  ungerechte  Verfahren,  das  dem  König  durch 
Voltaire's  Feinde  getreu  hinterbracht  wurde,  versetzte  ihn 
so  sehr  in  Zorn,  dass  er  Voltaire  den  Befehl  zugehen 
lassen  wollte,  innerhalb  24  Stunden  das  preussische  Land 
zu  verlassen.  Erst  allmälig  ist  er  von  dieser  Strenge  ab- 
gekommen; aber  der  betrügerische  Dichter  durfte  nicht 
nach  Potsdam  kommen,  sondern  musste  in  Ungnade  in 
Berlin  bis  zum  Austrag  des  Processes  bleiben.  —  Es  ist  be- 
kannt, dass  der  junge  Lessing  damals  von  Voltaire  engagirt 
wurde,  die  von  jenem  für  das  Gericht  ausgearbeiteten  Schrift- 
stücke aus  dem  Französischen  in's  Deutsche  zu  übersetzen. 
Als  armer  Literat  musste  er  damals  einen  Handlanger  für  Vol- 
taire's  Gemeinheiten  abgeben.  —  Unterstützt  wurde  Voltaire 
nur  noch  von  Ephraim  Veitel,  welcher  den  von  ihm  abhängi- 
gen Goldarbeitern  beibrachte,  auszusagen,  die  von  Hirschel 
an  Voltaire  gelieferten  Bijouteriestücke  hätten  nicht  den 
vollen  Werth  —  eine  schlechte  Bundesgenossenschaft! 

Der  Process  machte  damals  grosses  Aufsehen.  Vol- 
taire's  Feinde  dictirten  dem  Angeklagten  Hirschel  ein  Ex- 
pose des  Processes  in  französischer  Sprache  in  die  Feder, 
welches  geeignet  war,  ihn  mit  Schmach  zu  bedecken. 
Der  Abgott  des  Publicums  wurde  seines  Flitters  entkleidet 
und  in  seiner  hässlichen  Blosse  gezeigt.  Die  Einleitung 
—  Factum  als  Prolog  dienend  —  verdient  gelesen  zu 
werden: 

„Billig  denkendes  Publikum!  Ich  bin  Jude  und  der 
„Mann,  gegen  den  ich  plaidire,  ist  ein  Dichter,  Arouet  de 
„Voltaire.  Der  Gegenstand  meines  Processes,  den  ich 
„mir  erlaube  deinem  Urtheil  zu  unterwerfen,  wird  im 
„Stande  sein,  seinen  Character  zu  enthüllen  und  dich  er- 
nennen zu  lassen,  wie  gefährlich  es  ist,  mit  ihm  zu  thun 
„zu  haben.  Ich  werde  nicht  gleich  ihm  das  Publicum 
„durch  ein  Promemoria  zu  verführen  suchen,  das  er  für 
„die  Richter  mit  Lügen  und  Beweismitteln,  den  Thatsachen 
„entgegengesetzt,  ausgefüllt  und  dem  Grosskanzler  über- 
leben hat.  Ich  werde  nicht,  wie  er,  an  alle  Thüren 
„pochen,  um  meine  Sache  persönlich  zu  empfehlen.  Ich 
„kann  nicht  gleich  ihm  einem  Buchhändler  einen  schwar- 
„zen  Anzüge  entlehnen,  um  an  den  Hof  zu  gehen  und 


Voltaire  und  die  Juden.  169 

„mich  den  Prinzen  und  Prinzessinnen  zu  Füssen  zu  werfen, 
„um  ihren  Schutz  anzuflehen.  Es  kann  mir  nicht  einfallen, 
„wie  er,  meinen  Richtern  vorzuschreiben,  was  sie  thun 
„oder  lassen  sollen.  Ich  werde  niemals  wie  er  wagen,  in 
„einem  Schriftstücke  Wörter  auszustreichen  und  ganze  Li- 
„nien  zum  Nachtheil  meines  Gegners  hinzuzufügen*  Endlich 
„werde  ich  auch  nicht  die  Unverschämtheit  haben,  gleich 
„ihm  meine  Richter  der  Unwissenheit  zu  zeihen  und  zu 
„behaupten :  man  müsse  zu  seinen  Gunsten  die  eingeführ- 
ten Gesetze  ändern,  Gesetze,  dazu  bestimmt,  das  Glück 
„der  Gesellschaft  zu  begründen,  den  Kleinen  gegen  den 
„Grossen  und  den  minder  Reichen  gegen  den  in  Ueber- 
„fluss  Lebenden  sicher  zu  stellen.  Nein,  ich  achte  dich, 
„gerechtes  und  hellsehendes  Publicum,  zu  sehr,  als  dass 
„ich  daran  denken  sollte,  dich  zu  täuschen  und  mich  durch 
„Verlogenheit  auszusetzen,  deinen  Unwillen,  deine  Gleich- 
gültigkeit gegen  meine  Streitsache  oder  gar  deine  Ver- 
achtung zu  verdienen.  Ich  bin  Kaufmann;  2000  Thaler 
„können  mich  weder  ruiniren,  noch  mein  Glück  begrün- 
den; dieses  hängt  vielmehr  von  der  guten  oder  schlechten 
„Meinung  ab,  die  du  von  meiner  Geschäftsführung  haben 
„kannst." 

„Ich  schwöre  bei  dem  Allerheiligsten ,  bei  dir  selbst, 
„dass  ich  zu  den  Umständen  nichts  hinzufüge,  und  nichts 
„von  ihnen  abziehe,  welche  Gelegenheit  zur  Klage  gegeben 
„haben,  wozu  ich  mir  die  Freiheit  genommen  habe, 
„sie  Seiner  Majestät  vorzulegen,  bei  dem  Process,  in  den 
„ich  durch  das  unwürdige  Verfahren  des  schmutzigen 
„und  verachtenswerthen  Menschen  und  Dichters  der  Hen- 
„riade  hineingezogen  worden  bin.  Verzeihe  den  von  dem 
„Schmerze  dictirten  Ausdrücken  eines  Sohnes,  dem  die 
„grausame  Rache  Voltaire's  so  eben  das  Theuerste  ent- 
„rissen  hat,  einen  Vater,  der  seine  Kinder  zärtlich  liebte 
„und  von  ihnen  geliebt  wurde,  der  zugleich  ein  guter 
5,Bürger  und  —  ich  darf  es  aussprechen  —  von  allen 
„denen  geachtet  war,  denen  er  bekannt  war.  Ja,  ich  be- 
„weine  diesen  Vater,  den  die  Undankbarkeit,  der  Geiz 
„und  die  erwiesene  Schelmerei  mir  eben  für  immer  ent- 
rissen hat    Die  Bewachung,  die  man  mir  ohne  Wissen 


170  Voltaire  und  die  Juden. 

„des  Grosskanzlers  durch  Voltaire's  Ueberrumpelung  ge- 
geben, hat  meinein  Vater  den  plötzlichen  Tod  zugezo- 
„gen.  Wird  Herr  Voltaire  entartet  genug  sein,  um  ruhig 
„die  Wehklagen  mehrerer  Waisen  anzuhören,  um  ohne 
„Gewissensbisse  die  Thränen  und  die  Verzweiflung  einer 
„ganzen  Familie  zu  sehen ,  das  alleinige  Werk  von 
„Voltaire's  Schwindeleien !  Nochmals  verzeihe,  Publicum, 
„dass  mein  wundes  Herz  mich  vergessen  lässt,  was  ich 
„dir  schulde,  nämlich  lediglich  von  meinem  Processe  zu 
„sprechen,  und  dass  ich  statt  dessen  den  unersetzlichen 
„Verlust  eines  so  guten  Vaters  beweine.  Wer  kann  so 
„stoisch  abgehärtet  sein,  um  die  Thränen  zu  verdammen, 
„die  mir  beim  Niederschreiben  dieses  Processes  aufs 
„Papier  fliessen?u3).  Weiter  setzt  diese  angeblich  aus  Hir- 
schers Feder  geflossene  Schrift  die  Händel  sammt  Voltaire's 
Schurkerei  und  Brutalität  ruhig  auseinander.  Diese  Schrift 
wurde  in  Umlauf  gesetzt,  vielfach  gelesen,  commentirt, 
gelangte  natürlich  auch  in  die  Hand  des  Königs  und 
bereitete  seinen  Feinden  eine  höhnische  Schadenfreude. 
Er.  beklagte  sich  über  die  angeblich  „verläumderische 
Schrift"  beim  König;  aber  dieser  würdigte  ihn  kaum 
einer  Antwort. 

Um  so  mehr  lag  Voltaire  daran,  vom  Gerichte  aus 
wenigstens  Recht  zu  behalten.  Das  gelang  ihm  auch  in- 
sofern, als  das  Collegium  scheinbar  den  verklagten  Hir- 
schel  verurtheilte  (18.  Febr.  1751):     die  Wechsel  heraus- 


B)  Dieses  Factum  servant  de  prologue  und  das  Expose*  da  proces 
wurde  nach  Friedrich's  Tod  unter  seinen  Papieren  zugleich  mit  der 
gegen  Voltaire  gerichteten  satyrischen  Comödic:  Tautale  en  proces 
gefunden  und  als  Schrift  des  Königs  in  den  Oeuvres  posthumes  de 
Fräderic  le  grand  zuerst  1788  in  Basel  gedruckt.  Es  stammt  aber 
schwerlich  vom  König  selbst,  sondern  hatte  wohl  einen  von  Voltaire's 
Feinden  zum  Autor.  Voltaire  beklagte  sich  beim  König:  Pourquoi 
dicta-t-on  ä  Hirsch el  nne  lettre  calomnieuse  adressee  &  votre  MajestcS? 
(Friedrich's  Gcsammtwerke  ed.  Preuss.  T,  XXII  p.  260.)  Dieser  Passus 
kann  sich  wohl  nur  auf  dies  Promemoria  mit  der  Einleitung  beziehen. 
Voltaire  selbst  würde  nicht  die  Unverschämtheit  gehabt  haben,  dem 
Könige  davon  zu  schreiben,  wenn  dieser  selbst  es  in  Circulation  ge- 
setzt haben  sollte! 


Voltaire  und  die  Juden.  171 

zugeben  —  die  eigentlich  Nebensache  waren  —  und  10  Thlr. 
Ordnungsstrafe  zu  zahlen,  weil  er  Anfangs  seine  Hand- 
schrift verläugnet  hatte.  Dagegen  ist  zwischen  den  Zeilen 
des  Urtheils  zu  lesen:  dass  das  Gericht  Voltaire  der 
Fälschung  der  Schriftstücke  und  des  betrügerischen  Ver- 
tausches  einiger  Bijouteriestücke  für  verdächtig  erklärt 
und  wegen  des  ersteren  Punktes  ihm  einen  Reinigungseid 
aufgelegt  hat.  Voltaire  machte  aber  alle  Welt  glauben, 
dass  er  den  Process  gegen  den  Juden  glänzend  gewon- 
nen hat,  und  zeigte  es  auch  dem  König  an.  Dieser  gab 
ihm  aber  auf  eine  unzweideutige  Weise  zu  verstehen, 
dass  er  ihn  durchschaut  hatte:  „Ich  bin  sehr  zufrieden, 
dass  diese  hässliche  Geschichte  zu  Ende  ist",  schrieb  er 
an  Voltaire.  „Ich  hoffe,  dass  Sie  künftighin  keinen  Streit 
mehr  haben  werden,  weder  mit  dem  alten,  noch  mit  dem 
neuen  Testament.  Diese  Arten  von  Händel  brandmarken 
sehr  und  mit  dem  Talent  des  grössten  Geistes  von  Frank- 
reich werden  Sie  die  Schandflecken  nicht  zudecken,  welche 
dieses  Benehmen  ihrem  Rufe  aufgedrückt  hat".  Voltaire 
war  gezwungen,  sich  mit  Hirschel  zu  vergleichen  und 
musste  Geldopfer  bringen. 

Heimlich  schrieb  König  Friedrich  eine  versificirte  sa- 
tyrische Comödie  französisch  über  Voltaire's  Habsucht, 
Geiz  und  Schelmereien  unter  dem  Titel:  Tantalus  im 
Process.  Der  Dichter  Voltaire  figurirt  darin  unter  dem 
Namen  Angoule-Tout,  der  den  Mammon,  seinen 
Genius,  anbetet  und  vor  Aller  Blicken  in  einem  Sack  ver- 
birgt; der  jüdische  Juwelier  heisst  Rabin  et.  Er  wird 
zu  Angoule-Tout  mit  Preciosen  in  Werth  von  18000  Thlr. 
bestellt.  Dieser  nimmt  sie  dafür  an,  giebt  ihm  dafür  einen 
Wechsel,  den  er  aber  unter  der  Hand  mit  einem  falschen 
Scheine  vertauscht.  Von  seinem  Vater  auf  den  Betrug 
aufmerksam  gemacht,  eilt  Rabin  et  zum  Dichter  und  ver- 
langt seine  Diamanten  wieder.    Darauf  Angoule-Tout: 

Wachen,  ergreift  mir  diesen  Diebesmeister, 
Der  unbestraft  des  Königs  Palast  durch  Schelmen- 
streiche besudelt,  er  verdient  eine  Zwangsjacke. 
Werft  ihn  hinaus,  ohne  Schonung  hinaus. 


172  Voltaire  und  die  Juden. 

Rabinet: 
Ja,  ja,  ich  gehe.    Diese  Betrügerei 
Soll  der  Fürst  erfahren. 
Er  ist  gerecht  und  weise  und  wird 
Genugthuung  mir  nicht  versagen. 

Angoule-Tout: 
Wachen,  haltet  ihn  fest,  lasst  ihn  nicht  fort, 
Nehmt  ihm  den  Ring,  der  Schelm  hat 
lim  mir  gestohlen,  ich  schwör's. 

Rabinet: 
Der  Ring  gehört  mir,  lasst  mich  sprechen, 
Seit  sechs  Jahren  trage  ich  ihn  am  Finger, 
Hab'  ihn  in  Prag  gekauft. 

Mag  er  mir  meine  Diamanten  wiedergeben, 

Die  er  verheimlicht,  oder  ich  zeig's  dem  Fürsten  an. 

Angoule-Tout  steckt  darauf  die  Diamanten  in  den  Sack, 
in  den  er  seinen  Genius  Mammon  eingeschlossen  hat. 

Rabinet  beklagt  sich  beim  Richter,  meldet,  dass  sein 
Vater  vor  Gram  gestorben  ist.  Der  Richter  (Abime- 
Louche,  der  Schieler?)  will  die  Sache  im  Auftrage  des 
Fürsten  untersuchen  und  droht  Rabinet: 

Wenn  du  verlierst,  so  gilt's  dein  Leben, 

Einen  Günstling  darf  man  nicht  unbestraft  beschuldigen. 

Beide  Parteien  werden  darauf  vorgeladen.  Angoule- 
Tout  zeigt  die  gekauften  Diamanten,  aber  sie  sind  ver- 
tauscht, die  echten  hatte  er  in  den  Sack  gesteckt.  Der 
Richter  will  den  Sack  untersuchen  lassen,  aber  dagegen 
sträubt  sich  Angoule-Tout.  —  Will  Rabinet  den  Eid  für 
seine  Aussage  leisten,  so  entgegnet  ihm  der  Sachwalter 
des  Dichters:  ,,nein,  nein,  wir  lassen  einen  Juden  nicht 
zum  Eide  zu". 

Wiederholentlich  spricht  Angoule  •  Tout :  „Wie,  ein 
Jude  soll  mir  Händel  machen?  Mich  vor  Gericht  laden, 
mir  gegenüber   treten?"     Darin   lag   die   bodenlose  Ge- 


Voltaire  und  die  Juden.  173 

meinheit  Voltaire's,  dass  er  seine  eximirte  Stellung  und 
die  gedrückte  Lage  der  Juden  nach  dem  damaligen  bar- 
barischen Gesetze  zu  seinem  Vorth'eil  ausbeuten  wollte. 

Das  Stück:  Tantalus  im  Process  hat  als  poetisches 
Product  einen  sehr  geringen  Werth,  aber  als  historische 
Urkunde  ist  es  wichtig,  wie  der  König  Friedrich  Voltaire 
als  gemeinen  Betrüger  und  Fälscher  erkannt  hat.  Der 
Bruch  zwischen  dem  königlichen"  Gönner  und  ihm  datirt 
von  dieser  Zeit  an.  —  Hat  sich  Voltaire  später  an  dem 
König  durch  ein  gemeines  Pamphlet  gerächt,  worin  er 
ihm  die  unfläthigsten  Dinge  aufbürdete,  wie  sollte  er  die 
Juden  verschonen,  von  denen  Einer  Veranlassung  zu  sei- 
ner Schmach  war?  Sich  an  dem  einen  Juden  zu  rächen, 
durch  den  er  gedemüthigt  worden  war,  schien  ihm  zu 
geringfügig;  das  ganze  jüdische  Volk  sollte  dafür  büssen, 
dass  ein  Sohn  desselben  zu  Voltaire's  Entlarvung  beige- 
tragen hatte.  Und  nicht  blos  die  Juden  seiner  Zeit,  son- 
dern die  der  vergangenen  Zeiten,  das  ganze  jüdische  Al- 
terthum  sollte  dafür  gezüchtigt  werden.  Sein  Hass  gegen 
die  Juden  und  das  Judenthum  hatte  dieselbe  Quelle  wie 
sein  Hass  gegen  Friedrich  den  Grossen.  Freilich  durfte 
er  sich  gegen  jene  mehr  erlauben;  sie  waren  schwach 
und  konnten  ihm  nicht  Stillschweigen  auflegen.  Die  bib- 
lische Literatur  schmähte  er  zwar  von  seinem  ungläubigen 
Standpunkte  aus,  als  bequeme  Zielscheibe,  da,  wo  er  das 
Christentum  nicht  erreichen  durfte.  Seine  Beschränkt- 
heit nahm  ihn  ebenfalls  dagegen  ein,  da  er  für  die  he- 
bräische Poesie  eben  so  wenig  Verständniss  hatte,  wie 
für  die  griechischen  Tragiker,  wie  für  Dante  und  Shake- 
speare. Aber  gegen  das  Judenthum  bewaffnete  ihn  noch 
etwas  ganz  Anderes  als  sein  Unglaube,  seine  satyrische 
Laune  und  seine  gewissenlose  Schmähsucht.  Es  war 
verbissener  Ingrimm.  Jede  Persönlichkeit  des  alten  Te- 
staments erinnerte  ihn  an  Juden,  und  bei  Juden  dachte 
er  an  Acosta  in  London  und  Abraham  Hirschel  in  Berlin, 
die  ihn,  wie  er  meinte,  um  Geld  und  Ruf  gebracht  haben. 
Wo  Voltaire  nur  Gelegenheit  hatte,  von  Juden  alter  oder 
neuer  Zeit  zu  schreiben,'  tauchte  er  seine  Feder  in  Galle 
und  bedauerte  es  fast,  dass  er  die  Juden  nur  mit  der 


174  Zur  Geschichte  der  Juden  in  Posen. 

Feder  verfolgen,  konnte.  Am  giftigsten  sind  seine  Artikel 
gegen  die  Juden  gehalten,  die  er  in  das  Dictionnaire  phi- 
losophique  1756  einrückte.  Es  seien  hier  einige  Stellen 
ausgezogen,  welche  einen  jüdischen  Schriftsteller  zur  Ab- 
wehr herausgefordert  haben. 

(Schluss  folgt.) 


Zur  Geschichte  der  Juden  in  Posen. 

Von  Dr.  Berliner. 


Zur  Ergänzung  des  von  Dr.  Perles  in  diesen  Blättern  ver- 
öffentlichten" Materials  (vgl.  Jahrg.  1865  S.  171)  theile  ich  das 
Sendschreiben  der  Gemeinde  zu  Posen  aus  dem  Jahre  1738  mit, 
an  die  Gemeinde  zu  Berlin  gerichtet,  und  den  Aufruf  der  Letz- 
teren zur  Hülfeleistung  für  die  bedrängte  Schwestergemeinde. 
Beide  Schreiben  in  doppeltem  Exemplare  bilden  die  inneren 
Deckelblätter  eines  hebr.  Buches,  das  Herrn  Michel  Levy  in 
Inowraclaw  gehört.  An  mehreren  Stellen  bereits  lädirt,  habe 
ich  den  Text,  so  weit  es  sich  thun  Hess,  durch  eine  gegen- 
seitig sich  ergänzende  Vergleichung  der  beiden  Exemplare  her- 
zustellen gesucht,  die  dennoch  noch  fehlenden  Wörter  aber 
durch  Punkte  bezeichnet. 

vnub  n&vvb  pinya  p"pi>  pne  ?"?  vrbaw  mjw  pnyn 

:aorb  pira 
oa^t«  i»n  pa  ^y  bi  'n  n«  wpai  pis*  «in  wtot  ww 
irittD  rrw  nmaon  rwy  dwto  iw  «i  run  '  wnö*6 
dm  ^nw  in  '  mipa  pa  nm  ua!>  patwai  ww  iaiaö 

•ww  mm  Kipön  nwa 

Vy  pnh  n£r&  ~n"n"Di  o"D"n  im  n*op^  unipi  utnp  "oytt£  -od  pjn 
rwrn  wm  nonn  N"y  rwnpn  lrn^np  rrto  t"di  «ipi  mw  w 
dni  it;  ruow  rpip  wtoip  noin  Gins  an^iy  nw  aipo  iron  tfty 
p  ijti  Ton '  niNDn  rm» '  mtayi  iu  pKn  b  «wo  w  nWa  fcntpa 


Zur  Geschichte  der  Juden  in  Posen.  175 

nopntai  toot  nr«  ano  nta  fe  lnon  nyoi  epjidwi  p  n^»  cnrDwan 
hdd  rfoo  hdd  r&N  UD3D  man  nmi  ufcy  najn  lTjn  itdiddi  mran  nroa 
hp  -133  wn  ipwn  rnWy  dt  infen  prraw  $>Nnt^  Nnvoy  ^n*^  fem 
ton  fiDiwn  nx  oa*  ^nto*»  ^3  fe  utiki  pmo^  yotw  rw^n  nuy 
mWy  ^DJnnh  ^unr6  '  "jtwo  arrop  irc£  ldito  pn  •  ^:  btu3  *jto 
rrosn  ny-in  onatwiD  ^p  onsy  td1»  'n  '  v^d  iDiponi  cmpty 
nnmn  nosy  nS^yoiTO  twi  umy  run  ny  -it^Ni  unjwn  ytp 
nwD3  i3tr  ny3  ton  nn  roji  umy  "oao  napo  nrmm  nroTO 
'  ua  uy  lpw  mjiDJi  rmra  nrom  nny  hdd  iNWDipn  n»  ödb*£ 
tkbo  arm  rmhya-rnW  own  mm  djtn  id^nh  «nn  iroa  orrap  T"3jn 
'n  inj  p  «h  •  rnaam  whvh  mDjp  na^o  onta  cwp  a*uya  «nen 
ümrr^  innfc  Nfe>  npim  Krüitaa  am»  wym  iKwsip  n»  in»  nfe 
Dnrui  ariDJi  jron  '•fe  nsno  ^y  nano  pyn  -iniwi  dd33  Don  n^  hy 
-hwpn  hunm  to  ihnh^  nferaoi  orptf£  rm  ton  pyrn  rvnyn  nrai  fe 

IDT  OKI  1D  1DDD  "031  GM  ilfera  tf£y  ^tOlDt^  HD  Wy  "1331  •  flT 

pw  'nn  rnNUin  •  mS  ym  'oi  pym3  V'n  mro  my  N3^  nw^D-un* 
unono  fei  uro  pn^  am  nfe  "133  td  mn  tdh  wmdh  rw«^  trr  $>n5> 
'  ur™  Tife  -inbo  *&  umn  pn  *fe3  ratra  tddd  uyo  tmp  '•fe 
crano  fe«  n"3in  ny  udtü  itik»  ^y  cwnwn  tro^  nj  btw  nw  nyfeoi 
uruw  iDDt  rww  nnp{>  npira  d^  d^jn  anwun  sin  '■dAip  mrny 
puhwo  my3  naino  nnan  nTpei»  rrrpDDi  nyb  nyo  rwyj  no  yn:  tb 
fem  iyjj  D^on3  ^dtd  rwa  kvi  it  rany  N^n  tt  N3i»  mnoo  ^»n  rmpo 
OTW  ^ip  rnjn  yt^n3  mWy  D^hynon  p  onopj  mpr  'n  irn*n  ^y 
u»j»y  un»j  3"y  *  idnd3  my  ü^irun  o^iDn  njw  TÄon  p  a^pyia 
b^n  «hn  nmji  Dmja  norn  npnu  iJDy  iBfjw  ^n-ib^  ^3  tj»pw  ^k 
üTOttn  D^ni  "i-ny»  l^rw  nx  »nw  inw  'n  *pa  w*  in3i33  it  n3nD3 
rwan  mooi  n^«3  i»j  n^  ^n  *  'dt  '«d^  ^"un  d»  Wvn  pp  a^Dp^ 
D33^  imy^  unw  pfei  3"y  ^ttn  D^oys  uro  up^n  yan^  otd.  ^y 
ffoiDD  man  iw<  nnx  rfaD^o  D"n  mn  ^jd^  üronn  d^^dd  mm  mnen 
uoy  awi^  i^nn  133  dwd  nt^N3i  diddi  rwwa  yrn  spjwn  crjnvi  ottüi 
noi»  (?)  pno  onow  D^nnon^  nüJipoi  nu  jind  rwp  rn^D  D^oyo  noDTia 
Sy  o'^Vi  ^nD"»  nvyon  hn:i  nwn  ayD3  dj  üDy  3^n^  unya  «J 
rn^i-u  mpnm  manp  rwnp  n^np^  non  ravoa  it  wm^a  dtod 


176  Zur  Geschichte  der  Juden  in  Posen. 

rattfo  crom  njw  v*?  nmzb  »öd  q  tw  yvo  uro«  i*ycw  nuap 
■W  wn  ruo  ono  Kai  myo  nyoh  -rj£  upnn  nya  rov6  crwtmn 
•vi  *®y  1  jfcyi  non  um  -mmA  uns  mim  rcum  ^nt  p  n Wn  uia«  nxT 
•racr  na  morA  bv  n^  inen  "ubd  oto  tiöV^  uro  mm  *&  .wo 
ah  von1»  rm  ind'1  ro  ipan  rfaa  ran  hd  fe  tFptwfo  ctotä  hn  na 
n^  vm  u^y  "»nid  r£vu  dt£»  nyio»  nmn  \bn  vh  noipn  V'n  mm 
artob  &mnü\  uams  yimNa  JS&  apru  •  tjdnd  ampon  ornry  id^jt 
dn  onafc»  pi  cran^  iny«  ymr&  tf^y  omom  kj  noa*  «nfo  royora 
a^D  httoon  Tüh  OTnxMD  "ra  "jyDh  '  i^ddi  ufchy  iyD^>  mytb  t6 
nhtyün  nam  nnna  rovoi  nnyn  nrcu  v'Dy  i»b  wraa  ~i»Na  aipyn 
nhin  ra  rr^i  ran  rTOtt£  oa^Day  innpn  nrwn  unx  10  ^n  now 
rnonp  yDnpD  vnT  nöN  £na  Dwani  or»jy  nonoi  d^d»  ^nw  iwdj 
dnt  n»d^  rmt^  or&  mm  $>nt  £ti  nr"  onow  Nato  N^ys^  tidn 
rrtar£  unpro  xai>  unjw  ranp  'n  rur  o^y$>  *A  ■o  tn&  $>n  anw 
rann  mm  :  tffoaA  d£»  dw  vtwid  nw  (d:p)  'n  •  runa  nfcia 
"in  iym  lyo^  utwtdt  nsDa  nnDt^  piDua  hra  uya  üa$>  rofe  ^y  pipn 
p-inDi  nyiier»  i£  'n  mo«n  onn  mWr  hör»  ma  otw  t  fey  o  pirw 
DipDD  -wn  onunuyi  onpnu  am  üaa$>  n^vai  oina  upuk  Dolomo 
»pyi  hu»  ^3  iwä  nDjo  onown  h^n  unan^  Dipo  urw  onima 
hd  oant^N  naiD  •  •  •  •  di^  oa^  rj-ü«  DiDnn  nah  u^  in"1  nv  ^«1 
rix  pwm  •  •  •  •  ia?ni  nyon  fa  dd^i  ind  rann  oaiat^  oa^p^n  aito 
a^mNjn  T'an  npipn  Noaa  i&h  man  •  •  •  m»  •  •  •  ♦  ^  wn  Nan 
p//pD  —  vpnjD  D^Jnn  D^N-I  d^k  nyi^  d^dudi  o^mon  cypjwm 

p"D^  n"än  amo  o  'n  w  ovn  fip  ptio 

dn^i  :  n"o  n^^d  ^oy^  :  pjio  a^  imm  mnio  anra  ppßr  dnj 
dnji  :  Wt  W»  min"»  YiniD  i^pn  njio  p  "otid  my»n 

Wi .  prw  iTa  bo*d  D^itWD 

DDT»Dn  lllOn  "TD  p  pPßP  DN3  :  Wt  felD  1H  lYrQ  pJ  DNJT 

♦  ^'ut  apy» 
trn  iPpn  dnj  :  nffnhn  (sie)  -nwmD  n"n$>3  apy  ^Dpn  dnji 


Zur  Ge^hiph^e  der  ^uden  >u  P/open,  177 

Ythjd,  n"i&  p  *pv  phd  2  Hb  Tijph*  t*rn&a  arftzH  qjo 

ww  yvp  w>  5jy^p  5f jn  p"p  *wa  rrny«  ry^aa  rafap 
:  f  jr»  pimya  p"p  &rws»  ow  t>»,  .twbp  r^npn  wgp- 
^3?  *8»*n:?>  f F  D^nn  B^iDri  pva^  t*?q  tjrnsi 

pÄ-jn  t'9  w*n  fu  9T^  Tfföö  na"ay  «be^n  yw 

:  vir»  ronörn  b"sn 

wwo '  pwp  (sie)  Wip  ynD  Tpo  igryi  w  n  j«n  njrpp 
twnp  Tan  vbn  '  nüjpt  Km  runp  '  nyjrr  p#w  rns  '  ny*np  dtö 
«wd  imrn  rjnn  nroyon  Tyn  '  lyotwi  n5>.t  ynn  «£n  dd^ 
'  nrwnip  npn  crow  '  im^h  um  rrby  wk  rann  -px '  apy\  njjinp  rofon 
nuy  prg  iy  •d  ddkq  isia  -uwe  nrompn  nnpvi  rwwn  '  yüvü  *nn 
n*»DK  pnx  V3  ty  nWy  mui  aan  tonn  düdpo  omuio  pnyi '  dvd: 
ton '  m  iton  pjno  fe  rn  cpte  l?y  Ip*  ^firn  xw  ?&y  i>y  Vpi  yy 
o^ym '  ]«fo  now  b  \©a  nnnptn  rann  jnjnri  fe«ra  nann  -cd 
la^n  mnna  ODDa  '  nny  om  nort  ton  nitp© j  V*n  lyo^  niwi 
SKn  üäföai  '  rtf'ya  fry*^  nH  -*$&  >6  otid  v*£  ^V  obitd  nwinna 
anaa  nwaöa  otwi  iura  oytr1  dp  anp  •o  btoj;  ton  oma  ronn  rmn 
an  niwd  üi>o  ifep  nb  '  rjDD  ddn  ^a  narn  narmy  t«  dn  q:dn  hr\ 
onny  no  am  a"jn  '  V'n  aDDBnD  nw^  Nun  xb)  x®n  a"y  nwamn 
^k  N33  ^m  '  ro:  ny  n-o  wa  o  i^yvirn  mno  vshn  by  -mxb 
u^nfvip  fflö  FTiüb  i>^  «pyro  '  mtynji  wp  nny  d^vök  np^en  -iddh 
wan  w^yai '  npwi  ^y  •»■nt^y^  oya  ü^aunon  ai»  "niy^  y'anaa  mark 
1  q'nat^  jtp  vv\ '  r\T*\  rm$>  rgv  ßTOöJP  wan  "itw<  n«  J3^dd  p 
nno  üi?öO  «nnn  unna  yp)n  ott«  fo  '  hion  p£>  ^na  >np  kivibi 
onw  'n  ^  riwn  .k^  ^  oma»  *n  nniyi>  D^i^n  iDtp  '  u»o  nyio 
o^i #.  npn^  miön  oar-than  oa^N  n^  icften  xm  '  aar?  r^ttn 
'  "imKn  n^a  ^n  powi  fe  otti  '  onenpn  nvojan  ^naa  iD^n  nunj 
TV  ^nrp  yh  üh  ptc  üfü*  ini^n  to  mhw  oa^yo  omp  ntt^K  ipsi 
iido^  njn  jyc^  orw  Erroötf  Dipoa  i«aT  ^npn  n^  w  '  Nfeyia 

F  r  a n  k  e  1,  M onatasehria  XVII.  6.  14 


178      Erklärung -zweier  der  Mischnajot,  Ediot  1,  5  und  6. 

rp2  nnu  bw  *fo  -onä  "üw&üo  fon  t  mnn  xb) '  p:  bx  myon 
ny  nnn  mo«  rftntM  *  itfiDDa  mso  TayivSn  £  arm  '  nteafc  rnriK 
an«  *)w  .  vn  o^po  pro  fam  vw  -my  hsn  tpon  fan  ■prrp  .16 
rranpn  cmyn  fc* '  myi  rmrra  mjrotf  n  ijidd  onr£n  man  +2  um 
'  twdi  pm  ah  ai>  x5>a  -mj£  '  nxo  uap]  inte  oao  mpimm  aybx 
jfah'*vsp  "dwi  '  ntero-  finn  ny  n5>  '  -iYne*  annty  v'a.  otw  -nmai 
wai  aanra  :  mon  -dd#D3  ito*'  k*:i*nrßA-  idk*  pv'*i  ton* 
i"d  d*t:ui  crwp*  min-  nwih  mthnn  YdH-"'  'rrim-  'bicw  yrih 
i>y  crwan  V-ü  swnn  o^ann-o^ran  hriwon  w  rpniD  fsr»  urtoip 

ywA  di  npnua  anaiD  ^n  ty  Dinnn 

•  öNöBna^no  yh  ro  dnj    ~ '  :  rt"D  BNütnatan  iwbtp  itopn 
" :  ifina  bts*b  dn j  ' :  W?  wfo  yb  mtry*  Yino  n"n$>  p  wo  ibpn  " 
•.DBn^D  huru  dxj  :  jtodnpid  ^d  tri  vi  *a« 

:"  *poy  ibhf  oto  :  tDNtDttna^nö  wid  i^pn 

:*^n  DiTok 

(Soe^t?)  ütPiT  TND 

:*"w  ru*iDm  untapn  na"tPN-i  nd^d  ^tid  ppri 
•  N"y  pha  p"p  no  f"oi  pn  pvi  ^nw  -ryan  . 

fpWi  D*rov  rraa  p^o^  n"sn  W>n  man  wn"  pha  p^p  r©  ddtj 


Erklärung  zweier  der  Mischnajot  Ediot  I,  5  und  6. 


xb*  robri  p*n  bwri' ,  panttn  pa  tviti  nai  p^a»  nto^i  n 
^iöw.  Yn\i  nan-  n«  Yä  nfcn^  am  ,  ^mr]  nana  ■ 
brn  vm  ny  rran  Ya  nan  teab  i?ia^  Ya  p«ty  ,  rhst  - 
paöa  »6  ^a«  naana  t»o  ^ru  t».#  pasai  r»ana  t»ö    . 

'Di  teal?  ^  u^ .. . 

panan  pa  TPPn  nan  prom  p»^  p  dm  m.m  "1  tok  "i 
nana  '^  nöto  #  ^aip»  w  na  an«n  lötr  d«v  n^a^ 


Erklärung  zweier  der  Mischnajot  Ediot  I,  5  und  6.        179 

Diese  für  Geschichte  und  Verständniss  der  Mischna  wichti- 
gen Mischnajot  bieten  jede  fiir  sich  und  in  ihrem  Zusammen- 
hange, in  welchen  sie  durch  das  D"K  des  R.  Jehuda  offenbar 
gebracht  sind,  Schwierigkeiten,  welche  durch  die  Commentato- 
ren  nur  noch  vermehrt  scheinen. 

Maimuni  erklärt:  Warum  ist  die  Einzelmeinung  neben 
der  der  Majorität  erwähnt,  da  ja  doch  die  letztere  nur  als 
Norm  gilt?  Damit,  wenn  ein  Gerichtshof  einst  dieser  Einzel- 
meinung folgen  sollte,  ein  späterer  nicht  von  derselben  abgehen 
darf,  es  sei  denn,  dass  er  grösser  als  diese  an  Weisheit  und 
Anzahl  u.  s.  w.  Darauf  fragt  R.  Jehuda:  Warum  sind  denn 
aber  diejenigen  Einzelmeinungen  erwähnt,  die  in  der  Mischna 
bereits  -  ausdrücklich  widerlegt  GTPOn1)  und  nach  welchen  sich 
also  kein  Gerichtshof  mehr  richten  wird?  und  antwortet:  Da- 
mit, wenn  Jemand  etwa  von  seinem  Lehrer  diese  Einzelmei- 
nung in  dem  Glauben  empfangen,  dass  keine  Majorität  ihr  ge- 
genüberstehe, und  dann  findet,  dass  die  Praxis  damit  nicht 
übereinstimmt,  er  aus  der  Mischna  erfahre,  dass  seine  Tradition 
die  beseitigte  und  widerlegte  Meinung  eines  Einzelnen  sei. 

Es  sprechen  also  nach  dieser  Erklärung  die  beiden  Misch- 
najot von  zwei  verschiedenen  Arten  der  Einzelmeinung,  die 
erstere  von  solchen,  die  ohne  Widerlegung,  neben  die  der 
Mehrheit  gestellt  sind,  die  letztere  hingegen  von  solchen,  die 
bereits  in  der  Mischna  ihre  Widerlegung  erfahren«  Abgesehen 
davon ,  dass  in  der  Mischna  keinerlei  Andeutung  für  diese 
Distinction  spricht  uod  1DDH  JÖ  "1DH  1p^>  ist  ja  jede  Einzel- 
meinung neben  einer  Majorität  eo  ipso  widerlegt,  da  ja  einmal 
feststeht  D^lVl  ,|,,OT3  rOÄI«  Da  ferner  auch  derjenige  Ge- 
richtshof, der  gegen  die  frühere  Praxis  die  Einzelmeinung  zur 
Norm  erheben  will,  bedeutender  sein  muss  als  derjenige,  von 
dessen  Beschlüssen  er  abgeben  will,  so  bedarf  es  ja  nicht  der 
Erwähnung  der  Einzelmeinung,  um  ihn  dazu  zu  befähigen,  und 
endlich  sieht  man  nicht  ein,  warum  nach  der  Erklärung  Mai- 
muni's  der  Grund  des  R.  Jehuda  nicht  auch  für  die  erste  Mischna 
genügt. 


*)  Durch  diese  Erklärung  des  ÜTPUn  fällt  der  Einwand  des  R.  Lipp- 
man  Heller  z.  St  gegen  Malm.  weg. 

14* 


180       Erklärung  zweier  der  Mischnajot  Ediot  I,  5  und  6. 

Rabed  nimmt  die  Worte  aus  der  Tosifta  zu  Hülfe:  T^^ 
OVbV  BOT  «W  CTl^y  und  erklärt:  Warum  ist  die  Einsei- 
meinung neben  der  Ansicht  der  Majorität  erwähnt,  da  ja  die 
Norm  der  letzteren  folgt?  Damit  ein  Gerichtshof  zur  Zeit 
der  Noth  auf  dieselbe  sich  stützen  könne,  was  nicht  der  Fall 
gewesen  wäre,  wenn  diese  Meinung  nicht  einen  Platz  in  der 
Mischna  gefunden  hätte,  da  ein  Gerichtshof  die  Beschlüsse  des 
andern  selbst  zur  Zeit  der  Noth,  wenn  er  nicht  bedeutender 
ist  als  der  andere  nur  dann  umstossen  kann,  wenn  er  an  ihre 
Stelle  die  gegen  dieselben  geltend  gemachte  oppositionelle  Mei- 
nung zu  setzen  hat.  R.  Jehuda  aber  gibt  einen  andern  Grund 
für  die  Erwähnung  der  Einzelmeinung  an  und  sein  D"#  bezieht 
sich  auf  das  in  Mischna  5  erwähnte  niTO  *6*  roin  pKI  bWl 
pailpÜ*  Da  ja  die  Norm  nach  der  Majorität  sich  richtet« 
warum  ist  die  Meinung  des  Einzelnen  erwähnt?  Damit  wen« 
Jemand  diese  von  seinem  Lehrer  empfangen,  er  aus  der  Misehaa 
ersehe,  dass  sie  nicht  die  massgebende  ist. 

Es  würde  also  auch  Rabed  die  Regel  *D1  b&b  bw  Y2  pK 
die  Ausnahme  erleiden,  dass  zur  Zeit  der  Noth  dies  wohl  ge- 
schehen kann,  wenn  die  abweichende  Meinung  des  betreffenden 
T'Ü  bereits  als  abweichende  Meinung  in  der  Mischna  mitge- 
theilt  ist.  Allein  auch  hiergegen  muss  geltend  gemacht  werden 
IDDil  p  *lDn  1pny>  da  in  der  Mischna  kein  Anhaltspunkt  dafür 
sich  findet.  Die  Hauptschwierigkeit  aber  bietet  nach  der  Er- 
klärung Rabed's  das  3"N  des  Rabbi  Jehuda,  da  seine  Aeusse- 
rung  ja  nicht  auf  den  Grund  der  vorhergehenden  Mischna 
sich  bezieht,  sondern  vielmehr  gegen  denselben  polemisirt, 
weshalb  dieselbe  auch  mit  zu  Mischna  5  hätte  gehören  müssen 
und  zwar  in  der  Form  :  'Dl  DIN  TDK*  ütW  TÖW  HTTP  "1 
wie  dies  gewöhnlich  bei  divergirenden  Meinungen  der  Fall  ist. 

R.  Obadja  di  Bartenoro  folgt  Maim.  und  R.  Jomtob  Heller 
beschränkt  sich  auf  die  Kritik  Beider. 

Alle  Schwierigkeiten  sind  jedoch  gehoben,  wenn  man  die  Worte 
der  Mischna  5:  T>bv  "pÖEF  TWl  nai  DH  T3  HKT  CtW  noch 
zur  Frage  nimmt  und  folgendermassen  erklärt:  Warum  ist 
die  Meinung  des  Einzelnen  neben  der  der  Majorität  erwähnt, 
da  ja  die  Norm  nach  der  Majorität  sich  richtet,  ein  Gerichts- 
hof aber,  der  die  Einzclmeinung  in  der  Mischna  vorfindet,  auf 


Erklärung  zweier  der  Mischnajot  Ediot  I,  5  und  6.        181 

diese  sieh  stützet*  könnte?  Antwort:  Das  ist  nicht  zu  befürch- 
ten» da  ja  ein  Gerichtshof  nur  dann  die  Beschlösse  eines  andern 
umstossen  kann,  wenn  er  an  Weissheit  und  Anzahl  ihm  über- 
legen ist,  was  aber  nicht  vorkommen  wird,  denn  CMTOKTi  DK 
'Dl  ÜK  WQtihto  \D3l).  Darauf  fragt  R.  Jehüda:  Wenn  dem 
so  ist)  dann  ist  ja  die  Eiazelmeinang  ganz!  unnütz  mitgetheilt 
rp&2/?  und  antwortet.'  Wenn  Jemand  sie  als  Tradition  sollte 
Erhalten  haben,  wird  man  ihn  bedeuten:  Du  hast  die  Meinung 
eines  Einzelnen  gebort! 

Dr.  B. 


Nachwort  des  Herausgebers. 


Die  vorgedachten  zwei  Mischnajot  sind  in  alter  und  neuer 
Zeit  vielfach  besprochen  worden.  Das  eigentlich  Schwierige 
liegt  in  den  Worten  p  CK  Mischnas,  und  diese  Schwierigkeit 
fand  noeh  nicht  jhre  Lösung.  Ein  genaues  Eingehen  auf  die 
Redaction  der  Mischna  dürfte  eine  einfache  Lösung  bringen. 

Die  Redaction  der  Mischna  wurde,  wie  bekannt,  von 
R.  Akiba  begonnen,  von  R.  Meir  fortgesetzt,  von  R,  Jehuda 
Hanasi  vollendet.  Aber  auch  durch  R.  Jehuda  Hanasi  war  sie 
noch  nicht  ganz  abgeschlossen;  seine  älteren  Schüler  machten 
Zusätze  zu  dem  Werke  ihres  Lehrers,  die  sie  der  Mischna 
einverleibten.  (Vergl.  Ausführliches  Fraokel  Hodegetik  zur 
Mischna  J.  215  f.)«  —  Eine  solche  Zusatzmischna  ist  Mischna 
6  und  sie  bezieht  sich  wie  Mischna  6  zu  Mischna  4. 

Mischna  4  wurde  die  Frage  aufgeworfen  ^*OT  VQtt  DÄTI 
rbuib  &TI  '»KÖtt?  Und  es  wurde  geantwortet:  rvnrb  Kl£h 
'DI  0WM1.  Hieran  knüpft  nun  Mischna  5  die  fernere  Frage: 
pÄHön  P  TW»  nn  pDIO  ."ftfo?  Mischna  4  hat  Aufschluss 


*)  Daher  die  nftchdrucksvölle  Wiederholung  in  der  Mischna:  (Jeher- 
trifft  er  ihn  an  Weisheit  und  nicht  an  Zahl,  an  Zahl  und  nicht  an 
Weisheit,  kann  er  nicht  aofheben,  bis  er  ihm  in  Beiden  überlegen  ist, 
um  die  Unmöglichkeit  de»  Falles  klar  zu  machen*    Yefjgb  ü"Vl  ♦ 


182  Analekten. 

gegeben  feil  ^KÖttf  11D1  H3W  Hob;  aber  warum  auch  ausser 
7XXI  Wfcttf,  warum  sogar  fOntSI  pa  TiTi"!  n31?  Und  es  wird 
geantwortet  131  H«T  GKW. 

Miscbna  6  schliesst  als  spaterer  Zusatz  an  Misebna  4  an: 
es  werden  die  Worte  des  mirP  tm\  wiedergegeben,  fax.  .ebea- 
falls  an  die  Miscbna  4  anknöpfte  und  dieselbe  Frage  wie  (die 
von  ihm  nicht  gekannte)  Miscbna  5,  nur  in  etwas  veränderten 
Worten  tfxsb  •  •  •  •  p  OK)  aufwarf,  wenn  f&r  Jfcffi  '«BW 
die  Antwort  TOT?  gegeben  wird,  warum  diesem  gemäss  *H31 
'131  TTPP1?     Und    er    beantwortet    sie   >:«  "]3  CttC!  "ÄP  CNtf 

Die  Differenz  zwischen  der  Beantwortung  der  Mischna  5 
und  Mischna  6  ergibt  sich,  folgen  wir  mit  einiger  Modifikation 
der  Erklärung  Rabed's,  in  folgender  Weise.  Nach  Mischna  5  kann 
ein  späterer  Gerichtshof  von  dem  früheren  Gerichtshofe  ab- 
weichen, wenn  dieser  schon  zu  seiner  Zeit,  und  sei  es  auch 
nur  von  einem  Einzelnen  Widerspruch  gefunden  hat1).  Die 
Meinung  des  Einzelnen  wird  also  angeführt,  um  vielleicht  einst 
einen  Anhalt  zu  bieten.  —  Mischna  6  ergibt  das  gerade  Ge- 
gentheil:  die -Meinung  des  Einzelnen  wird  angeführt,  um  Spä- 
teren, die  etwa  auf  diese  Meinung  verfallen  könnten,  zu  er- 
kennen zu  geben,  sie  sei  schon,  in  früherer  Zeit  aufgetaucht 
und  sei  verworfen  worden. 


Analekten. 


1.  Geschichtliches. 

a.    R.   E  1  i  a  k  i  m    in  S  p  e  i  e  r. 

Im  6.  Band  der  Geschichte  Seite'  78  erwähnt  Dr.  Grätz  neben 
den  drei  bekannten  Lehrern  Raschids  noch  einen  vierten  Lehrer, 
den  R.  Eliakim  in  Speyer.  Von  den  in  der  hierauf  bezüglichen 
Anmerkung  bezeichneten  Citaten  ist  es  aber  nur  die  eine  Stelle, 


x)  Den  Rabed  veranlasste  zu  seinem  Zusatz  plTTPI  nytP3,  weil  es 
gewöhnlich  heisst  pmn  nj»Q  xtyt  TlDD^  Vlbü  KlTl  nNTD,  allein  an  den 
Stellen,  wo  dieses  Kifl  'HD  vorkommt  (Vgl.  Berachot  7a  Glosse),  spricht 
nur  ein  späterer  einzelner  Autor,  nicht  ein  Gerichtshof  \f\  tm 


Aaalekten;  183 

nämlioh  Pardes  49»,  in  der  R.  Eliakim  in  Speyer  genannt  wird, 
jedoch  ohne  dort  in  irgend  einer  Beziehung  mit  Raschi  zu  ste- 
hen. Dass  R.  Eliakitn  nicht  der  Lehrer,  wohl  aber  ein  Studien- 
genosse Raschi's  war,  geht  aus  dem  historischen  Responsutn  des 
R.  Salomo  Lotria  No.  29  hervor;  es  ist  dasselbe  auch  in  dem 
oben  angeführten  Bande  S.  395  abgedruckt  und  lautet  dort,  die 
betreffende  Stelle  (Absatz,  6)  W^  DJf  fep  vfon  D^K  "l  DJ1„ 
"(?)  DmD  'HO  ttn^D  (?)  pl  TOWfiD.  Die  Fragezeichen  finden 
ihre  Erledigung  durch  Asulai  crfwUH  ÜXÜ  s;  v,  i]£n  D^p^K  WOTV 
wo  es  heisst  TlöhnnD  D^lTD  rBDTN  UFVD1  *  Von  diesen  Tal- 
mud-Commentarien  citirt  der  Verfasser  des  Or  sarua  den  Com- 
mentar  zu  Menachoth  mehrere  Male  im  Abschnitte  über  p^DH 
und  den  zu  Arachin  im  2.  Theile  S.,  106;  der  zu  Joma  ist  im 
Codex  München  No.  216  von  Bl.  120  an  enthalten,  trägt  die 
Ueberschrift  {flfl  Q^p^M  ,m\b  &DV  TODÖ  ttTPD  und  beginnt  mit 
den  Worten:    WÜWö    OTW   OTÄ   ^O   iT»   Dlip   QW   njDW 

«in  vnnn  nna  ]ro  )b  p^pnw  •  kiö»  moa  pime  •  in^ö 

.  Eine  Erklärung  zu  Nasir  49  wird  auf  den  Namen  des  R.  E 1  i  a  - 
kirn  iin- angeblichen  Raschi  zu  Nasir  43b  citirt.  '  Der  liturgischen 
Anordnungen-  unseres-  R.  öiakim  wird  im  Pardes  42  a*  44c  und 
48  a  erwähnt;  der  im  Parde$  20a  und  20 d  genannte  '*)  p-JH  iTlftD 
D^bx  -Hiid-QW^K  "1  H11Ö  im  Mainz,  -auch-  im  Or  sarua  Theil  I 
S.  106  und  Theil  II  173  und  im  Mordechai  zu  Moed  Katan 
S.-300c  erwähnt  dürfte  wohl  mit  R.  Eliakim  ben  Josef  in  Mainz 
—  dem  Lehrer  und  Schwiegervater  des  Rab'n  (s.  dessen  Zofnat 
Paneach  §  10)  — identisch  sein,.  Der  Vater  unseres •  R.  Eiiassim 
des-  Zeitgenossen  Raschrs  und  Schwiegervaters  des  R.  Isaac  b. 
Ascher  halevy  ia  Speyer  (vgl*  Salomo  Loria  in  dem  erwähnten 
Responsum),  war  R.  Meschullam  halevyj  wie  Dr.  Zunz  in  dessen 
„zur  Geschichte  und  Litteratur"  S.  31  angibt  und  zwar  nach 
einer  von  H.  J<  Michael  erhaltenen  Notiz ,  wie  mir  der  Verfasser 
auf- meine  Anfrage  mitgetheilt  hat. — 

b.   Ä.  Samuel  ben  Meier. 
Die  in  der  Antwort  des  R.  Tarn  an  R.  Elieser  ben  Nathan 
in  Mainz  (s.  Rab'n  S.  148b)  vorkommenden  Worte: 

w*  DKpa-  o  no .  vam  bwow  vom  rvon  w  nmro» 

"D»r6  nw  b*rw>  n»r"W 


184  Altalekien.-  •• 

glaubt  Dr.  Wie***  in  der  öebr;  Bibltogrtfpfeie  des  tit.  Stein* 
Schneider  Band  VI  3,  llfr  so  Verstehen  zu  dürfen?  dass  R.  Sa> 
müel  befi  Meier  znr  Zeit  m  eiber  CrknlnaJ-ÜntersuchtJug  sieh 
befunden  hübe  —  QKpQ  soll  das  lateiiiisehe  ifl  cMs  oder  du» 
italienische  in  easo  sein  ■«.  demrtacb  die  Bitte  ,•  dttss  der  Hort 
Israels  des  in  einen  Crfminälfäll  Verwickelten  feuin  Leben  ge- 
denken und  ihn  aus  der  Gefahr  erretten  möge*  gerechtfertigt 
w&re.  Dr.  Wiener  wßnScht  nurf  Näheres  zu  bissen  öbei^  den 
Unfall,  von  welchem  R.  Samuel  befreiten  Wofde  und  um  dessen 
willen  die  Familie  des  R*  Meiler  In  banger  Sorge  lebte;  — 

Vergleichen  wir  aber  die  ganze  Stelle  im  j*DfcO  mit  dem 
Sefer  haja schar  des  It.  Tarn  S.  72  bf  so  werden  wir  mit  der 
Herstellung  der  richtigen  Leseart  zugleich  das  richtige  Ver- 
standniss  derselben  erzielen  und  hierdurch  auch  die  Ünhaltbar- 
keit  der  Conjectur  des  Dr.  Wiener  erfahren.  Nach  gegenseiti- 
ger Vergleich ung  lautet  die  Stelle  richtig: 

TD  ETI  TW  MTW  (*m  S.  h.  falsch  TOVm)  1ö3  pWtt  *3  & 
inn  Ö«a  S«f«r  bajaäebar  falsch  TWftf  "iSSrCl)  CM  "W  "TOfl 

tä*  p*  (RaVn  falsch  in«  mn  m  v/t-imr)  jm«  npfotot 
tot*  rtftrr^  fl^jinatb  pr«r  '•*  shrt  *w  nwr»  mtw  WTipn 

Ü^^Pin  Ht  ntotö  («H«  beiden  letzten  Wörter  fehlen  bei 
fiab'n)  QifclrT»  "1 TWTI  tf  m  R*t>'ä  riJOto  EMS}  Ö*Tn  (fehlt 
im  S<  h.)  HW  M  *)K  torw*  tob  (httT  «fehlt  bei  fcab'n)  *& 

wäm  <im  s.  h.  falsch  jfiea)  -nrtot  tftn  an  ntt  tof 
Qißf»3iy  otik  ^te  jun  tfi  awk  (im  6*  h.  onwrt  yete) 
dwi  towj  «to  W&  *6#  a«  »Äb'ii  om  o»)  *w  nö 

(ini  8.  h,  NTW)  *&  *]Ki  OTDMK  fÄl  O^ptfc  OTOn 
WH3N  (die  drei  letzten  Wörter  fehlet!  im  &  h.)  I^W  *BÖ 
•frlt  mp>  ffl*W  (!ft  VfflJ  WM  *BÖ  im  &  h  falsch)  <oä« 
CPHN  Jöp  apjn  (im  Rab'n  fafebh  rtttfy  ^W)  «913  W  iatD 
ET1K  liya  'O  (im  Rab'n  falsch  flpit  «fön  *3  und  das  An* 
dere  bis  nmifl  fehlt)  yajf  p  fl«  OT©  pw  *1  Sin 

OTrora  nnjn  wo  thö  .wra  gtbw  onan  T>m  (lies 
Ävmniä)  ran  uw  w  f1*  n  («<*  ty»  uay)  y^y  -nro 


•>  Aöhhllöh  kla^t  R.  Tarn  im  ßef er  hajasebar  S.  81  c  U 1^  Sty  lnh 
^W  WPI. 


%  Analektgn.  185 

tiia  Rab'n  frfy  hrrtrrtj  wan  ,*Tjbi  (fe>  öi  h.  f*is«Miöh 

twnD  üapa  rs  r©  twt  imiöW-  ("«»  s.  h.  taps)  w» 
D»nb  u-opp  !*tw*  tbi  *iöv  (**«  B*b'n  falschlich  nw 

Wir  sehen  nunmehr,  dass  der  Schlusssatz  Qvyrb  ülDP  — 
wie  es  auch  im  Rab'n  heissen  muss  —  nicht  die  leiseste  An- 
deutung auf  einen  Unfall  des  Raschbam  enthält,  nichts  anderes 
ais  eine  Phrase  ist,  die  in  ähnlichen  Wendungen  in  den  Gut- 
achten des  R.  Tarn  am  Schlüsse  eines  jeden  Bescheides  häufig 
wiederkehrt.  Dass  aber  bei  "Töiy  UBH  DNDD  O»  a&  einen 
Ortsnamen  gedacht  werden  muss  —  gemäss  der  dort  in  der 
Hebr.  Bibliographie  im  Namen  des  Dr.  Zunz  gegebenen  Mit- 
theilung ist  nach  pfcO  ms.  Qttp2  zu  lesen  und  mit  Gaen  zu  über- 
setzen —  geht  aus  einer  anderen  Stelle  im  Sefer  hajaschar  her- 
vor (§  595),  wo  von  Jemandem,  der  sich  in  Auxerre  befunden 
hat,  mit  den  Worten  berichtet  wird  lölj;  Jvft  miH^Kü  ^3. 
Ebenso  erwähnt  £L  'tarn  bei  einer  anderen  Gelegenheit  die  Ab- 
wesenheit des  R.  Samuel  in  ähnlicher  Weise  (Kerem  Chemed 
VII  S.  45  aus  ms.  DWWTI  nDlOTI) :  '    ' 

um  ,  uro  Tpmön  irwm  >  thrh  vja  rwrv  *w*o„ 

wahrscheinlich  zu  feiner  tlftbbfaer  »Versammlung  während  der 
Messzeit  in  Troyes,  wie  H  aus  MordeChai  Oittin  §  455  S.  203  a 
EHTÄ)  pW  bvj  WöM  vermtttbet  Werden  könnte.  Solche  Syno- 
den zur  Messzeit  finden  wir  später  auch  in  Polen,  vgl.  hierüber 
Dr.  Perles  in  seiner  Geschichte  der  Juden  in  Posen  S.  365. 

Ör.  Berliner. 


a^MMH 


2.    Zur  Geschichte  der  jüdischen  Aerste. 

iForteeteungi) 

Jüdische  Aerzte  in  Amsterdam. 

Wir  fibergehen  hier  die  bekannten  jüdischen  Aerzte  Amster- 
dams» wvlohe  zum  TbeÜ  einer  früheren  Zeit  angehören  und  be- 
reits  mehr  oder  Weniger  ausführlich  behandelt  wurden.  Wie 


186  Analekten. 

Abraham  Zacuto,  Joseph  Bunno,  u,  A^-und  wenden  uns   den 
weniger  bekannten  oder  bis.  jetzt  wo  hl-  völlig  unbekannten  zu: 

Isaak  Semacb  Abaab  

dichtete  ein  lateinisches  Gratulationsschreiben  an  Benedict  de 
Castro,  das  der Monomachia  des  Besungenen  vorgedruckt  ist1); 
Isaaks  Bruder, 

Daniel  Semach  Aboab, 
verheirathete  sich  1668  mit  Rebecca  Jacob  Lopez  und  war  Arzt 
an  der  „Temine  Derech". 

Abraham  Gomez  de  Sosa  (Sossa), 
Vater  des  Isfiak  und  Benito  (Baruch)  Gomez  de  Sosa*),  war 
Leibarzt  des  Infanten  Ferdinand,  eines  Sohnes  Philipp  III.  von 
Spanien,  welcher  gegen  1632  zum  Gouverneur  der  Niederlande 
ernannt  wurde.  Abraham  Gomez  de  Sosa  starb  August  1667, 
seine  Ruhestatte  schmückt  folgende  Grabschrift: 

rü)U  PÜTO!  QTDK  KM  WM 

Monumentum 

Clarissimi  Viri  Abraham 

Gomez  de  Sossa  Fer 

Dihandi  Principis  Hispaniärüm 

Pro  Rege  Belgii  Gubernatoris 

Medici  qui  ex  hae  meliorem 

Vitam  Immigravit  XXI  Rosho 

Des  Elul  Quod  Patris  Sui 

amantissimi 

Plae 
MeMorlae  Ponem  DUM 

Cü  ra  Vit  DIC  a  VItq 

FL  ens  LI  bens  qua 

IshaC  GoMez  Sossa1). 


")  Monatsschrift  IX,  96. 

■)  ßepharditrf,  292. 

■)  Diese  so  wie  die  folgende  Grabschrift  wurden  von  Herrn  D.  H. 
de  Castro  in  Amsterdam,  =  die  er  dem  N.  Isr.  Wenkblad  2.  Jahrg. 
No.  44,  die  zweite  erst  jüngst  22.  März  1868  auf  einem  besonderen 
Blatte  —  nritgetheili.  Herr  de  Castro  hat  sich  der  ebenso  schwierigen 
als  verdienstvollen  Arbeit  unterzogen,  die  Chrahschriften  des  Onder- 
kerker  Friedhofs  bei  Amsterdam  zn  entziffern  und  zu  sammeln.  - 


Analekten.  187 

Drei  Monate  froher  als  Abraham  Goraez  -de  Sossa  verschied 

Jacob  Morenu, 

ein  vielgesuchter   Arzt  Amsterdams,     Die  ihm  gesetzte   Grab- 
schrift lautet: 

<   # 

Jahacob  Morenu  Doctor  Medicus  —  Arb  (or  flumo  c)  ondita 

decus  emico. 

irw  ne  Q"n  ym  mfth 

«te  im?  bj  mm  v 

wi  wa!?  gh  pnsn  ddwö 

Isacidis  Jaceo  Froles  Generosa  Medela  M 
Aetera  qjuae  tuleram  cordibus  arbor  humO 
HAlo  decus  radiosq  licet  sub  mamore  claudaR 
Condita  nam  caelis  emico  clara  eaquE 
.  Obtulit  arbor  humo  decus  ipsaq  condita  in  EdeN 
Bis  lex  vitaque  lux  emico  mente  man  U4). 

S. 

De  clarissimo  Varao 
Temente  de  Deus  o  Dor 
Jahacob  Morenu  que'partio 
Desta  para  melhor  vida 
Em  29  d.  Sivan  Ao  5427. 

In  Amsterdam  wirkten  ferner  als  A  erste' 

Abraham  Froys, 

ein  Schüler  des   vor   1693  verstorbenen  Abraham  Keynosa, 
mit  dem  Arzt 

Ar,a.ham  Gutierrez,  . 

Mitglied  der  Academie  de  los  Floridos,  und  erster  Art  der  An- 
stalt Maskil  el  Del,  an  der  mit  ihm  zugleich  als  Aerzte  wirkten 

Aron  Mendes  Henriques, 


*)  Diese  lat  Grabschrift  ist  wahrscheinlich  ebenso  wie  die  vorigen 
von  dem  „famoso  Boeta  latinö"  Isaac  Gomez  de  Sossa  veriasst. 


188  Recensionen  und  Anzeigen. 

Salomon  de  Rocanori, 
Sohn  des  bekannten 

Isaäk  de  Rocamora, 
und  Moses  Orobio  de  Castro, 

4 

Sohn  des  berühmten 

Orobio  de  Castro. 

Kayserling. 


Recensionen  und  Anzeigen. 


Stimmen  vom  Jordan  und  Euphrat  von  Dr.  Michael 
Sachs.  Erster  Band,  mit  Beitragen  von  Moritz  Veit. 
Zweite  Auflage.  —  Zweiter  Band ,  herausgegeben  von  Prof. 
Dr.  M.  Lazarus.  Berlin,  Louis  Gerschel,  Verlagshand- 
lung.   1868. 

Das  in  dieser  Monatsschrift  (Jahrg.  1853  S.  113  ff.)  bereits 
besprochene  Buch  liegt  in  zweiter  Ausgabe  vor.  Der  Wunsch 
des  verewigten  Verfassers  am  Schlüsse  seines  Vorworts :  „Möge 
dem  Büchlein  Gunst  und  Liebe  entgegenkommen!"  —  hat  die 
wohlverdiente  Erfüllung  gefunden.  Schon  seit  einigen  Jahren 
war  dasselbe  gänzlich  vergriffen,  ungeaohtet  der  sehr  starken 
ersten  Auflage ,  auf  welche  seine  aussergewöhnliche  Verbreitung 
schon  schliessen  lässt.  Die  vorliegende  Ausgabe  ist  aber  nicht 
lediglich  eine  Wiederholung  der  früheren.  „Noch  unendlich 
viel  mehr",  heisst  es  in  jenem  Vorwort,  ,»als  hier  geboten  wird, 
darf,  wenn  neben  dem  herrschenden  Golddurste,  dem  mit  dem 
Fluche  des  Midas  behafteten,  ein  Durst  nach  dem  edlen  Erze, 
das  in  jenen  reichen  Geistesschach ten  vergraben  liegt,  sich 
regen  sollte,  dem  redlichen  Sucher  verheissen  werden".  —  Den 
Beweis  für  die  Wahrheit  dieser  Verheissung  hat  der  Verfasser 
selbst  an  seinem  Theile  thatsächlich  geführt,  indem  er  die  in 
vorliegender  Ausgabe  den  älteren  Arbeiten  angereihten  Stücke 
verfasste,  welche  hier  zum  ersten  Male  dem  Drucke  übergeben 


Rezensionen  und  Anzeiget*.  180 

worden  sind.  Da  nun  die  erste  Ausgabe  in  dieser  Monatsschrift 
eingebend  besprochen  worden  ist,  so  werden  wir  uns  mit  dem 
Hinweis  auf  das  Neue  begnügen,  welches  die  gegenwärtige 
uns  gebracht  hat.  — 

Wir  finden  zwar  keinen  Grund,  weshalb  der  Verewigte 
Etwas  von  dem  jetzt  erst  erscheinenden  Theile  hätte  zurück- 
halten mögen,  glauben  aber  doch,,  dass  der  geehrte  Heraus- 
geber auf  irgend  eine  Weise  die  Stücke  und  Partien  hätte 
kenntlich  machen  sollen,  die  er,  und  nicht  der  Verfasser,  an 
die  Oeffentlichkeit  gebracht  hat.  Eine  Vergleiehung  der  ersten 
mit  der  vorliegenden  Ausgabe  zeigt,  dass  in  letzterer  als  neu 
hinzugekommen  sind: 

1)  Sprüche,  Nr.  154—214  (Bd.  I  S,  241—255); 

2)  „Macht  und  Recht"  (das.  S.  256  f.); 

3)  Sagen  aus  dem  Leben  Abrahams  (Bd.  II  S.  1—56); 

4)  Stücke  verschiedenen  Inhalts  (das.  S.  189  —  244); 

5)  Wieder*»  Sprüche  (das.  S.  245—247); 

6)  Anspielungen  auf  das  Hohelied  StlomQ's  (das.  £♦ 
249-292); 

7)  Anmerkungen  und  Quellenangaben  zu  den  neuen 
Stücken  des  zweiten  Bandes,  eingereiht  unter  die  den 
Verfassers  in  der  ersten  Ausgabe  (Bd.  II  &  293.  300—301). 

Wir  haben  alle  Ursache,  diese  hinzugekommenen  Stücke 
mit  Freuden  zu  begrüssen.  Sie  schliessen  sich  würdig  den 
älteren  an  und  bezeugen,  gleich  jenen,  den  feinen- Takt,  die 
reiche  Begabung,  die  fromme  und  edle  Sinnesart  des  leider  zu 
früh  Heimgegangenen  Verfassers«  Vermöge  einer  gewissen  Con- 
genialität  war  es  ihm  vergönnt,  die  poetischen  Momente  in  den 
agadischen  Ueberlieferangen  unserer  Alten  mit  sicherem  Blicke 
zu  erkennen,  geistvoll  auszufuhren  und  in  wunderbar  zutreffen- 
dem Ton  und  Ausdruck  .darzustellen,  ohne  dem  nahe  liegenden 
Fehler  anheimzufallen,  der  freilich  nur  einem  in  wissenschaft- 
licher Zucht  und  Einsicht  minder  bewährten  Bearbeiter  wider- 
fahren konnte,  —  den  Fehler,  Eignes  unberechtigter  Weise 
hineinzutragen  und  den  Alten  eine  ihnen  wirkäieh  fremde  An- 
schauung oder   Empfindung   anzudichten.     Allerdings  bat  der 


190  Recensionen  und  Anzeigen. 

Verewigte,  seiner  Erklärung  im  Vorworte  getreu,  zumeist  das 
kurz  Angedeutete  weiter  ausgeführt  und  bisweilen  dem  in  be- 
stimmtem Zusammenbange  auftretenden  Gedanken  eine  allge- 
meine Fassung,  die  derselbe  beanspruchen  durfte,  gegeben; 
allerdings  bat  er  —  was  auch  ganz  in  der  Ordnung  ist  —  aus 
der  reichen  Fülle  der  Stoffe  mit  Vorliebe  solche  ausgewählt, 
welche  ihn  am  meisten  ansprachen,  in  denen  er  seine  eigene 
Anschauung  und  Erfahrung  Vertreten  oder  eine  Frage  der  Ge- 
genwart wie  durch  ein  Schlaglicht  erhellet  sah;  allein  gerade 
er  hat  es  gewusst  und  durch  die  Art  seiner  Bearbeitung  erwie- 
sen, dass  die  bleibende  Gültigkeit  alter  Aussprüche  und  Ansich- 
ten vorzugsweise  in  der  Macht  ihrer  unveränderlichen  Wahrheit 
liegt,  die  durch  getreue  Darstellung  am  stärksten  hervortritt. 
Auch  hat  der  Verfasser  keinen  Anstand  genommen,  namentlich 
in  den  erzählenden  Stücken  auch  solche  zu  geben,  welche  eben 
die  Eigenthümlichkeit  ihrer  Zeit  im  Unterschiede  von  der  Sitte 
und  dem  Gefühl  der  Gegenwart  darzuthun  geeignet  sind'. 

Aus  der  grossen  Menge  des  Schonen  und  Ansprechenden 
wollen  wir  besonders  hinweisen  auf  die  neuen  Stücke:  „Abraham 
im  feurigen  Ofenu  (Bd.  II  S.  18  ff.);  „Maseh  und  EUah'«  (S. 
190-192);  „Noth  auf  allen  Seiten"  (S,  202);  die  Legenden  „Choniu 
(S.  208—212),  „Choni,  der  Schläfer"  (S.  213—215),  „Rabbi  M6ir" 
(S.  219),  „Mar  Ukba"  ^S.  226  £.);  dann  „Die  zehn  Lieder"  (S. 
251—254)  und  unter  den  „Anspielungen  auf  das  Hohelied"  Nr. 
3,  6,  7,  9,  10,  13,  16,  20,  21,  24,  26,  28,  30.  — 

Von  diesen  „Anspielungen",  welche  als  neue  Gattung  in 
dieser  Ausgabe  auftreten ,  dürften  einige  Proben  nicht  unwill- 
kommen sein: 

Wie  Oel  ergossen  dein  Name. 

Abraham,  daheim  verschlossen 
In  der  Heimath  stillen  Fluren, 
Er  nur  war  vom  Glanz  umflossen, 
Er  nur  sah  der  Wahrheit  Spuren: 
Wie  in  zierlichen  Krystall 
Oel,  balsamisches,  gegossen, 
Das.  in  einer  Ecke  stehet, 
Ungekannt  und  ungenossen. 


Rezensionen  und  Anzeigen.  191 

Von  der  duftigen  Phiole 

Nioirii  den  Kork ,  der  sie  geschlossen,  • 

Trag'  sie  durch  die  weiten  Hallen; 

Und  der  Duft  strömt  frei  ergossen, 

Labt  dich  selbst  mit  süssem  Hauche, 

Labet  würzig  die  Genossen: 

So  zieht  Abraham  hinaus 

In  die  Weiten  unverdrossen, 

Und  was  er  in  Geistestiefen        •        » 

Barg  daheim, 'so  tief  verschlossen  • 

Ist  im  hellen  Sonnenscheine  -     •       - 

Auf  zur  Blüth'  und  Frucht  geschossen,  ' 

Seiner  Göttesliebe  Saatkorn 

Ist  das  Heil  der  Welt  entsprossen, 

Und  den  Balsam,  den  er  einscbloss, 

Ist  in  würz'gem  Hauch  ergossen: 


Schwarz  bin  ich1),  doch 'lieblich,  ihr  Töchter  Jerusalems. 

Getrübt  und  dunkel  in  des  Lebens  Drang, 

Im  Dienst  des  Werkeltags  die  Woche  läng; 

Doch  hold  und  schön,  wenn  in  der  Sabbathweihe 

Der  Arbeit  Last  abwirft  die  Sorgenfreie. 

Getrübt  und  dunkel  in  des  Jahres  Dauer, 

Wenn  Schuld  und  Fehl  die  SeeF  umhüllt  mit  Trauer; 

Doch  hold  und  lieblich ,  wenn,  des  Ew'gen  Huld 

Am  Sühnetage  tilget  Sund  und  Schuld.  , 

Getrübt  und  dunkel  hier  im  Erdenleben, 

Doch  schön  und  lieblich  dort  im  höhern  Leben.. 


Du  bist  schon,  meine  Traute! 

Schön  und  lieb  du1)  mir  erscheinst 
In  der  Pracht,  die  du  vereinst. 
Du  bist  voll  Holdseligkeit, 


^  Israel. 
*)  Israel. 


19?  jtesensionen  und  Anzeigen. 

Wenn  dich  Gottes  Lehre  weiht» 
Wenn  sein  Wort  stete  mit  dir  schreitet, 
Dein  Gebot  dich  stets  hegleitet. 
Schön  und  hold,  wenn  scheue  du  bangst, 
Sündeufurcjitig,  voller  Angst, 
Wo  Verbot  dir  zog  die  Schranke, 
Dass  dein  Schritt  picht  gleitend  wanke. 
Schön  und  hold,  wepp  fest  und  fertig 
Du  des  Rufs  dyr  Pflicht  gew$rt& 
Wendest  deines  Streben*  Sinn 
Auf  das  dir  Gebptne  hin» 
Treu  es  wahrend,  fromm  es  liegend 
Und  mit  Lust  und  Eifer  pflegend. 
Schön  und  hpld  in  edtem  ftctafen 
Milder  Meto  olm'  JSrftchlftföiÄ.. 
Schön  und  hold»  apenfl  auf  d$r  JTJu? 
Das  Gesetz  dir  zog  die  Schnur, 
Wenn  von  dem,  was  Gott  dir  gab, 

Gern  du  gieM  4*s  Pw*e  a.W 

Giebst  mit  willigem  Erbarmen 
Hier  den  Weisen,  Wittwen,  Armen, 
Dort  dem  Priester  deine  Spenden 
Dar  du  reichst  mit  milden  Händen. 
Hold  und  schön,  wenn  dein  Gewand, 
Hold  und  schön,  wenn  Haupt  und  Hand 
Heil'ge  Zeichen  an  sich  tragt» 
Deinen  Gott  in's  Herz  Dir  prägt* 
Schön  und  lieblich  in  der  Treue, 
Schön  und  lieblich  in  der  Reue, 
Wenn,  wo  du  dich  hast  vergangen, 
Hin  zu  Gott  drängt  dein  Verlangen. 
Schön  und  lieblich  schon  hienieden, 
Schöner  noch  im  Himmelsfrieden. 


Recensionen  und  Anzeigen.  193 

Die  Stimme  meines  Freundes,  der  anklopft: 
Thu'  mir  auf,  meine  Schwester,  meine  Traute! 

Es  klopft  der  Freund*).    Lass  ihn  nicht  draussen  stehn! 

Um  Einlass  bittet  er.    0  hör'  ihn  flehn! 

„O  Schwester",  ruft  er,  „öffne  mir  die  Pforte". 

0  säume  nicht  und  thu'  nach  seinem  Worte! 

Thu*  auf  dein  Herz,  thu'  auf  der  Seele  Thor, 

Geh'  ihm  entgegen,  freudig  tritt  hervor! 

Ein  Plätzchen  nur  begehrt  er,  noch  so  klein, 

Auch  in  die  kleinste  Stätte  zieht  er  ein. 

Gönn'  ihm  nur  Raum!    Hast  du  ihm  aufgethan, 

Hast  du  begonnen  erst,  auf  ihn  zu  lauschen, 

Dann  werden  Pforten  hoch  und  weit  aufrauschen; 

Es  öffnen  dann  sich  mächt'ge  Flügelthüren, 

Die  dich  zu  ihm,  in  seine  Nähe  führen. 


Lege  mich  wie  einen  Siegelring  an  dein  Herz4). 

O  lass  mich  wie  den  Siegelring 
An  deinem  Herzen  hangen! 
Lass  mich  den  Segen,  den  du  einst 
Verheissen  hast,  empfangen! 
Was  du  im  Herzen  hast  gehegt, 
Das  lass  zur  That  gelangen! 

Als  dort  sie6)  sprachen:    Ich  will  thun 

Und  hören!  —  voll  Verlangen, 

Als  solch'  Gelöbnisse  der  Treu' 

Sich  ihrem  Mund  entrangen, 

Da  sie  Gehorsam  schon  gelobt, 

Eh'  noch  sein  Spruch  ergangen, 

Sprach  Gott  zum  Tod:  „Horch  auf  das  Wort, 


■)  Bild  für  Gott    Israel  wird  angeredet. 
*)  Worte  Israels  an  Gott. 
*)  Das  Volk  Israel  am  Sinai. 


15 


194  Rezensionen  und  Anteilen. 

Zu  dem  sie  iiuf  sich  schwangen! 

DVum,  ob  ich  dich  zum  Schergen  auch 

Bestellt,  der  allem  Prangen 

Und  aller  Macht  ein  Ziel  sich  darf 

Zu  setzen  unterfangen,  — 

An  diese  Schaar  soll  deine  Macht, 

Dein  Todgeschoss  nicht  langen! 

Die  Tafeln  haben  sie  von  mir 

Als  Freibrief  jetzt  empfangen*): 

Freiheit  vom  Tode  künden  sie,  — 

Sie  soll  dein  Netz  nicht  fangen; 

Den  lichten  Blick  in's  lichte  Reich 

Liess  ich  sie  jetzt  erlangen. 

Freiheit  vom  Erdenjoche  sei 

Das  Recht,  das  sie  errangen. 

Dass,  wie  auch  Feindesmacht  sie  druckt, 

Sie  fest  an  mir  stets  hangen, 

Und  sich  im  Glauben  fühlen  frei, 

Wenn  Ketten  sie  umschlangen. 

Im  schwersten  Leid,  im  tiefsten  Weh, 

Das  fest  sie  hält  umfangen* 

Sei  ihnen  noch  die  Seele  licht,  — 

Weil  sie's  von  mir  empfangen". 

Dies  Wort  —  o  mocht'  erfüllt  es  sein7) 

An  mir,  wie  es  ergangen! 

O  bringe  mich  in  deine  Näh'! 

Mich  zieht's  zu  Dir  mit  Bangen, 

O  lass  mich  wie  den  Siegelring 

An  deinem  Halse  hangen! 


Der  Liebesdienst,  den  Herr  Prof.  Dr.  M.  Lazarus  durch 
die  Herausgabe,  und  dessen  Bruder  Herr  Rabbiner  Dr.  L.  La- 
zarus   in   Prenzlau    durch   die   Quellenangabe    zu    den    neuen 


•)  Anspielung  auf  das  den  Alten  geläufige  Wort:  H1*in  ^pFl  ^K 

nmn  üb*  (Perek  Kitij.  Thora,  2). 
*)  Wiederum  Worte  Israels. 


Recensiouen  und  Anzeigen,  195 

Stuckes  deiH  Bliebe  erwiesen  haben ,  verdien^  Dank  und  .Aner- 
kennung. Daran  soll  Nichts?  gemindert,  werden  durch  einige 
Bemerkungen,  welche,  sich  hinsichtlich  der  Einrichtung  dieser 
neuen  Ausgabe  wohl  jedem  näher  Zuseheaden  aufdrängen  wer- 
den.. Die  zahlreichen  Besitzer  der  früheren  Ausgabe  und  Ver- 
ehrer des  verklärten  Verfassers  hätten  es  gewiss  lieber  gesehen, 
wenn  die  vielen  neuen  Zuthaten  in  einem  besonderen  zweiten 
Bande  erschienen  wären;  nicht  Alle  sind  im  Stande  und  n,ur 
Wenige  werden  sich  entschliesseu,,  die  ganze  jetzige  Ausgabe 
wegen,  ihrer  Vermehrung  anzuschaffen.  Die  den  Herausgeber 
bestimmende,  Ungleichheit  solcher  zweier  Bände  scheint  uns  in> 
Vergleich  zu  jener  Rucksicht,,  die  auc|i  de*  Pietät  gegen.,  den 
Verewigten  entsprochen,  hätte,  kein  hinreichender  Grund  für 
die  nun  beliebte  Verbindung  des  Alten  und  (?eue$  in  beiden 
Bänden  zu  sein.  Hat  nun  aber  das,  äussere  Gleicbmass,  hierfür 
entschieden,  sjo  begreift  man  nicht,  warum  doch  wiederum  Zu- 
sammengehöriges getrennt  und  Verschiedenartiges  vereinigt 
worden  ist.  Mit  Beibehaltung  der  Rubriken,  wie  sie  in  der 
ersten  Ausgabe  allerdings,  ganz  am  Orte  waren:  „Sagen  und 
Erzählungen",  ^Betrachtungen,  Parabeln  und  Hymnen",  „Ge- 
danken und  Spruche"  —  werden  hier  die  neue«  Stucke,  welche 
ja  allen  drei  Gattungen  .augehören»  im  zweiten,  Bande  an  die 
alteren  Stuck6  der  einen  Rubrik ;  „Betrachtungen,  Parabeln  und 
Hymnen"  ohne  Scheidung  angereiht^  Dessen  ungeachtet  werden 
neue  „Spruche"  nicht  zu  denen  des-  zweiten  Bandes  (S.  245  bis 
247)  hinzugefügt,  sondern,  zu  den  älteren  des  ersten  Bandes. 
—  Wäre  der  erste  Band  auf  die  „ßagen  und  Erzählungen"  be- 
schränkt worden,  indem  die  zum  Gebiete  der  Sage  gehörigen 
neuen  Stücke  des  zweiten.  Bandes,  wie  „Haman's  Erhöhung", 
„Chani"  u.  s.  w.*  $owie  die.  „Sagen  aus  dem  Leben  Abrahams" 
damit  vereinigt  wurden,,  so,  hätte  der  erste  Band  fast  genau 
denselben  Umfang  wie  jetzt  gehabt  und  der  zweite  Band  hätte 
gleichfalls;  nur  Zusammengehöriges  vereinigt.  Die  bei  dem  vor- 
liegenden Verfahret*  vermutlich  beabsichtigte  Symmetrie  des 
Titelblatts  und  Vorworts  in  den  zwei  Bänden  konnte  nicht, 
massgebend  sein ;  denn  auch  jetzt  musste  der  Herausgeber  auf 
dem  Titel  des  ersten  Bandes,  gleichfalls  genannt  werden,  zumal 
da,  wie.  bemerkt,  eine  Menge  neuer  Sprüche,  darin  mitgetheilt 
werden  und  die  hier  unterlassene  Quellenangabe*  begründet  in 


196  Recensionen  und  Anzeigen. 

der  Menge  nnd  Kürze  der  Stücke,  ihn  daran  nicht  hindern 
konnte.  Der  in  der  rabbinischen  Literatur  heimische  Rabbiner 
Dr.  L.  Lazarus  würde  aber  den  Dank  angehender  Theologen 
für  seine  trefflichen  Nachweisungen  sicherlich  noch  erhöht  ha- 
ben, wenn  er  dieselben  zu  den  genannten  Sprüchen,  soweit  sie 
sich  ihm  bequem  darboten,  ebenfalls  mitgetheilt  hätte.  Den  An- 
spruch auf  eine  Vollständigkeit,  die  nur  durch  Errathen  oder 
zeitraubendes  Suchen  mitunter  zu  erzielen  war,  durfte  auch 
dann  kein  billig  Denkender  an  ihn  stellen. 

Zum  Schlüsse  können  wir  nicht  umhin,  Über  das  schön  ge- 
schriebene Vorwort  des  Herausgebers  einige  Bemerkungen  aus- 
zusprechen. Ton  und  Inhalt  bekunden  zur  Genüge,  dass  der 
Mann,  der  es  geschrieben,  ein  liebendes  Herz  für  den  Verfasser 
sich  bewahrt  hat.  Sollte  es  ihm  entgangen  sein,  dass  all'  die 
glänzenden  Verbrämungen  die  Flecken  schlecht  verhüllen,  die 
er  an  dem  Bilde  des  entrückten  Freundes  in  jenem  Vorworte 
aufzuweisen  sich  beeifert?  Was  bewog,  was  nöthigte  ihn,  das 
Wort  so  zweideutigen  Lobes,  das  für  den  denkenden  Leser  dem 
härtesten  Tadel  gleich  kommt,  dem  Werke  anzuheften,  welches 
an  seiner  Hand  den  Weg  in  die  Oeffentlichkeit  zum  zweiten 
Male  nehmen  sollte?  —  Wofern  aber  ihn  ein  wissenschaftliches 
oder  persönliches  Interesse  dazu  drängte,  der  Welt  darzulegen, 
wie  er  das  geistige  Wesen  des  Mannes  aufgefasst  oder  wie  sich 
seine  eigenen  Ansichten  zu  denen  des  Freundes  verhielten,  — 
nun,  so  konnte  er,  wie  wir  glauben,  jeden  Ort  eher  wählen, 
als  den  Eingang  des  Buches,  das  seiner  liebenden  Sorgfalt  an- 
vertraut war  und  das  gegen  den  Namen  seines  Verfassers  kein 
nachtheiliges  Wort  bringen  durfte.  Auch  nicht  fremden  Tadel 
darf  das  Kind  gegen  den  Vater  im  Munde  fuhren.  — 

Wäre  nur  das,  was  hier  dem  Verewigten  nachgesagt  wird, 
gerechtfertigt  —  wir  würden  weiter  darüber  nicht  sprechen 
Aber  wer  an  Sachs  mehr  gesehen  und  erlebt  hat,  als  was  im 
geselligen  Verkehr  zur  Darstellung  gelangt;  wer  nicht  ab  und 
zu,  sondern  unausgesetzt  sein  Denken  und  Wollen  und  Empfin- 
den, sein  Reden  und  sein  Thun;  wer  seine  Studien,  seine 
Geistesarbeit,  sein  Ringen  nach  Klarheit,  sein  blitzartig  zutref- 
fendes Urtheil,  seinen  die  innersten  Tiefen  des  Herzens  mit 
wohlthuender  oder  unbarmherziger  Klarheit  biossiegenden 
Scharfblick  zu  erkennen  Gelegenheit    gefunden,  —  der  kann 


Recensionen  und  Anzeigen.  197 

jener  Behauptung  nicht  zustimmen ,  dass  das  Wesen  dieses  seh 
tenen  Mannes  in  die  zwei  Bezeichnungen  „geniale  Persönlich- 
keit" und  „poetische  Natur"  sich  einbannen  und  einschränken 
lasse,  wenn  vollends  daraus  hergeleitet  wird,  er  habe  Alles 
„im  Nebel"  gesehen,  habe  „für  viele  Dinge  kein  Verständniss" 
gehabt,  sei  eigentlich  nur  aus  Opposition  ein  Anhänger  des 
überlieferten  Judenthums  gewesen.  Wäre  es  nöthig,  so  könnten 
wir  gegen  die  im  Vorwort  dargelegte  Auffassung  einen  Gewährs- 
mann anfuhren,  den  Herr  Prof.  Lazarus  gelten  lassen  muss, 
nämlich  —  ihn  selbst.  Er  selbst  hat  am  2.  Februar  1862  vor 
mehr  als  200  Berliner  Gemeindegliedern,  welche  eine  Familien- 
feier des  Verewigten  festlich  beging,  ein  „Zeugniss"  abgelegt, 
welches,  unserer  Erinnerung  zufolge ,  dem  vorliegenden  schnür* 
stracks  entgegenlief.  Da  wurde  es  Sachs  zum  Verdienste  an- 
gerechnet, dass  er  der  „Negation",  die  jetzt  so  unbedingt  „im 
Rechte"  sein  soll,  entgegengetreten  und  in  seiner  Person  mo- 
derne Bildung  und  Wissenschaft  mit  den  Gedanken  und  Formen 
der  jüdischen  Religion  harmonisch  und  mustergültig  zu  vereini- 
gen gewusst,  gleich  all'  den  hervorragenden  Männern  unserer 
Vergangenheit,  die  zu  ihrer  Zeit  der  eindringenden  hellenischen 
und  arabischen  Cuitur  gegenüber  die  von  Vielen  aufgegebene 
Eigentümlichkeit  jüdischer  Denkungsart  und  Sitte  siegreich 
behauptet  und  für  die  Zukunft  gerettet  haben.  —  Voll  Achtung 
vor  dem  Charakter  des  Herrn  Prof.  Lazarus  bezweifeln  wir 
nicht  einen  Augenblick,  dass  seine  für  uns  unvereinbaren  Aeusse- 
rungen  jedesmal  seine  ehrliehe,  unverfälschte  Ansicht  dargethan. 
Es  ist  also  eine  entschiedene  Wandlung  in  seinen  religiösen 
Ansichten  und  Sympathien  zu  Stande  gekommen.  Hiernach 
aber  wolle  der  geehrte  Mann  uns  nicht  verargen,  wenn  wir 
unser  lebhaftes  Bedauern  darüber  aussprechen,  dass  er,  von 
der  gegenwärtigen  Strömung  in  der  Berliner  jüdischen  Welt 
selbst  ergriffen,  die  dieser  gerade  entsprechenden  Gesichtspunkte 
bei  seinem  Urtheile  über  Bedeutung  und  Stellung  eines  Sachs 
im  neuern  Judenthum  festgehalten.  — 

Die  Verlagshandlung  hat  die  schöne  Ausstattung  der  ersten 
Auflage  sich  mit  Recht  zum  Muster  genommen  und  dadurch 
ihrerseits  dem  Buche  eine  freundliche  Aufnahme  vermittelt. 


196  Monatschronik. 


Maiutsehranik, 


Berlin.  Eine  Deputation,  deren  Sprecher  Herr  Banquicr 
Heymann  war,  suchte  bei  Ihrer  Majestät  der  Königin  um  eine 
Audienz  nach,  um  derselben  für  die  dem  Comhe'  zur  Unter- 
stützung der  nothleidenden  Israeliten  in  Ostpreussen  übersandte 
Gabe  von  25  Friedrichsdor  zu  danken.  Ihre  Majestät  nahm 
die  Deputation  in  huldvollster  Weise  auf',  und  erwähnte  im 
Laufe  des  Gesprächs  die  grossen  Verdienste,  welche  der  ver- 
storbene Prediger  Dr.  Sachs  sich  um  die  Berliner  Gemeinde 
erworben  hat. 

Bernau.  Die  Judengemeiaden  de*  Heroegthums  Anhalt 
fcftbea  sieh  mit  einer  Petition,  an  den  norddeutsche»  Reichstag 
gewandt,  in  welcher  sie-  folgende  Beschwerden  gegen  ihre* 
Regierung  fuhren  und  um  Abhülfe,  durch  da»  Buiwlespraskjauni 
bitten:  v.Die.  am  18.  Juli  1&59  publicirte>  für  ganz  Anhalt  jetzt 
gütige  LandscbaftsQrdauag  bat  uns,  den  Israeliten,  Anhalts,  ent- 
gegen, früheren  Gesetzen  vom  Jahre  1810  und  trotz  der  Yeri 
fassungen  aus  de«  Jahren  1348  und.  185Q,  welche  uns,  gleiche, 
bürgerliche  und  politische  Rechte  mit  unseren  christlichen  Mit- 
bürgern einräumen,  der  politischen  Wah)(ahigkei|t  beraubt.  Die. 
„Revidirte  Landes«  und  Process - Ordnung"  vom  Jahre  1850,, 
f&r  das  vormalige  Herzogtum  Anhah>Beruburg  im  Jahre  1864 
ia  Kraft  getreten,  nimmt  ups  die  Heiligkeit  unserer  Sabbate 
u#4  Feattage,  indem  sie  uns  verpflichtet,  ftuch  an  diesen  Tagen, 
in  allen  bürgerlichen  Rechtsstpeitigfceiteo ,  selbst  in  Bagatell- 
Processen,  vor.  Gericht  zu  erscheinen.  Das  Gesetz  vom 
6*  Februar  1855  hat  für  uns  eine  Cidesaorm  und  Eides- 
Solennitäten  geschaffen,  die  unser  Gewissen,  drücken,  unsere 
Rechtschaffenheit  bezweifeln  und  unsere  Geistlichen  herab- 
setzen. Unsere  gewählten  und  Regierungswegen  bestätigten 
Gemeinde- Vorsteher  werden  nicht,  wie  in  Preussen  und  anderen 
deutschen  Staaten,  als  öffentliche  Beamten  angesehen  und  ge- 
messen bei  Beleidigung  keinen   officiellen  Staatsschutz.     Man 


Mohatschronik.  1^9 

bestreitet  Unseren  Etoefraueh  die  Dbtal-Privilegien ,  wfctehe  den 
Christinnen  zustehen,  jüdischen  Zeugen  die  Glaubenswfirdigkeit 
bei  Processen  zwischen  Juden  und  Christen,  die  passive 
Testamentsfähigkeit  unserer  Gemeinden,  die  Berechtigung  eines 
Juden,  seine  Forderung  einem  Christen  zu  cediren,  u.  dgl.  «ntf 

Paris.  Bekanntlich  ist  eine  Reorganisation  der  hiesigen 
Sternwarte  vorgenommen,  und  ein  Äufsichtsrath  von  acht  Mit- 
gliedern erwählt  worden,  welchen  der  berühmte  Director  der- 
selben Leverrier  untergeordnet  wird,,  weil  gegen  seine  Ver- 
waltung viele  begründete  Klagen  laut  wurden.  In  diesen 
Äufsichtsrath  wurde  auch  Herr  Moritz  LÖwy,  ein  ausgezeichne- 
ter Astronom,  Österreichischer  Israelit,  gewählt,  welcher  wegen 
seines  Glaubensbekenntnisses  den  Zutritt  zur  Wiener  Stern- 
warte nicht  erlangen  konnte  und  deshalb  vor  fahren  nach 
Paris  ging. 

Paris.  Im  QuaTtiör  Latin  toferrsclite  dieser  Tage  eine  ge- 
wisse Aufregung.  Für  die  Vorlesungen  des  Professors  S&e 
(eines  Israeliten),  welcher  in  der  neulichen  Senatsdebatte  über 
die  Ünterrichtsfreiheit  angegriffen  worden  war,  hatte  die  Polizei 
Vorsichtsmassregeln  ergriffen.  t)er  Decan  der  Facultät,  Pro- 
fessor Wurtz,  trat  energisch  gegen  diese  Einmischung  der 
Polizei  auf,  welche  sich  darauf  zurückzog. 

Fest.  Die  „Netie  freie  Presse"  enthält  folgendes  Telegraftim : 
l>ie  Ünghvarer  Cömitats-Congregätion  besclilosfc  eine  Repräsen- 
tation an  das  Ministerium  gegen  die  seit  der  Dotirung  der  Gleich- 
berechtigung aus  Polen  eingewanderten  Juden  zu  richten.  Gleich- 
zeitig beschloss  die  Congregation,  die  seither  aus  Polen  einge- 
wanderten Juden  aus  dem  Comitate  zu  schaffen.  (Hoffentlich 
wird  der  unreifen  Congregation  der  Versuch,  es  dem  rumänischen 
Pöbel  gleichzuthun,  rechtzeitig  verleidet.  Anm.  der  Red.  d.  N. 
fr.  Pr.) 

Rumänien.  Senator  Juiski  beantragte  die  Vorlegung  aller 
Dokumente,  die  sich  auf  die  Judenverfolgung  bezogen.  Bra- 
tiano  sprach  so  heftig  dagegen,  dass  er  zweimal  vom  Präsidenten 
zur  Ordnung  gerufen  wurde.  Der  Senat  nahm  mit  29  gegen 
4  Stimmen  Juiski's  Antrag  an. 


200  Monatschronik. 

Rumänien.  Die  Consuln  Frankreichs  und  Englands  than  im 
Auftrage  ihrer  Regierungen  Schritte,  die  Forderungen  Oester- 
reichs  in  der  Judenangelegenheit  nachdrücklich  zu  unterstutzen, 

Stuttgart.  Wie  der  „Stuttg.  Anz."  vernimmt,  ist  die 
Reform  des  israelitischen  Kirchenwesens  von  dem  Minister  des 
Kirchen-  und  Schulwesens  in  Angriff  genommen  worden.  Der 
Referent  der  israelitischen  Kirchenbehörde,  Regierungs - Rath 
Jordan,  hat  einen  Entwurf  ausgearbeitet,  welcher  zunächst 
einer  Berathung  unterworfen  werden  soll.  Das  Ergebniss  der- 
selben soll  einer  Commission  von  Laien  und  Geistlichen  zur 
Begutachtung  vorgelegt  werden.  Auf  diese  Weise  soll  ein 
Entwurf,  der  an  die  Stelle  des  betreffenden  Theils  des 
Israelitengesetzes  vom  Jahre  1828  zu  treten  hätte,  für  die 
Stande  vorbereitet  werden.  Es  handelt  sich  hauptsächlich 
darum,  das  israelitische  Kirchenwesen  auf  einer  freieren  Grund- 
lage zu  gestalten  und  die  mannigfachen  büreaukratischen  Schranken 
zu  beseitigen,  welche  das  gedachte  Gesetz  entsprechend  den 
damaligen  Anschauungen  enthält. 

Türkei.  Dem  vom  Sultan  jüngst  eingesetzten  Staatsrathe 
gehören  auch  drei  jüdische  Mitglieder  an«  Die  Rede,  mit  wel- 
cher der  Sultan  den  Staatsrath  eröffnete,  schloss  mit  folgenden 
Sätzen:  Was  die  religiösen  Ueberzeugungen  betrifft,  so  muss 
jeder  seine  freie  Meinung  haben.  Dieser  Punkt  kann  nicht  in 
Frage  gestellt  werden.  Die  verschiedenen  Culte  müssen  alle 
Gefühle  der  Verachtung  und  der  Feindseligkeit  gegen  einander 
aufgeben. 


Druckfehler. 


S.  84,  Z.  9  lies  fordere  statt  fordert;  Z.  83,  Z.  11  lies  abreden 
statt  abrunden;  S.  84,  Z.  27  Manrer  statt  Maaren;  S.  86,  Z.  2  v.  n. 
lies  somit  statt  soweit. 


Voltaire  und  die  Juden. 

Von  Dr.  Graetz. 

(Schluss.) 


Voltaire  beginnt  den  Artikel  „Juden"  im  Dictionnaire 
philosophique  mit  einer  allgemeinen  Charakteristik  der- 
selben. „Die  jüdische  Nation  ist  die  allersonderbarste, 
die  es  je  in  der  Welt  gegeben  hat.  Obwohl  sie  die  ver- 
ächtlichste in  den  Augen  der  Politik  ist,  so  ist  sie  doch 
in  vieler  Beziehung  in  den  Augen  der  Philosophie  bedeut- 
sam. Die  Gueber  (Feueranbeter),  dieBanjan  und  die 
Juden  sind  die  einzigen  Völker,  die  zerstreut  leben,  ob- 
wohl ohne  Verbindung  mit  anderen  Nationen  sich  inmitten  an- 
derer Völker  fortpflanzen  und  sich  von  der  übrigen  Welt 
fern  halten.  Die  Gueber,  ehemals  beträchtlich,  sind  in 
einem  Theile  des  Orient  verbreitet,  die  Banjan  existiren 
nur  in  Indien  und  Persien;  aber  die  Juden  sind  auf  der 
ganzen  Erdoberfläche  verbreitet,  und  wenn  sie  sich  sam- 
meln sollten,  würden  sie  eine  viel  zahlreichere  Nation 
bilden,  als  je  in  dem  kurzen  Zeiträume,  während  sie  die 
Herren  von  Palästina  waren*  Fast  alle  Völker,  welche 
die  Geschichte  dieses  Volkes  geschrieben  haben,  erheben 
diesen  Ursprung  durch  Wunder.  Alles  ist  Wunder  und 
Orakelsprüche  an  ihm,  und  wir  dürfen  nicht  daran  zwei- 
feln. Indessen  haben  die  Juden  nur  einen  kleinen  Erdwinkel 
auf  einige  Jahre  besessen.  Heute  haben  sie  nicht  ein- 
mal ein  Dorf  zu  ihrem  Eigenthume.  Sie  müssen  demnach 
glauben,  und  sie  glauben  es  auch,  dass  die  Prophezeiungen 
für  sie  sich  einst  erfüllen  und  sie  die  Herrschaft  über  die 
Erde  haben  werden." 

Frankel,  MonatMchrift.XVn.6.  16 


202  Voltaire  und  die  Juden. 

„Sie  sind  das  letzte  der  Völker  unter  Muselmännern 
und  Christen,  und  sie  glauben  das  erste  zu  sein.  Dieser 
Stolz  in  ihrer  Erniedrigung  wird  durch  einen  allerdings 
unwiderlegbaren  Grund  gerechtfertigt,  dass  sie  in  der 
That  die  Väter  der  Christen  und  Muselmänner  sind.  Die 
christliche  und  muselmännische  Religionen  erkennen  die 
jüdische  als  ihre  Mutter  an,  und  durch  einen  sonderbaren 
Widerspruch  empfinden  sie  für  diese  Mutter  zugleich  Hoch- 
achtung und  Entsetzen."  —  Darauf  geht  Voltaire  die  ganze 
Geschichte  der  Israeliten  durch  und  amüsirt  sich,  gemeine 
Spässe  hineinzubringen.  Er  war  in  seinem  Rechte,  diese 
von  der  christlichen  Theologie  noch  mehr  mit  Wundern 
ausgestattete  Geschichte  der  vorchristlichen  Zeit  ihrer  Wun- 
der zu  entkleiden;  aber  dann  hätte  er  die  Kernigkeit  und 
die  Energie  des  jüdischen  Volkes,  welches  sich  trotz 
seiner  Winzigkeit  in  einer  Welt  voll  Feinden  behauptet 
hat,  um  so  mehr  bewundern  müssen.  Allein  ihm  lag 
Alles  daran,  dessen  Verächtlichkeit,  Winzigkeit  und  Ver- 
dorbenheit hervorzukehren.  Vom  Aufenthalte  der  Judäer 
in  Babylonien  sagte  er:  „Es  scheint,  dass  die  Juden  we- 
nig von  den  Magiern  gelernt  haben :  sie  ergaben  sich  dem 
Geschäfte  der  Mäkler,  Wechsler  und  Trödler,  dadurch 
machten  sie  sich  nothwendig,  wie  sie  es  noch  jetzt  machen, 
und  bereicherten  sich."  —  Von  Herodes' Tempelbau,  der 
bekanntlich  von  Seiten  der  national  gesinnten  Juden  auf 
Antipathie  stiess,  sagte  er:  „Herodes  konnte  diesen  Tem- 
pel nicht  vollenden,  weil  ihm  Geld  und  Handwerker  fehlten, 
ein  Beweis,  dass  Herodes  doch  nicht  so  reich  war,  und 
dass  die  Juden,  welche  ihr  Heiligthum  sehr  liebten,  ihr 
baares  Geld  noch  mehr  liebten."  —  Fühllos  und  brutal 
erzählte  er  den  Ausgang  des  Heldenkampfes  der  Juden 
gegen  die  Römer  unter  Vespasian  und  Titus  und  zeigte 
eine  eigene  Schadenfreude  daran,  dass  „Juden  bei  diesem 
Kriege  um  den  Preis  des  unreinen  Thieres  verkauft  wur- 
den, das  sie  nicht  essen  dürfen". 

Je  mehr  die  Geschichte  der  Juden  sich  der  neueren 
Zeit  nähert,  desto  mehr  verunglimpfte  er  sie.  Wodurch 
haben  sich  die  Juden  im  Exile  innerhalb  der  römischen 
Sittenfaulniss ,    der    Völkerwanderung    der    barbarischen 


Voltaire  und  die  Juden.  203 

Germanen,  in  dem  Grausen  des  Mittelalters  erhalten? 
Es  war  nicht  von  Voltaire's  oberflächlich  raisonnirender 
Geschichtsbetrachtung  zu  erwarten,  dass  er  die  richtige 
Antwort  auf  diese  Frage  geben  sollte;  aber  dass  er  sie 
so  hämisch  gab,  das  flüsterte  ihm  die  Rache  ein:  „Die 
zähe  Meinung  dieses  Volkes,  dass  Unfruchtbarkeit  eine 
Schmach  sei,  hat  es  conservirt.  Die  Juden  haben  stets 
als  zwei  grosse  Pflichten  angesehen,  Kinder  und  Geld  zu 
haben.  Es  folgt  aus  diesem  engrahmigen  Gemälde,  dass 
die  Hebräer  stets  waren  :  entweder  Vagabunden ,  oder 
Räuber,  oder  Sklaven,  oder  Aufständische.  Sie  sind 
noch  heute  Vagabunden  auf  Erden  und  allen  Menschen 
zum  Abscheu  und  behaupten  doch,  dass  Himmel  und  Erde 
und  alle  Menschen  für  sie  allein  geschaffen  seien."  Künste 
und  Wissenschaften,  auch  Poesie,  sprach  er  ihnen  in  sei- 
ner kecken  Manier  vollends  ab*  Eine  Philosophie  hätten 
sie  nie  gehabt,  sie,  welche  im  buchstäblichen  Sinne  des 
Wortes  die  Lehrer  der  verdummten  europäischen  Völker 
im  Mittelalter  waren.  Nicht  einmal  den  Gedanken  der 
Einheit  Gottes  mochte  ihnen  Voltaire  unbestritten  lassen. 
Er  beschloss  diesen  erzjudenfeindlichen  Artikel  mit  den 
Worten:  „Mit  einem  Worte  Sie  finden  in  den  Juden  nur 
ein  unwissendes  und  barbarisches  Volk,  welches  seit  langer 
Zeit  den  schmutzigsten  Geiz  zum  verabscheuungswürdigsten 
Aberglauben  und  zum  unüberwindlichsten  Hasse  hinzu-' 
fügt  gegen  alle  Völker,  die  sie  dulden  und  sie  bereichern. 
Man  soll  sie  aber  doch  nicht  verbrennen." 

Voltaire  übte  eine  solche  Tyrannei  über  die  Geister 
des  achtzehnten  Jahrhunderts,  dass  es  als  ein  Wagestück 
galt,  ihm  Opposition  jau  machen  und  seine  oberflächlich 
absprechenden  Behauptungen  zu  widerlegen.  Alles,  was 
den  Menschen  heilig  war*,  besudelte  er  mit  seinen  un- 
fläthigen  Witzen,  bezeichnete  es  als  Aberglaube,  Pfaffen- 
betrug, Pinsterniss,  und  Niemand  wagte  diesen  Heiligen- 
schänder zu  entlarven.  Ein  Jude  unternahm  es  zu  Aller- 
erst, ihm  seine  ungerechten,  wegwerfenden  Urtheile  vor- 
zuhalten, aber  nur  durch  eigenthümliche  Umstände,  die 
noch  wenig  bekannt  sind  und  daher  beleuchtet  zu  werden 
verdienen.    Isaak  de  Pinto  war  es,  der  diesen  Kampf 

16* 


204  Voltaire  und  die  Juden. 

mit  dem  literarischen  Riesen  wagte.  Dieser  von  Marra- 
nen  abstammende  portugiesische  Jude  (st.  1787)  lebte  eine 
Zeit  lang  in  Bordeaux,  begab  sich  dann  mit  seinem  Ver- 
mögen nach  Amsterdam,  leistete  der  portugiesischen  Ge- 
meinde dieser  Stadt  und  dem  Staate  Holland  wesentliche 
Dienste  und  liess  sich  dann  dauernd  im  Haag  nieder.  Er 
war  nämlich  eben  so  opferbereitwiliig  wie  vermögend.  In 
einer  Zeit  der  Geldverlegenheit  lieh  er  dem  Staate  an- 
sehnliche Summen  „und  ein  hoher  Beamter  gab  ihm  die 
Anerkennung,  dass  er  den  Staat  gerettet  hat  (17481)". 
Von  bedeutenden  Geistesanlagen  war  de  Pinto  keines- 
wegs, aber  er  verstand  über  gewisse  Themata  leicht  zu 
schreiben.  Er  verfasste  einige  Broschüren  über  national- 
ökonomische und  politische  Fragen,  auch  gegen  den  herr- 
schenden Materialismus  der  Zeitphilosophie  und  über  das 
Kartenspiel.  Gediegene  wissenschaftliche  Kenntnisse  scheint 
de  Pinto  wenig  gehabt  zu  haben;  wenigstens  verrathen 
seine  Schriften  sie  nicht2).  Mit  seinem  Zeit-  und  Reli- 
gionsgenossen Moses  Mendelssohn  hält  er  keinen  Vergleich 
aus.  Ohne  seine  Apologie  für  die  Juden  gegen  Voltaire 
wäre  sein  Käme  wohl  in  der  Zeitenströmung  untergegangen. 
Diese  Apologie  rang  sich  aber  nicht  aus  seinem  Herzen 
los,  nicht  aus  dem  bedrückenden  Schmerzgefühl  über  die 
empörende  Verunglimpfung  seiner  Stammgenossen  und 
des  Judenthums  von  Voltaire's  Seite,  sondern  sie  ver- 
dankte ihre  Entstehung  seiner  warmen  Anhänglichkeit  an 
ein  eigenes  Coteriewesen. 


x)  Schreiben  Pinto's  an  Rodriguez  Pereira  (wovon  weiter 
unten):  Leu  Services  signates  que  fai  eu  le  bonheur  de  rendre  ä  la 
nation  poriugaise  Hablie  a  Amsterdam,  et  dont  fespere  quelle  jouira 
long-temps;  m'engagent  ä  donner  ä  mes  freres  des  preuves  de  bonne 
volonte'.  —  S.  Koenen,  Geschiedenis  der  Joden  in  Nederland  p.  212  ff. 
Seine  Biographie  ist  dargestellt  in:  Jaarbooken  voor  Israeliten  1837, 
p.  157  ff. 

*)  Bei  Pinto 's  Schriften,  die  in  den  Bibliographien  angeführt  wer- 
den, ist  eine  vermisst,  welche  Koenen  citirt,  in  portugiesischer  Sprache : 
Refiexots  politicas  tocante  a  Constitupao  da  Naguo  Judayca,  Amst. 
1748  (das.  p.  8).  Es  ist  wohl  das  erste  Produkt  von  Pinto *s  schrift- 
stellerischer Thätigkeit. 


Voltaire  und  die  Juden.  205 

Die  Gemeinde  Bordeaux  war,   wie  schon  angedeutet, 
aus   flüchtigen    Marranen    zusammengewachsen,   welche 
grösstentheils  aus  Portugal  dahin  entkommen  waren,  nach- 
dem die  Inquisition  auch  in  diesem  Lande  ihre  fluchwür- 
dige Thätigkeit  entfaltet  hatte.    Sie  erhielten  unter  dem 
NamenPortugiesen  oderNeuchristen  (Nouveaux Chrd- 
tiens)  die  Erlaubniss,  sich  in  Bordeaux  und  Bayonne  auf- 
zuhalten und  jedes  Geschäft  zu  betreiben.    Da  sie  mei- 
stens grosse  Kapitalien  dahin  gebracht  hatten,   so  hatten 
sie  den  Wohlstand  der  Stadt  gehoben  und  waren  bei  Be- 
amten und  Bürgern  beliebt.    In  den  zwei  Jahrhunderten 
von  der  Zeit,  als  Heinrich  II.  ihnen  das -erste  Toleranz- 
patent gab  (1550),  bis  zur  zweiten  Hälfte  des  achtzehnten 
Jahrhunderts  waren  die  portugiesischen  Juden  von  Bor- 
deaux   auf  hundert  Familien   gewachsen   und   genossen 
wegen  ihres  Wohlstandos,  ihres  anständigen  Wesens  und 
ihrer  Wohlthätigkeit  allgemeine  Achtung.    Ihre  Vorsteher 
(Syndics)   übten  Polizeigewalt  über   die  Gemeindeglieder 
und  hatten  überhaupt  eine  sehr  bedeutende  Machtbefugniss. 
Im  Anfang  des  achtzehnten  Jahrhundert,  in  der  Regierungs- 
zeit Ludwigs  XV.,  hatten  sich  auch  einige  jüdische  Fami- 
lien aus  Avignon  und  Elsass  in  Bordeaux  niedergelassen, 
von   denen   einige    durch   Tuch-   und    Seidenfabrikation, 
andere  durch  Bankinstitute,  andere  wieder  durch  .Wein- 
handel  für   auswärtige   Juden    (mn  Casser)   der   Stadt 
nützlich  geworden  waren.    Da  erwachte  der  den  portu- 
giesischen Juden  eigene  Racenstolz;  es  kränkte  sie,  dass 
auch  andere  Juden  gleiche  Rechte  mit  ihnen  geniessen 
sollten.    Ihre  eingebildete  Ueberlegenheit  über  die  Juden 
der  deutschen  Zunge  fühlte  sich  dadurch  verletzt,   und 
diese  Stimmung   unterdrückte   in  ihnen  das  Gefühl   der 
Brüderlichkeit.    Sie  ruhten  nicht  eher,  bis  die  etwa  sechs- 
zehn Familien  avignonesischen,  deutschen  und  tudeskischen 
Ursprungs  aus  Bordeaux  ausgewiesen  wurden  (1734).    Es 
war  eine  um  so  herzlosere  Härte,  als  die  Ausgewiesenen 
in  anderen  Theilen  Frankreichs   noch  weniger   auf  ein 
Unterkommen   rechnen  konnten.    Indessen  hatten   zwei 
derselben  Namens  Dalpüget  so  viel  Gewicht  bei  den 
Behörden  und  waren  bei  der  christlichen  Bevölkerung  so 


206  Voltaire  und  die  Juden. 

beliebt,  dass  sie  und  ihre  Angehörigen  wieder  in  Bordeaux 
zugelassen  wurden.  Endlich  im  Jahre  1759  erhielten 
sechs  Familien  der  Avignoneser  Ausgewiesenen  die  Er- 
laubniss,  fttr  sich  und  ihre  Nachkommen  dauernd  und  un- 
gehindert in  dieser  Stadt  wohnen  zu  dürfen  —  für  die 
Summe  von  60,000  Francs,  in  sechs  Jahren  abzahlbar. 
Dadurch  steigerte  sich  die  Antipathie  zwischen  den  por- 
tugiesischen und  anderweitigen  Juden  nur  noch  mehr 8). 
Die  Ersteren  machten  die  grössten  Anstrengungen,  neue 
Zuzügler,  namentlich  deutscher  Juden,  nicht  ansiedeln  zu 
lassen.  —  Dennoch  hatten  sich  wieder  ungefähr  152  jü- 
dische Seelen  in  Bordeaux  eingefunden,  welche  Anfangs 
als  Durchreisende  sich  daselbst  aufhielten  und  das  Nieder- 
lassungsrecht dauernd  zu  erwirken  suchten.  Um  dieses 
zu  hintertreiben,  vereinbarten  die  Portugiesen  ein  Ge- 
meindestatut (1760),  welches  ganz  besonders  gegen  die 
fremden  Juden  zugespitzt  war.  Ein  Artikel  bestimmte, 
dass,  da  die  armen,  zureisenden  Juden,  Vagabunden, 
ihnen  zur  Last  fielen,  sollten  sie  das  Recht  haben,  die- 
selben durch  den  ersten  Vorsteher  (Syndic)  ohne  Weiteres 
innerhalb  drei  Tagen  auszuweisen.  Auch  die  bereits 
länger  Angekommenen,  „eine  beträchtliche  Zahl 
Leute  ohne  Vermögen,  deren  Betragen  ungere- 
gelt ist,  die  sich  als  Glieder  der  Nation  (Ge- 
meinde) nennen",  sollten  durch  Stimmenmehrheit  der 
Gemeindeglieder  ausgewiesen  werden  können.  Es  han- 
delte sich  dann  darum,  dieses  herzlose  Statut,  welches  die 
fremden  Juden  der  Willkür  des  portugiesischen  Syndicats 
preisgab,  von  dem  Könige  Ludwig  XV.   genehmigen  zu 


•)  Auf  diese  Antipathie  ist  wohl  auch  das  Factum  zurückzuführen, 
dass,  als  Jonathan  Eibeschütz  sich  in  Folge  der  Ausweisung  der 
Juden  aus  Prag  und  Böhmen  unter  Maria  Theresia  (1745)  an  die 
reiche  Gemeinde  von  Bordeaux  um  Unterstützung  der  Elenden  wen- 
dete, diese  ihn  nicht  einmal  einer  Antwort  würdigten  (vergL  Eibe- 
schütz' Schreiben  an  die  Gemeinde  von  Bordeaux.  Monatsschrift 
Jahrg.  1867.  8.  429).  Die  Portugiesen  von  Bordeaux  mochte  von 
den  Deutschen  oder  böhmischen  Juden,  ihrem  Unglück  und  von  dem 
polnischen  Rabbiner  Eibeschütz  gar  nichts  wissen. 


Voltaire  und  die  Juden.  207 

lassen.  Die  Portugiesen  sandten  zu  diesen  Zwecke  einen 
ihrer  Vorsteher  (Jakob)  Rodriguez  Pereira,  nach 
Paris,  um  die  Genehmigung  des  Statuts  zu  erwirken. 
Dieser  Mann,  welcher  ein  Wohlthäter  von  Unglücklichen 
war,  entwickelte  sehr  viel  Eifer,  um  viele  seiner  Glaubens- 
genossen in's  Unglück  zu  stossen.  Pereira  hatte  nämlich 
zu  allererst,  noch  vor  dem  berühmten  Abb 6  de  l'Epöe, 
Mittel  gefunden,  um  Taubstummen  eine  Art  Sprache  oder 
Mittheilungswinke  zu  geben*  Er  hatte  zu  diesem  Zwecke 
(1749—50)  eine  Denkschrift  ausgearbeitet,  welche  von  den 
französischen  Philanthropen  günstig  aufgenommen  worden. 
In  Folge  dessen  wurde  er  später  zumMitgliede  der  Londoner 
königlichen  (wissenschaftlichen)  Gesellschaft  (royal  society) 
ernannt.  Die  dadurch  erlangte  Achtung  benutzte  Rodri- 
guez Pereira,  um  die  152  heimathslosen  Juden,  darunter 
Schwache,  Weiber  und  Kinder,  aus  Bordeaux  vertreiben 
zu  lassen.  Er  bewirkte,  als  Agent  der  portugiesisch -jü- 
dischen Nation  von  Bordeaux,  die  Bestätigung  des  Königs 
für  das  entworfene  Statut;  so  kann  Racenantipathie  auch 
edle  Menschen  verblenden.  Indessen  wenn  auch  der  König 
jenes  harte  Statut  zum  Gesetze  erhoben  hatte,  so  kam  es 
doch  auf  die  Exekutionsbehörde  an,  es  in  Wirksamkeit 
zu  setzen.  Bei  dem  zerfahrenen  Regimente  unter  Lud- 
wig XV.,  in  der  Maitressen-  und  Günstlingswirthschaft, 
hatte  der  Gouverneur  einer  Provinz  allein  die  Macht,  ein 
Gesetz  auszuführen  oder  es  illusorisch  zu  machen.  Der 
Gouverneur  von  Guienne  war  damals  der  Marschall  von 
Richelieu,  der  Sieger  von  Mahön;  dieser  musste  für  die 
Austreibung  gewonnen  werden.  Isaak  de  Pinto  muss  mit 
ihm  in  freundschaftlicher  Beziehung  gestanden  haben; 
daher  baten  ihn  die  Portugiesen  von  Bordeaux,  seine  frü- 
hern Landsleute,  besonders  Rodriguez  Pereira,  sich  bei 
demselben  für  diese  edle  That  zu  verwenden.  Pinto  rich- 
tete darauf  ein  Bittgesuch  an  den  Marschall,  und  erhielt 
von  ihm  eine  schmeichelhafte  Antwort,  die  dadurch  noch 
gekrönt  wurde,  dass  Richelieu  befahl  (Sept.  1761)dass  sämmt- 
liche  Juden,  die  sich  widerrechtlich  in  Bordeau  aufhielten, 
die  angegebenen  152,  innerhalb  14  Tagen  die  Stadt  ver- 
lassen sollten.    Der  Vorstand  der  portugiesischen  Juden 


208  Voltaire  und  die  Juden. 

wurde  mit  dem  Vollzuge  der  Austreibung  betraut4);  ge- 
wiss, man  kann  nicht  gefalliger  sein,  als  es  der  Mar- 
schall war. 

Diese  Ausweisung  hat  ohne  Zweifel  böses  Blut  ge- 
macht. Es  war  in  der  That  etwas  Unerhörtes,  dass  Ju- 
den durch  ihre  eigenen,  reichen,  sich  vornehm  gebehr- 
denden  Glaubensgenossen  in's  Elend  gestossen  wurden. 
Philanthropische  Christen  scheinen  ihre  Glossen  darüber 
gemacht  zu  haben.  Den  Portugiesen  und  besonders  de 
Pinto,  der  §ds  energischer  Beförderer  dieser  hässlichen 
Geschichte  anzusehen  ist,  lag  es  daher  am  Herzen,  eine 
Art  Rechtfertigung  zu  geben,  den  Vorzug  der  portugie- 
sischen Juden  vor  den  Deutschen  (unter  denen  man  die 
nicht  portugiesisch  Redenden  verstand)  hervorzuheben 
und  die  Verwahrlosung  dieser  in's  Licht  zu  setzen.  Pinto 
unternahm  diese  Aufgabe  und  knüpfte  sie  an  Voltaire's 
Verunglimpfung  gegen  Juden  und  Judenthum  an.  Er 
wollte  nachweisen,  dass  die  Vorwürfe,  welche  Voltaire 
den   Juden   überhaupt  machte,   wegen   ihres  Schachers, 


4)  Das  bisher  Erzählte  ist  entnommen  der  Schrift:  JDetchi- 
verry,  histoire  des  Isradites  de  Bordeaux  p.  74 ff.  Das.  p.  85  heisst 
es :  Le  Marichal  de  Richelieu  . . .  rendit  une  ordonnance,  portant  qu' . . . 
il  4toit  d&fendu  ä  tous  les  Juifs  tudesques  ou  allemands  et  oVautres  de 
sy  gtablir  et  que  en  consequence  il  ordonnoit  ä  ces  Juifs  (152  enviroh) 
de  aortir,  dans  15  jours  pour  dölai,  de  la  ville  de  Bordeaux,  chargeant 
les  syndics  de  la  nation  portugaise  de  Vexicution  de  la  präsente  or- 
donnance. Dazu  dient  als  Ergänzung  der  Bericht  des  portugiesischen 
Juden  Guasco  aus  London  an  den  Canonicus  Sweetmind  von  Win- 
chester über  die  Veranlassung  von  de  Pinto's  Apologie  ,|  in  Lettres  de 
quelques  Juifs  portugais,  Anf. :  //  survint  .  .  .  un  diffirent  enlre  les  Juifs 
portugais  e'tablis  a  Bordeaux,  et  quelques  Juifs  oVautres  nations,  Ceuar 
ci  pretendaient  faire  corps  avec  les  Portugais,  et  partager  avec  eux  les  pru- 
viliges  dont  ils  jouissent  dans  cette  ville  depuis  plus  de  deux  sikcles.  Dans 
ces  circonstances  les  Portugais  recoururent  ä  Vauteur  (lsaac  Pinto)  et  le 
prierent  de  joindre  ses  sollicitations  ä  Celles  de  leur  agent  ä  Paris  (M.  R. 
Pereire);  il  le  fit  avec  zkle;  il  icrivit  ä  M.  le  marichal  duc  de  Rfichelieu], 
et  ü  en  recut  une  rSponse  flatteuse  pour  lui,  que  satisfaisante  pour  la  nation 
portugaise,    Vergl.  auch  weiter  Pinto's  Entschuldigung. 


Voltaire  und  die  Juden.  209 

Wuchers,  Geizes  und  ihrer  Unwissenheit,  allenfalls  auf  die 
deutschen  und  polnischen  Juden  passten;  aber  sie  auch 
gegen  die  portugiesischen  Juden  zu  schleudern  sei  höchst 
ungerecht.  Zu  diesem  Zwecke  schrieb  er  (1762):  „Kri- 
tische Betrachtungen  über  das  erste  Kapitel 
des  7t.  Bandes  der  Werke  des  Herrn  de  Voltaire" 
d.  h.  gegen  dessen  Ausfalle  im  Artikel  „Juden"  im 
Dictionnaire  philosophique  (wie  oben  angegeben).  Diese 
Broschüre  wurde  mit  Rodriguez  Pereira  und  den  Portu- 
giesen überhaupt  verabredet;  sie  wurde  auf  dessen  (oder 
deren)  Kosten  im  Haag  gedruckt6). 

In  einem  Briefe  des  Verfassers  an  Pereira,  welcher 
der  Broschüre  als  Vorwort  vorgedruckt  wurde,  sprach  er 
sich  über  die  Veranlassung  dieser  Apologie  aus  und  ver- 
suchte die  durch  ihn  vermittelte  Härte  gegen  die  aus  Bor- 
deaux Ausgewiesenen  in  einem  milderen  Lichte  erblicken 
zu  lassen.  Es  ist  ihm  aber  nicht  gelungen,  den  Leser 
von  seinen  guten  Absichten  zu  überzeugen.  „Ich  bedaure, 
dass  Sie  mich,"  schrieb  er  an  Pereira,  „bei  zwei  Gelegen- 
heiten gebraucht  haben,  wo,  so  zu  sagen,  die  Interessen 
unserer  Portugiesen  sich  mit  den  Juden  anderer  Nationen 
zu  kreuzen  schienen.  Mein  Herz  leidet  dabei,  und  ich 
sehe,  dass  das  Ihrige  nicht  minder  davon  berührt  ist,  ob- 
wohl die  Vernunft  und  die  gesunde  Politik  Ihre  Schritte 
gut  heissen.  Caligula  wünschte,  dass  das  ganze  römische 
Volk  nur  einen  einzigen  Kopf  hätte,  um  das  barbarische 
Vergnügen  gemessen  zu  können,   es  mit  einem  Schlage 


5)  Bibliotheque  des  sciences  et  des  beaux  arts  T.  XVIII.  8.  509 
Un  Juif  de  la  nation  portugaise  (M.  Pinto)  vient  de  publier  ici  (ä  la 
Haye)  par  les  soins  de  Mr.  Peyrkre  que  son  talent  pour  faire  parier 
les  muets  a  rendu  si  ctthbre,  une  brochure  de  48  p/).  (Jest  une  apo- 
logie  des  Juif 8  sous  ce  titre:  Reflexions  critiques  etc.  Es  sind  meh- 
rere Ausgaben  davon  erschienen,  verbunden  mit  anderen  Briefen  an- 
geblich von  Juden  gegen  Voltaire,  unter  dem  Titel:  Lettres  de  quel- 
ques Juifs  Portugals  et  Allemands  ä  M.  de  Voltaire.  Die  zweite  Aus- 
gabe in  einem  Bande  gekürzt,  Paris  1769;  ich  citire  die  6te.  Edition 
in  3  Bänden.    Diese  Briefe  sind  auch  deutsch  übersetzt. 


210  Voltaire  und  die  Juden. 

abzuhauen.  Warum  hegte  er  nicht  denselben  Wunsch, 
dass  das  Glück  eines  Einzigen  das  eines  ganzen  Volkes 
ausmachte?  Das  wäre  unser  Wunsch,  wenn  es  möglich 
wäre.  Das  Glück,  das  wir  auf  Kosten  Anderer  erlangen, 
ist  ein  verstecktes  Unglück.  Es  ist  ein  Gift,  das  nur  für 
einen  Kranken  als  Heilmittel  dienen  kann.  Unglücklicher- 
weise ist  man  in  der  Politik  wie  in  der  Medicin  auf  Em- 
pirismus angewiesen.  Es  scheint,  dass  dieses  Unglück 
dem  Menschengeschlechte  anhaftet,  wenigstens  seitdem  es 
sich  in  mehrere  getrennte  und  geschiedene  Körperschaften 
getheilt  hat,  dass  der  Vortheil  der  Einen  dem  der  Anderen 
entgegengesetzt  ist.  Wir  müssen  also  die  Rechte  der  Por- 
tugiesen vertheidigen,  selbst  wenn  sie  den  deutschen  und 
avignonesischen  Juden  nachtheilig  wären;  aber  zu  gleicher 
Zeit  wünschen  wir,  Sie  und  ich,  sie  durch  grosse  Dienst- 
leistungen die  kleinen  Unannehmlichkeiten  vergessen  zu 
machen,  welche  die  berechtigte  und  nothwendige  Ver- 
theidigung  der  Privilegien  der  Portugiesen  uns  gezwungen 
hat,  ihnen  zu  verursachen,  indem  wir  unsere  Sache  von 
der  Ihrigen  scharf  trennten.  Ich  tibersende  Ihnen  hierbei 
meine  Betrachtungen  über  das,  was  Voltaire  gegen  die 
Juden  geschrieben  hat 6)."  —  Das  Ausweisen  von  so  viel 


6)  Der  Brief,  welcher  den  R6flexions  critique  vorangeht,  lautet  in 
der  Ueberschrift :  Lettre  de  Vauteur  .  . . .  ä  Mr.  de  Pfereira],  agent  de 
la  nation  portugaise  de  Bordeaux  ....  und  im  Eingange:  La  lettre, 
qu'  ä  votre  conside'ration ,  fai  e'crite  ä  M.  le  mare'chal  duc  de  (Richelieu) 
en  faveur  de  la  nation  portugaise  etablie  ä  Bordeaux  m'attire  de  votre 
pari  des  remercimenU  etc.  Der  ganze  Eingang  bis  zur  Hälfte  des 
Briefes  fehlt  in  der  Edition  der  Lettres  de  quelques  Juifs  von  1769, 
wie  auch  der  Brief  von  Guasco  an  Sweetmind.  Der  Portugiese  Guasco, 
welcher  in  diese  Geschichte  eingeweiht  war,  sagt  ganz  deutlich,  dass 
Pinto's  Apologie  gegen  Voltaire  in  Folge  der  Zerwürfnisse  in  Bor- 
deaux entstanden  ist.  Cette  contestation  (ä  Bordeaux)  ayant  donnd 
Heu  de  refldchir  sur  les  prejuge's  desavantageux  et  injustes  quyon  a  contre 
les  Juifs  en  giniral^  et  sur  Vignorance  .  .  .  .  en  France  de  la  dUtinction 
qu'on  doit  mettre  entre  les  Juifs  portugais  et  espagnols  et  ceux  des  autres 
nations^  on  crut  necessaire,  que  quelqu'un  se  chargedt  d'dcrire  une  apologie 


Voltaire  und  die  Juden.  211 

heimathslosen  Personen,  sie  allem  Ungemach  aussetzen, 
dem  im  achtzehnten  Jahrhundert  vor  dem  Ausbruch  der 
französischen  Revolution  Juden  nicht  entgehen  konnten, 
nennt  de  Pinto  eine  kleine  Unannehmlichkeit,  welche  die 
Portugiesen  ihnen  nicht  ersparen  durften! 

In  Folge  dieser  Engherzigkeit  der  Portugiesen  in  Bor- 
deaux gegen  die  deutschen  und  avignonesischen  Juden 
fanden  also  Voltaire's  masslose  und  racheerfüllte  Angriffe 
auf  Juden  und  Judenthum  zum  Theil  wenigstens  eine  Ab- 
wehr. Aber  man  sieht  es  dieser  Apologie  an,  dass  sie 
mehr  im  Interesse  aer  portugiesischen  Juden  als  der 
Gesammtheit  geschrieben  wurde.  Im  Eingange  machte 
Pinto  die  Bemerkung,  dass  die  Verläumdung  das  aller  - 
schwärzeste  Verbrechen  sei,  gegen  das  Voltaire  selbst  mit 
vielem  Eifer  zu  Felde  gezogen  sei.  Es  sei  aber  eine  gräss- 
liche  Verläumdung,  wenn  man  ein  ganzes  Volk  der  Mit- 
schuld an  dem  Verbrechen  Einzelner  anklagt,  und  noch 
mehr  wenn  man  sämmtliche  Juden  für  hässliche  Thaten 
Einzelner  solidarisch  verantwortlich  machen  wollte.  — 
„Zerstreut  unter  so  viele  Nationen,  haben  die  Juden  in 
jedem  Lande  nach  einer  gewissen  Zeit  den  Charakter  der 
Einwohner  angenommen.  Ein  Jude  von  London  gleicht 
so  wenig  einem  von  Konstantinopel  wie  dieser  einem  chi- 
nesischen Mandarinen.  Ein  portugiesischer  Jude  von  Bor- 
deaux und  ein  deutscher  Jude  von  Metz  scheinen  zwei 
ganz  verschiedene  Wesen  zu  sein.  Der  Jude  ist  ein  Cha- 
meleon,  welcher  überall  die  Farbe  von  den  verschiedenen 
Länder  annimmt,  die  er  bewohnt,  von  den  verschiedenen 
Völkern,  mit  denen  er  umgeht,  von  den  verschiedenen 
Regierungsformen,  unter  denen  er  lebt.  Nichtsdestoweniger 
hat  sie  Voltaire  in  Bausch  und  Bogen  zusammengeworfen 
und  von  ihnen  ein  ebenso  schreckliches  wie  wenig  ähn- 
liches Gemälde  entworfen."  —  »Wie  konnte  Voltaire," 
fragt  ihn  der  Verfasser,  „der  geschaffen  ist,  das  Universum 


des  Jui/8  en  genital,  et  a^y  faire  sentir  la  diffdrence  qu'il  y  a  entre  les  uns 
et  les  autres.  On  y  engagea  Vauteur  (Pinto)  et  it  y  consentit.  —  Pinto  ist 
also  erst  dazu  angeregt  worden. 


212  Voltaire  und  die  Juden. 

zu  erleuchten,  die  Wolken  der  Volksvorurtheile,  die  man 
auf  die  Anhänger  dieser  Religion  zur  Schande  der  Mensch- 
heit aufhäuft,  noch  mehr  verdichten  —  gegen  Vernunft  und 
Wahrheit?  Man  soll  die  Juden  nicht  verbrennen,  schliesst 
Voltaire;  aber  ein  grosser  Theil  derjenigen,  welche  er  so 
grausam  behandelt  hat,  würden  lieber  verbrannt  werden, 
als  die  glücklicherweise  leeren  Anschuldigungen  verdienen. 
Wollte  er  den  Gegenstand  genau  untersuchen,  so  würde 
er  finden,  dass  er  den  Juden,  der  Wahrheit,  seiner  Zeit 
und  besonders  der  Nachwelt  eine  Ehrenerklärung  schulde?' 
Nun  rückte  de  Pinto  mit  seinem  Hauptthema  heraus: 
Voltaire  hätte  bei  seinen  Anklagen  die  portugiesischen 
und  spanischen  Juden  von  den  Andern  unterscheiden 
sollen,  mit  denen  sich  jene  nie  verbunden  und  accom- 
pagnirt  haben.  Dieser  Unterschied  sei  zwar  wenig  bekannt, 
aber  doch  Thatsache,  dass  eben  die  Portugiesen  ausser- 
ordentlich scrupulös  sind,  sich  mit  andern  Juden  durch 
Heirath  oder  sonstige  Verbindung  zu  vermischen.  Diese 
Trennung  ginge  so  weit,  dass  wenn  ein  portugiesischer 
Jude  in  Holland  oder  England  eine  deutsche  Jüdin  hei- 
rathen  würde,  würde  er  seine  Vorrechte  verlieren,  würde 
nicht  mehr  als  Glied  der  Gemeinde  anerkannt,  würde  von 
allen  geistlichen  und  bürgerlichen  Funktionen  ausgechloss- 
sen  werden  und  dürfte  nicht  einmal  unter  den  andern  Por- 
tugiesen, seinen  Brüdern,  begraben  werden7).  So  stellte 
Pinto  den  Unterschied  in  geflissentlicher  Uebertreibung 
dar,  der  vielleicht  nur  bei  der  Antipathie  der  Portugiesen 


7)  Ebenso  übertrieben  und  unwahr  ist,  was  Gregoire  erzählt: 
une  Juive  de  Berlin  ayant  epouse'  un  mddecin  de  la  nation  portugaise 
(recemment) ,  les  parents  de  cette  fitte  en  porthent  le  deuil,  comme 
cCune  personne  ddcede  (  Essay  sur  la  regMration  des  Juifs  p.  70).  Sein 
Gewährsmann  war  Mose  Ensheim,  Mendelssohn's  Jünger  (das.  p.  217, 
Note  14).  Dieses  Factum  scheint  sich  auf  die  Ehe  des  Arztes  Dr. 
de  Lemoe  mit  einer  Charlville  aus  Berlin,  der  Eltern  der  Henriette 
Herz,  zu  beziehen.  Aber  die  Herz  hat  in  ihren  Erinnerungen  nichts 
davon  erwähnt.  So  tief  war  die  Kluft  weder  auf  der  einen,  noch  auf 
der  anderen  Seite. 


Voltaire  und  die  Juden.  213 

von  Bordeaux  vorkommen  konnte.  —  „Di©  Vorstellung 
welche  die  Portugiesen  haben,  dass  sie  vom  Adel  des 
Stammes  Juda  ihren  Ursprung  haben,  deren  Vorfahren 
zur  Zeit  der  babylonischen  Gefangenschaft  nach  Spanien 
verpflanzt  worden  seien,  erhalte  diese  Trennung  und  trage 
zur  Gehobenheit  bei,  die  man  an  ihnen  nicht  ver- 
kennen könne,  und  die  selbst  die  anderen  Juden  ihnen 
einräumen."  Diese  gewissermassen  adlichen  Juden, 
welche  sich  in  Sprache,  Kleidung,  Haltung  und  Eleganz 
vortheilhaft  vor  den  andern  auszeichnen,  die  keinen  Bart 
tragen,  haben  ihre  reinen  Sitten  bewahrt  und  auch  in  den 
Augen  der  Christen  besondere  Beachtung  erlangt.  Diese 
verdienten  am  allerwenigsten  die  Verunglimpfung,  welche 
Voltaire  gehäuft  hat.  Die  holländischen  Portugiesen  haben 
mit  ihren  vorwurfsfreien  Sitten  grosse  Reichthümer  in 
dieses  Land  gebracht  und  den  Handel  der  Republik  ver- 
mehrt. Ihre  Synagoge  nähme  sich  wie  eine  Versammlung 
von  Senatoren  aus.  Wenn  deutsche  Fürsten  da  eintreten, 
suchen  sie  da  Juden  und  können  nicht  glauben,  dass  sie 
von  demselben  Schlage  sein  sollen  wie  diejenigen,  welche 
sie  in  Deutschland  gesehen.  Die  portugiesischen  Juden 
seien  für  Holland  viel  nützlicher  gewesen,  als  die  fran- 
zösischen Flüchtlinge,  welche  nach  dem  Wiederrufe  des 
Edikts  von  Nantes  dahin  gekommen  waren,  weil  diese 
fast  mit  leeren  Händen  gekommen  waren,  während  jene 
grosse  Kapitalien  und  Unternehmungsgeist  mitgebracht 
hatten.  Ihre  Nachkommen  sind  weit  eher  Betrogene  als 
Betrüger,  öfter  Opfer  der  Wucherer,  aber  seltsn  oder  nie 
selbst  Wucherer  gewesen.  Man  könne  kaum  ein  Beispiel 
anführen,  dass  im  Laufe  von  zwei  Jahrhunderten  ein  por- 
tugiesischer Jude  in  Amsterdam  oder  Haag  wegen  eines 
Verbrechens  bestraft  worden  wäre.  Wollte  man  Tadel 
an  ihnen  finden,  so  würde  er  auf  der  entgegengesetzten 
Seite  liegen,  als  da  wo  ihn  Voltaire  gesucht  hat,  nämlich 
im  übertriebenen  Luxus,  in  Verschwendungssucht,  in 
Eitelkeit,  in  Passionen  für  das  schöne  Geschlecht.  Mit 
einem  Worte,  ein  edler  Stolz  und  eine  vornehme  Würde 
machen  den  Unterscheidungscharakter  der  portugiesischen 
Nation  aus.   —   De  Pinto  führte   dann   eine  Reihe   von 


214  Voltaire  und  die  Jaden. 

Namen  portugiesischer  Juden  auf,  welche  Staaten  und 
Fürsten  wesentliche  Dienste  geleistet  haben,  und  von  ihnen 
mit  Ehren  behandelt  wurden:  Baron  Belmonte,  Alvaro 
Nun  es  da  Costa,  die  Suassos8),  Texeiras,  Prados, 
Ximenes,  Pereiras,  Machado,  Günstling  des  Königs 
Wilhelm  III.  von  England,  Baron  d'Aguilar  (Mose  Lopez 
Pereyra)  Finanzmann  der  Königin  von  Ungarn  (Maria 
Theresia),  der  noch  (zu  Pinto's  Zeit)  in  Wien  bedauert 
wird,  die  Gradis  von  Bordeaux  geachtet  am  Hofe  Lud- 
wigs XV.  „Diejenigen,  welche  die  portugiesischen  Juden 
von  Frankreich,  Holland  und  England  kennen,  wissen, 
dass  weit  entfernt,  einen  unüberwindlichen  Hass  gegen 
alle  Völker  zu  haben,  die  sie  dulden  (wie  Voltaire  sagt), 
glauben  sie  sich  vielmehr  so  sehr  mit  den  Völkern  iden- 
tificirt,  dass  sie  sich  als  Theil  derselben  fühlen.  Ihr  spa- 
nischer und  portugiesischer  Ursprung  ist  eine  blosse  geist- 
liche Zucht  geworden,  welche  die  strengste  Kritik  allen- 
falls des  Stolzes  und  der  Eitelkeit,  aber  keinesweges  des 
Geizes  und  des  Aberglaubens  beschuldigen  könnte." 

Nachdem  de  Pinto  solchergestalt  für  die  Juden  der 
portugiesischen  Nation  eine  so  glänzende  Apologie  ge- 
halten hatte,  musste  er  doch  die  deutschen  und  polnischen 
Juden  Anstandshalber  auch  in  Schutz  nehmen.  Ihren 
niedrigen  Sinn  gab  er  zwar  zu,  und  das  passte  zu  seiner 
Aufgabe;  aber  er  stellte  deren  verdorbene  Natur  in  Abrede 
und  entschuldigte  deren  abstossendes  Wesen  mit  ihrer 
unerträglichen  Lage.  „Die  Verachtung,  mit  der  man  sie 
niederbeugt,  erstickt  in  ihnen  den  Keim  der  Tugend  und 
Ehre.  Da  giebt  es  keine  Schande,  wo  die  ungerechte 
Verachtung  dem  Verbrechen  vorangeht;  es  heisst  ihm  den 
Weg  bahnen,  wenn  man  diejenigen  mit  Schmach  bedeckt, 


8)  Friedrich  der  Grosse  hob  auch  in  seinen  Memoire*  de  Brande- 
bourg  T.  IL  die  Edelthat  des  holländischen  Juden  hervor,"  welcher 
Wilhelm  III.  2  Millionen  Gulden  mit  den  einfachen  Worten  vorschoss : 
„Si  vous  etes  malheureux,  je  consens  de  les  perdre".  Er  nennt  ihn 
aber  falsch  Schwarzau,  und  dieser  Irrthum  ist  in  viele  Schriften  über- 
gegangen.   Jener  edle  Jude  hiess  nämlich  Antonio  Lopez  Suasso. 


Voltaire  und  die  Juden.  215 

die  sich  dessen  noch  nicht  schuldig  gemacht  haben."  Auch 
die  polnischen  und  deutschen  Juden  seien  zu  bewundern 
wegen  ihrer  Standhaftigkeit,  ihres  Muthes  und  ihres  Mär- 
tyrerthums,  mit  denen  sie  der  Religion  treu  bleiben,  die 
doch  auch  von  denen  heilig  geachtet  wird,  die  sie  jetzt 
verdammen.  Zeigen  sie  nicht  Selbstverleugnung  genug, 
dass  sie  so  viele  zeitliche  Vortheile  um  ihres  Glaubens 
willen  opfern?  Nicht  der  heiligen  und  göttlichen  Religion 
dürfe  man  die  Niedrigkeit  der  Gesinnung  gewisser  deut- 
scher und  polnischer  Juden  beimessen,  sondern  der  Not- 
wendigkeit, der  Verfolgung,  den  Zufällen ;  diese  haben  sie 
dahin  gebracht.  Wenn  es  unter  diesen  Unglücklichen 
welche  gegeben  hat,  die  Münzen  beschnitten  haben,  so 
bilden  sie  nicht  die  grösste  Zahl  dieser  Schuldigen.  — 
Wenn  sie  Trödler  sind,  so  ist  das  ein  Geschäft  wie  ein 
anderes,  der  Gesellschaft  auch  nützlich  und  gestattet; 
Moliöre's  Vater  war  ebenfalls  Trödler.  —  Voltaire  will 
die  Juden  nicht  im  Feuer  verbrannt  wissen ;  man  verbrennt 
aber  auch  mit  der  Feder,  und  dieses  Feuer  ist  um  so 
grausiger,  als  es  auf  die  künftigen  Geschlechter  übergeht. 
Was  kann  maa  von  dem  blinden  und  wilden  Pöbel  er- 
warten, wenn  es  sich  handeln  sollte,  gegen  eine  schon  so 
sehr  unglückliche  Nation  zu  wüthen,  wenn  solche  ent- 
setzliche Vorurtheile  von  dem  grössten  Genie  des  aufge- 
klärtesten Jahrhunderts  gut  geheissen  werden?" 

Pinto  versuchte  auch,  die  Juden  von  einer  anderen 
Seite  gegen  Voltaires  Ausfälle  zu  rechtfertigen,  gegen  den 
Tadel  ihrer  Unwissenheit,  ihres  Mangels  an  Kunstfertigkeit 
und  Wissenschaft  zu  remonstriren.  Aber  dafür  hatte  er 
selbst  zu  wenig  Verständniss  und  brachte  viele  Absurdi- 
täten oder  Gemeinplätze  vor.  Der  Prophet  Jesaias  sei 
voll  von  Feuerzügen,  welche  beweisen,  dass  Künste, 
Wissenschaften  und  Geschmack  am  Hofe  von  Jerusalem 
geherrscht  haben!  —  Es  hat  jüdische  Aerzte  und  Inten- 
danten unter  Arabern  und  Spaniern  gegeben.  Maimoni- 
des  war  in  alle  Wissenschaften  seiner  Zeit  eingeweiht.  — 
Die  Juden  oder  die  Phönizier  haben  das  Alphabet  erfun- 
den, und  dergleichen  mehr.  Auch  seine  Rechtfertigung 
des   Vertilgungskrieges    der   alten   Israeliten    gegen    die 


216  Voltaire  und  die  Juden. 

kanaanitischen  Völkerschaften  (von  Voltaire  bei  jeder  Ge- 
legenheit aufgetischt)  konnte  nur  abgeschmackt  ausfallen. 
Besser  ist  seine  Verteidigung  gegen  den  sogenannten 
Christusmord.  Er  schliefst  mit  Voltaire's  eigenen  Worten, 
die  dieser  bei  einer  anderen  Gelegenheit  gebraucht  hatte: 
„Mögen  die  Christen  aufhören,  diejenigen  zu  verfolgen 
und  zu  verachten,  die  als  Me/ischen  ihre  Brüder  und  als 
Juden  ihre  Väter  sind". 

De  Pinto's  Broschüre  machte  ein  gewisses  Aufsehen 
in  der  gebildeten  Welt,  so  einseitig  und  schwach  auch 
der  Inhalt  ist.  Es  that  vielen  Herzen  wohl,  dass  es  doch 
Jemand  gewagt  hat,  dem  angeblichen  Apostel  der  Tole- 
ranz seine  intolerante  Gehässigkeit  unter  die  Nase  zu 
reiben.  Besonders  gefiel  die  Form  der  Broschüre,  welche 
in  der  urbansten  Weise  Voltaire  derbe  Lehren  gegeben 
hat.  Dadurch  hatten  Voltaire's  judenfeindliche  Absichten 
eine  entgegengesetzte  Wirkung.  Von  Voltaire's  Gemein- 
heit empört,  sprachen  sich  gebildete  Christen  zu  Gunsten 
der  Juden  aus.  Der  damalige  Sorbonne  -  Professor  und 
Bibliothekar  Ladvocat,  dem  de  Pinto  ein  Exemplar  vor- 
gelegt hatte,  allerdings  ohnehin  von  Wohlwollen  für  die  Ju- 
den erfüllt9),  hat  in  wenigen  Zeilen  seines  Briefes  an 
Pinto  (Aug.  1762)  eindringlicher  Voltaire's  Tiraden  gegen 
die  Juden  widerlegt,  als  der  jüdische  Apologet:  „Nichts 
ist  ungerechter  als  die  Verachtung,  die  man  gegen  die 
Juden  hegt.  Diese  Verachtung  ist  bei  dem  niedrigen 
Volke  verdammenswerth,  und  um  so  mehr  bei  einem  den- 
kenden Menschen  von  Ehre  ....  Die  Unwissenheit  und 


•)  Ladvocat  schrieb  an  de  Pinto:  Voilä,  monsieur,  ce  que  je 
ferne  de  la  haine  et  du  mepris  injuste  qu'on  a  pour  les  Juifs.  II  y  a  quel- 
ques anne'es  que  je  fus  consulU  sur  ce  sujet  par  le  ministre  de  Pologne,  ei 
je  les  justißai  pleinement  de  toutes  les  accusations  intente'es  conire  eux.  Ma 
consultation  confondit  les  accusateurs,  et  leur  cheffut  renf ernte"  et  puni  par 
ordre  du  roi  de  Pologne.  Bezieht  sich  diese  Thatsache  vielleicht 
auf  die  Blutanklagen  von  Seiten  der  Frankisten  und  auf  die  Einker- 
kerung Franks,  als  che/  des  accusateurs?  Ladvocat  schrieb  dieses  1762, 
und  die  Verurtheilung  Frank's  fand  Anf.  1760  statt  Darauf  passt  die 
Zeitangabe:  quelques  anne'es. 


Voltaire  und  die  Juden.  217 

die  Barbarei,  die  Voltaire  den  alten  und  zeitgenössischen 
Jaden  vorwirft,  ist  selbst  die  Wirkung  seiner  Unwissen- 
heit   oder  der  Unkenntniss  ihrer  Sprache  und  Literatur. 
Man  sollte  nicht  aus  barbarischen  und  sklavischen  Über- 
setzungen über  Originalschriften  urtheilen.    Hiob,  Mose, 
David,  Salomon,  Jesaias  und  die  Mehrzahl  der  hebräischen 
Dichter  stehen  in  nichts  den  griechischen,  lateinischen  oder 
französischen  Dichtern  nach,  selbst  Voltaire  nicht  ausge- 
nommen.   Die  Hoheit  und  Majestät  der  Bilder  und  Be- 
zeichnungen, die  Erhabenheit  der  Gedanken  und  andere 
Züge,  welche  das  Genie  und  die  grossen  Dichter  charak- 
terisiren,  überragen  in  der  hebräischen  Literatur  die  Poesie 
aller  anderen  Völker.  . .  Nicht  blos  Maimonides,  son- 
dern   auch    Aben-Esra,    Abarbanel,   Kimchi    und 
mehrere  andere  hebräische  Schriftsteller  waren  den  Schrift- 
stellern  der   Nationen   ihrer   Zeit   ebenbürtig.      Raschi 
war  der  beste  Commentator  seiner  Zeit,  und  wir  könnten 
auch  moderne  hebräische  Dichter  anführen,   von  denen 
Voltaire  Nutzen  ziehen  könnte,   wenn  er  überhaupt  im 
Stande  wäre,  sie  zu  verstehen.    Was  er  von  den  Schel- 
mereien der  kleinen  jüdischen  Kaufleute  und  Händler  sagt, 
hat  nichts  an  sich,  das  sie  nicht  gemein  mit  den  Leuten 
des  Kleinhandels  anderer  Völker  hätten;  wenigstens  lassen 
sich  die  Juden   nicht   durch  Diebstahl  hängen,  oder   es 
kommt  sehr  selten  vor.    Ich  bin  Zeuge,  dass  seit  dreissig 
Jahren,  seitdem  ich  in  Paris  wohne,  nicht  drei  Juden  we- 
gen Diebstahls  oder  anderer  Verbrechen  verurtheilt  worden 
sind.    Im  Allgemeinen  sind   die  Juden   von   Seiten    der 
Sitten  mindestens  ebensoviel  werth  wie  die  Leute   von 
demselben  Stande1)."  —  Zwei  geachtete  Blätter,  die  im 
Haag  von  französischen  Emigranten  redigirte  „Bibliothek 
der  Wissenschaften  und  schönen  Künste"  und  das 
in  London  herausgegebene  „Monthly  Review"  (Jahrg. 
1762 a)  haben  de  Pinto's  Apologie  mit  vieler  Anerkennung 


*)  Carmoly,  Revue  Orientale  II L  p.  197/Jr.  ist  dieser  interessante 
Lettre  de  I.  B.  Ladvocat  ä  Mr.  Isaac  Pinto,  auteur  de  V  Apologie^  abgedruckt. 

*)  Die  Nummer  der  Bibliothkque  oben  S.  20  — ;  die  Recension  aus 
Monthly  Review  in  Letlres  de  quelques  Juifs  zur  Einleitung. 

Franke!,  M  onatuchrift.  XVH.  6.  17 


218  Voltaire  und  die  Juden. 

gelobt  und  Voltaire's  erbärmliche  Judenfresserei  gebührend 
gebrandmarkt.  Beide  haben  aber  auch  herauserkannt, 
dass  Pinto's  Vertheidigung  lediglich  den  portugiesischen 
Juden  galt  und  oratio  pro  domo  war.  „Zwei  Dinge  fallen 
in  dieser  Broschüre  dem  aufmerksamen  Leser  auf",  be- 
merkte der  französische  Recensent,  „das  Eine  ist,  dass 
der  Verfasser  einen  unermesslichen  Unterschied  zwischen 
den  portugiesischen  und  deutschen  Juden  heraushebt,  einen 
Unterschied,   den  man  in  Holland  und  England  nur  für 

einen  rein  äusserlichen  hält Das  Zweite,  dass  der 

geistvolle  Israelite  seinen  Brüdern,  den  Portugiesen,  die 
schönsten  Lobsprüche  ertheilt  und  die  deutschen  und 
polnischen  Juden  ein  wenig  preisgibt"  —  Der  englische 
Recensent  gab  es  Pinto  noch  derber:  „In  dieser  Unter- 
scheidung liegt  zu  viel  Parteilichkeit  und  Gehässigkeit, 
als  dass  man  den  Verfasser  mit  dem  Titel  „Verth eidiger 
der  Juden"  im  Allgemeinen  beehren  könnte.  Wenn 
Voltaire  selbst  das  Unrecht  anerkennt,  dass  er  einer 
ganzen  Nation  die. Lasten  Einzelner  aufgebürdet  hat,  so 
ist  der  jüdische  Apologet  eben  so  tadelnswerth ,  dass  er 
die  Schuld  von  den  Schultern  seiner  Partei  (den  Portu- 
giesen) hat  abnehmen  wollen,  um  sie  auf  die  Schultern 
der  Deutschen  und  Polnischen  zu  wälzen."  Es  sei  nicht 
das  Verdienst  der  Erstem,  dass  sie  in  Spanien  und  Por- 
tugal unter  Chalifen  und  unter  christlichen  Herrschern 
stets  begünstigt  wurden  und  dadurch  mehr  Einsicht  und 
Benehmen  erlangt  haben,  „während  die  anderen  Juden 
zerstreut  in  dem  Morgen-  und  Abendlande,  dort  seit  Con- 
stantin  und  hier  seit  Karl  dem  Grossen,  in  Druck  und 
Elend  gelebt  haben,  als  Sklaven  angesehen  und  demge- 
mäss  behandelt  wurden.  Haben  sie  nicht  noch  heute  das- 
selbe Loos  in  Europa,  in  Polen,  fast  in  ganz  Deutschland, 
in  Venedig  und  sogar  in  den  Staaten  des  Papstes?44  Christ- 
liche Schriftsteller  waren  gerechter  als  der  jüdische.  De 
Pinto  empfand  auch  diesen  Tadel  tief  und  suchte  sich  in 
einer  „Antwort  des  Autors  auf  zwei  Kritiken"  zu 
rechtfertigen  8).    Allein  er  verwickelte  sich  nur  tiefer,  da 

B)  RSponse  de  Vauteur  de  V Apologie  de  la  naiion  juife  ä  deux  critique* 
qui  ont  Mfaites  de  ce  petit  e'erü  (1766?). 


Voltaire  und  die  Juden.  219 

er  nicht  revociren  konnte.  Bald  wollte  er  die  deutschen 
Juden  mit  demselben  Eifer  und  gleicher  Wärme  wie  seine 
engeren  Stammgenossen  vertheidigt  haben;  bald  behauptete 
er:  die  durchschlagende  Differenz  zwischen  diesen  und 
jenen,  sei  nicht  seine  Schuld,  sie  sei  vorhanden,  und  er 
habe  sich  dazu  nur  als  treuer  Historiker  verhalten,  als 
hätte  er  vergessen,  dass  er  doch  gerade  Apologet  sein 
wollte,  und  ein  Vertheidiger  darf  doch  nicht  selbst  einen 
Stein  auf  seinen  Clienten  werfen.  War  es  schon  lieblos 
von  ihm,  dass  er  die  Hand  dazu  geboten  hat,  die  deutschen 
Zuzügler  aus  Bordeaux  vertreiben  zu  lassen,  so  war  es 
noch  liebloser,  dass  er  einer  Welt  des  Hasses  und  Ver- 
achtung gegenüber  die  Niedrigkeit  dieser  Kaste  zugestand 
und  sie  in  Schatten  stellte,  um  desto  mehr  Licht  auf  die 
angeblich  adelichen  portugiesischen  Juden  fallen  zu  laa$en. 
Ohne  dass  Mendelssohn  den  hässlichen  Hintergrund 
der  Pinto'schen  Broschüre  kannte,  missfiel  ihm  seine  Art 
der  einseitigen  Apologie,  und  er  konnte  es  nicht  unter- 
lassen, sein  Lob  auf  den  Verfasser  mit  einem  feinen  Tadel 
anzuhauchen.  Als  dieser  ihm  seine  sogenannte  philoso- 
phische Schrift  gegen  die  Materialisten  zugesandt  hatte, 
schrieb  Mendelssohn  an  den  Vermittler  Simon  Sommer- 
hausen im  Haag:  „Herr  Pinto  ist  mir  aus  seinen 
Schriften  wohl  bekannt. . .  Hätte  die  Nation  zehn  Schrift- 
steller wie  Pinto  aufzuweisen,  die  Voltaire's  würden  mit 
anderer  Achtung  von  uns  sprechen.  Pinto  muss  es  uns 
Hochdeutschen  nicht  übel  nehmen,  dass  wir  uns  auch  et- 
was auf  seine  Rechnung  zu  Gute  thun;  wir  sind  immer 
noch  Kinder  Eines  Vaters,  so  wenig  er  es  in  seiner  Apo- 
logie hat  gestehen  wollen4)." 

Und  Voltaire?  De  Pinto  hatte  ihm  seine  Apologie  mit 
einem  enthusiastischen,  fast  vergötternden  Begleitschreiben 
zugeschickt,  dem  er,  der  Eitle,  nicht  widerstehen  konnte. 
Er  richtete  daher  eine  Antwort  an  ihn  (Juli  1762),  das 
dem  horazischen  Bilde  gleicht:    im  Anfang  ein  schöner 


4)  M.  Mendelssohn 's  gesammelte  Schriften  herausgegeben   von 
Dr.  G.  B.  Mendelssohn  V.  8.  528. 

17* 


220  Voltaire  und  die  Jaden. 

Weiberkopf,  der  in  einen  hässlichen  Schweif  eines 
Ungethüms  endet:  „Die  Zeilen,  über  die  Sie  sich  beklagen, 
sind  heftig  und  ungerecht.  'Es  gibt  unter  Ihnen  unter- 
richtete und  achtbare  Männer;  Ihr  Brief  hat  mich  davon 
tiberzeugt.  Ich  werde  Sorge  tragen,  in  der  neuen  Aus- 
gabe einen  Yerbesserungs-Garton  zu  machen.  Wenn  man 
Unrecht  hat,  muss  man  es  wieder  gut  machen,  und  ich 
habe  Unrecht  gehabt,  einer  ganzen  Nation  die  Lasten 
mehrerer  Einzelnen  beizulegen."  Das  klingt  recht  schön. 
Aber  gleich  darauf  verfiel  Voltaire  wieder  in  seinen  Sar- 
kasmus  und  verlor  sich  in  zotigen  Spässen.  „Ich  könnte 
mit  Ihnen  über  die  Eenntniss  der  alten  Juden  streiten  . . . 
aber  ich  würde  Ihnen  damit  weh  thun,  und  Sie  scheinen 
mir  ein  zu  feiner  Mann  zu  sein,  als  dass  ich  Ihnen  miss- 
fallen wollte  Bleiben  Sie  Jude,  da  Sie  es  einmal  sind« 
Sie  werden  nicht  40,000  Menschen  abschlachten,  weil  sie 
das  Wort  Schibolet  nicht  haben  gut  aussprechen  können, 
und  auch  nicht  24,000  Männer,  weil  sie  mit  Midianitischen 
Weibern  ihr  Beilager  getheilt  haben5)."  —  Eine  direkte 
Ehrenerklärung  hat  Voltaire  den  Juden  niemals  gegeben, 
nicht  einmal  den  Portugiesischen.  Aber  aus  dieser  Zeit 
scheint  jene,  einigermaassen  judenfreundlich  gehaltene 
und  tragisch  gefärbte  Schilderung  des  Märtyrerthums  der 
Juden  aus  seiner  Feder  geflossen  zu  sein,  die  zu  grell  gegen 
seine  sonstige  Behandlung  derselben,  selbst  in  ihrem  Un- 
glücke, absticht.  „Es  ist  wahr,  wenn  man  an  das  Ge- 
metzel denkt,  das  man  den  Juden  unter  einigen  römischen 
Kaisern  anthat,  und  an  die  so  oft  wiederholten  Schläch- 
tereien in  allen  christlichen  Staaten,  ist  man  erstaunt,  dass 
dieses  Volk  nicht  nur  noch  fortbesteht,  sondern  dass  es 
heute  nicht  minder  zahlreich  ist,  als  es  ehemals  war .... 
Ihre  feste  Anhänglichkeit  an  das  mosaische  Gesetz  ist 
nicht  minder  bemerkenswerth. . .  Das  Judenthum  ist  jetzt 
unter  allen  Religionen  diejenige,  welche  am  wenigsten 
abgeschworen  wird.    Es   ist  zum  Theil  die  Frucht   der 


*)  Auch  dieser  Brief  Voltaire's  an  Pinto  ist  den  Lettres  de  quel- 
ques Juifs  beigedruckt,  im  Anfange. 


Voltaire  und  die  Juden.  221 

Verfolgungen,  die  sie  erlitten  hat.  Ihre  Anhänger,  stetige 
Dulder  für  ihren  Glauben,  haben  sich  immer  mehr  als 
die  Quelle  aller  Heiligkeit  betrachtet  und  haben  uns  als 
jüdische  Abtrünnige  angesehen,  welche  Gottes  Gesetz 
verändert  und  diejenigen  gefoltert  haben,  aus  deren 
Hand  sie  es  empfangen  hatten  6).u  Der  ganze  Artikel 
ist  mit  vielem  Ernst,  fast  mit  Andacht  geschrieben.  Aber 
das  war  nur  eine  flüchtige  Laune;  sie  stand  ihm  über- 
haupt nicht  gut,  seine  diabolische  Natur  oder  vielmehr 
seine  Satir-Natur  Hess  gemüthliche  Regungen  bei  ihm  nicht 
lange  bestehen.  Er  fuhr  fort,  wo  er  nur  Gelegenheit 
hatte,  das  jüdische  Alterthum  zu  besudeln  und  gegen  die 
zeitgenössischen  Juden  zu  hetzen,  und  setzte  dieses  Ge- 
schäft bis  kurz  vor  seinem  Tode  fort.  Zum  Theil  wurde 
er  zuletzt  herausgefordert.  Ein  christlicher  Schriftsteller, 
Professor  des  Kollegiums  St.  Jacques  in  Paris,  trat  als 
Kämpfer  für  das  von  Voltaire  geschändete  biblische  Alter- 
thum auf,  aber  nicht  mit  offenem  Visir,  auch  nicht  in 
christlicher  Rüstung,  sondern  in  jüdischer  Vermummung. 
Die  literarische  Manier  seiner  Zeit,  Wahrheiten,  Gemein- 
plätze und  Polemiken  in  Briefform  von  fernstehenden 
Correspondenten  aussprechen  zu  lassen,  nahm  auch  dieser 
Schriftsteller  an.  Der  Spassmacher  Friedrichs  des  Grossen 
Marquis  d'Argent,  hatte  jüdische  Briefe  über  die  religiösen 
und  sittlichen  oder  vielmehr  unsittlichen  Zustände  der 
europäischen  Völker  erscheinen  lassen.  Ihm  ahmte  der 
Professor  von  St.  Jacques  nach,  liess  ebenfalls  „Briefe 
von  einigen  portugiesischen  und  deutschen  Ju- 
den an  Herren  von  V.oltaire"  drucken,  zuerst  (1767) 
unter  dem  Namen  von  Joseph  Ben- Jonathan,  Aaron 


e)  Voltaire  in  dem  Pamphlet:  Un  Chretien  contre  six  Juifs  ou  re- 
ßitation  du  livre  intitute:  Lettre  de  quelques  Juifs  portugais  et  allemands 
(1776):  Avant-propoa:  Un  aneien  professeur,  dit-on,  (Fun  coüige  de  la  rue 
St.  Jacques  ä  Paris,  e'crivit  en  1771  une  satyre  contre  un  chretien  sous  le 
nom  de  trois  Juifs  de  Hollande,  et  il  en  a  faxt  imprimer  une  autre  ä  Paris 
en  trois  volumes  assez  tpais  en  1776  sous  le  nom  de  trois  Juifs  de  Portu- 
gal, demeurant  en  Hollande  aupres  Outrecht.  Voitä  donc  un  chretien 
oblige'  de  se  battre  contre  six  Juifs. 


222  Voltaire  und  die  Juden. 

Mathathai  und  David  Winkler  aus  Amsterdam,  später 
vermehrt  unter  angeblichen  Herausgebern  rJosephLopez, 
Isaak  Montenero  und  Benjamin  Groot.  In  dieser 
Sammlung  wurden  Pinto's  Broschüre  und  die  sich  daran 
knüpfende  Correspondenz  aufgenommen!,  ferner  ein  an- 
geblich von  deutschen  und  polnischen  Juden  erlassener 
Brief  an  Voltaire  und  endlich  kritische  Briefe  gegen  dessen 
Bibelauslegung.  Die  Bibel  war  übel  bestellt,  einen  solchen 
Vertheidiger  gefunden  zu  haben;  er  hat  ihre  Sache  com- 
promittirt  und  dem  Spötter  gewissermaassen  für  seine  Lach- 
lust neue  Blosse  zugekehrt.  Diese  sogenannten  Briefe 
einiger  Juden  sind  sehr  gelehrt,  sehr  theologisch,  aber 
bodenlos  seicht  und  langweilig.  Der  christliche  Verfasser 
sagte  aber  Voltaire  ins  Gesicht,  was  Pinto  ihm  nicht  vor- 
gehalten hatte:  Er  sei  nur  desswegen  gegen  die  Juden 
aufgebracht,  weil  ihn  ein  Jude  Acosta  banquerout  ge- 
macht hatte.  Der  apologirende  Verfasser  wusste  aber 
nichts  von  Voltaire's  Händeln  mit  dem  Juwelier  Hirschel 
in  Berlin,  die  ihn  noch  weit  mehr  gegen  die  Juden  im  All- 
gemeinen erbittert  und  mit  kleinlicher  Rancüne  erfüllt 
haben. 

Diese  im  Ganzen  ungeschickte  Vertheidigung  des  jü- 
dischen Alterthums  und  der  Bibel,  die  aus  Skandalsucht 
gelesen  wurde,  und  kurz  nach  einander  überdruckt  wurde, 
nöthigte  Voltaire,  fast  „auf  seinem  Todtenbette",  wie  er 
sich  ausdrückte,  sich  wieder  mit  Juden  alter  und  neuerer 
Zeit  zu  beschäftigen  und  gab  ihm  wieder  Gelegenheit, 
sein  Müthchen  an  ihnen  zu  kühlen.  In  einer  Broschüre: 
„Sechs  Juden  gegen  einen  Christen"  (gedruckt 
1776  7)  Hess  er  sich  von  einem  anonymen  Freunde  ver- 
treten, der  sich  seiner  anzunehmen  für  seine  Pflicht  hielt, 
„weil  Voltaire  angeklagt  und  geschmäht,  nicht  mehr  die 
Kraft  habe,  sich  selbst  zu  vertheidigen".  —  „So  ist  denn 
ein  Christ  genöthigt,  sich  gegen  sechs  Juden  zu  schlagen. 
Steht  auf  der  einen  Seite  Antiochus  und  auf  der  anderen 
die  Makkabäer?    Die  Partie  ist  desswegen  ungleich,  weil 


7)  Diese    Broschüre    ist   in    Voltaires  Milanges  hütoriques   auf- 
genommen. 


Voltaire  und  die  Juden.  223 

der  gelehrte  Professor  (der  sich  als  Jude  vermummt  hat) 
sich  oft  heiliger  Waffen  bedient,  gegen  welche  ich  keinen 
Schild  habe,  noch  haben  will."  Neues  konnte  der  damals 
achtzigjährige  Voltaire  nicht  mehr  vorbringen,  er  wieder- 
holte nur  seine  schalen  und  unfläthigen  Witze  in  Betreff 
biblischer  Persönlichkeiten.  Dasselbe  that  er  unter  dem 
eigenen  Namen  in  einem  Artikel,  den  er  zum  Stichwort 
„Juden"  im  Dictionnaire  philosophique  zur  selben  Zeit  hin- 
zufugte (Section  IV.).  In  dieser  Partie  wiederholte  er  auch 
hin  und  wieder  seine  Anschuldigungen  gegen  die  Juden: 
„Ich  habe  einmal  gesagt,  dass  einige  Beschnittene  in 
Metz,  Prankfurt  a./0.  und  Warschau  Münzen  beschnitten 
haben  (ich  erinnere  mich  dessen  nicht  mehr  genau).  Ich 
bitte  sie  darum  um  Verzeihung;  denn  da  ich  nahe  daran 
bin,  meine  Pilgerfahrt  zu  beschliessen ,  will  ich  mich  mit 
Israel  nicht  überwerfen."  Die  Judenheit  hat  Voltaire  viel 
zu  danken ;  er  hat  ihr  wesentliche  Dienste  geleistet,  nicht 
dadurch,  dass  er  überhaupt  für  die  Duldung  deklamirt 
hat,  sondern  dadurch  dass  er  im  Widerspruche  mit  seiner 
als  Princip  proklamirten  Parole  die  Juden  mit  cynischer 
Herzlosigkeit  behandelte.  Er  hat  ihnen  damit  zwar  hin 
und  wieder  neue  Feinde  auf  den  Hals  gehetzt,  wie  jenen 
Pamphieüsten  vom  Elsass,  der  wiederum  eine  Verfolgung 
gegen  sie  in  Scene  setzte.  Aber  er  hat  ihnen  auch  Freunde 
geworben,  den  Priester  Gregoire  und  Mirabeau,  zwei 
Namen,  die  in  der  Geschichte  der  Menschheit  und  in  der 
Geschichte  der  Juden  einen  angenehmen  Klang  haben. 
Warum  sollen  wir  uns  noch  geniren  es  auszusprechen? 
An  dem  Verhalten  zu  den  Juden  kann  man  die  Ehrlich- 
keit der  Freiheitsapostel  und  Philosophen  ganz  genau 
prüfen.  Mirabeau  war  ohne  Zweifel  aufrichtig  für  die 
politische  Freiheit  erglüht,  so  sehr  man  ihn  auch  der  Gor- 
rupüon  beschuldigte;  denn  er  hat  für  die  Juden  aus 
freier  Regung  warm  geschrieben  und  gesprochen.  Vol- 
taire dagegen  kann  es  nicht  redlich  mit  seinen  Tiraden 
von  Freiheit  und  Toleranz  gemeint  haben,  weil  er  die 
öffentliche  Meinung  gegen  die,  welche  am  meisten  der 
Duldung  bedürftig  waren,  gehetzt  hat. 


224  David  Cohen  de  Lara's 

David  Cohen  de  Lara's  rabbinißches  Lexicon 

Kbeter  Khebunnali. 

Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  rabb mischen  Lexicographie 

Von  Dr.  J.  Perl  es. 


Die  Schriften  David  b.  Isaak  Cohen  de  Lara's  (lebte  zu  Am- 
sterdam und  Hamburg,  starb  1674)  bewegen  sich  fast  ausschliess- 
lich auf  dem  Gebiete  der  rabbinischen  Philologie.  Die  Mehr- 
zahl derselben  sind  nur  dem  Namen  nach  aus  einzelnen  An- 
fuhrungen bekannt  und  mögen  sich  noch  handschriftlich  in 
Bibliotheken  befinden.  Bios  zwei  philologische  Schriften  de 
Lara's  sind  durch  den  Druck  veröffentlicht,  von  denen  die  eine 
"11*1  TJJ1))  ein  Lexicon  der  in  den  rabbinischen  Schriften  vor- 
kommenden Fremdwörter,  ziemlich  verbreitet  ist,  während  die 
andere  rWlD  irD»  ein  bis  zum  Buchstaben  i  (Jod  inclusive) 
sich  erstreckendes  rabbinisches  Lexicon,  dem  die  nachfolgenden 
Zeilen  gewidmet  sind,  zu  den  bibliographischen  Seltenheiten 
gehört  und  selbst  von  Spezialforschern  wenig  gekannt  und  be- 
nutzt wird. 

Bei  genauer  Einsichtnahme  in  das  Werk  ergeben  sich  bald 
die  Grunde  für  die  geringe  Verbreitung  desselben.  Christliche 
Philologen  wurden  durch  den  hebräischen  Text,  dessen  sie  nur 
mit  Mühe  Herr  werden  konnten,  abgeschreckt  und  einen  grossen 
Theil  der  jüdischen  Leser  störten  die  dem  Texte  überall  einge- 
streuten griechischen,  lateinischen  und  spanischen*)  Vokabeln 


*)  *m  TJ/  sive  de  Convenientia  vocabnlorum  rabbinicorum  cum 
graecis  et  quibusdam  aliis  Unguis  Europaeis,  auctore  David  Cohen  de 
Lara.  Amstelodami  typis  Nicolai  Ravesteinii  a.  1638  mit  einer  latei- 
nischen Widmnng  an  den  schwedischen  Gesandten  in  Deutschland, 
Jon.  SalviuB  de  Talingen  ddt  Hamburg,  24.  November  1638  und  einer 
lateinischen  Vorrede,  in  welcher  die  Mangelhaftigkeit  der  philologischen 
Leistungen  de  Pomis'  und  Lonsano'f  hervorgehoben  wird. 

*)  Falsch  bei  Wolf  bibl.  hebr.  L,  318:  cum  explicatione  partim 
Latina  partim  Italica, 


rabbinisches  Lexicon  Kheter  Kbehunnah.  225 

und  Sätze  (in  hebräischen  Charakteren),  die  fleissige  Benutzung 
der  Schriften  nichtjüdischer  Autoren  und  wie  mir  scheint  ganz 
besonders  die  kühne  und  unabhängige  Art  und  Weise,  mit  der 
de  Lara  die  sprachlichen  Leistungen  der  Talmudlehrer  und  äl- 
teren Rabbinen  kritisirte.  Während  Jacob  Anatoli  (Vorrede  zum 
Malmad)  und  um  einen  Zeitgenossen  de  Lara's  zu  nennen:  Ma- 
nasse  b.  Israel  sich  für  ihre  Benutzung  nichtjüdischer  Quellen 
rechtfertigen  zu  müssen  glaubten  (Vorrede  zu  Q^pl  D)DtW,  Ende), 
citirt  de  Lara  ohne  jedes  Bedenken  die  griechisch-römischen 
Classiker,  die  Kirchenväter  und  spätere  christliche  Autoren, 
behauptet,  sein  Werk  vorzüglich  auf  Andrängen  des  Licentiaten 
Esra  Edzardus  veröffentlicht  zu  haben8),  widmet  es  den  Pro- 
fessoren Joh.  Jac.  Wagenseil,  D.  Juan  Conjo,  Joh.  Ben.  Carpzov, 
Mart.  Vossius  und  Just.  Christ.  Wagenseil  und  spricht  in  dem- 
selben mit  der  grössten  Unbefangenheit  Aeusserungen  aus,  die 
sein  Zeitgenosse  Benjamin  Musafia  nur  schüchtern  vorzutragen 
wagt,  und  die  auch  in  unserer  Zeit  von  jüdischen  Gelehrten 
nicht  allzu  häufig  vernommen  werden4). 


8)  dwn  Dann  5>n  natsA  uyhy  D^yon  fei  ^jni  nn«  fen  fyi 
■»Dan  nora  nND  "»pari  oinnji  N-ny  npn  ütfMDAn  rAyj  twdi 
t  npina  UDtych  wya  atn  An  manno  jiüp  p*?n  nm  -«wo  ^  onayn 
A  ha*i  mn  nN  Tyn  rwpam  dwdh  mowym  w  nrponn  nnsonn 

(Vorrede  zu  iWD  "IPD)    •fyn  IDy  ITA«  W  DlDin  !>N  KQi'A 
4)  Man  lese  nur  folgende  Aeusserungen: 

Doyt:  ara  nvwoa  nAon  *o  nyow  "jtn  tjtn  nx  nAA  Tixa  nnyi 
map  itw«  HiDTi  '■Dam  Aya  onnn«  D"wam  ^ddn  iim^  nfcü  jrm  rm 
DiTrayr  Dt&nTDa  dAd^dd  ph  aruon  ny  wa  *A  Dnra  morn  anyn 

(s.  v.  jiAn)  KÄDrn  piann  mpAn 
—  crxny  iDyü»  kto»  db>  v-idnp  hdd  owj  rayo  •pno1'  foi 
••oyto  iyr  *Ai  NiDn  nsan  ^  onyn  n~wp  •o  vram  7>nyDB>n  naa  o 
anoan  nfyo^  rAyo^  nawi  ram  ^  ruwnn  rono  ütd  mrum  anann 

nonn  Kim  fWDn  "»oan  nyn  ^eA  "»"d  ou^m  pya-^mn  oin 
ypnp  yo  kw  ntod  db>  no«  Hin  no  iyT  *A  "o  Dnnrw  warn  pwi 

—  .(Din)  'iai  rAiro 
•»oan  pwi  new*  nAon  btpm  ipDnDJ  KntMn  Aya  •o  fnjmn  "iaai 

.(Np^n)  ro^o  t>ni  ofett>  t  map  ^  rwon 


226  David  Cohen  de  Lara's 

Das  Werk  ist  nach  dem  Aruch  und  Buxtorf  die  beste  Lei- 
stung auf  dem  Gebiete  der  rabbinischen  Lexicographie  und  über- 
trifft bei  Weitem  Lonsano's  und  Musafia's  Arbeiten,  die  sich  ja 
nur  auf  einzelne  Zusätze  und  Verbesserungen  zum  Aruch  be- 
schränken und  das  zwar  vollständige,  aber  wissenschaftlich  ganz 
werthlose  Lexicon  Zemach  David  des  David  de  Pomis.  Vierzig 
Jahre  lang*)  arbeitete  de  Lara  an  dem  Werke,  das  wie  bereits 


djdn  rm  nhün  nxi  oyto  hy  w  vr>  nip^n  n\yi  {fh  nona)  rno 

.(rmw  n*ymcm  map  xm>T\  ^an  njn  tnrh 
.(wmn)  *w  hiüti  naio  (Musafia)  y"D  nn  pna 

Solchen  vereinzelten  Aeusserungen  stehen  zahlreiche  andere  gegen- 
über, in  denen  de  Lara  die  Vorzüglichkeit  und  den  tiefen  Gehalt  des 
rabbinischen  Schriftthums  mit  warmen  Worten  hervorhebt,  vergl. 
beispielsweise : 

-nD^pr»DU3  icwh  'n  ofe  wn  (nDnaoa)  na  t^  nnn  otd  dj 
m  ijrr  iwb  iin^  TOTnn^  ^  -mir1  ovita  'mn  ma  rronp  ton  ^ 
nfyo^  mwi  nam  'Q  nm  bxmr*  ^ao  xh  ton  m<  "ua  dj  onx  ■oa 
•ooa  'n  fe  D^yn  fei  omn  omn  nih  toja  wnpn  uwb6  r£yofc 

.(i  rpü)  idäj; 
njr£  t^w  tinti  dw  ....  po  tw  pT  idb>  Nip:  noh ....  pr> 
rnyDDH  /oa  p^a  n  nan  nj  mp  hnd  iDan  •o  otwi  nan  ip-m  noa 
Dio^n^  aarim  f*  K'Dcnvm  rnönta  t>a  •po'ovi  Vüd  n"ov:n$>Di 

(Philippus  Cluverius)  «V3lfcp  DID^D  DJ  n"a  'BIDNp  5>NpTiT  ity  "M 

.(p-p)  a'ao  nt>a  Dmai  uy 

Der  letztgenannte  Cluverius,  ein  aus  Deutschland  stammender 
und  in  Holland  lebender  berühmter  Geograph,  war  Zeitgenosse  de  Lara's. 

5)  Von  ihm  selber  auf  dem  Titel  des  Werkes  angegeben,  der 
also  lautet: 

tfiDDin  ton  ofen  naa:  wn.TKD  am  y\y  Nim  raro  "ina  'd 
mna  wn  ly  mriN  man  fei  ^sn  jr\yn  hyi  nn  nan  ipy  hy  rono 
warn  npn  cm  uon  nan  onttro  dwin  D^jn  mnpn  oa^y  rmm 
•n  pa  in  m  "dt  rw  N'y»  j-naon  tjd  iduj;  rwsim  rann  5>n 

N"T  N~IN7.  Lexicon  talmudico-rabbinicum  amplissimum  et  locuple- 
tifisimum.  De  Convenientia  Vocabulorum  Thalmudicorum  et  Rabbini- 
corum cum  lingua  Chaldaica,  Syriaca,  Arabica,  Persica,  Turcica,  Graeca, 
Latina,  Italica,  Hispanica,  Lusitanica,  Gallica,  Germanica,  Saxonica, 
Belgica,  Anglica.  Opus  XL  annorum  Auetore  David  Cohen  de  Lara 
Sumptibus  auctoris.    Hambargi  typis  Georgii  Rebenlii  1668. 


rabbinisches  Lexicon  Kbeter  Khehunnah.  227 

bemerkt  wurde,  blos  bis  zum  Buchstaben  Jod  im  Drucke  er- 
schienen ist,  obschon  es  nach  einer  Mittheilung  Georg  El.  Edzard's 
bei  Wolf  I,  318  bis  zum  Buchstaben  *")  ausgearbeitet  war.  De 
Lara  verwendet  gleiche  Sorgfalt  auf  die  kritische  Feststellung 
des  Textes  wie  auf  die  etymologische  Erklärung  der  Schlag- 
wörter, befleissigt  sich  im  Gegensatze  zu  mehreren  seiner  Vor- 
gänger, denen  er  Weitschweifigkeit  vorwirft,  der  gedrungenen 
Kürze  und  setzt  sich  mit  grossem  Freimuth,  oft  sogar  mit  einem 
gewissen  Haschen  nach  Originalität,  in  Widerspruch  zu  früheren 
Leistungen  •). 


•)  no  iyr  xh  t>  rann  löanru  rbün  nw  «rran  dj  idij^dn 
nrr  no  ywth  ^hy  n^jn  hwon  rm  dki  ühbd  xum  -non  wwi  tm 
nj^y  uh^o  nrrby  yrv  cw  onu^  nrw  nrcfc  rf?  wy  ~wx  ontn  o^iam 

.(IDip^N)  pa  masnh  nyae£  $naN$>  nfcru  rrnyo  *^a 

HDD  naVT  ^  TD©11  *0  ptC  X1?  ('2  2"*  T\2W  'WV)  KPin  mi»K 

•»ohsn  anron  iwn  fea  in«  dj  px  Yiyr  "wi  nwn  nfoa  hz:  bufhpno 
*]yarh  vwa  'üki  na  m  ntPN  htm  t&natpn  'odd  mn®^  fev»  onnDon 
Nnto»&  uro  i&pnm  'na  n^NMr^N  Nim  NTinrraN  W  *m  no 

Nan\n  (radicula  sivo  lanaria  herba)  [mn  DTÄN]. 

De  Lara  denkt  an  otqqv&Lov,  struthion,  Seifenkraut 
fe  Aoy  KMfrh   (cnuog)  *'!?a  1DDJ  Tlfa  UUy-(VD  'D  n"a)   DVpN 

nyn  nnpnn  n5>  irpim  cwn©  n$>  wm  n^ytmn  mtwi  Toyn^  owin 

.(pvpN)  ona  fcwon 
feix  omnan  TiVpa  cnaanon  nao  wn  —  t&natp  anat&>  ^  wm 

.(tcmm*)  ^bc  k^i  my&n  m*yon  h?  Data  kw£  wra 
wn  onru«  wyp  ioa  vihai  mn  *]nya  mann  amr&  tAoti  £i 
oan^  in  nona  n»  Tnonn  p^  manna  ppn  •jbtdji  ikd  mann  ^no 

—  -fln)  my  Dann 
no  Sy  wttw>  no  yDt&n  rnDansho  tjtm  rwv  nnKi 
nniD  fea  non  pj  **>  mn  xh  imoai  NJiDDn  mm  $>yi  mry  yrnnon 

(Anfang  als  Buchst,  n)  "OlDlp  ntPN  n&Dn  dass  nämlich  1  oft  dem  ara. 
bischen  (j»  entspricht  und  dass  mm  =  jjto>  Schaden.  —  DVPNili 

enrih*  tjod  vnnpS  naai  fiajn  mn  *  can«  ^Tp  n£  ^a  nyi  jnr» 

(OHDID  paN)  dass  dieses  Wort  =  abacus;  der  letzte  Passus  bezieht 
eich  wol  auf  Musana,  der  dieselbe  Etymologie  angibt 

nfci  ]*n  at^noi  pn  nan  nud^  nntn  rn^on  "«noo  fe  f»y  '»nnrm 
^iny  «»Da  *h  Tin  "»nNttoi  ^y  rw  prrpnm  am  rnion  -wo  ^k  na 

.(^pttt)  pn3  mi«D  'Da  ihtnv  iDa  "  an 


228  David  Cohen  de  Lara's 

Welches  Maass  von  philologischen  Kenntnissen  de  Lara  zu 
Gebote  stand,  erhellt  unter  Anderem  auch  aus  den  von  ihm  an- 
gezogenen und  benutzten  Schriften.  Im  JIJirD  "1PD  wird  auf  die 
folgenden  Autoren  und  Schriften  Rücksicht  genommen: 

In  hebräischer  Sprache: 

Aruch  des  R.  Nathan,  der  die  Grundlage  seines  Werkes  bildet, 
von    dessen    Erklärungen    er   sich  jedoch   oft  unbefriedigt 

fühlt:   otip  d*dj;b  idni  um  *»D3  fpiyn  fyn)  ipnn  Mnru  nos 
ymm  -rfah  nn  nup  *rovün  dinh  n  k»w  131  rro  r&y  n^ 

.(otm  npi$>n)  70^  ">d  rix  t)N3.i  t6  anora 

nDN  HIN  des  Mei'r  Benveniste  (crp  13). 
BDB>D  3.11N  des  Simon  b.  Zemach  Duran  (bhn). 
Benjamin  vonTudela's  Reisewerk  und  L'Empereur's  Ueber- 
setzung  desselben,  11  TDD K^  D3t1.1  1ND  13  tD3Tirü  1331 

.(D1D11DN)  F)1D3  y#3  rp  p'OS  '1  mj/DD  fy  VplD^ 

D^iy  ni3^«1  des  Jeschua  b.  Josef  Levi  (113  über  Nn^13). 
Levita's  Lexicon,  gegen  welches  er  oft  polemisirt:  N7  pjunon 

•OpUN)  nras  h  phn  xh  *o  nw  ntai  td  jrr 

Lonsano'sniT  Ylt^Musafia's  njiH3  mtflD  und  David  de  Po- 
mis'  Lexicon  Zemach  David,  deren  unkritisches  Verfahren, 
besonders  des  Letzteren,  er  oft  in  den  strengsten  Worten 
tadelt : 

TPM  £w  i?  TI1DN  1331  W)2W  XXD  Hl  TO»  .131.13  ntiriD  ^JD 

ppm  lyj/n  brrro  ^y  nsN^Dn  i33n  m  idd  hy  amniyü  p£j/d 

.(Tüiib)  rrcmja  t»m 

wy  rrooD  no  nw<  m  nou  ^»y3  t  nnn  nwn  ntooon  d^ini 

•(  wm)  13^  Vwnoi 

.(^3)  vyinyru  rrcp  wwi  —  '33  '3n  -mn  i"u  fy/3 

.(pwdd  top  wk)  ntos  anan  rra-mn 

ÜVntb  T)N3  DK)  131  1D3  131  TD  Y'lt  ^D  VT3»  NltW  YW«to  'OKI 

m3  ipk  rwriDün  idd.ii  ttoi  ii3nn  rrariD  otoo*  t6  wnsf?\ 

.(nd^pjn)  ywnh  t6  o  toi  iph  utos 


rabbinisches  Lexicon  Kheter  Khehunnah.  229 

Maimonides,  dessen  Etymologieen  er  oft  angreift:  tPantW  HDD1 

nrw  iu  "d  yrh)t)  DttiDNa  £  mp  iwh'd  riNtn  rtan  ">Da  D"-in 
Twb  njm  hdd  runai  jnn  ij/e£  man  ron  ^  jmi  owi> 

.(Nn^pDDx)  nttny  nw 
.(DjnDN)  rrrojm  nruian  ny  «a  n$>  tp  'b  no$>  n!>  iimo  "o  -  D"-im 
nnty  orA  t»k  "o  cwntn  p  irfon  a'hn  nana  "proAn  n^  p^ 

Die  Unentbehrlichkeit  derKenntniss  der  griechischen  Sprache 
zur  sichern  Ermittelung  der  Etymologieen  wird  an  verschiedenen 
Stellen  hervorgehoben: 

rrbon  *©a  a"a  DUDanno  vn  n5>  ^  'fca  crjrff1  v»n  dn  *d  rwin  "pm 
.(Ninx)  p*-fc  ij/jp  n!>  ^a  iDan  ta  —  nw  *©a  mfon  nrrc>  dqj  noa 

^D  mJD  des  Salomo  Alkdabiz  (pD'üpDDN). 
ai*»N  "VND  des  Meir  Arama  (mtDnb). 
Sohar:  KfoiDfi  Vmn  ^). 

In   griechischer,   lateinischer   und  spanischer 

Sprache: 

Die  Classiker,  aus  denen  er  sehr  häufig  Stellen  anfuhrt  und 
zur  Erklärung  von  Realien  und  des  talmudischen  Sprachgebrauches 
benutzt: 
Athenäus   (l^BN)  und   Aristoteles'  Thiergeschichte  [5  DJlti, 

Nnwi,  rwiDPi]; 

Cicero  de  oratore,  Martial:   iVIPSa  NÄDHl  pann  (NTID  r{?n) 

•n"^  V'Da  ^*o»idi  Twbün  'do  :"a 

Columella,    sehr  häufig;    Constantini   Geoponici:    (NpWl) 

Dioscorides,  häufig; 

Horatiiserm.  satyr.,  Idyllen  des  T h  eo crit:  py-pi^JD^  nXD  pö 

pi  -dt  aae>D$>  onw  onp£  w  wtw  tto  anma  rm*  tmüa  wn 
tonpwD  cu  'a  itpbd  'n  'idtdd  rmim  (fwttoo  £hd  ^a 

(pto)  'n  $"TN 


230  David  Cohen  de  Lara's 

OvidiifastietmetamorphnfefDrMDDD  'D3  VT31K  (nyr\  313N).— 

p  n"d  naw  napj  ioyö  ftwifo  ^  *fe  t>  (K":>Dn  k"id)  rwK  it  p 
rmci  nny  nwnpj  vfe  pt?  ntn  N3  cnpo  inw  &n  nwxn  hy  *id*ü 
.(pj)  ifer  D,'DiD-nDB,»D3  t>t  2)h  nny  p  (*n*°e)  p  nWnn  n"y 

Plinius,  sehr  häufig;  Ptolemäus'  Geographie  (xfej). 
Petronius  Arbiter,  Solinus  "ID^IK  D'JIIB'DI  DU^ID  3TO  pi 

.(iTPDIT) 
Strabo,  13*1130  (TinN); 
Theognis,  Virgilii  Georg:  DDn  *p"nM^no  Yto  UO^UT3  pl 

[«nn  2]  (versus  579)  toypn  didvi  D^jwn  p  flfrfe  n?  & 

Vitruvius  (W^Ttf), 

Lateinische  Sprichwörter:    13  K3VO  NttDn  0*Dnn  fe  DFTO  'feD3) 

.({OTI  9)  Dim3T3  *p^  DDn  DK 


Alciati,  italienischer  Jurist  und  Neulateiner  des  16.  Jahrhun- 
derts.   De  Lara  citirt  die  Epigramme  (Emblemata)  desselben: 

.(HTon)  nna  nd^3d*n3  idioä^k  uro  p 

Die  Briefe  des  Augustinus:  füp  miN  'JUXftDIO  ]*y  (N*»T13). 
Avicenna:  wy  ipy  K»0$>  kwid  WH  TODH  *0  HN"I  cu  ran  nnyi 

nnnDD3  -mw«  rnfeai  —  ^  mDy  vtjw  dj  nvosyn  omwrorn  rufen 

-    Vergl.  auch  jfefK.  und  ND^pON. 

Buxtorf  s  rabbinisches  Lexicon,  von  dem  er  mit  grosser  Be- 
wunderung spricht  und  dessen  Irrthümer  er  in  einem  mil- 
deren Lichte  darzustellen  sucht: 

rwin  fcmn  nw  tffen  wüth  ua  ^y  *mn  -wk  *piütena  oonni 

fe^an  ^D3n  t^fe  nDD3  TINO  JTW)  KTpa  VJD^  rm  t6  TPHD31 

•Ouon)  naan  ife  pp^^fe  iran 

mtb  D  rro  ofwun  ron  fea  owi  ny  trat»  op  n!>  n&w  wm 

A  m  cfeoon  mofe  *»iwi  rroa  umn  &pvm  p  man  nr 

.(Krntfoi  wnian)  mr  ton  mfe  feai  nt3  ih&oni> 

Vgl.  auch  ]W3#W- 


rabbinisches  Lexicon  Kheter  Khehunnah.  231 

Buxtorf's  Uebersetzung  des  More  Nebuchim: 

^invia  oanm— noan  dddd  D"a  'd  yru  uüd  -an  npud?  n-nom 
r\ta\  nj  tonn  Brno  x^  vfw  -nnx  awn  mpnyna  m  DiptA  jwmo 
*£n  n^D  t»k  ^feyi  Y11W  omy  d:j  ■j^jnrfc  *npwn  m  yvtn  pvi  ny 

.(fex)  ^  rioj;  mnnn  Tnptfi  axa 

Casaubonus:  v£  Plp£  "»DIX  'fei  'na  p  xnpJ  B>iai>  y*D  Xin  TÜlDl 

.(npn)  'uixop  njn 

Co cc ejus'  lateinische  Uebersetzung  des  Traktates  Synhedrin: 

■o  p-roo  t>d$>  mpnyna  "aia  Dann  pn«  x!>  nra  —  kd^?  p 

.(na)  mn  p  *>di  rrna  fe>  omn  kvw  atm 

Covarruvias'  spanisches  Lexicon:  "ftflxa  DX'Onaip  njTD  X$n 

.QDn  5)  niDD  fltt£ 

Vergl.  auch  hm ,  DJltD ,  xa^H  K"lpT»  und  xm\ 

Philippus  Cluverius,  berühmter  Geograph  (siehe  das  Citat 
in  Anmerkung  4). 

Drusius'  Commentar  zur  Genesis:  'j/n  npnyn  ^"ül  yh  inix*1  nni 

.(ah)  nwa  $>y  "ra  oromi  Düöfe  "pD-iy  nnw  (Lxx.) 

L'Empereur's  Uebersetzung  des  Benjamin  von  Tudela  (siehe 
oben)  und  des  Abrabanel'schen  Commentars  zu  Jesaias  53: 

hy  x"nn  nan  rrma  *to  -iwpddk  "h  Dann  nyo  arw  '^ai 

.(th  5)  rpy^  yj 

Fabri's  Lexicon:    ofen  Dann  WD  "1DXB>  naD  flwfe  YIKÄD 

.[xnaia]  (Scaliger)  li^pD 

.cpon)  ifef  Tipwfe  naD  warn  nj^po  Dann  anats>  tdd 
Hugo  Grotius:  (nyn  aiax)  idv  fcru  a*oa  Dwina  —  nr  nat  naai 

Guido' s  lexicon  syro-chaldaicum :  ipwfa  —  TPD  flpt^fe  1TNU 

-(RTO) 
Hieronymus*  Comment.  in  Arnos  (nDn),  in  Ezechiel.  (pT). 
Horae  talmudicae  des  Joh.  Lightfoot:  ilPIlDfe  nifl  5>ya 

.(nvfe) 

Hottinger's  Lexicon  harmonicum  heptaglotton :  niJltp{>  'T  5>J/a 
OpDTlÖ)  tfOJ/DJJW  ^DjntD  HD«  HD  tfOPI  nWI»^  *»  fcj/3.— {(KWE) 
Er  könnte  vielleicht  auch  Edmund  Castellus'  lex.  hepta- 
glotton gemeint  haben,  da  dasselbe  jedoch  1669  (ein  Jahr 


232    David  Cohen  de  Lara's  rabb.  Lex.  Kheter  Khebunnah. 

nach  der  Veröffentlichung  des  rWD  ITO)  erschien,  während 

Hottinger's  Werk  1661   und  1664  veröffentlicht  wurde  (vgl. 

Wolf  b.  hebr.  IL,  551  —  53),  so  ist  wahrscheinlich  das  letztere 

gemeint. 
Isidorus  Hispalensis' liber  glossarum:  (irü)  'HD'l^'pN  ~nVD,,N 

.mmkl  DmD^N31  (KTU,  vgl.  TU  9  und  pT) 
Josephus*  Antiqu.  und  bell.  jud.  (Pljm  313N,r&n)  einmal  auch 

bell.  jud.  in  einer  spanischen  Ausgabe:  H  YTVlDr&D  'D3  *pDWH 

-(TTÜ)  DTIDD^  3"JW 

Martin us  lexicon:    Dl^DID   fTlt^pDDN  ,h*Ä"Ta  ,h&*  4  ,-DUÖ 

.Äff  pp*»ttf^3 
Johannes  Meursius'  glossarium  graecobarbarum : 

.(N"1DN)  Äff  nNDI^a  ,'D'nN,»D  "OPir  tfOPIff  1DD 

.(-P¥1D3)  m»1^  ^DT>D3  ]"V 
Val.  Schindlers  Lexicon  pentaglotton,  gegen  welches  er  häufig 

poiemisirt:  nwh  'n  ^3  —  .(?]U)  'oi  pan  *6  tmw1?  'n  5>ya 
nyton  "o  izhiy\  —  nurcA  'n  fya  —  .(*oprw)  Dinn  nana  ffüff  ">d 
ton  topj  'y  nureA  'n  ^3  —  .ona)  man  uarp  **A  onoon  nx 

TlDa  ffDff  N0H1  (cum  taedio  voluntatis)  Dt)Ö3lfe  VTÜ  Dlp 
(chirotheca)  NptJlTO  lönn  mättA  #n  fyai  —  lpAn  PIDlP!  —  .(fön) 

[non].  —  Vergi.  noch  ynaffN  ,pA?  lhw\  ,mn ,  ""llD , fe\ fcraa 

J)N ,  TOriDN.  Obzwar  hier  blos  im  Allgemeinen  lex.  penta- 
glotton citirt  wird,  so  ist  doch  wahrscheinlich  das  unter 
diesem  Namen  bekannteste  Lexicon  Schindlers  gemeint. 
Zwei  andere  lexica  pentaglotta:  vom  Guil.  Alabastrus  und 
Ernestus  Gerhard  sind  weniger  verbreitet  (vergl.  Wolf  b. 
hebr.  IL,  548,  552,  559). 

Scapula  nSnDNpo  wan  -«wo  NDDUDiran  tm  wiiwrin  hw  a$>  *o 

.(Anfang  N)  NTip  n5?D3 
Vgl.  tfnCTÜ.  —  (NJHN  na)  U11^  Dff3  N^DpD  N'QPIff  TD3. 
Scaliger   de   emendatione   temporum:    "H  'T  TOD  "uApD 

.(nTiM)  'DD^Ö  'TJ^D^N 

Turnebus:  rpDn  NT!  PI  ton  —  (ifflpD  IW  71  PUT  'D  '31  rD^K)  yüA.! 

3TOff  HD  HNT)  N3  —  (caliga)  nonton  "TON  ArA  to)3  «TO3D  Nim 

(Schluss  folgt.) 


Analekten.  233 


Analekten. 


Zur  hebräischen  Sprachkunde. 

Vor  einigen  Jahren  wurde  ich  durch  Herrn  Caplan  (vergl. 
Monatsschrift  vor.  Jahrg.  S.  310),  der  sich  längere  Zeit  in  Ma- 
drid aufgehalten  und,  beiläufig  gesagt,  jüngst  in  Brüssel  ein 
spanisches  Schriftchen  edirt  hat,  auf  eine  1859  erschienene 
spanisch  geschriebene  hebräische  Grammatik  von  Garcia  Blanco 
aufmerksam  gemacht.  Da  dieselbe,  wie  versichert  wurde,  „im 
dritten  Theile  eine  vollständige  Bibliographie  der  im  Escorial 
befindlichen  hebräischen  Manuscripte  liefert",  so  hielt  ich  in 
verschiedenen  grösseren  Bibliotheken  Deutschlands  nach  diesem 
vielversprechenden  Werke  Nachfrage;  es  war  jedoch  nirgends 
vorhanden.  Erst  im  vorigen  Jahre  gelang  es  mir,  dieses  Werk, 
das  in  Deutschland  gänzlich  unbekannt  ist,  käuflich  an  mich  zu 
bringen.    Es  führt  den  Titel: 

pllpl  ♦  Analisis  filosöfico  de  la  escritura  y  lengua  hebrea,  por 
el  Doctor  D.  Antonio  M.  Garcia  Blanco,  Professor  de 
la  Universedad  literaria  de  Madrid.  3  Theile.  Madrid 
1846-1851. 

Immerhin  eine  seltene  Erscheinung!  Die  erste  grössere  he- 
bräische Grammatik  in  spanischer  Sprache,  der,  wenn  sie  auch 
auf  Originalität  keinen  Anspruch  zu  machen  hat,  doch  zugestan- 
den werden  muss,  dass  die  Arbeiten  von  Schultens,  Winer,  Ge- 
senius  und  vieler  anderen  bis  auf  Fürst  in  ihr  fleissig  benutzt 
worden  sind.  Der  erste  Theil  behandelt  die  Formenlehre, 
der  zweite  Theil  beschäftigt  sich  mit  der  Syntax  und  im  dritten 
Theile,  der  1851  (und  nicht  1859)  erschienen,  und  nicht  „den 
Juden",  sondern  den  „Hebraizantes  Espaaoles"  gewidmet  ist, 
wird  eine  Geschichte  der  hebräischen  Sprache  geliefert,  über 
Massora,  Kabbala  geschrieben,  von  einem  „Bibliographen  der  im 
Escorial  befindlichen  hebräischen  Manuscripte"  keine  Spur. 
Dass  Garcia  Blanco  vermöge  seiner  Stellung  als  Professor  und 

Frankel   MonaUwhrift  XVH.  6.  18 


234  Analekten. 

Canonicus  sich  Zutritt  zum  Escorial  zu  verschaffen  wusste,  be- 
zweifeln wir  durchaus  nicht;  für  seine  hebräische  Grammatik 
hat  er  von  dieser  Erlaubniss  keinen  Gebrauch  gemacht,  mit  dem 
besten  Willen  auch  nicht  können. 

Eine  glänzende  Probe  seiner  Kenntniss  der  hebräischen 
Sprache  legt  er  am  Ende  des  ersten  Theiles  seines  Werkes  ab9 
er  beschliesst  diesen  Theil  wie  ein  echter  Hebraist  in  hebräischer 
Sprache  mit  folgenden  Worten: 

on?y,i  Jlyto  nnhj?n  pnjp  wjjj«  n©D  nj  >n^? 

V»  VT  J  *    m     •     •  ^   T     T  *«  •  ^ 

rw  niNö  robttn  bw 

•TT  J     ••     j  ••       :  v  •  T 

jtt        V»t:-:       i  •  t        .»•• 

o^sn  owrw  Dnay  tey  nfaio  *tota  -rtte  ntoa  niwa 

A*  —       <•  \  :  <  *  t  .     J"        j    :  •        'vv:  :        jr      :        t     •  •*. 

-$p&  #  ]*$  >njrn  t6  mnbpöi 

A  t     v.:      j    :         I  j  r 

•JÖK 

Garcia  Blanco  folgt,  was  die  hebräische  Literatur  betrifft, 
mehr  noch  als  sein  Schüler,  der  Historiker  Jose  Amador  de  los 
Bios,  dem  unzuverlässigen  Rodrigo  de  Castro,  und  wissen  wir 
nicht,  ob  nicht  auch  der  Bibliotheca  die  Notiz  entnommen  ist, 
dass  das  Escorial  und  die  Bibliothek  zu  Toledo  je  10  alte  n"D 
besitzen,  die  5  nicht  mitgerechnet,  welche  Ximenes  de  Cisneros 
in  Alcala  de  Henares  anschaffen  Hess  und  die  sich  jetzt  in  der 
Nationalbibliothek  zu  Madrid  befinden. 

Garcia  Blanco  ist,  wie  gesagt,  der  Erste,  welcher  mit  seiner 
Grammatik  den  ersten  Anstoss  zu  einer  Wiederbelebung  des 
Studiums  der  hebräischen  Sprache  in  der  Heimat  der  Kimchi's 
gegeben,  denn  seine  heimathlichen  christlichen  Vorgänger,  welche 
unseren  Bibliographen  zumeist  unbekannt  sind,  haben  den  ele- 
mentaren Standpunkt  nicht  verlassen. 


Recensionen  und  Anzeigen.  235 

Als  solche  werden  genannt: 

Salvador  Verneda  y  Vila,  Grammatica  hebraica  completa, 
Madrid  1790.    4. 

Benito  Lopez  Bahamonde,  Grammatica  de  la  lengua  hebrea 
escrita  en  castellano  para  mayor  facilidad  de  los  Jövenes. 
Madrid  1818.    4. 

Francisco  Orchell,  der  Lehrer  Blanco's,  welcher  mit  dem 
Secretair  des  französischen  Sanhedrins  verkehrte,  schrieb 
Grammatica  rasonada  y  filosofica  de  la  lengua  hebrea 
sobre  la  teoria  fisiologica  de  la  voz  humana  (handschrift- 
lich im  Besitz  Blanco's). 

Kayserling. 


Recensionen  und  Anzeigen. 


Zur  Geschichte  des  Unterrichtes  der  israelitischen 
Jugend  in  Wien.  Mit  Benutzung  von  archivalischen 
Documenten  von  G.  Wolf.  Wien,  1867.  Im  Selbstverlage 
des  Verf.    38  S.    8. 

Was  für  den  Jugendunterricht  und  speciell  für  den  Religions- 
unterricht in  der  Hauptstadt  Oesterreichs  bis  auf  die  Gegen- 
wart gethan  wurde,  erzählt  uns  der  durch  mehrere  schätzbare 
Monographien  bereits  bekannte  Verfasser  in  kurzer,  aber 
recht  anziehender  Darstellung.  Zurückgehend  bis  auf  das 
10.  Jahrhundert  verfolgt  er,  unter  stetem  Hinblick  auf  die  allge- 
meinen politischen  und  socialen  Verhältnisse  der  Juden  Oester- 
reichs überhaupt,  die  Bestrebungen,  die  namentlich  im  18.  Jahr- 
hundert hervortraten,  um  unter  den  Juden  einen  geregelten  Schul- 
unterricht einzuführen  und  dem  bisherigen  Willkürregimente 
des  Privat-  und  Ghederunterrichtes  ein  Ende  zu  machen.  Die 
Skizze  beschränkt  sich  aber  nicht  bloss  darauf,  die  Entwicke- 
lungsgeschichte  der  Religionsschule  bis  auf  die  neueste  Zeit 
darzustellen  und  die  früher  vielfach  ventilirte,  jetzt  wohl  völlig 
abgethane  Frage  in  Betreff  der  Errichtung  judischer  Volks- 


236  Recensionen  und  Anzeigen. 

schulen  in  ihrem  geschichtlichen  Verlaufe  zu  besprechen,  son- 
dern wir  finden  in  derselben  auch  eine  Menge  von  Einzelnheiten, 
die  über  die  Stellung  der  Juden,  besonders  im  Josephinischen 
Zeitalter,  und  das  Verhalten  der  Regierung  ihnen  gegenüber  in- 
teressante Aufschlüsse  geben.  So  finden  wir  zur  allgemeinen 
Charakteristik  der  Zeit  auch  in  den  Rescripten  über  das  Unter- 
richtswesen recht  brauchbare  Notizen.  Man  sehe  z.  B.  das 
durchweg  tolerante  Edict  vom  Jahre  1790,  das  die  jüdischen 
Schüler  von  der  Anwesenheit  beim  Gebete  vor  und  nach 
dem  Unterrichte  dispensirt  (S.  14 ff.),  und  als  kurioses  Gegen- 
stück einen  Statthaltereierlass  vom  Jahre  1849,  der  eigene  Schul- 
bänke für  die  israelitischen  Schüler  einer  Schule  der  Leopold- 
stadt anordnet,  freilich  nur,  um  —  damit  Fiasco  zu  machen.  — 
Im  Allgemeinen  sieht  man  es  dem  kleinen  Schriftchen  an,  dass 
der  Verfasser  auch  einem  unbedeutenden  Stoffe  Interesse  zu 
verleihen  und  die  Resultate  seiner  anderweitigen  historischen 
und  statistischen  Forschungen  zu  verwerthen  weiss.  Wir  hoffen 
daher  demselben  noch  öfter  auf  diesem  Gebiete  zu  begegnen 
und  von  ihm  weitere  Studien  über  die  Verhältnisse  der  Juden 
in  Oesterreich,  wofür  ihm  in  den  Archiven  so  reiches  Material 
zur  Verfügung  steht,  begrüssen  zu  können. 

D.  G. 


Chinnor  Kode  seh.  Die  Psalmen.  Zunächst  für  israelitische 
Religionsschulen  wortgetreu  übersetzt  und  mit  erläutern- 
den  Anmerkungen  versehen  von  Gottlieb  Schwarz, 
öffentlicher  Lehrer.  Wien  1867.  (Verlag  des  Verf.  In 
Comm.  bei  Herzfeld  und  Bauer  in  Wien.) 

An  guten  Schulbüchern  für  den  Unterricht  der  Jugend  im 
Hebräischen  ist  nicht  gerade  Ueberfluss,  und  es  verdient  daher 
jede  Erscheinung,  die  einem  allgemein  gefühlten  Bedürfnisse 
auf  diesem  Gebiete  abzuhelfen  sucht,  von  vornherein  Aufmun- 
terung und  Anerkennung.  Ist  es  nun  gar  ein  im  Schulfache  er- 
grauter Schulmann,  der  die  Frucht  langjähriger  Erfahrungen 
und  Bemühungen  der  Öffentlichkeit  übergibt,  so  wird  gewiss 
Jeder,  dem  die  religiöse  Belehrung  der  Jugend  am  Herzen  liegt, 
dem  Autor  für  sein  Bestreben  Dank  wissen.    Daher  verdient 


Becensiouen  und  Anzeigen.  237 

auch  der  Chinnor  Kodesch  des  Herrn  Schwarz  als  ein  verdienst- 
liches Streben,  das  eine  fühlbare  Lücke  auszufüllen  sucht,  mit 
Freuden  begrüsst  zu  werden:  hier,  wenn  irgendwo,  gilt  das  be- 
kannte :  in  magnis  voluisse  sat  est.  Neue  Resultate  freilich  oder 
gar  eine  Bereicherung  der  exegetischen  Literatur  darf  man  in 
dem  erwähnten  Buche  nicht  erwarten,  und  wenn  gleichwohl 
manche  originelle  Uebersetzung  und  Erklärung  sich  eingestreut 
findet,  so  ist  natürlich  das  Verdienst  des  Verfassers  um  so  höher 
anzuschlagen.  Dieser  Umstand  berechtigt  aber  noch  keines weges, 
seine  Leistung  mit  dem  streng  wissenschaftlichen  Massstabe 
zu  messen,  da  er  die  Resultate  der  neuen  exegetischen  Forschung 
völlig  ignorirt  und  von  Ewald,  Hitzig,  De  Wette  u.  A.,  ja  auch 
von  den  jüdischen  Exegeten,  ausser  Raschi  und  Kimchi  unter 
den  älteren  und  Mendelssohn  und  Fhilippson  unter  den  neueren, 
keine  Notiz  nimmt.  Allerdings  kann  man  nicht  gerade  sagen, 
dass  diese  enge  Auswahl  der  exegetischen  Vorarbeiten  den  Werth 
dieses  Schulbuches  sonderlich  verringert  hat;  nur  hätte  conse- 
quenter  Weise  Herr  Schwarz  auch  mit  seinen  eigenen,  für  ur- 
teilsfähige Leser  berechneten  Erklärungen,  bis  sich  eine  gün- 
stigere Gelegenheit  zur  Veröffentlichung  derselben  darbietet, 
hinterm  Berge  halten  müssen.  Er  hätte  seiner  Aufgabe  voll- 
ständig genügt,  wenn  er  eine  „wortgetreue"  Uebersetzung  ge- 
liefert hätte,  ohne  dabei  „dem  Geiste  der  deutschen  Sprache 
den  mindesten  Eintrag  zu  thun."  Aber  an  diese  letztere  For- 
derung wenigstens  hätte  Verfasser  sich  strenger  halten  müssen, 
und  vor  Allem  musste  sowohl  der  hebräische  Text  von  der 
ziemlich  beträchtlichen  Zahl  von  Druckfehlern  als  auch  der 
deutsche  von  den  nicht  seltenen  Incorrectheiten  frei  bleiben. 
Sprachliche  Ungenauigkeiten  wie  „bei  seiner  hochtragenden 
Nase"  (10,  4),  unschöne  Wendungen  wie  „ist  Gedenkens  deiner" 
(6,  6)  oder  „ein  befruchteter  Weinstock  an  den  Hinterwänden 
deines  Hauses"  (128,  3)  und  Flüchtigkeitsfehler,  wie  „das  An- 
theil"  (12,6),  du  verderbst"  (9,6),  „erzeugt  Gnade"  (18,51)  thun 
dem  Werthe  des  Buches  eben  so  sehr  Eintrag,  als  die  Genauig- 
keit, mit  der  Verf.  sich  streng  an  die  Accente  und  massoretischen 
Lesarten  gehalten  hat,  ihm  zum  wesentlichen  Vorzug  gereicht. 
Wir  wollen  daher  hoffen,  Herr  Schwarz  werde  bei  einer  zweiten 
Auflage  die  Sorgfalt,  deren  er  sich  als  Uebersetzer  befleissigt, 
auch   der  Correctur  angedeihen  lassen.     Wenn    hierbei    auch 


238  Recensionen  und  Anzeigen. 

manche  nur  ihm  eigenthümliche  Auffassang  einer  Stelle  oder 
deutsche  Redewendung  der  allgemein  üblichen  weichen  sollte, 
so  würde  das  Buch  zwar  weniger  Neues,  aber  desto  mehr 
Brauchbares  bieten.  Nach  der  Ansicht  des  Recensenten  sucht 
Herr  Schwarz  ohne  Noth  Schwierigkeiten,  wo  gar  keine  existiren 
und  geht  über  dieselben  mit  Leichtigkeit  hinweg,  wo  man  ver- 
gebens nach  dem  NJJHV  ,*D  111p1  DJJÜ  D^pl  DJ)  der  vorgedruckten 
Approbation  umherspäht.    Wenn  t.  B.  17,  3  T&h  FHD©  durch 

„suchtest  es  heim  mit  Nacht"  wiedergegeben  wird,  so  klingt  das 
zwar  recht  schön,  aber  die  Grammatik  protestirt  dagegen  und 
lässt  sich  den  Acc.  temp.  nicht  wegdemonstriren.  Ps.  3,  7 
ty  *\TW  übersetzt  Herr  Schwarz  „die  um  mich  anlegen"  und 

fügt  erklärend  hinzu  „ihre  Belagerungs Werkzeuge".  Auf  der 
Flucht  vor  Absalom  wurde  David  also  auch  belagert?  vermuth- 
lich  inMachanaim  (s.  II.  Sam.  17,  27).  Das  werden  die  Historiker 
und  Exegeten  Herrn  Schwarz  wohl  schwerlich  glauben,  ebenso 
wenig  wie  er  mit  seinen  neuen  Worterklärungen,  die  sich  um 
Parallelstellen  und  Versionen  wenig  kümmern,  Anklang  finden 
wird.  Beispiele  hierfür  anzuführen  verbietet  der  beschränkte 
Raum,  wir  erwähnen  daher  nur  die  ganz  neue  lexicalische  Ent- 
deckung, dass  für  „Gott"  im  biblischen  Hebraismus  auch  H^JfiD 
gebraucht  wird;  denn  p.  74,  5  ist  übersetzt:  „als  brächte  man 
es  Gott  selbst,  durch  einen  gezimmerten  Baumstamm".    (&P!lpJ 

Es  Hesse  sich  über  so  manche  Uebersetzung  und  Erklärung 
rechten;  jedoch  gestehen  wir  gern,  dass  der  Leser  auch  hin  und 
wieder  manches  Neue  aus  dem  Buche  erfahren,  oder  auf 
eine  schwierige  Stelle  aufmerksam  gemacht  wird.  Es  solle 
auch  das  Verdienst  des  Herrn  Schwarz  durch  die  gerügten 
Mängel  nicht  geschmälert,  sondern  nur  angedeutet  werden,  wel- 
chen Grad  von  Vollkommenheit  seine  Leistung  bei  grösserer 
Sorgfalt  hätte  erreichen  können.  Immerhin  können  wir  daher 
mit  dem  Wunsche  schliessen,  Verfasser  möge  in  seinem  wackeren 
Streben  unverdrossen  fortfahren.  Erfolg  und  Anerkennung  wer- 
den ihm  dann  gewiss  nicht  ausbleiben. 

D.  G. 


Monatschronik.  239 


Monatschronik. 


Berlin.  Herr  Sternberg  von  hier  hat  dem  norddeutschen 
Reichstage  eine  Petition  eingereicht,  in  welcher  er  darum  bittet, 
die  in  mehreren  Staaten  des  norddeutschen  Bundes  (speciell  in 
Preussen)  bei  der  Eidesleistung  von  Seiten  jüdischer  Bürger 
üblichen  Förmlichkeiten  abzuschaffen  und  die  Norm  der  Eides  - 
abnähme  für  Juden  der  für  die  Christen  gleichzusetzen.  Die 
Petitionscommission  (Ref.  Hüfferjbeschloss,  den  Antrag  zu  stellen: 
die  Petition,  soweit  sie  auf  die  Abschaffung  der  bei  dem  Juden- 
eide üblichen  Förmlichkeiten  sich  bezieht,  dem  Bundeskanzler 
mit  dem  Ersuchen  zu  überweisen,  dieselbe  der  zur  Berathung 
der  Civilprozessordnung  tagenden  Commission  zur  Berücksich- 
tigung bei  Ausarbeitung  der  neuen  Civilprocessordnung  zuzu- 
stellen. 

Berlin.  Der  Reichtagsabgeordnete  M.  Wiggers  (Berlin)  hatte 
den.  Antrag  eingebracht:  den  Bundeskanzler  aufzufordern,  den 
in  der  27.  Sitzung  des  Reichstages  vom  23.  October  1867  mit 
grosser  Majorität  gefassten  Beschluss,  dass  in  dieser  Session 
ein  Gesetzentwurf  vorgelegt  werde,  durch  welchen  alle  noch 
bestehenden,  aus  der.  Verschiedenheit  des  religiösen  Bekennt- 
nisses hergeleiteten  Beschränkungen  der  bürgerlichen  und  staats- 
bürgerlichen Rechte  aufgehoben  werden,  in  Ausübung  zu  bringen. 
Der  Referent  Abgeordn.  Dr.  Endemann  specialisirte  den  Antrag 
dahin:  Der  Reichstag  wolle  beschliessen ,  den  Bundeskanzler 
aufzufordern,  dass  in  Ausführung  des  am  23.  October  v.  J.  ge- 
fassten Beschlusses  baldigst  ein  Gesetz  vorgelegt  werde,  welches 
alle  noch  bestehenden  aus  der  Verschiedenheit  des  religiösen 
Bekenntnisses  hergeleiteten  Beschränkungen  der  bürgerlichen 
und  staatsbürgerlichen  Rechte  aufhebt,  insbesondere  1)  die  Ver- 
bote und  Beschränkung  der  Eheschliessung  zwischen  Christen 
und  Israeliten,  sowie  auch  die  auf  dem  Glaubensbekenntnisse 
des  einen  Theils  beruhenden  Beschränkungen  der  ehelichen 
Rechte  beseitigt,  2)  für  alle  Eidesleistungen  der  Israeliten  eine 
der  Gleichberechtigung  entsprechende  Form  einführt,  3)  die 
volle  Gleichberechtigung  der  Israeliten  zur  Theilnahme  an  der 


240  Monatschronik. 

Gemeinde-  und  Landesvertretung,  sowie  zur  Bekleidung  öffent- 
licher Gemeinde-  oder  Staatsämter  im  Gebiete  des  norddeutschen 
Bundes  ausdrücklich  anerkennt.  An  der  Debatte  im  Plenum 
betheiligten  sich  die  Abgeordneten  Graf  Bassewitz  (Mecklen- 
burg) und  v.  Brauchitsch  gegen,  Lasker  und  der  Antragsteller 
für  den  Antrag  der  Commission.  Die  Abstimmung  ergab  die 
Annahme  der  Nr.  2  und  3  und  Ablehnung  von  Nr.  1. 

Paris.  In  der  von  der  „Ligue  internationale  et  permanente 
de  la  paix"  abgehaltenen  Generalversammlung  gehörte  der 
Grossrabbiner  von  Paris,  Herr  Isidor,  nebst  den  Herren  Dolfus, 
dem  Belgier  Vischers,  den  Engländern  Richard  und  Edward 
Pease,  dem  Pastor  der  Pariser  reforuiirten  Gemeinde  Martin- 
Parchoud  und  dem  Nationalökonomen  Frederic  Passey  dem 
Bureau  an. 

Pest«  Die  Pester  Judengemeinde  petitionirte  beim  unga- 
rischen Justizminister  um  Aufhebung  des  Judeneides.  Dieser 
versprach  schleunige  Abhilfe  und  beauftragte  den  Rabbiner  Low 
aus  Szegedin  mit  der  Abfassung  eines  Gutachtens  über  den  Eid 
tnore  judaico.  Wie  zu  erwarten  stand,  hat  Herr  Rabbiner  Low 
alle  bisher  üblichen  und  anstosserregenden  Formen  als  unbe- 
gründet bezeichnet.  Die  königliche  Septemviral-Tafel  hingegen 
sprach  sich  in  einem  vor  Kurzem  ergangenen  Bescheide  dahin 
aus,  dass  der  Eid  more  judaico  mit  allen  seinen  schimpflichen 
und  beschämenden  Formalitäten  aufrecht  zu  erhalten  sei. 

Rumänien.  Nachdem  der  Senat  gegen  das  Ministerium  Bra- 
tiano  ein  Misstrauensvotum  ausgesprochen  hatte,  reichte  dasselbe 
seine  Demission  ein.  Ein  darauf  von  dem  anderen  Hause  an- 
genommenes Vertrauensvotum  für  das  Ministerium  veranlasste 
den  Fürsten  Carl,  das  Entlassungsgesuch  nicht  anzunehmen.  Das 
bisherige  Ministerium  bleibt  daher  im  Amte,  wogegen  der  Senat 
aufgelöst  wird  und  Neuwahlen  veranstaltet  werden  sollen. 

Wien.  Herr  Rabbiner  Horwitz  ist  nach  längerer  Krankheit 
aus  dem  Reiche  der  Lebenden  geschieden.  Sein  friedliebender 
Charakter,  seine  aus  innerer  Frömmigkeit  hervorgegangene 
herzgewinnende  Bescheidenheit,  verbunden  mit  ausgebreiteter 
theologischer  Gelehrsamkeit,  haben  ihm  in  seinem  vieljährigen 
Wirken  allgemeine  Liebe  und  Hockachtung  erworben:  sein 
Hintritt  wird  von  allen  Seiten  tief  bedauert. 


LXXXVI. 


VERZEICHNIS 


HEBR BISCHER  HANDSCHRIFTEN 


UND 


SELTENER   DRUCKE 


AUS  DEM 


ANTIQUARISCHEN  LAGE$ 


m* 


VON 


A.  ASHEß  &  Co. 

BERLIN:  11,  UNTER  DEN  LINDEN. 
LONDON:  13,  BEDFORD  STREET,  COVENT  GARDEN. 


BERLIN. 

11,  UNTER  DEN  LINDEN, 

1868. 


Verlag  von  A.  ASfiER  &  Co.,  Berlin  und  London. 

CATALOGÜS  UBRORUM  HEBRAEORÜM  IN  BIBLIOTHECA  BODLEI- 

ana  jussu  curatorum  digessit  et  notis  instmxit  M.  Steinschneider.  •  4to. 
(CXXXn  et  3304  col.)    .' Lstr.  5.  =  33  Tlilr.  10  Sgr. 

CONSPECTUS  CODD.  MSS.  HEBE.  IN  BIBLIOTHECA  BODLEIANA. 
Appendicis  instar  ad  catalogum  librorum  et  mss.  hebraeorum  sub 
auspiciis  curatorum  digessit  M.  Steinschneider.    4to     .     3s.  —  1  Thlr. 

ÜBER  KÖRE  HADOROT.  SCRIPSIT  CONFORTE.  DENUO  EDIDIT. 
textum  emendavit,  introductionem,  notas,  indices  adjecit  D.  Cassel. 
4to.     [6s.  =  2  ThlrJ 3s.  =  1  Thlr. 

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scripti  et  illustrati  a  G.  B.  de  Rossi.  3  vols.  Roy.  8  vo.  Lstr."  1. 10s.  = 

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HEBRAEISCHE  BIBLIOGRAPHIE.  BLATTER  FÜR  NEUERE  UND 
ältere  Literatur  des  Judenthnms.  Redigirt  von  M.  Steinschneider. 
Jahrgang  I— VIII.  1858  — G4  (I.  &  II.  vergriffen.)  Roy.  8  ?o.  Jeder 
Jahrgang  einzeln      . 4s.  =  1  Thlr.  10  Sgr. 

WISSENSCHAFTL.  BLATTER  AUS  DER  VEITEL-HEINE-EPHRAIM- 
sehen  Lehranstalt.  —  Inhalt:  I.  Lebrecht,  Handschriften  und  erste 
Gezammtausgaben  des  Babylon.  Talmud.  — ■  II.  Haarbrücker.  Rabbi 
Tanchum  Jeruschalmi,  Arab.  Commentar  zum  Buch  Josua.  —  HI.  Stein- 
schneider, Zur  pseud-epigraphischen  Literatur  des  Mittelalters.     8vo. 

5s.  =  1  Thlr.  20  Sgr. 

CATALOGÜE  OF  THE  HEBREW  BOOKS  IN  THE  LIBRARY  OF  THE 
British  Museum.  Printed  by  Order  of  the  Trustees.  Roy.  8vo. 
900  pages.  London  1867.  .  .  .  Lstr.  1,  5s.  =  8  Thlr.  10  Sgr. 
Dieser  von  Joseph  Zedner  redigirte  Katalog  der  grössten 
Hebräischen  Büchersammlung  der  Welt,  bildet  zugleich  die  voll- 
ständigste Bibliographie  der  gesammten  Hebräischen  Literatur  und 
ist  daher  allen  Hebraisten  unentbehrlich. 


LXXXVI. 

VEEZEIOHNISS 

HEBRÄISCHER  HANDSCHRIFTEN 

UND  SELTENER  DRUCKE 

AUS  DEM 

ANTIQUARISCHEN  LAGER 

VON 

A.  ASHER  &  C&  in  BERLIN, 


I. 

(^verzeichnet  von  Dr.   Steinschneider,) 
[SammtUoh  oomplet  und  wohl  erhalten,  wo  nicht  anders  bemerkt.] 

1.  tPÖlH  Pentateuch,  Megillot  und  am  Bande  Haftarot  mit  Raschid 
Commentar 50  Thlr. 

Octavo,  Pergament,  deutsche,  sehr  zierliche  Hand  (XV.  Jahrh.?),  Text 
punktirt,  der  Commentar  durchaus  von  zweiter  Hand  emendirt. 

2.  v'ttH  Raschi,  Commentar  über  den  Pentateuch,  Jesaia  und  Jeremia 
(bis  Cap.  23) 150  Thlr. 

Quarto,  Pergament,  wahrscheinlich  italienische  Hand,  vom  J.  5030  (1270). 
Der  Codex  wurde  in  früher  Zeit  für  %  Florin  verkauft,  ein  für  damals 
sehr  hoher  Preis.  Sehr  werthvoUer,  noch  nicht  benutzter  Codex,  enthält 
den  Text  in  mehr  ursprünglicher  Gestalt;  die  Zusätze  geben  die  Quellen 
an.  Auch  Reime  am  Ende  der  Abschnitte  sind  vorhanden.  —  Der  Cod. 
vererbte  sich  lange  in  der  gelehrten  Familie  Ftnzi. 

3.  ^tJD  Raschi,  Commentar  über  den  Pentateuch  (Anf.  defect).  50  Thlr. 

Quarlo,  Pergament,  grosse  italienische  alte  Hand,  geschrieben  von  Me- 
nachem  ben  Mose  rar  den  Arzt  Mose  Deloplazo  (?)  (XIV — XV.  Jahrh.). 

4.  YJ  VTPt  David  Kimchi,  Commentar  über  Josua  (Anf.  defect),  Richter, 
Samuel 40  Thlr. 

Quarto,  Pergament,  Quadr«|pchrift,  alt. 

5.  2TK  ttTVfi  Mose  Kimchi,  Commentar  über  Hiob;  bisher  nur  ein 
Exemplar  in  Rom  bekannt  (ß.  Ozar  Nechmad  II,  23). 

Die  Echtheit  bestätigen  zahlreiche  Anführungen  des  Serachja  b.  Isak 
(1290,  Cod.  München  79). 

JL  Aeher  &  Co.,  Berlin  &  London. 


o 


B.  UTK  BTTB]  Levi  b.  Gerschcm,  Commontar  über  Hiob. 
Quarto,  Papier,  italienische  und  spanische  Hand. 

6.  SVK  ttfiTB  Levi  ben  Gerschom,  Commentar  über  Hiob,  mit  punk- 
tirtem  Text  am  Rande. 

B.  ^tf^tWTB  Immanuel  ben  Salomo  aus  Bom  (blähte  1320), 

Commentar  über  Proverbia  (Anfang  der  Yorr.  fehlt),  Text  punktirt, 

GO  Thlr. 

Quarto,  Pergament,  spanische  Hand;  beide  im  Jahre  1400  geschrieben, 
B.  von  Cargot  Altar  Provinciale  ans  Arles,  ist  nur  einmal  148(> 
gedruckt,  und  dieser  Druck  selten. 

7.  2T»K  VTVÜ  Abraham  Farissol  (blühte   Ende  XY.  Jahrb.),   Com- 
mentar über  Hiob. 

B.  rTOX&VPft  Desselben  Commentar  übe;*  den  Tajmud. .  Tractat 
Abot;  ein  hü  Catalog  der  Leydner  HSSfc,  p„  303  angeführtes  Citat 
über  Christus  findet  sich  hier  in  der  That  in  Cap.  1. 

C.  rhnp  tPITB  Desselben  Commentar  über  Kohelet,  wovon  nur 
ein  oder  zwei  Autographen  in  Parma  bekannt  waren.  40  Thlr. 

Quarto,  Papier,  spanische  Hand  (XVI.  Jahrh.V)' 

8.  D*irT*y  David  Kimchi,  Wörterbuch.  Anfang  defect  bis  z.d.  Art.  D»fr. 
B.  Grammatik  nr  W»  (unvollst.) 80  Thlr. 

Quarto,  Pergament,  kleinere  und  grössere  sehr  schone  spanische  Quadrat, 
geschrieben  von  Salomo  Jehuda  ben  Josef  ha-Jaari  (aus  Nismes?)  ira 
.!.  5087  (1327). 

V>.    pHp"n  NUtt  Benjamin  [ben  Joab?],  grammatisches  Compendium, 
tmbekannt.     (Im  Akrost.  zu  Anfang  sto  croto  3ft?  r?i»  >D»)  . 

B.  Anonyme  Einleitung  und  Anfang  einer  kurzen 'Grammatik  (worin 

C.  Anonyme  Bemerkungen  über  den  Pentateuch  und  Erklärung  der 
.  Fremdwörter  in  Haseln' s  Commentar. 

D.  Meir  ben  Salomo  ben  David,  Grammatische  Bemerkungen  als 
Ergänzung  zu  seines  Grossvaters  v>37  pdd  [also  David,  vgl.  Maase 
Efod  S.  233,  Libanon  III,  1866,  S.  348].  Vf.  vielleicht  identisch 
mit  Meir  b.  David  in  N.  17  und  bei  Efodi?  .      . 

E.  Notizen  über  21  Kadices,  von  einem  Anonjonus  in' Lagnano*(?i:fr"DJ) 
gefunden.     Pragment. 

F.  jrCtn  "iSD  Josef  Kimchi,  Grammatik,  unedirt.  40  Thlr. 

Quarto,  Papier,  deutsche  verschiedene  Hand. 

1 0.    'OTIB  Mordechai  (um  1 300),  Talmud.  Compendium,  Ordnung Naschim. 

66  Thlr. 

Gross  Folio,  Pergament,  altdeutsche  Hand,  jedenfalls  vor  1S66  geschrieben, 
vielleicht  die  älteste  ife.  dieses  Werkes,  splendid. 

A.  Aslier  &  Co.,  Berlin  &  London. 


11.  p^BK1?  nnCH  nrun  nBD^  T^n  p  "TOCa  Averroes,  Paraphrase 

der  Republik  Plato's,  hebr.  v.  Samuel  ben  Jehuda  n.  s.  w.  (132:2). 
Original  der  lateinischen  Ausgabe. 

B.  fe»lö31  SrtrS  TW  13*6  -ffiNÖ  Alfarabi  über  den  Intellect  und 
.  das  Intellectuale.   Der  ungenannte  "Uebersetzer  ist  Kalonymos  (1314), 

diese  Uebersetzung  unedirt  (s.  Steinschueider's  Abhandl.  Alfarabi, 
Petersburg  1868,  S.  92). 

C.  Averroes,  Fragment  aus  der  Abhandl.  über  den  hylischen  In- 
tellect, übersetzt  von  Todros  [XIV.  Jahrh.]. 

D nem  b2  *pbr>  JTÜE3  "EKC  Alfarabi,  encyklopäd.  Ueber- 

sicht  der  Wissenschaften.  Der  ungenannte  Uebersetzer  ist;  Kalonymos 
(1314?).     Sehr  selten  (Steinschn.  /.  c.  S.  83). 

E.  rilÄrnn  nxnp  THM  ..ma«  Alfarabi,  über  die  Methode  des 
Studiums ;  eine  Uebersetzung  des,  von  Schmolders  edirten :  De  rebus 
studio'  philo8ophiae    prae mitte ndis     [übersetzt  von   Kalonymos?) 

(s.  Steinschn.  L  c.  S.  85) 40  Thlr. 

Quarto,  Papier,  italienische  Hand.  # 

12.  »ft»  „IttKB  Alexander  von  Aphrodisia,  über  die  Seele  [Tr.  LI. 
nach  der  arab.  Uebersetzung  des  Ishak  ben  Honein  hebr.  von  Samuel 
ben  Jehuda  (1324—40).  Auch  die  allein  bekannten  Pariser  HSS. 
893 — 4  enthalten  nicht  mehr,  und  schon  Averroes  scheint  nicht 
mehr  gekannt  zu  haben  (s.  Steinschn.  I    c.  S.  10G)      .     30  Thlr. 

Quarto,  Papier,  alte  spanische  Cursiv. 

13.  nttn^n  nmn  Bechai  ben  Josef  (blühte  um  1100?),  Herzens- 
pflichten, nebst  Ermahnung. 

B.  Bpfcfl  ^iaty  Zidkijja  Anaw  aus  Rom  (um  1240),  Ritualwerk 
aus  alien  Quellen  compilirt,  sämmtliche  12  Abschnitte  mit  Vorrede, 
Versen  u.  s.  w.,  ferner  die  Abschnitte  über  Beschneidung  und  Trauer- 
gebräuche (fehlen  10  Bl.)  —  Von  diesem  sehr  wichtigen  Werke 
ist  nur  ein  sehr  mangelhafter  Auszug  gedruckt  (Cutal.  Bodl. 
p.  2770) 150  Thlr. 

Gross  Quarto,  Pergament,  splendid,  sehr  deutliche  italienische  Hand 
des  Joab  b.  Jechiel  b.  Jekutiel  aus  Todi  aus  der  Familie  Bethel  v.  .1. 
5104  (140*). 

14.  0*313^1  »TViö  Moimonides, -Führer  der  Verirrten,  nebst  Glossar 
des  Samuel  Tibbon  und  Indices 50  Thlr. 

Klein  Quarto,  Pergament,  splendid,  sehr  zierhehe  Quadratschrift  des  be- 
rühmten Abraham  Farissot  (Ende- XV.  Jahrh.);  wichtige  Stellen  mit 
einem  Händchen  bezeichnet.  —  Einige  Bl.  am  Rande  al »geschnitten, 
ohne  den  Text  zu  berühren. 

15.  JlVTfin  FfbyO  Jechiel  ben  Jekutiel  (schrieb  1287),  Sittenwerk 
(geschätzt).  —  Fehlt  Anf.  der  Vorr 10  Thlr. 

Quarto.  Papier,  deutsche  Hand,  wahrscheinlich  XV.  Jahrh. 

-    A;  Äther  'dt  Co.,  Berti»  &  London. 


16.  TVzhw  ptrn  Salomo  ben  Jehuda,  genannt  Safawn  Viva*  de  Lunel, 
Oommentar  über  das  Buch  Cusari  des  Jehuda  ha-Levi,  verf.  1424. 

Quarto,  Papier,  ital.  Hand  (Auf.  XVI.  Jahrh.?).  —  In  der  HS.  irrthüm- 
lich  1324;  der  dreizehnjährige  Verf.  des  bisher  unbekannten,  in 
vielfacher  Beziehung  lehrreichen  Werkes,  war  ein  Schüler  des  Menachem 
ben  Salomo  (Erat  Maimon),  wie  der  Vf.  der  nachfolg.  Nummer;  es 
erklärt  sich  hieraus  wohl  die  wesentliche  Uebereinstimmung  beider  in 
sehr  zahlreichen  Stellen,  die  sich  gegenseitig  controlliren.  Die  wich- 
tigsten Bemerkungen  und  Citate  sind  von  einem  Besitzer  mit  Bleistift 
angestrichen. 

17.  [7*T)tP,'7  JTTTJ??]  Xatanel  Caspi  ben  Nehemia,  Commentar  über 
das  Buch  Cusari,  verf.  1425  (vergl.  N.  16  und  Litbl.  des  Orient 
1848,  S.  571).  —  Sehr  selten. 

B.  ?]D2  vvJ  Josteph  Caspi,  über  einen  Widerspruch  in  den  De~- 
creten  des  Buches  Esther,  verf.  in  Majorca  1331.  (Vgl.  Ersch  u. 
Gruber  S.  II.  Bd.  31.  S.  66,  u.  S.  60  A.  14,  hier:  in»  '53  OD  W3). 

C.  faH5  pft  oonb  '}  05P0»  tyVTfcfi  OTWD  Superconnnentar  über 
Ibn  Esra's  Pentateuchcommentar,  unbekannt? 

Quarto,  Papier,  italienische  Hand  (vgl.  No.  16)  —  C.  wird  dem  „Caspi" 
(welchem?)' beigelegt,  enthält  aber  sowohl  den,  in  Ersch  /.  c.  S.  68 
unter  C  aufgeführten  Oommentar,  identisch  mit  dem  Fragmente  in  Cod. 
Paris  184,2  des  neuen  Cataloges,  welches  dem  Jedaia  ha-Penini  bei- 
gelegt worden  (Litbl.  1848,  S.  259,  CataL  BodL  p.  2004,  Hebr.  Bibliogr. 
1865,  S.  75),  als  auch  den  grössten  Theil  des  anonymen  Commentars, 
welchen  Auerbach  in  Geiger' s  jüd.  Zeitschr.  IV,  297  dem  Isak  Israeli 
beilegt;  aber  viel  correcter  und  vollständiger  als  dort  und  in  Codex 
München  61,2  (s.  Steinschneider'«  Abhandl.  ..Supercommentare  über  I.  E-t; 
in  Geiger's  jüd.  Zeitschr.  \i,  120). 

No.  16  und  17  zusammen 100  Thlr. 

18.  jfltPH  fllK^IÖ  Uroscopie  und  Therapie  nach  griechisch-latein.  Quellen, 
auf.  onpfro  03)  ^Dtoco  ?pf>  (vielleicht  von  dem  Anonymus  aus 
Avranches  um  1199?  vgl.  Virchow's  Archiv  Bd.  40,  S.  84). 

B.   —  desgleichen  nach  Isak  Israeli. 

6*.    —  andere  Segeln. 

D.  —  v.  Joseph  ben  Isak  (f.  22  u.  27b  ff.,  anders  als  die  HSS. 
in  Ersch  u.  Gruber  S.  II.  Bd.  31,  S.  82,  u.  Hebr.  Bibliogr.  1865,  S.  98). 

E.  —  mit  Excerpten  aus  dimbdpi  mvvo  'P  des  Hippocrates  (vgl. 
Virchow's  Archiv  Bd.  42,  S.  98). 

F.  }n»n  TBD  mfcDKÖ  pTOP  p  muH  npwn  Galen,  über  Urin, 
aus  den  arabischen  Collectaneen  des  Honein.  (Ton  Interesse,  da  das 
edirte  Buch  Galen's  grösstenteils  unecht  ist.  S.  Virchow's  Archiv 
Bd.  37  S.  355). 

G.  Fragment. 

H.  Heilmittel  für  alle  Krankheiten,  vom  Haar  anfangend,  nach 
arabisch-lateinischen  Quellen;  Vf.  noch  zu  ermitteln.  30  Thlr. 

OctavOy  Pergament,  schöne  alte  spanische  Hand. 

A.  Aaker  *  Ct.,  Berlin  *  Lou&ou. 


19.  NptPBVT  D^W  "TfiD  Johannes  Damascenus  (Ihn  Masewcih)  über 
purgirende  Heilmittel;  aus  einer  in  Aegypten  angefertigten  latein. 
Uebersetznng,  hebr.  von  Samuel  ben  Jakob  in  Capua  (vgl.  Yirchow's 
Archiv  Bd.  37,  S.  303).  Zuletzt  eine  Sammlung  einfacher  Mittel 
aus  Mesue 60  Thlr. 

Folio,  Pergament,  schöne  italienische  Hand,  XIV — XV.  Jahrb.,  mit  farbigen 
Initialen,  an  einigen  Stellen  durchlöchert. 

20.  DKv3  Averroes,  medizinisches  Werk  (vulgo:  Coltiget),  anonyme, 
den  Bibliographen  unbekannte  Uebersetznng  aus  dem  nicht  mehr 
vorhandenen  Original.  Es  fehlt  nur  wenig  zu  Anfang  und  Ende 
(von  VII,  18  ff.)     . 40  Thlr. 

Quarto,  Papier,  spanische  Hand,  circa  XV.  Jahrh. 

21.  Medicinische  Collectaneep,  Glossare  von  Heilmitteln  u.  s.  w.,  darunter 
dio  Einleitung  des  Johannitius  (V»j»3V>)  mit  dem  äusserst  seltenen 
Commentar  (Virchow's  Archiv  Bd.  39,  S.  328),  vollständig;  Excerpte 
aus  Mesue,  Bernard  de  Gordo .     25  Thlr. 

Octavo ;  Papier,  italienische  Hand  fies  Mordechai  Kochab  (»Stella,  oder  Stern). 

22.  'D'tM  f1Ö2H  oder  Scienza  delle  Donne.  JechielKohen  ben  Mose 
aus  der  Familie  Manoscrivi  (die  sich  von  Esra  dem  „Schreiber" 
ableitet),  italienisches  Eitual-  und  Sittenbuch  für  Frauen,  verf. 
1565,  der  Vtrtuosa  Dati,  Frau  des  bekannten  Mordechai  Datoy 
gewidmet,  in  7  Abschnitten,  jedoch  nicht  bis  zu  Ende  geschrieben, 
vielleicht  nicht  weiter  vorhanden,  da  die  Zusätze  und  Verbesserungen 
am  Rande  vom  Vf.  selbst  herzurühren  scheinen.  Mit  hebr.  Vorrede 
und  ital.  Versen;  für  Sittengeschichte  und  ital.  Literatur  der  Juden 
von  Werth,  da  das  Italienische  sehr  correct  und  gut  geschrieben  ist. 

40  Thlr. 

Quarto,  Papier,  bis  I.  Cap.  4  punktirt,  jedoch  auch  ohne  Punkte  sehr  deut- 
lich und  verständlich  (vgl.  Hebr.  Bibliogr.  1863,  S.  48).  Den  Codex 
kaufte  Abr.  S.  Graziano  nebst  anderen,  welche  Almanzi  besass  (z.  B.  156). 


!!•    Hebräische  Druckwerke  und 


23.  Aboab;  TMBn  JTlttB»  eth-  foL    (Constantinopel  1514.)  .    .    10  Thlr. 

Titel  fehlt.    Erst©  fast  unbekannte  Ausgabe  eines  sehr  geschätzten  Baches  aus  dem 
dreizehnten  Jahrhundert 

24.  —  (Dasselbe  Werk  spanisch.)    Almenara  de  la  hiz,  tratado  de  mucho 

provecho  para  beneficio  de  alma,  trad.  en  lengua  bulgar  por  el  Haham 
Jahacob  Hagis.    4to.    Amsterdam  5468  (1708).    Ledrbd.     .    4  Thlr. 

25.  Abraham  Elieser  f.  Jos.  Lask.    *m  KIS*  8vo.    Offenbach  1823. 

1  10  Sgr. 

26.  Abraham  f.  Eüeser.  man  pp*fll  p^ST  |V7  4to.  Wilna  1779.  1  Thlr. 

A.  A»ker  &  Co.,  Berlin  Sc  London. 


6 

27.   Abraham   Ibn  Esra.       Ccnuncntarius    in    Pentateuclrnm.     Editio 

princeps.    fol.  min.    Neapoli  1488 115  Thlr. 

Höchst  Feiten.  Diese  Originalausgabe  ist  .die  einzige,  welche  die  in  den  spateren 
Ausgaben  nicht  vorband,  anti-christlichen  Stellen  enthält  —  Das  Exemplar  ist  sehr 
gut  erhalte«,  nur  einige  Blätter  sind  etwas  mehr  beschnitten,  als  die  anderen. 

28    Abravanel,  Is.    n:»K  tSWl,  dabei  HEB  HST-    Caput  fidei  (De  arti- 
culis  fidei).    fol.    Venet.  1545 2  Thlr.  20  Sgr. 

29.  —    —  Andere  Ausg.    4to.    Cremona  1557 15  Sgr. 

Das  Ende  fehlt. 

SO.   —    rütMBfi  rDSTÖ  Comm.   in  Deuteron,  fol.  Sabionetta  1551.  4  Thlr. 

Einzige  vollständige  Ausgabe  dieses  berühmten  Baches. 

81.  Aderet,  S.     fc%fiJ!"i  ^JDI  BHpn  JTTOJf  4to.   Venetiis  1G02.  20  Sgr. 

32.  Adadi,  Abr.     fiEK  "iBlfcTi    Synagogenregeln.    8vo.    Kivorno  1849. 

br 2  Thlr. 

33.  Akiba.    J}"TT  HPfllN  Mystik.    4to.    Venedig  1546.      ...    25  Sgr. 

Seltene  Ausgabe. 

34.  Albo,  Jos.     D'HPS?  Funtlamcnta  (fidei).    4to.    Venet.  1521.       3  Thlr. 

Höchst  selten.    Sehr  schönes  Exeinpl.,  Titel  u.  einige  Blätter  des  Index  fehlen. 

35.  Alfasi.    fi\Zhn  Compend.  talmud.    T.  I.    fol.    Crae.  1597.        6  Thlr. 

30.  Almanzi,  J.   Hp^^  &fy   Ob  Morpugi  Lcvi  sponsalia.   8vo.    Tergesti 

1859.    Atif  Pergament  gedruckt 1  Thlr.  15  Sgr. 

07.   Benjamin  of  Tudela.   JTJHSB  The  Itinerary  of  Rabbi  Benjamin  of 
Tudela,  ed.  by  A.  Asher.    2  Bde.  Svo.  Berl.  1840—1.    cart.  unbeschn. 

8  Thlr. 

BIBLIA. 

SS.    Biblia  hebr.    4to.    Venetia,  Bomberg,  1544—5 10  Thlr. 

3.0.   —    —  2  Bde.-    Svo.    Francof.  ad  Viadr.  1595.    Pergbd.  .    .      G  Thlr. 
Schönes  Exemplar. 

40.  —    —  ed.Jtfenasseh  ben  Israel.  4to.  Amst.  1G35.  Pergbd.  2  Thlr.  15  Sgr. 

Schönes  Exemplar. 

41.  —    —  jussuD.NunezTorres.4Bde.  12mo.Amst.1700— 5.  Ledbd.  8  Thlr. 

Geschätzte  und  seltene  Ausgabe. 

42.  —    — #  cum  opt.  .inipr.-  et  inas,  (jodd.  .colja-la  et  juxta  .^Scisorapi  emend. 

D.  lt.  Opitius.    4to.  '  Kilonae  17 12.'* Pergbd. '.    4  Thlr. 

Sehr  gesuchte  Ausgabe. 

43.  —    —  cum  adnotat.  latin.  ed.  J.  H.  Michaelis.  4to.  ITalae  1720.  4  Thlr. 

44.  —    —  Dieselbe  Ausgabe  in  fol.    Ledbd. 9  Thlr. 

Schönes  Exemplar. 

45.  —    hebr.  et  latina  planeque  nova  Seb.  Munster  tnmslatione  lat.  etc.  fol. 

BasiL,  ex  off.  Bebeliana,  1534.    Hfzbd.     ........    5  Thlr. 

Schönes  Exemplar. 

46.  —    hebr.  cum  SalrNftrzl  comni/  crit.  *#  J1TOID  2-  Bde.    44o..    Mantua 

1742—44.    Ledbd.     .    .   v 18  Thlr. 

Gesuchte  und  seltene  Aufgabe.  "  '   "     .     •  '  ' 

« 

A.  Asher  &  Co,>  fiedln  6  XwmUm». 


• 


7 

47.  Biblia  cum  Jac.  Lombroso  comment.  grammat.  et  crit.   ito.  Venedig 

1639 10  Tlilr. 

Geschätzte  und  seltene  Ausgabe: 

48.  —    cum  comment.  Asulai.   4  Bde.  4to.  Pisa  1803—4.  Ledbd.  12  Thlr. 

49.  —    POLYGLOTTA,  hebr.,  chald.,  graece  &  lat.  cura  et  studio  Bened. 

Ariae  Montani.  7  Bde.  (Bd.  8  fehlt),  fol.  Antverpia,  Plantin,  1569—73. 
Pergbd 26  Thlr. 

Schönes  Exemplar. 

50.  —    —  hebr.,  chald.,  syr.,  graece,  lat.  et  arabice  (ed.  G.  Mich,  le  Jay). 

9  Thle.  in  10  Bdn.    fol.   Varis  1628—45.    Pergbd.      ...  40  Thlr. 

51.  —    RABB1N1CA.   4  Thle.  in  2  Bde.  fol.  Venctia,  Bomberg,  15C8.  Ldbd. 

20  Thlr. 

Schönes  Exerapl.  •  Einige  "Wurmstiche  am  Anfange. 

52.  Fentateuclius  hebr.  cum  punctis  et  cum  paraphrasi  chald.  et  conim. 

Rabbi .  Sal.    Isaaci.     fol.     Bononiae,    per    Abr.  Ben    Chaiim,    1482. 
Auf  Pergament  gedruckt 200  Thlr. 

Erste,  höchst  seltene  Ausgabe.    Typographisches  Meisterwerk  auf  Pergament.    Voll- 
ständiges Exempl.    Mehrere  ßll.  siud  am  Rande  ausgebessert,  eiuige  fleckig. 

53.  —    —  Anderes  Exempl.  ders.  Ausg.   Auf  Pergam.  gedruckt.  90  Thlr. 

Das  erste  und  letzte  ßl.  beschädigt,  einige  andere  ßll.  unsauber.    2  ßll.  auf  Papier. 

54.  —    —  cum  Onkelos,  Targum,  Sal.  Isaki  comm.,  Chiskiya  h.  Manoach 

comm.  in  Pent.,  Abr.  J.  Esra  in  Meg.  et  Haft.    fol.    Veneria,  Bom- 
berg, lf>24.    Ledbd 30  Thlr. 

Sehr  selten.    Titel  u.  erstes  ßlatt.  handschr. 

55.  — ■    —  Adj.  e  Rabbinor.  comm.,  Gantica ,"  Ruth ,  Thrcni,  Ecclesiastes, 

Esther.    4to.    Venetiis  1551.    Pergbd 3  Thlr. 

Schönes  Exemplar. 

56.  —    —  cum  Onkelos,  Targum.    12mo.    Sabionetta  1557.    Leflrbd.    Auf 

Pergament  gedruckt 70  Thlr. 

Schönes,  doch  etwas  stark  beschnittenes  Exemplar. 

57.  —    —  cum  Raschi  comm.    fol.    Cremona  156G.    llfzbd.  .    .    15  Thlr. 

Das  letzte  ßl.  handschhftl. ;  einige  andere  ßil.  beschädigt  u.  wurmstichig. 

58.  —    —  8vo.    Amstenh,  per  fratr.  Jajc.  et  Abrah.,  1727.  Ledbd.  5  Thlr. 

Sehr  selten. 

50.   —    —  cum  3  Targum.,  Raschi,  Samuel  b.  M*ir.  5.  Bde.  4to.  Amsterd. 

17G4.    Ledbd 15  Thlr. 

Geschätzte  und  seltene  Ausgabe. 

CO.   Prophetae  et   Hagiographi.     11'  Bde.  '  24mo.  —  7  Bde.    Genevae 

1617  et  4  Bde.    Venet.  1552.    Ledbd 18  Thlr. 

Seltene  Sammlung  in  gleichem  Formate.-  Schönes  Exemplar. 

61.  —    —  cum  comment.    13  Bde.    Svö.    Livorho  1780-83.  .    .    6  Thlr. 

62.  Prophetae  priores,  cum  comment.  Kimchii.  fol.  Soncino  14S5.  60  Thlr. 

Erste,  höchst  seltene  Ausg.    Vollständiges  Exemplar  mit  breitem  Rnude;  einige 
ßll.  wurmstichig. 

63.  —    -—  Anderes  Exemplar  derselben  Ausgabe 20  Thlr. 

Die  ersten  8  Bit.  fehlen.  Exempl.  mit  breitem  Hände,  unbeschuitten.  Wassert!  eck  ig. 

A.  Ashtr  &  Co.,  Berlin  &  Londoi*. 


8 

64.  Prophetae  priores,   fol.    Pesaro  1511 55  Thlr. 

Sehr  seltene  Ausg.    Schönes  Exempl.  im  Originaleinbande  ans  gepregstem  Holz. 

65.  —    — -  cum  comment.  Abravanel.  fol.  s.  I.  e.  a.  (sed.  Pesaro,  1511  oder 

1512.    Ledbd 50  Thlr. 

Ebenso  seltene  Aasgabe,  wie  die  vorhergehende.    Exempl.  m.  vollem  Bande. 

66.  Prophetae  posteriores,  cum  comment.  Kimchü    fol.    Soncino  (circa 

1485).    Ledbd 90  Thlr. 

Erste,  sehr  seltene  Ausg.    Schönes  vollständiges  Exempl.  m.  breitem  Rande.    Am 
Ende  etwas  wurmstichig. 

67.  Psalterium,  cum  comm.  Sal.  Athia.   fol.    Venet.  1549.     .    .    6  Thlr. 

Wurmstichig.    Selten. 


68.  Cordovero,  Mos.    !TYOT  IttlD-    8vo.    Grodnow  1797.  .    .    10  Sgr. 

69.  David  f.  Samuel  leiri.    pBfflB  SHt-  Additiones  ad  Türe  Zahab.   8vo. 

Zolk.  1730 15  Sgr. 

70.  Elia   Kohen.     "IDIÖ   KÜtP     Virga  castigationis   (lib.  moral).     4to. 

Wilm.  1722 1  Thlr.  10  Sgr. 

71.  Eljakim  f.  Abraham.    fcHlpH  iy   Oculus  legentis  (Gramm,  hebr.). 

8vo.    Berol.  1803.   .....  ' 20  Sgr. 

72.  Galante,  Mos.    JTPJin  ?31p    Sacrificium  festivaie  (conciones.     fol. 

Venet.  1704 j.    .    .    .    . 1  Thlr. 

73.  Gianesi,  J.  S.    W  D   Chronologie  mit  ital.  Einleitung  und  Tabellen. 

8vo.    Wien.  1827 1  Thlr. 

Selten. 

74.  Goethe.    plSTH  PfU   oder  Hermann  und  Dorothea.     8vo.     Warschau 

1857. 1  Thlr. 

75.  Grainmaticae,  D^pHp*T  (Opuscula  grammatieavar.  auet.).  8o.  Venet. 

154G . 2  Thlr. 

Einigo  Opuscula  fehlen,  dio  vorhandenen  sind  ganz  complet.    Schönes  Exempl. 

76.  Hai  Gaon.  ftQfUtf  'ttfctWÖ  Judicia  juramentorum:  4to.  Venet.  1602. 

2  Thlr.  20  Sgr. 

77.  Heilpron,  Jac.    Jjpjp  fl?HJ  Hereditas  Jacobi  (Fragen  und  Antw.). 

4to.    Päd.  1622. 1  Thlr. 

78.  Isak  f.  Israel.  pTTT  TRIÜ  ft"W  Responsiones.  fol.  Königsb.  s.  a.  (300  pp.) 

1  Thlr.  20  Sgr. 

79.  Isaehar  Ibn  Susan.     D^tP  TO^J?    Intercalatio  annorum   (Chrono- 

logia).    4to.    Venet.  1579 3  Thlr. 

80.  Ismael  Kohen.    flBK  ]HT  <TfWh    Responsiones.    3  Bde.    fol.    Li- 

vorno  et  Reggio  1786. 7  Thlr. 

81.  Jedaiah  ha-Penini.    Examen  mundi.     4to.     Mautua,  Estellina  uxor 

Abrah.  Conath,  (circa  1476-80) 20  Thlr. 

Erste  Ausgabe.   Sehr  sehen.   Schönes  Exempl. 

A.  A«her  *  Co-  Berlin  *  Im*o*. 


9 

82.  Juda  f.  David.    Tlfytyn  TTD  DpD  Institutio  noctis  (Precea  in  lecto). 

8vo.    Pragae  1615 15  Sgr- 

83.  Judah  Ben  Jeehiel.  (Messer  Leon).  D^ßlSf  DfeU  Rhetoiica.  4to.  Man- 

tua, Abr.    Conath,  vor  1480.    cart 40  Thlr. 

Sehr  schönes  Exemplar.    Höchst  selten. 

84.  Jehuda  ha-Levi.  Cuzary  libro  de  grande  sciencia  y  unicha  doctrina. 

Discursos  que  passaron  entre  el  rey  Cuzar:  y  un  Singular  Sabio  de 

Ysrael,  llamado  R.  Yshach  Sanguery,  comp,  en  la  lengua  arab.  por 

el  R.  Yetida  Levita,  y  trad.  en  la  lengua  santa  por  el  R.  Yeuda 

Aben  Tibon,  y  agora  trad.  del  Ebrayco  en  Esp.  y  coment.  por  el 

Hacham,  R-  Jaacob  Abendana.    4to.    Amsterdam  5423  (1663).  Pergbd. 

6  Thlr. 
Schönes  Exempl.  mit  sehr  breitem  Rande.    Selten. 

85.  —    —  Anderes  Exempl.    Ledbd.  mit  weniger  breitem  Rande.    4  Thlr. 

86.  —    Juda  de  Duodena.    TTTtiV  JV3    Domus  Judae  (Additamenta  in 

libr.  En  Jacob),    fol.    Venetiis  1635 2  Thlr.  15  Sgr. 

87.  Kinichi,  Moses.    Grammatica  hebraica,  per  Sebast.  Munstcrum  versa. 

Hebr.  et  lat.    8vo.    Basileae  1536.    br 1  Thlr.  15  Sgr. 

88.  Kohen,  Mos.  Jos.    ntP'TT  TTT    Fol.    Prag  1810 1  Thlr. 

89.  Kuttner,  J.   *fyffQ  *|fiD  Sprüche  Sal.  mit  Commentaren  riBiTl  *PJJB 

und  U>2tp  TlßtP.    8vo.    Leipzig  1865 .1  Thlr. 

90.  Levi  ben  Gerschom.    Commentarius  in  Pentateuchum,  hebraice.   fol. 

s.  1.  e.  a.,  per  Abr.  Conat  (Mantua,  circa  1476).     Ohne  Paginirung, 

Custoden  u.  Signaturen 80  Thlr. 

Acnsserst  selten;  einer  der  ersten  hebr.  Drucke.    Schönes  Exempl.     Das  erste 
Blatt  fehlt. 

91.  Levita,  Elia.  Grammatica  hebraea  per  Munsterum  Sebastianum  latine 

versa.    8vo.    Basileae  1537.    Pergbd 20  Sgr. 

92.  —    Comment.  in  Danielem.  4to.    s.  1.  e.  a.    (Mantua,  vor  1480.)  20  TluY. 

Höchst  selten.    S.  De  Rossi,  Ann.  See.  XV,  p.  124. 

93.  Maimonides.  mifl  rUtPfi  c.  comm.  br.  S.  Levi.    T.  I.    P.  2.    Svo. 

Leipzig  1863 1  Thlr.  15  Sgr. 

94.  —    flpUK    Epistolae.    8vo.    Amstelod.  1712 20  Sgr. 

95.  —    (TfiJTT  ITC  s?0  Trattato  rituale-morale-toscano.   Parafrasi  di  Moise 

Capriles.    8vo.    s.  1.  e.  a 10  Sgr- 

96.  Mapo,  Abr.    Yftt  TOT^H      Narratio   jueunda    interpersis   versibus. 
'    Svo.     Wilna,1853 .' 1  Thlr.  10  Sgr. 

97.  Menkin,  E.  tf)JD  *?K  flUTl  de  immortalitate.  2  Bde.  8vo.  Warschau  1860. 

2  Thlr. 

98.  Mordechai.  *mB*  C°d-  leg.    fol.    Crac.  1598 10  Thlr. 

Sehr  selten. 

09.  Moses  ben  Xaehman.  rmn  'WTTt,  NoveUae  in  legem.  2  Theüe  in 

1  Bde.   fol.  Lissabon,  Eiiezer,  1489.  (302  B1L,  dar.  3  weisse.)  150  Thlr. 

Schönes  Exempl.  mit  breitem  Rande.   Höchst  gelten  nnd  besonders  interessant,  da  es 

das  erste  in  Portugal  gedruckte  Buch  ist.  Man  kennt  nur  sehr  wenige  compt  Exem 

A.  Ajfcfr  *  Co.,  Berlin  6  London. 


10 

plare  desselben,  selbst  das  des  Britischen  Museums  ist  iucomplet.  S.  Cat.  of  the 
Ueurew  Books  iu  the  Library  of  the  British  Museum  p.  592.  —  Die 
erste  Seite  ist  mit  einer  schönen  Einfassung  in  Holzschnitt  geziert. 

lüä  Moses  ben  Nachman.    Dasselbe,  Bd.  II.  14?  BH.  fol.  Lissabon,  ELiezer, 
1489.    Ledb '-35  Thlr. 

101.  Muiius    praeeeptoribus.     DHIttf?   ^   (Epistolae    congratulationis). 

8vo.    Päd.  1834 15  Sgr. 

102.  Niet us,    Dav.      p  H12Ö  Tribus  Dan.   (Controversia  contra  Karaeos). 

4to.  Lond.  1717. 2  Thlr.  10  Sgr. 

103.  Chabil,  Jae.,  SlTW*  TJ?  (Collectio  omnium  Agadotb).    2  Bde.    Svo. 

Amst.  1725 ' 2  Thlr.  15  Sgr. 

104.  Orcbot  Zaddikim.     tfiTTSf  WmK  Sittenbild!,  dabei  HW  HimK 

.  von  Is.  Molko.    Svo.     Salonichi  1791 2  Tblr. 

105.  Norzi,  Sal.,  s.  oben  Biblia  No.  4G. 

10G.   Preces.  Siddur  tefilloth.   kl.  8°.   Man tua  1557.  Jacob  ben  Naftali  Coen. 
(232  BH.)    Auf  Pergament  gedruckt GO  Tbir. 

107.    —    m^snn  ."QttP  (Preces  quotid.).  llebr.  et  angl.    Svo.  Londini  1839. 

2  Tblr. 

10S.   —    ')2)  E'"in   DJ?   ftb&n  Precuni  collectio  magna  ed  Salm.  London. 
Svo.    Amsterdam  1752 1  Thlr.  15  Sgr. 

109.  —    "toüVll  D^Öfi  Prccationum  Versio  italica  Typis  hebr.    8.    Mant. 

1561 S  Thlr. 

Höchst  seltene  Ausg.,  s.  Steinschneider,  Catal.  No.  2437. 

110.  —  Macbsor,    "fiTPID   rit.  rom.    seu  ital.  cum  comment.    (Farina  se- 

lecta)  per  Jochenan  Treves. ,  acced.  comment.  Obadiae  Sforno  iu 
Tract.  Abot.  2  Bde.  fol.  Bologna,  Menacbem  b.  Arahatn  ex 
Modena,  Jechiel  b.  Salomo  ex  Verona,  Arie  b.  Saiomo  Chajjim  ex 
Monselice,   1540.    Ledrbd.    Auf  Pergament  gedruokt.      150  Thlr. 

Meisterwerk  der  italien.  Typographie  auf  Pergament  Die  beiden  Titelblätter 
sind  mit  schönen  Ilolzsohnilteinfassnngcu  geziert  Das  Exemplar  ist  sehr 
gut  erhalten  u.  mit  breitem  Rande.    Alte  handschriftl.  Bemerkungen  am  Rande. 

111.  —    —  c.  comment.   Raschi  et  Maimonidis  in  capit.  patruin,  2  Theilo. 

1  Bd.  fol.  Mantua,  nomine  Meir  b.  Efraim,  per  Jacob  de  Gazzolo 
1557— GO.    Auf  Pergament  gedruokt 200  Tblr. 

Höchst  seltene  Ausgabe.  Nur  wenige  Exemplare  auf  Papier  und  keiues  auf  Perga- 
ment bekannt;  das  imsrige  scheiivUcin  Unicum  zu  sein.  —  Das  Titelbl.  ist  mit 
schöner  Jlolzschnitteinfassung  geziert.  Das  'KxempL  ist  gut  erhalten.  Der  Titel 
n.  einige  BU.  sind  leicht  wasserftcclug. 

112.  —    —  ex  rita  Judd.  germanomni  in  rtaHa  ed.  J.  PadfieQ:Cttiu*tonim. 

2  Thle.  in  4  Bde.    fol.    Venet.  1711—15 20  Thlr.  20  Sgr. 

Selten.    Sehr  schönes  Exempl.  mit  breitem  Rande. 

113.  —    —  2  Bde.    Svo.    Viennae  1823. 2  Tblr. 

114.  —    Orden  de  Rosbasanah  y  Kipiir;  trasladado  en  ^spamol,  por  Abr. 

Usque  Be  Selomob  Usque  Portugues:  y  estamp.  eü  su  casa  y  a  su 
costa.    Svo.  goth.    Ferrara  5313  (1553).  ........    8  Tblr. 

Sehr  selten.' 

A.  k*Mr  &  Co.,  Bertfti  &  Iftnäon. 


11 

# 

115.  Preces,  JVSprt?  lyh&r\-    Ritus  hispan.    8vo.    Amsterd.  1726.  Ledbd. 

20  Sgr. 

116.  —    fflrP7D  rit  germ.,  hebr.  sine  punctis.    Ed.  Princeps.  •  foL    s..l.  e.  a. 

(Alm.  866  —  Cat  Bodl.  2829.)    .  * 12  Thlr. 

Höchst  selten.    33  Bll.  fehlen. 

*  »  * 

117.  Rasclii,    Salomonis  [vulgo  Jarchi]  Commentarii  hebraici   in   quinque 

libros  Mosis,  in  Prophetas  maj.  et  min.  ut  et  in  Jobum  et  Psalmos, 

in  libros  Jösuae,  Judicum,  Ruth,  Samuelis,  Regum,  Chronicum,  Esdrae, 

Nehemiae  et  Esterae,  item  in  Salomonis  Proverb.,  omnes  latine  edit. 

ab  J.-Fr.  Breithaupto.   3  Bde.   4to.  Gothae  1713— 14.  Pergbd.  10  Thlr. 
Schönes  ExempL 

118.  Rossi,    Asarja.      P|E&  Fp¥JS  Trutina  argenti  (Dissertatio  critica). 

8vo.    Edimb.  1854.'    .     .  ' 1  Thlr.  10  Sgr. 

119.  Sabibi,   Dav.    TH  pö  Clypeus  Davidis  (Comp.  lib.  Maaber  Jabok). 

8vo.    Venet.  1704.  . ' 15  Sgr. 

120.  Saltaro,  Jud.    ^"Ht^  HlpÖ  Spes  Israelis  (De  balneo  foeminärum). 

4to.    Venet.  1607.  .    . 1  Thlr.  10  Sgr. 

121.  Samuel  f.  David,    njDtP  fi*?n*  Hereditas  septcm  .(quest.  etresponsa) 

4to.    Pferdae  1692 15  Sgr. 

Titel  fehlt. 

122.  Samuel  f.  Joseph.     "llX  PHU"!  Lex  lux  (Cpncc.  in  Genesin).     4to. 

Venet.  1605 3  Thlr.  10  Sgr. 

Sehr  schönes  Exempl. 

123.  Sasportas,   Sal.     BHJHP  tPtP   (613   praecepta).     4to.    Amst.  1727. 

1  Thlr. 

124.  Schönhack,  J.     fi^rn  flFfrlfl  De  natura  animalium.    8vo.    Varsa- 

viae  1841 2  Thlr. 

125.  Sermo  intelligendi  ^5t^n  TöXÖ*  (de   praeceptis   Dccalogi).     4to. 

Cremona  1557 2  Thlr.  10  Sgr. 

126.  Schalom,  Ahr.     Dl^SX  TJP  Sylva  Absalonis  (Carmina).    4to.    Pa- 

duae  1855 1  Thlr. 

127.  Silberstein,   D.     TH  tySV   Semitae  Davidis    (Nov.   in  Jos.   Caro 

Mens.  III).    fol.    Hierosol.  1862 1  Thlr.  10  Sgl*. 

128.  Simcha   h.    P.      ffiPÖ   JTitWÖ    in    Maimonidem.     fol.     s.  1.   1858. 

2  Thlr.  15  Sgr. 

129.  (Sohar)  TR  "»ilpTl-    4to.    Mantua  (1557).    Ed.  Pr.      ...    2  Thlr. 

Sehr  selten.    Titel  fehlt;  Index  handschriftL 

130.  Talmud,  Tract.  flinJB.    fol.    Crac  1608 3  Thlr. 

131.  Terni,   D.     n"ni  tf"n  ß'"7  np*]J.    Bd.   1.     4to.    Florentiae   1803. 

1  Thlr.  10  Sgr. 

132.  Tanja  K*JH  w  DISK  JTBB  Rituale.    4to,    Mantua  1514.  .    .    6  Thlr. 

Erste,  sehr  seltene  Ausgabe.    Schönes  Exempl. 

A.  Asher  &  Co.,  Berlin  &  London. 


12 

133.  Ventura,  El.    tftitin  ^Stt  Dissert.  Talmud,    fol.    Saionichi  1799. 

1  Thlr.  20  Sgr. 

134.  Vidaa,  £1.  de.   ttÖ2H  fl^tPRl  Initium  sapientiae  (Opus  niorale)  Com- 

pendium  p.  J.  Pogetti.    8vo.    Venetiae  1600.    (Stark  beschn.)  1  TMr. 

135.  Zweifel,  El.    3JÖT)  DVÖ    Miscellanea  jucunda.    8vo.    Wilna  1858. 

15  Sgr. 


III.    Vermischtes. 

136.  Aboab,  Iman.    Nomologia  o  discursos  legales,  comp,  por  el  virt  Ha- 

harn  Rabi  Imanuel  Aboab  de  buena  memoria.   4to.   s.  1.  (Amsterdam) 

5389  (1629).    Ledbd 5  Thlr. 

Selten. 

137.  Aboab,  Ishae.  Paraphrasis  comeutado  sobre  el  Pentateuco.    fol.    Am- 

sterdam 5441  (1681).    Originaleinband  in  gepresstem  Leder.    5  Thlr. 
Schönes  Exemplar. 

138.  Abraham  Judaeus  (Ibn.  Esra).     Liber  de  nativitatibus.     Holzschn. 

4to.  goth.    Venetiis  1485.    Br.,  mit  breitem  Rande.      ...    4  Thlr. 
Sehr  selten, 

139.  Barrlös,  Daniel  Levi  de,  Miguel.    Arbol  de  la  Vida,  con  raizes  de 

la  ley  y  fruetos  dotrinales.    8vo.    Amtsterdam,  0ü  casa  de  Yakacob 
de  Cordova,  1689.   Pergbd.   Fast  unbesehn.,  viele  BU.  ganz  unbesehn. 

50  Thlr. 

Sehr  schönes  Exemplar  dieses  seltenen  Buches;  es  gehörte  dem  berühmten  Rabbi 
Isaac  Mathatias  Aboab,  dessen  Name  sich  in  Gold  gedruckt  auf  dem  Deckel  be- 
findet Das  Werk  besteht  aus  mehreren  Theilen,  u.  ist  theils  in  Prosa,  theils  in 
Versen  geschr.  Uni  Ander,  enthält  es  eine  poet  Uebersetz.  des  Gebetes  e.  Büssers 
Nißsim  ben  Jakob,  ebenso  „Providentia  particnlar  de  Dioz  sobre  el  pneblo  d'Is- 
raelu  etc.  Ausserdem  befinden  sich  in  dem  Bande  mehrere  andere  Schriften 
desselben  Autors:  „AI  govierno  del  Kahal  de  Londres"  (in  Versen),  JPaz  de  la 
Ley"  (ein  kleines  Drama  in  Versen),  eine  schöne  Elegie  auf  den  Tod  des  Vaters 
des  Autors,  u.  viele  andere  einzeln  gedruckte,  wenig  bekannte  u.  höchst  seltene 
Schriften  desselben. 

140.  —     Estrella  de  Jacob.  Sobre  Flores  de  Lis,  dirig.  a  las  dos  muy  illustr. 

ninos  Jacob,  y  Raquel.  hijo  y  hija  del  muy  noble  senor  Abraham 
Lopez  Berahel  (alias)  Don  Francisco  de  Lis.   8vo.   Amsterd.  1686.  — 
Alegrias,  o  Pinturas  Lucientes  de  Hymeneo,  dirig.  al  in  clito  Senor 
Dav.  Imm.  de  Pinto.    8vo.    ib.  1686.  —  In  1  Bde.    Pergbd.  40  Thlr. 
Schönes  ExempL,  leicht  wasserfleckig.  Diese  beid.  Werke  sind  eben  so  selten,  wie  das 
vorhergehende.    Das  erste  enthält  die  Romanze  „Historia  de  Susana"  n.  viele  an- 
dere Gedichte,  das  zweite  36  Hochzeitgedichte,  die  deshalb  von  besonderem  Interesse 
sind,  weil  darin  merkwürdige  Details  über  jüdische  Familien  v.  Amsterdam,  Ham- 
burg und  London  enthalten  sind. 

141.  —    Triumpho  dal  Govierno  Populär  y  de  la  Antiguedad  Holandesa. 

8vo.  s.  1.  e.  a.  (Amsterd.  circa  1686).    Halbpergbd.    ...    20  Thlr. 
Die  Sammlung  besteht  ans  verschiedenen  kleineren  Stücken  in  Prosa  u.  in  Versen. 
Ausführliche,  bibliographische  n.  biogr.  Notizen  über  den  Autor  giebt  Kayser* 
ling  in  der  Hebr.  Bibliographie  IV,  101,  VI,  4«,  W,  VII,  89  etc. 

A.  Aster  &  Co.,  Berlin  *  fcoadan. 


142.  Bartoloeci,  Julius.   Bibliotheca  rabbinica,  de  seriptor.  et  scriptis  he- 

braicis;  et  Jos.  Imbonati  bibliotheca  latino-hebraica,  cum  append. 
5  Bde.    foi. '  Romae  1675—94    Pergbd 24  Thlr. 

143.  Bertram,  Bonav.  Com.    *7JJ*?J|     Coinparatio  graimnaticae  hebraicae 

et  annenieae.    4to.    Genevae  1574 1  Thlr. 

144.  Buxtorf,  Joh.     Concordantiae  Bibliorum  hebraicae  et  chaldaicae  ed 

B.  Baer.   2  Thle.  in  5  Bde.   4to.    Stettini  1861—2.    (8  Thlr.)  5  Thlr. 

145.  Coeii,  Anania.     Vocabulario  ebraico-italiano  et  italiano-ebraico.    8vo. 

Reggio  1811-12.    Ilfzbd 1  Thlr. 

146.  Dmsiu§,  I.    De  litteris  2^21  Ht^ö  Hbri  duo.    8vo.   Lugd.   Bat.  1599. 

Pergbd ' 10  Sgr. 

147.  Koreisch,  Jehuda.    Epistola  [arab.]  de  studii  Targuni  utilitate  et  de 

linguae  chaldaicae,  misnkae,  talinudicae,  arabicae,  vocabulorum  item 
nonnullorum  barbaricorum  convenientia  cum  hebraea.  Ed.  J.  J.  L. 
Barges  et  D.  B.  Goldberg.    4to.    Parisiis  1857.    br.    .    .    .    2  Thlr. 

148.  Menassek  Ben  Israel.     Conciüador  o  de  la  convenienca  de  los  Lu- 

gares de  la  S.  Escriptura  etc.    4  Thcile  in  2  Bdn.     4to.    Franco- 

rarti  1632  et  Amsterd.  5410—11  (1650—51).  * 6  Thlr. 

Diese  vier  Theile  kommen  selten  zusammen  vor. 

149.  Meto,  Bav.   Pascalogia  overo  discorso  della  Pasca.    12mo.     Colonia 

1702.    Ledbd : 1  Thlri 

150.  Usque,  Sam.    Consolacam  as  tribulacoens  de  Israel.    8vo.  goth.   Fer- 

rara,  en  casa  de  Abraham  aben  Usque,  5313  (1553).      .    .    25  Thlr. 

Höchst  selten.  ExempL  m.  breitem  Runde.  Der  Titel  ist  aufgezogen  u.  wurmstichig. 


ISa.clitx*a.f£. 

151.  Ascher  b.  Jeehiel.  Gomm.  z.  Talmud  zu  den  Tract.  Synhediin,  Baba 

Batra  u.  Schebuot  (um  1300).   16  einzelne  Blätter  foi.  auf  Pergament 
gedruckt '"18  Thlr. 

152.  Buxtorf,  J.  Lexicon  chald.  talmudicum  etc.  foi.  Basileae  1640.  Original- 

Lederband  mit  Portrait 20  Thlr. 

Das  Ex.  hat  B.  selbst  seinem  berühmten  Zeitgenossen  Fr.  Spanheim  zum  Geschenk 
gemacht,  wie  der  Autograph  auf  dem  Titelblatte  zeigt:  „Viro  reverendo  et  cl. 
D.  Friderico  Spanhemio  offert  J.  Buxtorfius*'. 

153.  Haggada  «TWI  Rituale  des  Osterabends  foi.  Wilhelmersdorf  1715.  Auf 

Pergament  gedruckt .    20  Thlr. 

I54a.  Jacob  b.  Ascher.  B*n  ITTK  "BB  kL  foi.  s.  L  (Ixar)  1485.  (das  dritte 
der  wenigen  in  Spanien  gedruokten  hebr.  Werke;  54  sehr  schön  er- 
haltene Blätter;  auf  dem  letzten  d.  Epigraph  und  der  Schild  mit  dem 
aufspringenden  Löwen  in  rother  Einfassung, 
o-  7Wl  TTtt*  T(IB  ebenso,  89  Bll 50  Thlr, 

155.  Klmchi,  David.  Schoraschim  rfrb  01&H8>  foL  Neapel  149050  Thlr. 

6  Blftter  chemisch  von  fettigem  Schmutz  gereinigt,  haben  nur  noch  Spuren  der 
Flecke  und  haben  ihre  vergilbte  Farbe  mit  einer  weissen  vertauscht. 

A.  Asner  &  Co.,  Berlin  4fc  London. 


14 

156.  Kimchi  David.  Schorasclrim.    p,,mrh  JTEHl?  fol.     Constantinopel 

1513,  rabb.  Schrift  in  3  col.  1321  Bil. 25  Thlr. 

Erstes  Blatt  etwas  beschädigt  u.  verklebt;  alter  Holzband,  an  mehreren  Stellen  stock- 
m  flockig.    Sehr  selten. 

157.  Machsor   (Festgebete)  nach  deutschem  Ritus,      fol.  Augsburg   1536. 

^35  Thlr. 

Sehr  wohl  erhaltenes  vollständiges  Exempl.  dieses  höchst  seltenen  Rituale  (fehlt 
bei  Michael.) 

158.  Maimonides,  Moses.  Mischne  Tora  (oder  Jad  Chasaka)  fol.   Venedig 

(Bragadin)  1550.    4  Thle.  in  2  Bdn.    Originai-Lederband.      35  Thlr. 

Mehrere  Blätter  theihveisc  stockfleckig,  sonst  schönes  Exemplar  mit  grossen  Rändern. 

150.    —    —    Theil  2,  3,  4.  fol.  Constantinopcl  1509.     ......    40  Thlr. 

Von  Theil  2.  fehlen  die  ersten  19  Blätter  und  Bl.  41-48,  sonst  ist  das  Exempl  prachtvoll. 

160.  —    —    Theil  2  und  3  in  einem  Originalholzbande,     fol.  Venedig  (Jus - 

tiniani)  1551 15  Thlr. 

Schönes  Exemplar. 

161.  Pentateuchus  hebr.  Pergament,  alter  Druck  kl.  fol.  130  Bl.     75  Thlr.. 

Am  Rande  önkelos,  ist  aber  vom  Exempl.  meist  abgeschnitten.  Die  ersten  Blätter 
bis  Genes.  7,  14  und  2  Blätter  im  5.  Buche  fehlen.  Es  scheint  ein  Bologna-Druck 
circa  1480.    Kein  Bibliograph  kennt  die  Ausgabe. 

1G2.  Talmud  Bafoli  Tr.  Succa.  fol.  Venedig  1521.  Auf  Pergament  gedruckt 

.50  Thlr. 
Von  dieser  Ed.  pr.  finden  sich  Pergamentdrucke  höchst  selten.  Titelblatt  und  die 
folgenden  7  Blät'cr  sowie  Bl.  82  fehlen,  sonst  sehr  gut  erhalten. 


•   S".."*     «'•„%, 


Vor  Iiurzcm  erschienen: 

Katalog  70:  Orientalia. 

—  82:  Hebraica,  Judaiea  etc.  aus  dem  Nachlasse  von  Joseph  Almanzi. 

—  83:  Mathematik,  Astronomie,  Physik.. 

—  84:  Autotypen  Luthers  und  seiner  Zeitgenossen. 

—  85:  Seltene  und  werth volle  Bücher. 

Antiquarischer  Anzeiger  1:  \  ,r       .    t, 

}  Vermischtes. 

—  —        2:  J 

—  —       3:  Bücher  über  Polen,  Russland  etc. 

—  — •      4;  Naturwissenschaften. 

A.  Asher  &  Co* 

Berlin  und  London. 


Druck  von  Albert  Lewcnt  in  Berlin. 


E.  Abraham  ti.  Isaak,  Ab-bet-din  aus  tfarbonne. 

Ein  literarhistorischer  Versuch, 
Y7on  Dr.  H.  Gross. 


In  der  Beurtheilung  R.  Abraham  b  Isaak's  aus  Nar- 
bonne  herrscht  zwischen  den  altern  und  modernen  Literar- 
historikern eine  auffallende  Verschiedenheit.  Während 
jene  des  Lobes  voll  sind,  so  oft  sie  auf  R.  Abraham  b. 
Isaak  zu  sprechen  kommen,  sind  diese  karg  und  zurück- 
haltend in  ihrem  Lobe,  das  wie  Tadel  klingt.  Jene 
geben  nämlich,  wie  es  scheint,  nur  das  Urtheil  wieder, 
das  in  dem  Zeitalter  R.  Abraham  b.  Isaaks  gang  und  gäbe 
war,  während  die  modernen  Literarhistoriker,  den  Blick 
auf  die  jüdische  Literatur  des  Mittelalters  sowohl  in  ihrer 
Gesammtheit,  als  in  ihrer  geschichtlichen  Entwickelung 
richtend,  die  zu  beurtheilende  Persönlichkeit  ganz  unbe- 
fangen nur  nach  der  Stellung  beurtheilen,  die  sie  inner- 
halb der  gesainmten  geschichtlichen  Entwickelung  ein- 
nimmt. Von  diesem  Gesichtspunkte  aus  betrachtet  ver- 
liert R.  Abraham  b.  Isaak  allerdings  an  Bedeutung.  Er 
hat  auf  keinem  Gebiete  jüdischen  Wissens  eine  neue  Bahn 
eingeschlagen;  an  seinen  Namen  knüpft  sich  kein  literar- 
historisch wichtiges  Ereigniss;  seine  Wirksamkeit  blieb  auf 
das  Zeitalter  und  den  Kreis  beschränkt,  in  denen  er  ge- 
lebt und  gewirkt  hat,  aber  innerhalb  dieses  Kreises  selbst, 
unmittelbar  in  der  Provence,  war  seine  Wirksamkeit  von 
nicht  zu  unterschätzender  geschichtlicher  Bedeutung. 

Frank  el,  Monatsschrift.  XVII.  7.  ]9 


242  R.  Abraham  b.  Isaak, 

In  der  Provence  herrschte  in  der  Mitte  des  zwölften 
Jahrhunderts  eine  ausserordentliche  geistige  Regsamkeit 
das  Talmudstudiuni  insbesondere  nahm  einen  ungewöhn- 
lichen Aufschwung.  Der  Impuls  zu  diesem  Aufschwünge 
kam  allerdings  einerseits  von  der  nordfranzösischen  und 
anderseits  von  der  spanischen  Schule.  Tosafistische  Dia- 
lektik und  Alfasische  Systematik  reichten  hier  einander 
Ober  die  Pyrenäen  hinüber  die  Hand  zu  einem  festen 
Bunde;  aber  dieser  geistige  Bund  bedurfte  eines  Ver- 
mittlers. Die  Rolle  des  Vermittlers  fiel  R.  Abraham  b. 
Isaak  zu.  Von  ihm,  dem  Haupte  der  proven^alischen 
Schule,  ging  zum  grossen  Theile  die  geistige  Regsamkeit 
auf  talmudischem  Gebiete  aus.  Er  hält,  es  ist  wahr,  we- 
der mit  Alfasi  noch  mit  R.  Tarn  einen  Vergleich  ans, 
aber  für  die  Provence  hat  er  die  Bedeutung  der  beiden 
Genannten  zugleich.  So  wahr  ist  es,  dass  zuweilen  die 
Leistungen  einer  Person  bedeutender  als  diese  selbst  sein 
können. 

Die  Leistungen  R.  Abraham  b.  Isaak's  wurden  übrigens 
bisher  bei  aller  Gerechtigkeit  der  Beurtheilung l)  doch 
nicht  ganz  nach  Gebühr  gewürdigt,  weil  man  dessen 
Schriften  nicht  genau  gekannt  hat.  Sein  bedeutendstes 
Werk,  der  Eschkol,  bisher  nur  aus  Ci taten  gekannt,  wurde 
erst  vor  Kurzem  edirt2),  desgleichen  wurde  eine  bisher 
unbekannte  handschriftliche  Responsen-Sammlung  ange- 
funden 8).  Wir  wollen  auf  Grund  der  genannten  Hand- 
schriften einige  Notizen  über  R.  Abraham  b.  Isaak 
geben. 


>)  Vergl.  Grätz,  Geschichte  der  Juden.    6.  Band.    S.  235. 

*)  bxWHTl  1DD  des  R.  Abraham  b.  Isaak  Ab-bet-din  aus  Nar- 
bonne  ed.  Auerbach  erster  Theil  mit  Commentar  in  4°.  Halberstadt 
1867.    Das  Erscheinen  des  zweiten  und  dritten  Theiles  ist  angekündigt 

•"  Im  Besitze  des  H.  Horace  Günzburg  in  Paris,  des  hochherzigen 
Beförderers  der  jüdischen  Wissenschaft  Herrn  Senior  Sachs  danke 
ich  für  die  Freundlichkeit,  mit  der  er  mir  das  genannte  Manuscript  zur 
Benutzung  Überliess. 


Ab-bet-dia  aus  Narbonne.  243 


I. 


R.  Abraham  b.  Isaak  blühte  im  Anfange  der  zweiten 
Hälfte  des  zwölften  Jahrhunderts  in  Narbonne,  einer  der 
ältesten  und  im  Mittelalter  bedeutendsten  Gemeinden  der 
Provence 4).  Die  Gemeinde  von  Narbonne  besass  bedeu- 
tende Privilegien  und  genoss  der  vollsten  Autonomie*). 
Ihre  glücklichsten  Tage  fallen  in  das  zwölfte  Jahrhundert, 
in  die  Zeit,  wo  die  Provence  von  freisinnigen  Fürsten6) 
regiert  wurde,  welche  die  unduldsame  Kirche  in  die  ge- 
bührenden Schranken  wiesen.  Wie  um  diese  Zeit  die  Stadt 
Narbonne  in  politischer  Beziehung,  so  nahm  die  jüdische 
Gemeinde  in  moralischer  Beziehung  eine  hervorragende 
Stellung  in  der  Provence  ein T).  Standen  doch  an  der 
Spitze  der  Gemeinde  von  Narbonne  jüdische  Fürsten  (Nasi), 
die  ihre  Abstammung  vom  Könige  David  ableiteten.  Auf 
dieselben  waren  die  Blicke  Aller  um  so  mehr  gerichtet, 


4J  Vgl.  Benjamin  von  Tudela  Itinerarium  Anfang.  Vgl.  Vaissette 
Histoire  gänlrale  de  Langnedoc.  Vol.  I.,  p.  243,  274,  739  u.  a.  m. 
Im  Jahre  476  gab  es  in  Narbonne  schon  eine  beträchtliche  jüdische 
Gemeinde.  Vaissette  a.  a.  0.  Vgl.  Grätz,  Geschichte  der  Juden.  5.  Bd. 
S.  76,  227.  Nach  einer  Sage  sollen  sich  bereits  unmittelbar  nach  der 
Zerstörung  des  zweiten  Tempels  Juden  in  Langnedoc  niedergelassen 
haben.  Vgl.  Kol-Bo  Nr.  18  Abudraham  p.  38.  Mehreres  darüber  in 
einer  nächstens  von  mir  erscheinenden  Arbeit  über  R.  Eleasar  ans 
Worms. 

• 

*)  Vergl.  Aristide  Guilbert  Histoire  des  villes  de  France,  vol.  6. 
p.  407.  Les  juifs  ätaient  maitres  absolus  dans  la  Ville-neuve.  (So 
hiess  nämlich  das  jüdische  Viertel.)  Narbonne  devint  celebre  a  cette 
epoque  par  la  libertä,  dont  les  juifs  y  jouissaient.  Ich  benütze  die 
Gelegenheit,  um  aus  dem  genannten  Buche  a.  a.  0.  ferner  folgende 
Stelle  mitzutheilen.    Charlemagne  divisa  sa  seigneurie  en  3  parties.  — 

—  —  —  la  troisieme fut  reserväe  aux  juifs.    Par  suite  de  cette 

concession  ils  se  concentrerent  dans  un  quartier  de  la  citä,  bati  tont 
enpres  pour  enx  et  qui  prit  le  nom  de  Ville-neuve  —  il  voulut  ainsi 
les  räcompenser  de  leur  deVoument  a  sa  cause. 

•)  Besonders  hervorgehoben  wird  die  weise  Regierung  der  Für- 
stin Ermengarde  um  1148.  Histoire  des  villes  de  France  a.  a.  0. 

T)  Das.  Narbonne  devint  donc  le  centre  d'Israel  dispersa  et  desote. 

19* 


244  R.  Abraham  b.  Isaak, 

als  sie  sowohl  durch  ihre  hohe  Abstammung  als  durch 
ihren  Reichthum  und  ihre  Gelehrsamkeit  in  gleicher  Weise 
hervorragten  und  sich  durch  ihr  hohes  Ansehen  bei  den 
politischen  Machthaber!),  sowie  durch  ihre  lebhafte  Theil- 
nahme  für  ihre  Glaubensbrüder  in  hohem  Grade  aus- 
zeichneten. Ein  alter  Chronist  nennt  sie  sogar  Exilarchen, 
woraus  wenigstens  hervorgeht,  dass  ihr  Einfluss  sich  über 
das  Narbonnensische  Gebiet  hinaus  erstreckt  hat8).  Durch 
sie  ward  Karbonne  gewissermassen  der  Vorort  für  die 
provengalischen  Juden. 

Unter  diesen  Verbältnissen  war  die  Stellung  eines  Ab- 
be t-din  oder  Oberrichters  in  Narbonne  bedeutender  und 
einflussreicher  als  gewöhnlich  anderwärts.  Der  Ab-bet- 
din  stand  an  der  Spitze  eines  aus  fünf9)  Mitgliedern  be- 
stehenden Rabbinatscollegiums,  dem  die  gesammte  Juris- 
diction oblag. 

Um  die  Mitte  des  zwölften  Jahrhunderts  bekleidete 
R.  Abraham  b.  Isaak10)  dies  letztere  Amt,  welches  mit 
seiner  Persönlichkeit  und  seinem  Namen  so  innig  ver- 
bunden war,  dass  er  von  seinen  Zeitgenossen  wie  von 
Spätem  oft  schlechthin  R.  Abraham  Ab-bet-din,  oder  blos 
R.  Ab-bet-din11)  genannt  wurde  —  ein  Beweis,  dass  er 
die  Eigenschaften,  welche  das  von  ibm  während  einer 
langen  Dauer  bekleidete  Amt  voraussetzte,  in  vollem  Um- 
fange besass ia).  Der  Grundzug  seines  Charakters,  durch 
den  er  sich  wesentlich  von  seinem  Schwiegersohne13)  R. 
Abraham  b.  David  aus  Pasqutäres  unterscheidet,  ist  eine 


8)  Ueber  die  Nesiim  von  Narbonne  v;  Iuchaein  ed  Filipowski  p.  84. 
Benjamin  von  Tudela  a.  a.  0.    Vergl.  Grätz  a.  a.  0. 

•)  Folgt  aus  einer  Stelle  im  monnn  "JDD  Pforte  14.  Tlieil  5.  Ein 
Gutachten  aus  Narbonne  in  Maimuni's  Briefsammlung  p.  66>  trägt  sechs 
Unterschriften,  nämlich  ausser  der  Unterschrift  des  Rabbinatflcollegiums 
die  des  Nasi. 

10)  Meiri  Einleitung  zu  Abot  ed.  Stern  p.  17.    luchasin  a.  a.  0. 

I!)  So  oft  im  Temim  Denn  und  bei  Salomo  b.  Aderet. 

12)  Sefer  ha-Terummot  45,  1  "DVin  DD^DH  *?))  atWI  BEWD  tyrh 
pniP  "Q.    Dies  Epitheton  legt  ihm  Serachja  Gerundi  bei. 

'*)  Vergl.  weiter. 


Ab-bet-din  aus  Narbonne.  245 

ungemeine  Bescheidenheit,  verbunden  mit  einer  durchaus 
zur  Versöhnung  hinneigenden  Natur. 

In  der  Bekämpfung  und  Widerlegung  entgegenstehen- 
der Ansichten  zeigt  er  ferner  eine  bewunderungswürdige 
Ruhe  und  eine  Mässigung,  die  von  der  Heftigkeit  meh- 
rerer seiner  provenpalischen  Zeitgenossen  ausserordentlich 
absticht.  Der  Adel  seiner  Gesinnung  spricht  sich  beson- 
ders in  seinem  Briefe  an  einen  seiner  Jünger,  einen  ge- 
wissen Joseph  b.  Chen,  aus:  „Wer  kein  Gesetzeskundiger 
ist,  sagt  der  Talmud  ,4),  darf  nicht  damit  stolz  thun,  dass 
er  beim  Gebete  den  Betmantel  anlegt,  den  nur  Gesetzes- 
kundige anzulegen  pflegen".  Diese  Stelle  deutet  er  nun 
dahin:  Der  Mensch  darf  seinen  Charakter  nicht  bemän- 
teln, er  darf  das  Gute  nicht  bloss  deshalb  üben,  um  sich 
vor  seinen  Nebenmenschen  den  Schein  eines  Tugendhaften 
zu  geben,  sondern  die  Tugend,  die  er  übt,  muss  der  wahre 
Ausdruck  seiner  Gesinnung  sein.  Der  Mensch  muss  vor 
Allem  sich  selbst  gleich  sein  '*).  —  R.  Abraham  b.  Isaak 
zeichnete  sich  aber  vor  Allem  durch  seine  umfassende 
talmudische  Gelehrsamkeit  aus;  er  galt  als  rabbinische 
Autorität16)  in  einem  Kreise,  in  dem  mehrere  hervorra- 
gende Gelehrte  waren,  die  von  völlig  unparteiischen  Zeit- 
genossen hochgepriesen  wurden.  Narbonne  war  nämlich 
der  Sitz  einer  alten  talmudischen  Hochschule17),  deren 
Gründer  R.  Machir18),  der  Urahn  des  Narbonnensischen 
Fürstengeschlechtes,  war,  der  unter  Karl  dem  Grossen  ein- 
gewandert sein  soll.  R.  Moses  ha-Darschen,  der  um  die 
Mitte  des  elften  Jahrhunderts  blühte19),   gab   der   alten 


14 )  B.  Batra  p.  98a. 
J*)  Responsen-Sammhing  ms.  Nr.  488. 

>•)  Iuchasin  a.  a.  0.  und  217   dm  *?$  Wvn  Hin  Y'3N  QTON  n 
vgl.  das.  220.    lleiri  a.  a.  0. 

*r)  Meiri  a.  a.  0.    Benjamin  von  Tudela  a.  a.  0.  T»y  KVl  fttDTJ 

ahm  amn  roi  rrarwn  hob  min  Nun  ruooi  irnrh  nonp. 

ls)  Iuchasin  p.  84. 

|9)  Vergl.  |lapoport  Toldot  R.  Nathan  Bicure  ha-ittiin  10.  p.  47. 
Anna,  47. 


246  R.  Abraham  b.  Isaak, 

Hochschule  einen  neuen  Aufschwung,  in  derselben  Zeit, 
in  der  die  Hochschule  von  Sura  und  Pumbadita  in  Ver- 
fall gedeihen.  Die  Reihenfolge*0)  der  Gesetzeslehrer  vor 
Narbonne  seit  R.  Moses  ha  Darschen  dürfte  folgende  sein: 
R.  Moses  der  Demüthige'21),  R.  Isaak  b.  Merwan  halewi, 
dessen  Brudersohn  R.  Moses  b.  Joseph  und  R.  Abraham 
b.  Isaak.  Letzterer  gilt  allgemein2'2)  als  das  bedeutendste 
Oberhaupt  der  Hochschule  nach  R.  Moses  ha- Darschen. 
Er  brachte  durch  seine  ausgebreitete  talmudische  Gelehr- 
samkeit, wie  durch  seine  achtunggebietende  Persönlichkeit 
die  Hochschule  zur  Blüthe  und  machte  Narbonne  zum 
Mittelpunkte  des  Talniudstudiums  in  der  Provence23).  Die 
Hochschule  von  Narbonne  stand  in  so  hohem  Ansehen, 
dass  man  sie  in  überschwenglicher  Weise  den  ehemaligen 
Schulen  von  Babylonien  gleichstellte24).  Ihr  Einfluss 
reichte  in  Wahrheit  nicht  über  die  Provence  hinaus2*). 
Wenn  es  um  die  Mitte  des  zwölften  Jahrhunderts  Pflanz- 
statten  talmudischen  Wissens  gab,  welche  mit  den  ehe- 
maligen Lehrhäusern  von  Sura  und  Pumbadita  verglichen 


*°)  Dieselbe  ist  in  Iuchasin  a,  a.  0.  nicht  beachtet;  daher  die 
ConfusioD,  die  an  dieser  Stelle  herrscht. 

11 )  Diese  Bezeichnung  ist  Familienname.  Vergl.  Reifman  Mono« 
graphie  Serachja  Gerundi's.  So  führte  zum  Beispiel  Zidkia  b.  Abra- 
ham, der  Verfasser  des  Schibbule  ha-leket,  der  Ende  des  dreizehnten. 
Jahrhunderts  blühte,  denselben  Familiennamen.  Vergl.  Schibbule  ha- 
leket  II.  Theil  ms.  der  Günzb.  Bibliothek.  R.  Moses  der  Demüthige 
ist  gewiss  identisch  mit  dem  von  Nathan  b.  Jechiel  Aruch  sub  voce 
TJ  citirten  apjp  NJ1D  p  rmtn  IWO  TWÜ  '1  vgl.  das.  sub  voce  IpIDK 
citirt.  XTDTti  p  y*2H  13  Ht^D  13  3pJT  13  HtPO  "1.  Vgl.  Rapoport 
Told.  R.  Nathan  a.  a.  0.  Anm.  35.  Rapoport  identificirt  mit  Unrecht 
den  genannten  R.  Moses  b.  Jacob  mit  R.  Moses  Hadarschan,  der  unter 
der  letzteren  Bezeichnung  sehr  oft  von  Aruch  citirt  wird. 

••)  Iuchasin  und  Meiri  a.  a.  0. 

••)  Benjamin  von  Tudela  a.  a.  0. 

94 )  Iuchasin  p,  84. 

•>)  Vergl.  Mefiri  a.  a.  0.  mDDIlDD  r»OV  mütn  p)K2  Dt*  VH  k!> 


Ab-bet-din  aus  Narbonne.  247 

werden  konnten,  so  waren  es  vielleicht  Lucena  in  Spanien, 
wo  Ibn  Migasch,  der  bedeutendste  Jünger  Alfassi's  lehrte, 
oder  Ramerü  in  Nordfrankreich,  der  Hauptsitz  der  Tossa- 
fisten.  Narbonne  nahm  den  genannten  beiden  Schulen 
gegenüber  eine  untergeordnete  Stellung  ein;  R.  Abraham 
b.  Isaak  selbst,  das  Haupt  der  provenfalischen  Schule 
lauschte  mit  der  Miene  eines  Jüngers  auf  die  Aussprüche 
der  nordfranzösischen  und  spanischen  Autoritäten.  Ori- 
ginalität war  überhaupt  nicht  die  starke  Seite  der  Nar- 
bonnensischen  Gelehrten,  aber  sie  zeichneten  sich  vor  ihren 
nordfranzösischen  Zeitgenossen  durch  eine  vielseitige  Bil- 
dung in  hohem  Grade  aus.  Narbonne  war  der  Hauptsitz 
der  jüdisch  spanischen  Cultur  in  Frankreich. 

Joseph  b.  Isaak,  der  Stammvater  der  Eimchiden 26), 
der  zuerst  in  der  Provence  den  Sinn  für  hebräisch-gram- 
matische Studien  und  für  eine  rationelle  Auslegung  der 
Bibel  weckte,  lebte  in  Narbonne  und  war  ein  Zeitgenosse 
R.  Abraham  b.  Isaak's. 

R.  Meschullam  b.  Jacob  aus  Lünel,  auf  dessen  Anre- 
gung arabisch  -  philosophische  Schriften  in's  Hebräische 
übersetzt  wurden  und  der  selbst  mehrere  moralphiloso- 
phische Schriften  verfasste27),  war  ein  intimer  Freund 
R.  Abraham  b.  Isaak's  und  war,  wie  die  meisten  Gelehr- 
ten von  Lünel,  die  sich  durch  ihre  freiere  Geistesrichtung 
auszeichneten,  aus  der  Narbonnensischen  Schule  hervor- 
gegangena8). 

Serachja  Gerundi,  welcher  mit  ungewöhnlich  tiefem  tal- 
mudischen Wissen  philosophische  Bildung  und  Eenntniss 
des  Arabischen  verband29),  war  ein  Jünger  R.  Abraham 
b.  Isaak's  oder  jedenfalls  aus  der  Narbonnensischen  Schule 


••)  Geiger  Ozar  Nechmad.  I.  p.  97  ff. 

tr)  Ibn  Tibbon  Einleitung  zur  Uebersetzung  von  Bachja's  Chobot 
ha-lelabot. 

■•)  Iachasin  p.  84  ÜtV&ü  Hlff  h^yf?  *»DDn. 

99 )  Vergl.  Reifmann  Monographie  des  Serachja   Gerundi.    Grätz' 
Geschichte.    6.  Band.    S.  232. 


248  R.  Abraham  b.  Isaak, 

hervorgegangen.  Bei  diesem  Geiste,  der  in  dem  Narbon- 
nensischen  Gelehrtenkreise  herrschte,  lässt  sich  mit  einiger 
Wahrscheinlichkeit  voraussetzen,  dass  R.  Abraham  b.  Isaak, 
obwohl  nicht  eingeweiht  in  die  jüdisch -spanische  Cultnr, 
doch  keine  feindselige  Stellung  gegen  dieselbe  eingenom- 
men habe.  Ja  er  scheint  sogar  einige  Eenntniss  des  Ara- 
bischen besessen  zu  haben,  wenn  anders  dies  daraus  ge- 
schlossen werden  darf,  dass  er  auf  eine  an  ihn  gerichtete 
Anfrage  mehrere  talmudische  Ausdrücke  nach  dem  Ara- 
bischen erklärte10). 

IL 

Der  Narbonnensische  Gelehrtenkreis  zeichnete  sich,  wie 
gesagt,  durch  seine  Vielseitigkeit  aus.  Er  ersetzte  dadurch 
gewissermassen  seinen  Mangel  an  Selbstständigkeit;  denn 
wie  er  einerseits  in  keinem  einzigen  Zweige  jüdischen 
Wissens  im  eigentlichen  Sinne  bahnbrechend  war,  so  gab 
es  andererseits  keinen  einzigen  Wissenszweig,  der  nicht 
in  seiner  Mitte  die  sorgsamste  Pflege  gefunden  hätte. 
Narbonne  bildete  in  dieser  Beziehung  das  verbindende 
Mittelglied  zwischen  der  nordfranzösischen  und  spanischen 
Schule.  Hier  berührten  einander  die  Extreme.  Philosophie 
und  Mystik,  Agada  und  rationelle  Exegese,  Dichtung  und 
Talmud,  mit  einem  Worte,  die  verschiedensten  Richtungen 
des  jüdischen  Geistes  fanden  in  Narbonne  ihre  Vertreter. 
R.  Abraham  b.  Isaak  vertritt  in  diesem  Kreise  die  streng- 


,0)  Hesponsen-Sammlung  ms.  Nr.  480.  Ich  theiLe  die  Erklärungen 
nicht  mit,  da  sie  eich  eämmtlich  im  Aruch  Nathan  h.  Jechiei's  wieder* 
finden.  R.  Abraham  b.  Isaak  hat  sie  jedoch  schwerlich  dem  Aruch 
Nathan  b.  Jechiel's  entlehnt,  da  er  ihn  nicht  nennt  und  er  es  sonst 
niemals  unterlägst,  die  Quelle  anzugeben.  Der  Aruch,  der  um  1101 
vollendet  wurde,  war  um  1130  —  40,  in  welche  Zeit  eben  das  genannte 
Responsum  fällt,  vielleicht  noch  nicht  bekannt  in  Narbonne,  wenn  er 
auch  in  Nordfrankreich  bekannt  war.  Zwischen  den  jüdischen  Ge- 
lehrten Nordfrankreichs  und  Italiens  war  vermittelst  Deutschlands  der 
literarische  Verkehr  grösser  als  zwischen  Nord-  und  Südfrankreich. 
Vgl.  Ozar  Nechmad  I.  Jahrgang,  p.  107. 


Ab-bet-din  aus  Narboone.  249 

talmudische  Richtung.  Auf  diesem  Gebiete  ist  auch  nur 
seine  Stärke  zu  suchen;  er  ist  der  Hauptträger  des  tal- 
madischen  Wissens  in  der  Provence  in  der  Mitte  den 
zwölften  Jahrhunderts.  Er  verfasste  zahlreiche  talmudische 
Werke;  das  bedeutendste,  der  Eschkol,  ist  ein  halachischer 
Codex,  der  das  gesammte  rituelle  Gebiet  mit  Ausschluss 
des  civil-  und  eherechtlichen  Theiles  umfasst11). 

R.  Abraham  b.  Isaak  nahm  sich  in  diesem  Werke  Al- 
fasi  zum  Muster82),  von  dem  er  mit  sehr  grosser  Ver- 
ehrung spricht ").  Er  folgt  ihm  auf  Schritt  und  Tritt,  er- 
reicht ihn  aber  weder  an  Originalität  noch  an  Tiefe  der 
Auffassung.  Der  Eschkol  hat  aber  den  Vorzug  vor  den 
Halachot  AUasi's,  das?  er  den  gesammten  Stoff  ib  über- 
sichtlicher Weise  nach  Materien  ordnet.  Der  Jerusale- 
Jnische  Talmud34)  einerseits  und  die  Aussprüche  der  gao- 
näischen  Autoritäten  anderseits  sind  ferner  mehr  als  bei 
Alfasi  berücksichtigt.  Ueberdies  werden  mehrere  Partien, 
in  denen  sich  Alfasi  nur  kurz  gefasst  hat,  ausführlicher 
behandelt36). 

Der  Verfasser  hat  bei  der  Redaction  seines  Werkes, 
ausser    den  Halachot  Alfasi's  ganz  besonders  die  hala- 


*')  Vergl.  Isaak  de  Lates  Seh  aar  e  Ziou  Einleitung.    Abschrift  des 
Oxforder  Manuscript's  im  Besitze  von  S.  Sachs.    DiTUK  3"l  7W!  31H 

dhdi  j>ddi  Ton  jn  awtej  üft\  onon  "nn  iwh  vi  rra  2h  pnsr  12 

blOVHn  "1DD  vgl   Iuchasira  p.  84    ffHOD  TWV T3N  DTTON  "1 

rohn   pDDDI  KnTD3  pDD  ho  ~)N:£  mm.    Vergl.  Asulai  Sehern  ha- 
gedolim  ed  Ben-Jacob  I.  N  Nr.  10. 

•*)  Vgl.  Auerbach,  Einleitung  zum  Esehkol. 

•»)  Vgl.  Sefer  ha-terumtnot  Pforte  96,  Theil  2.  f2  UWI  D'ODJ  "pK 

ra  TN  n^  ponoKi  ixdd  pDD  xh  V'?  TiKanprw  "V-in  gn  o^nn  onn 

•piDD^  ro 

M)  Vgl.  Alfasi  Ende  Erubin  vergl.  Rapoport  Ricure  ha-ittim  XII. 
p.  65. 

W)  Eschkol  p.  70:  T1DK  ph  TTO  »Hl  1ND  "lÄp  h")  pTVP  '1  )MCTi 


250  R.  Abraham  b.  Isaak, 

einsehen  Sammelwerke  von  Simon  Kairo,  Jehndai  Gaon36), 
Isaak  ibn  Giat8T)  und  Jehuda  b.  Barsilai*8)  zu  Rathe  ge- 
zogen. Wir  begegnen  deren  Deeisionen  fast  auf  jeder 
Seite  des  Eschkol,  wir  haben  es  also  durehaus  mit  keiner 
neuen  Schöpfung  zu  thun;  aber  es  muss  anerkannt  wer- 
den, dass  der  Verfasser  die  früheren  halaehischen  Sam- 
melwerke in  vielfacher  Beziehung,  in  Form  wie  in  Inhalt, 
vervollständigt  hat.  Er  ist  jedenfalls  der  erste  bedeutende 
französische  Codificator  und  hat  auf  die  spätere  Codifi- 
cation  der  Halacha  einigen  Einfluss  geübt.  Der  Orchot 
Chajim*8)  desR.  Ahron  ha-cohen  aus  Lünel,  der  Kol-Bo*9), 
Menachem  Recanati  in  den  Deeisionen40),  Schibbule  ha- 
leket41)  des  Zidkia  b.  Abraham  und  Moses  aus  Coucy4*) 
bringen  längere  Auszüge  aus  dem  Eschkol.  Die  anderen 
Codices48)  citiren  ihn  seltener.  Durch  den  Jad  ha-cha- 
saka  Maimunis44)   und   den   Tur  R.  Jacob   b.   Ascher 's 


■•)  Halachot  Gedolot  und  Halachot  Pesukot  werden  als  zwei  ver- 
schiedene Werke  citirt.  Der  Behag  lag  ihm  also  noch  nicht  in  seiner 
gegenwärtigen  Verfassung  vor.  Vergl.  Auerbachs  Commentar  znm 
Eschkol  p.  3.  Kerem  Chemed.  6.  Band.  p.  236.  Ausser  Jehudai 
Gaon  werden,  abfr  seltener,  die  meisten  Gaonim  citirt. 

")  Eschkol  p.  10,  33  u.  a.  m.  Vergl.  Halachot  des  R.  Isaak  ibn 
Giat  ed.  Bamberger  Einleitung  p.  4. 

■•)  Meistens  schlechthin  Halachot  des  R.  Jehuda  b.  Barsilai  und 
Eschkol  p.  2,  64  u.  a.  m. 

••)  Einleitung  zum  Eschkol  p.  6. 

••)  Der  selbst  dem  Orchot  Chajim  zu  Grunde  liegt. 

40)  Vergl.  Zunz'  Analekten  in  Geigers  Zeitschrift  1836.  2.  Band- 
p.  308. 

4  •)  Nr.  2,  3,  15  und  weiter. 

")  y'DD  Nr.  231,  248. 

4>)  Joseph  Karo  hat  ihn  bei  der  Redaction  des  Bet  Joseph  nicht 
vor  sich  gehabt.  Vgl.  Vorrede  zum  Bet  Joseph;  er  kannte  ihn  nur 
aus  Citaten,  daher  ist  es  erklärlich,  dass  zuweilen  Stellen  aus  dem 
Eschkot  citirt  werden,  die  sich  daselbst  nicht  vorfinden.  Vgl.  Bet. 
Joseph  Nr.  39.    Vgl.  Einleitung  zum  Eschkol. 

")  Die  Glossen  des  R.  Meir  ha-cohen  zu  Maimuni  citiren  oft  den 
Eschkol  unter  der  Bezeichnung  TKD\    Vergl.  Hilchot  Jörn  tob  VII: 


Ab-bet-din  aus  Narbonne.  251 

wurde  er  verdunkelt  und  fiel  allmälig  der  Vergessenheit 
anheim. 

III. 

Gehen  wir  zu  einer  anderen  literarischen  Thätigkeit, 
zu  den  Responsen  über,  in  denen  R.  Abraham  b.  Isaak 
eine  weit  grössere  Selbstständigkeit,  als  im  Eschkol,  ent- 
faltet Galt  es  ja  in  den  Responsen,  nicht  bloss  den  ge- 
gebenen Stoff  zu  systematisiren  und  aus  dem  Bekannten 
das  für  die  Praxis  Geltende  herauszuheben,  sondern  die 
Entscheidungen  für  völlig  neue  Fälle  aus  den  vorhandenen 
gesetzlichen  Bestimmungen  abzuleiten.  In  diesen  letzteren 
oft  complicirten  gedanklichen  Operationen  zeigt  R.  Abra- 
ham Tiefe  und  Schärfe  der  Auffassung  und  eine  grosse 
Klarheit  in  der  Motivirung  seiner  Entscheidungen.  Er 
galt  als  rabbinische  Autorität,  von  allen  Seiten  ergingen 
daher  Anfragen  an  ihn  über  schwierige  religiös  praktische 
Fälle,  seine  literarische  Thätigkeit  war  nach  dieser  Seite 
hin  eine  ungemein  fruchtbare.  Die  meisten  seiner  Respon- 
sen sind  uns  verloren  gegangen,  doch  ist  die  Zahl  derer, 
die  sich  erhalten  haben,  noch  immer  beträchtlich  genug, 
um  ihm  in  einer  Geschichte  der  Responsen -Literatur  ei- 
nen besonderen  Platz  anzuweisen46).  Wir  wollen  einige 
Proben  seiner  Responsen  geben. 

Die  Maimunische  Briefsammlung46)  bringt  ein  Gut- 
achten des  Narbonnensischen  Rabbinatscollegium's  unter 


T3N  DfraN  '")  5>ß>  TCO  TW2D  p\.  Diese  Stelle  verleitete  Carmoty 
dazu  R.  Abraham  b.  Isaak  ein  besonderes  Werk  Namens  Jesod  zuzu- 
schreiben; vergl.  Carmoly  ^eotP1  ^rü  rmnt?  p.  87.  Allein  TO'1  be- 
deutet hier  bloss  Compendium;  vergl.  Raschi  5  M.  21,  14.  ^{p  TOD'D 
p  TTVet?  )\tmn  TW®  '1  vgl.  4.  M.  15,  41.  u.  a.  m.  Vgl.  Aschen  Pe- 
sachim  IL  DD^N  ,m\  T1D\ 

**)  ^gl«  Frankel,  Geschichte  der  Literatur  der  nachtalmudischen 
Responsen.    Breslau  1865.    p.  31. 

4t)  Ü2üir\  TTtiH  ed.  Ven.  p.  66.  Vergl.  Kol-Bo  Anfang  Maimuni 
respondirt  in  demselben  Sinne,  vgl.  Peer  ha-dor.  p.  64.  Vgl.  iriD 
pnSP  ed.  Lyck  Buchstabe  D  p.  155  a.  Das  Gutachten  tragt  folgende 
sechs  Unterschriften:  Todros  b.  Moses,  Abraham  b.  Isaak,  Moses  b. 
Joseph,  Meschullam  b.  Nathan,  Meir  b.  Jacob,  Moses  b.  Todros.  Vgl. 
weiter. 


J 


352  B.  Abraham  b.  Isaak, 

(fem  Vorsitze  R.  Abraham  b.  Isoak's.  Auf  die  Anfrage, 
ob  man  in  Ermangelung  einer  vorschriftsmässigen  Gesetzes- 
rolle am  Sabbat  aus  einem  Fentateuch,  (das  heisst47)  aus 
einer  fimftbeiligen  Gesetzesrolle)  den  Wochenabschnitt 
vorlesen  dürfe,  laptet  die  Aqtwort  bejahend,  da  ja  unsere 
Gesetzesrollen,  was  die  Zubereitung  des  Pergaments  be- 
trifft, ohnedies  den  vorgeschriebenen  Gesetzen  nicht  ganz 
entsprechen. 

Das  unter  dem  Kamen  Temim  Dein*  bekannte  hala- 
chiscbe  Sammelwerk  bringt  ausser  einigen  längeren  Aus 
zögen  aus  dem  JSschkol  mehrere  Responsen48)  R.  Abra- 
ham b.  Isaaks.  Wir  heben  Folgendes49)  hervor:  Jemand 
legte  auf  die  Nachricht  von  dem  Tode  seiner  Schwester 
A.  Trauer  an,  nach  Ablauf  der  siebentägigen  Trauerzeit 
erfahrt  gr,  dass  nicht  seine  Schwester  A,,  sondern  B.  ge- 
storben sei;  muss  er  nun,  da  er  um  eine  Lebende  ge- 
trauert habe,  die  siebentägige  Trauer  um  die  wirklich 
Verstorbene  von  Neuem  antreten?  Der  Bescheid  lautet 
dahin,  dass  er  seiner  Pflicht  vollständig  genügt  habe,  der 
Talmud50),  heiast  es  in  der  Motivirung,  bietet  in  Betreff 
de$  an  den  Kleidern  anzubringenden  T*auerzeiche»s  eine 
Analogie  dar. 

Das  Sefer  ha-teruminotM)  bringt  mehrere  civürecbk 
liehe  Responsen  R.  Abraham's,  welche,  was  ihren  Werth 
betrifft,  den  Responsen  Alfasi's  oder  Ibn  Migasch  an 
die  Seite  gesetzt  zu  werden  verdienen.  Folgendes  Re- 
sponsum62)  als  Beispiel:  A.  fordert  von  B.  und  C.  die 
Rückerstattung  einer  Summe,  welche  er  beiden  zusammen 
als  Darlehen  gegeben  hat.  B.  läugnet  das  Darlehen  ab, 
während  C.  die  Schuldforderung  sowohl  seinerseits  als  in 


")  Vergl.  Kol-Bo,  Ende. 

*a)  Temim  Deün  Nr.  79,  128,  140,  195—199.    Vgl.  Frankel  a.  a.  0. 
«•)  Das.  Nr.  128. 

»°)  Nedarim  p.  87,  vgl.  Isaak  ibn  Giat  ed.  Bamberger.  p.  ä4. 
61 )  Verfasser  R.  Baruch  b.  Samuel  Pforte  2.  Theil  1.  9, 10.  26,3. 
35,  25  ff.    36,3.    38,3.    :;9,  2.    46,2. 
M)  Das.  45,  3. 


Ah-bet-din  aus  Narbonne.  853 

Betreff  von  B,  als  richtig  anerkennt.  Hat  nun  C,  der 
doch  selbst  in  der  Sache  interessirt  ist,  die  Geltung  eines 
Zeugen,  so  dass  auf  dessen  Aussage  B.  einen  Eid  leisten 
muss? 

Ein  anderer  Fall.  A.  stellt  eine  ähnliche  Forderung 
an  B.,  C.  und  D.  zugleich.  B.  läugnet,  während  C.  und 
D.  sowohl  ihrerseits  als  in  Betreff  von  B.  die  Forderung 
als  richtig  anerkennen.  Haben  nun  C.  und  D.  im  vorlie- 
genden Falle  die  Geltung  zweier  Zeugen,  so  dass  auf 
deren  betreffende  Aussage  B.  zur  Zahlung  des  auf  ihn 
entfallenden  Theiles  angehalten  werden  kann?  Die  Ant- 
wort lautet  dahin,  dass  B.  weder  im  ersten  Falle  zur  Ei- 
desleistung, fioch  im  zweiten  Falle  zur  Zahlung  angehalten 
werden  kann,  denn  im  ersten  Falle  werden  B.  und  C*, 
im  zweiten  Falle  B.,  C.  und  D.,  insofern  sie  angeblich 
zusammen  die  geforderte  Summe  als  Darleben  erhalten 
haben,  als  gegenseitige  Bürgen  betrachtet,  können  also 
schon  aus  diesem  Grunde  nicht  als  Zeugen  gegeneinander 
fungiren. 

Wir  wenden  uns  nun  zur  händschriftlichen  Responsen- 
Sammlung.  Dieselbe68)  besteht  aus  zwei  Abtheilungen, 
erstens  aus  Responsen  an  R.  Joseph  b.  Chen54)  und 
zweitens  an  R.  Meschullan  b.  Jacob  aus  Lünel**).  Ein 
Theil66)  der  Responsen  ist  an  einen  Anonymen  gerichtet, 
der  jedoch  wahrscheinlich  kein  Anderer  als  R.  Meschullam 


ftl)  Die  Sammlang,  Theil  eines  umfangreichen  meist  gaonäische 
Responsen  enthaltenden  Codex,  hat  auf  92  Seiten  kl.  Folio  311  Num- 
mern d.  h.  Nr.  414 — 725.  Die  meisten  Nummern  bringen  je  ein  Rc- 
sponsum,  manche  jedoch  nur  Theil e  eines  Responsums  oder  mehrere 
Responsen  zugleich.  Die  Sammlung  enthält  ferner  blosse  Auszüge  aus 
fremden  Auturen. 

M)  Nr.  414—515.   iwnty  W?  ühidh  '"i  ~i"in  p  nfonw  noitwi 

p  ")"3  FpV1  '~\h  über  den  Namen  vgl.  weiter. 

••)  Nr.  719  —  725.    pnW  "lw3  D.TDN  'l  2VI  ZWH  nCWnn  l^N  ho 

66 )  Nr.  515—719.  *yiH*?  ^'1  CSlTOH  H  31H  rt?W  Halb)  ]X2Ü  &X  fe 

—  S2X 


254  R.  Abraham  b.  Isaak, 

b.  Jacob  selbst  ist,  von  dessen  Sohne  Ascher,  wie  es 
scheint,  die  Sammlung,  wenigstens  theilweise  angelegt 
ist07).  Die  Responsen,  zumeist  rituellen  Inhalts,  sind 
nicht  geordnet,  sondern  bunt  durcheinander  geworfen. 
Sie  tragen  ihrer  Form,  wie  ihrem  Wesen  nach  das  Ge- 
präge der  gaonäischen  Responsen68),  mit  denen  sie  unter- 
mengt sind;  zuweilen  jedoch  sind  sie  weitschweifig  und 
ohne  Präcision.  Sehr  viele  sind  fragmentarisch  und  lücken- 
haft. Die  Ausbeute  ist  in  literarhistorischer  Beziehung 
ergiebiger  als  in  halachisch-sachlicher  Beziehung.  Für  die 
Echtheit  der  Sammlung  spricht  unter  Anderem  die  wört- 
liche Uebereinstimmung  eines  seiner  Responsen  mit  einem 
im  Temim  Defrn  demselben  Verfasser  zugeschriebenen 
Responsums69).    Wir  heben  folgende  Responsen  hervor. 

Jemand  ist  durch  irgend  einen  Umstand  verhindert,  in 
die  Synagoge  während  einer  gottesdienstlichen  Verrich- 
tung einzutreten.  Genügt  er  seiner  Pflicht  vollständig, 
wenn  er  im  Vorhofe  der  Synagoge  stehen  bleibt  und  von 
da  aus  an  der  gottesdienstlichen  Verrichtung  Theil  nimmt50)? 
Die  Antwort  lautet  bejahend,  denn  „zwischen  Gott  und 
Israel  seinem  Volke,  heisst  es,  gibt  es  keine  Scheide- 
wand61).'-4 Der  im  Vorhofe  der  Synagoge  Betende,  wird 
anderwärts •*)  respondirt,  kann  jedoch  die  zu  einer  gottes- 
dienstlichen Verrichtung  erforderliche  Zahl  nicht  ergänzen. 

R.  Abraham  b.  Isaak  wird  angefragt:  Jemand  will  sich 
von  seiner  Frau  nach  zehnjähriger  kinderloser  Ehe  schei- 


iT)  Vermuthung  von  S.  Sachs.  Vgl.  Responsen  der  Gaonim  ed. 
Lyck,  Einleitung.  Der  Herausgeber  hat,  wie  aus  seiner  Beschreibung 
folgt,  eine  der  uns  vorliegenden  ähnliche  handschriftliche  Sammlung 
gesehen,  mit  erklärenden  Zusätzen  von  R.  Ascher  aus  Lünel. 

")  Zum  grössten  Theile  bereits  bekannt. 

••)  Ms.  Nr.  479  Temim  Dei'm  Nr.  140  ygl.  das.  Nr.  142. 

•°)  Berachot  p.  6  a  nWDPI  XXÜ2  N^N  nj/DBO  DIN  hw  tf^Dn  fW 
vgl.  das.  b.  PDJDn  HD  nvw. 

61 )  Nr.  496.  vgl.  Pesachim  p.  85.  Haimuni  respondirt  in  demsel- 
ben Sinne.    Vgl.  Peer  ha-dor.    Nr.  150. 

••)  Ms.  Nr.  485  vgl.  Tosafot  Pesachim  a.  a.  O. 


Ab-bet-din  aus  Narbonne.  255 

den,  aber  er  ist  nicht  in  der  Lage,  seiner  Frau  die  Ketuba 
(donatio  propter  nuptias)  auszuzahlen,  kann  nun  die  Frau, 
die  doch  sonst  zur  Scheidung  gezwungen  werden  kann, 
darauf  bestehen,  dass  ihr  die  Ketuba  vor  der  Scheidung 
ausgezahlt  werde,  oder  findet  die  Scheidung  ohne  vorher- 
gehende Auszahlung  statt,  da  ja  der  Manu  nach  talmudi- 
scher Vorschrift  zu  dieser  Scheidung  moralisch  verpflichtet 
ist?  Die  Antwort  lautet  dahin,  dass,  insofern  die  Schei- 
dung vom  Willen  des  Mannes  ausgeht,  die  Frau  darauf 
bestehen  kann,  dass  ihr  die  Ketuba  vor  der  Scheidung 
ausgezahlt  werde68). 

(Schluss  folgt.) 


David  Cohen  de  lara's  rabbinisches  Lexicon 

Kheter  KhehunnaL 

Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  rabbinischen  Lexicographie. 

Von  Dr.  J.  Perles. 

(Schlaft«.) 


Von  seinen  eigenen  Schriften  erwähnt  de  Lara  in  einer  kur- 
zen Uebersicht  am  Schlüsse  des  IWD  TD  und  an  zerstreuten 
Stellen  des  Werkes: 

1)  *m  ~py,  das  bereits  oben  (Anm.  1)  besprochen  wurde. 

2)  )W  miSlD,  ein  Nachtrag  zu  dem  vorhergehenden  Werke,  ist 

wie  alle  folgenden  Schriften  ungedruckt:  ")p^/  ^y  1lDyi>  mmm 

'  ns>o  hx  "w  irrKJttDi  \m5nn  rrnyi  rrnrw  mm  rrnajn  rwrn  rban 

dn  larh  titjt  ton  ]r«  miÄö  Sw  nn  vy  iDt?  wip  tok 

.(NJVD3N)  \J?  noan  wy  int  otq  yhn  mhn  cw* 


•»)  Ms.  Nr.  721-722  vgl.  Jebamot  p.  64  a.  Ein  ähnlicher  Bescheid 
bei  Natronai  Gaon  in  Schaaere  Zedek  II.  Kr.  25.  bei  Joseph  ibn 
Abitar,  citirt  von  Frankel  Geschichte  der  Literatur  der  nachtalmudischen 
Responsen  p.  17. 


256  David  Cohen  de  Lara's 

"D  i?  *roi  "OD>-ai>  npn  ahm  nntn  rbvn  *ra  ironro  im 
3tFi  umn  o^iyo  p«  pjw  ni>  mann  Niion  1^11  n-n»ü  ncru 

.(o^p  ma  ^jdk)  yA 

Vgl.  noch  "pN ,  ^pJlN ,  JOTN  und  piDDK. 

3)  TH  KDD  oder  Adagia  rabbinica,  «ine  Sammlung  rabbinischer 

Sprichwörter. 

4)  in  !V3  oder  Nomenolator,  ein  Reallexicon  zum  Talmud,  des* 

sen  Ausarbeitung  ihn  zwölf  Jahre  beschäftigte  (Vorrede  zu 
Jr.  David)  V+tTH  l^pff  ni^n  *W  ""^  n,,:3  p,nD0  DV  nn  TO 

orA  imo  ton  rnhan  tidi  onnh  fo5>  mo*  ot?  mm  (index) 
wn  ny  vhdd  rrru  *<h  roru  n$>  ton  na  •ntrip^ou.  (Schluss- 
wort  zu  ruiro  iro). 

Von  der  Anordnung  dieser  Schritt  kann  man  sich  aus 
den  folgenden  Hinweisen  einen  Begriff  machen : 

ww£  wv  dtowi  \-&n  nitD^pJDüfi  kw  Ynarw  nn  rva  mra 
—  .(itr>)  r&  fwi  bai  nnm  yoya  wron  man  bin  tuä 

—  .qnDfo)  *m  rra  nana  "py  renn  cwd  (cwtjO  uöö  &*i 
draor  nN  KB^fn  onix  njr&  totj  man  *a\  rann  ow  wo  r» 
uap1  •»d  ton  man*  "ntÄpmw  bt  nj  rrno  *rp  rmo  ttid»  ty 
T»w  "»mam  ■£  ins  raapJ  op  "o  pw  m  Hin  ^  *m  rra  obq 

-  .(m) 
^  nit^pwüa  vr  cu  rao*  nhn  anon  rcm  onon  bot  vn 

—  (bqi) 
rrai  Tnaiw  'oa  ircAnai  pro  ■£  tudb  ife  (nun)  ravi  »*  yn 

—  .(ruro  idb>  in 

—  .(n^n)  in  rv3  ^  nb/proua  crBniDDi  onaw  jwin  wi 
.(DD"»)  DmaBnD^  oniDBo  woti  nn  rra  ^t?  -mÄpwjai  «p  o"1 

Vgl.  besonders  Fp}  1  (oben  Anm.  4). 

5)  ruiriD  ^PTID  oder  Florilegium  ('Vtf^n^B),  eine  Sammlung  ethi- 

scher Sentenzen. 

6)  21  "1B1N,  ein  Glossar  der  von  den  rabbinischen  Schriftstellern 

der  nachtalmudischen  Zeit  gebrauchten  arabischen  und  son- 
stigen termini  technici.    Vgl.  Schlusswort  und  "pü  :    DN  *)t0 

"©a  (oa'D-i)  Hin  mnv  ytan  rhu  non  no  ynx  «n  n  fo  t^vo 
«ra  vdj  tw  i»an  umc  >awn  nup  i^tr  nptnn  -n  mwon  Sp 

.an  laiN  to»  rw  ^nNnpi  ian^  trorv 


rabbinisches  Lexicon  Khetec,  Khehuanab.  257 

7)  in  i>nKr  rabbinische  Synonymik  (NjTO^n  ND^JU'D).  Wolf  b. 
hebr.  I,  319  und  III,  199  schreibt  falsch  -ßftD  WlX  und  iden- 
tificirt  es  irrthümlicher  Weise  mit  dem  Nomenciator  tn  IT3. 

8)  nmnio  nnDN:  ipoWiNh  mno  d'^  (n"d  nana)  prw  hnü 
nrnritD  htion  nnrn  ">di  pnn  üdo  npnw  4>d  pn  d"*»i  -  pr^n 

9)  inV  h^Wü:    (mancus)  D^pjD  'i>3  yopn   («Tb  T"D   HOTS)   fcttö 

vtvtjw  iy  pnyrA  fev»  *6*  tm  crfcn  "jinrin  kiti  faio  btnd  o"irn 

t>3  omn  iwtd  *o  rm.  tjdjh  4k  man  p  San  n*  Swh* 

.(kr)  •fo*  nn^  ^dvd 

Da  de  Lara  die  Schriften  8  und  9  bloss  ein  einziges  Mal  ge- 
legentlich erwähnt  und  sie  in  das  Verzeichniss  seiner  Schriften 
im  Schlussworte  zu  ?OTD  ~U"D  nicht  aufgenommen  hat,  so  werden 
dieselben  bei  Wolf  nicht  angeführt. 

De  Lara's  Commentar  zu  dem  bekannten  Räthsel  Ibn  Esra's : 
TT!  "»"Ol  und  seine  spanischen  Uebersetzungen  rabbinisch«-ethischer 
Schriften  (vgl.  Wolf  I,  ai8— 19;  III,  198—99)  werden  im  fWü  TD 
nicht  erwähnt. 

Ein  Blick  auf  das  Verzeichniss  der  von  de  Lara  benutzten 
Schriften  zeigt,  dass  demselben  eine  für  jene  Zeiten  nicht  zu 
unterschätzende  Kenntniss  des  classischen  Alterthums  und  der 
philologischen  Literatur  zu  Gebote  stand.  Die  von  seinen  Zeit- 
genossen, den  holländischen  Philologen,  bei  den  philologischen 
Studien  geübte  kritische  Methode  war  ihm  wohl  bekannt  und 
wurde  von  ihm  auf  die  rabbinischen  Studien  übertragen.  Er 
beruhigt  sich  nicht  bei  den  vorhandenen  Drucken,  sondern  be- 
fragt die  Handschriften  und  bemüht  sich  durch  Collationirung 
der  an  verschiedenen  Stellen  sich  wiederholenden  Texte  oder 
durch  eigene  Conjecturen  den  Text  sicher  zu  stellen.  Sein 
Werk  bietet  hierfür  fast  auf  jeder  Seite  Belege;  ich  lasse  bei- 
spielsweise einige  folgen: 

*mpn  pin  htm  •  noNun  D'osn  aira  (fj\  ifh  &">  'd  Ta)  rvaa« 
mfooi  mm  am  'o  fo^  "w*  D1Enn  nwnou  hn  "p5>  rwn  ht< 
nwcrvin  wontwi  unoon  i^pnj  ~r?  cü  DVTODm  DWiDn 
nnio  mm  lw  enna  hy  tdjw  *d  t^o  Miran  ufcy  lmyrui 
nnw  y^yn  *?yi  |iwn  o*03n  wh  -j^n  3-ipm  nnan 

.^ru'npV  wn  "o  Won  m  i?  low)  D*p"non 

F  r  a  n  k  e  1,  Honatuchrift.  XVII.  7.  20 


258  David  Cohen  de  Lara's 

•  düH3k  (')  N"fr  tfafraa)  D^oaD«  a"oai  catnattn  w)  dumn 
•im  on  t)  ifr  yn  nrwi  •  • #  •  Hin  Dionn  fripfrp  rn  mai  m  nnx 
wjn  iw  ^ppn  irppnm  'b  nw  wir  iparr  vrrwa  bto  i«wa 

VT1D3  D^ai  yn*  Wl  T31T1D  TßjnD  (dass  U  oft  zu  &  ver- 
schrieben wird). 

#jd  viw  rot  ^  iwon  uofr  yrw  nyoio  idd  (a^  'D  i"a)  DipnjN 
«fr  fu  ofr  *mpm  •  anfrro  NDiaxa  Tonn  lfr  mp  laai  'na  *uk 
nown .  tna  *fr  jtw  b^ni  moi  Tyn  it?  ittnoon  in  •  ynna  rwy 
n*an  awn  o  nai  udot  lai  am  jwid  uujn  'na  Kin  td  pram 
(&&«<*)  lai  pom  vp^w  Toan  rnaifr  pD  C'n  'T  mn  'nD:i) 
afri  Ti«wn  ^nW  Km  rbnri  foy  Kraofr  uyun  mono  noai  •  •  •  •  am 
••••  wn  wo  ^a  yn*o  t  ana  idd  »fr  'n  mpn  ^a  ny  "»fr  rw 
•hwo  'o  rwyji  im  on  lparm  o  d^dn  a'to  0"e>  natn  '«TP)  i^un 
^"a  iain  p  *<fri  ^ian  'aa  diu  juöm  onfrin  mdk3  wy 
nw  mw  ^d  run  ny  tno  wfri  •  •  •  •  (vomer)  la  tqq  wm 

nfron*  —  Diese  Emendation  bezieht  sich  auf  die  Stelle 
jerus.  Sabbat  c.VI:  (Micha 4, 3;  Jes.2,4)  Dretfr  Omain  WirQ) 

•f»flch  nnoiDfr  arrnrrorn  "pü^fr 

Aruch  s.  v.  y«V3N  liest  statt  "püttfr  :  "p^aNfr,  De  Lara  emen- 
dirt  durch  Auflösung  das  tD  in  l  +  J  des  "pöN  in  *pl3K,  das  er  für 
(?wg  Swij,  Pflugschar  hält.  Auch  die  Les-Art  des  Aruch  y*ÜN 
passt  zur  Erklärung  der  Stelle.  I.  Sam.  13,  21,  wo  gleichfalls 
von  DTIN  die  Rede  ist,  übersetzt  die  Peschittho  J&Q^J  und  nach 
Bar  Bahlul  bei  Bernstein  lex.  linguae  syr.  s.  v.  bedeutet  das 
Wort:  rallum,  baculus  s.  instrumentum  ligneum  ferro  munitum, 
quo  vomer  tergetur  a  terra  adhaerente. 

frian  fa  xd  armaüiDN  v*  s^np  (i"d  i  mwna  v'n)  Km^öiDK 

rm»K  uoyi oiwp  im  D'npn  man^a  pi  'im  'an  ya 

•p^niDN  Nim  no  nai  1a  yuanfr  invo  oipoi 

Lewy  (chald.  Lex.  KTnUDTDN)  schreibt  noch:  „Stw.  wahr- 
scheinlich änotstvco,  ausdehnen,  aufspannen  (!),  möglich  =  pTlIDN.*1 

mn  rvywo  mdiu  •  ^ktü  frua  (a'">  n"fr  mya*)  ti  rrao  'n  frn  9 
•o  fTn  riK  oppfry  imfr  o^Tny  ifrpfrpi^  own  dvp^di  D'o^DTom 
pm  it  "b  «n^fr  troann  p  crai  p  D^ofry  ^ßfr  frreoo  um 


rabbinisches  Lexicon  Kheter  Khehunnah.  259 

maom  rvro  iJoyt?  to*o  roruw  pnmon  rum  noan  p  n«o 
'tdi  'ä  fei  j  rmonn  Knourn *ion  n"&n  fertin*  Vgl.  Lewy 

I,  130  s.  v.  feu. 

Zahlreiche  Etymologieen  und  Erklärungen,  die  in  neueren 
Werken  als  originell  und  bisher  nicht  bekannt  figuriren,  finden 
sich  schon  bei  de  Lara,  und  zahlreiche  Irrthumer  wären  ver- 
mieden worden,  wenn  den  Autoren  de  Lara's  Werk  bekannt 
gewesen  wäre.    Einige  Beispiele  mögen  hier  ihren  Platz  finden: 

NnDDDN,  Klee.  Sachs  (Beitr.  II,  26)  zieht  zur  Erklärung  des 
Wortes  eine  griechische  Glosse  heran,  die  mit  dem  Worte 
Nichts  gemein  hat.  Lewy  denkt  an  "OD,  sich  vermehren, 
wuchern!      Die   richtige    Etymologie   aus    dem   persischen 

c^wwmxamI  ,  die  Fleischer  bei  L.  mittheilt  und  die  ich  schon  in 

meinem  Meletem.  Pesc  it.  p.  27,  ohne  zur  Zeit  de  Lara  zu 
kennen,  angeführt  habe,  findet  sich  bei  de  Lara:  03  TWT\  nnjft 

nrnnumm  rnfeon  wy  yy  xvrb  PDino  tw>n  wen  ^o  nho 
tobd  njd  "i  'd  mnriDDD  ian<  mfet»*"  *fe  moy  tijw  m  nroayn 

•KIT!  W)  "pB>fe  nDDofe« 

VllHDN,  Wache,  Wächter,  Besatzung.  Lewy  schwankt  zwischen 
der  Les-Art:  yntTIDN  (von  n^oeldco),  „providui  (!)  eigentlich 
vorher  oder  von  Weiten  Sehende,  daher  Vorsorger,  Wächter, 
Wachen"  und  jmrtfPN  von  x?oo?«<d.  Auch  Fleischer's  Ety- 
mologie aus  dem  Persischen  (Nachtrag  zu  L.  1,  418)  ist  un- 
haltbar. Das  Richtige  hat  schon  de  Lara  in  Jr  David  und 
Ket.  Keh.:  (pqovq<x,  <pQOv<fiov,  Wache,  Besatzung,  Posten. 

inofepH  emendirt  Sachs  (Beitr.  II,  178)  im  Midr.  zu  Ps.  45  aus 
•pDpfeN  und  erklärt  das  Wort  richtig  durch  aquiliferi, 
Fahnen-  (Adler)-Träger.  Dasselbe  ist  schon  bei  de  Lara 
zu  lesen:  VWD  rpW  V"V  DJP!  OTWÜ  ruvjn  t!  *m  mm  im>fepK 

1^3  im  Midrasch  nach  Sachs,  Beitr.  II,  152  =  ßatov,  Palmzweig, 
schon  in  Jr  David  und  K.  K.  erläutert. 

"V*nD3  =  vestiarius,  Garderobenmeister  (Sachs  I,  167).  Das 
Richtige  schon  bei  de  Lara  aus   dem  Glossare   des  Joh. 

Meursius. 

20* 


260  David  Cohen  de  Lara's 

mJlpDN.    Es  sind  verschiedene  Versuche  zur  Erklärung  dieses 
im  Talmud  vorkommenden  Spieles  gemacht  worden.    Es  soll 

aus  ^pJTno  =  gJ*jk&,  Schach,  transponirt  oder  =  oxirdalpog, 

ein  geschnitztes  Stuck  Holz  sein  (Jesch.  III,  8).    Ich  hielt 

es  för  das  pers.  jvX&«# ,  Purzelbaumschlagen  (Monatsschrift, 

1859,  8.  359).  Interessant  und  sehr  wahrscheinlich  ist  die 
Erklärung  de  Lara's:  'TTI  ^3  DlH^p  1DD  W1W  1DW  UW" 

idd  *m  'dhi  (ludi  genus)  DOT  n£  oiDD^irp.Kvn  'b  rroon 

(anvtog)  OWQQ  >"b  pl  DltTlDl  5>Uy  'lfe  fcfcl  1D3  ür\V  DlDIDD  fefco 

.-ny  *>d  on  in«  (»wog)  diüidi 

Er  denkt  an  %vvdalogt  hölzerner  Nagel,  Pflock,  woraus 
HvvdaXiopog,  ein  Spiel  der  Knaben,  wo  sie  einen  in  lockere 
Erde  gesteckten  Pflock  mit  einem  Prügel  umzuwerfen  such- 
ten. Vergl.  Herrmann  griech.  Privatalterth.  33,  30.  In  der 
That  erklären  Raschi  zu  Schebuoth  29a  und  R.  Nissim  zu 
Nedarim  25  a  mupDK  durch  DH3  crpntPDtf  OTDp  yV  HOWl. 

"n^3  kommt  im  Talmud  jerusch.   und   den  Midraschim   in  der 
Bedeutung:  Bote,  Courier  vor  und  ist  auch  ins  Syrische  in 

9 

der  Form  )*,yä«j\,  hjUcv  =  tabellarius  (Cast.  Mich.  p.  94  und 
101)  gedrungen.  An  dem  culturhistorisch  interessanten  Worte 
sind  zahlreiche  verfehlte  Deutungsversuche  gemacht  worden. 
P.  ßoetticher  supplem.  lexici  aramaici  Nr.  43  erklärt  es  aus 

dem  persischen   }^y^    dvoayyeXog,  ^Jb  nuntius  tristis,  aber 

abgesehen  davon,  dass  die  Bedeutungen  nicht  zusammen- 
stimmen, existirt  diese  Zusammensetzung  im  Persischen  gar 

nicht.  Eher  wäre  SoL  heranzuziehen  gewesen.  Sachs  (Bei- 
träge, I,  93),  der  Musaphia  miss verstanden  hat,  will  in  un- 
serem Worte  das  seltene  {tap&xpuDtat,  eine  Art  Leibwache 
finden.  Lewy  s.  y,  "pif»3  wiederholt  das  von  Sachs  Gesagte 
und  versteigt  sich  noch  zu  der  Vermuthung  „);r\o  . . .  die 
Bill  oder  das  Gesetz  betreffend"  (!!)  [Auch  die  Stelle  T&3 
Dn3TD  pJ/D  hat  Lewy  missverstanden].  Die  richtige  Erklärung, 
schon  bei  Musaphia  angedeutet,   gibt  de  Lara  s.  v.  ~n^Q; 

(veredarius)  mm  ntam  tao  n*o  idd  *i  nnn  xin  'hn 

D  m  N  T  T  3  (tabellarius  regius,  angarus)  OVTÜX  •  DWI  DmN^3NB 
(la  posta,  correo  di  ^m  WTOp  •  NÜD1D  n  Wnip«NÜD1D-N{>  ,l?2 


rabbiniscbes  Lexicoa  Kheter  Kbehuonah.  261 

posta,  correo  real)  —  .IKDO  ni]/B  KVT)  11^3-  Dia  IpHXT) 
~n?2  ist  also  ein  Courier,  Postillon.  Es  ist  für  die  Geschiebte 
des  Postwesens  interessant,  welche  Wanderungen  das  Wort 
gemacht  hat.  Veredus,  Courierpferd,  .aus  welchem  Worte 
bekanntlich  unser  deutsches  Pferd  herstammt  und  vere- 
darius  sind,  wie  wir  eben  gesehen  haben,  nicht  blos  ins 
Rabbinische  und  Syrische  gedrungen  (im  Syrischen  findet 
sich  auch  die  leichter  erkennbare  Form  kry>  =  ^fu^oö^oftog, 
de  Lagarde  ges.  Abhandl.  76),  sondern  auch  die  Araber  und 

Perser  bezeichnen  das  Postwesen  mit  dem  Worte  ^.^ij 
in  dem  schon  Beinaud  das  lat.  veredus  wiedererkannt  hat 

(vgl.  Ausland  1866,  S.  326  und  Freyt.  s.  v.  vX^j).    Dass  der 

im  Talmud  gebrauchte  Ausdruck  für  Post:  :wi  "Q  (Sabb.  19a) 
in  THITQ  zu  emendiren  und  veredarius  gleichzusetzen  sei, 
will  ich'  nur  als  Vermuthung  hinstellen.  Die  neueren  Spra- 
chen bieten:  französisch  vre" der,  hin-  und  herlaufen;  spanisch 
und  portugiesisch  vereda,  Postweg  (vgl.  Diez  etym.  WB.  der 
roman«  Sprachen,  2.  Ausgabe,  II,  188,  438). 

.  *  •  .  • 

OlbntOJp  bei  Gast.  Mich.  810:  satanas  nocturnus,  nach  Sachs, 
Beitr.  II,  59  „wahrscheinlich  ....  noch  mit  einem  H  zu  ver- 
sehen: DIDIlDJpA  IvxdvQamog,  der  Nachts  umherlaufende  und 
wie  ein  Wolf  brüllende  Melancholicus".  Dieselbe  Bemer- 
kung hat  schon  de  Lara  s.  v.  DIETnil  gemacht:  plD  DlD")DJp 

ywi  idd  'bn  rh  tdtw  <h  rrihK  "ok  tom  .  tm&  nwp  m  rhon 
%fa  u  W3  D^DDn  urw  mowi  fei  v'fe  D1DntDJp5>  Kim  —  lm» 

.*U1  tf^DJK^Ü  *T  TJO  Cgencro  de  melancholia) 

■  4 

"»DT")}.  Die  Erklärung  des  Wortes  durch  yaQi<S(irj  und  dass  in 
Ber.  R  c.  33  statt  wtl :  "»Drü  zu  lesen  ist  (Sachs  I,  85  Nöte) 
gibt  schon  de  Lara  an:  WlA  K"}  Kim  (fb  'D  Y3)  fWU  WK 

v'fe  pi  mwrn  inn  nw  ^  hktj  V'wff.  —  Vgl.  auch  s.  v. 

%   •#d  tfimrb  rem  *n  :wrü 

Kpm  =  ty  ovy?«*,  globus  militum  (Sachs  I,  96  Note).    Vgl. 

de  Lara  KpJlVl  löDtHDl  0  O&PnE»  'pn  »TT  mm  1K  •  •  * >  ;Mpm 
"UWT1  Kim  (cohors)  Divmp  (globus  militum)  0131^  tmQ  timNP 
Dl  D*5"D  (drungarius). 


202  David  Cohen  de  Lara's 

Dass  10  lfm  II,  Staar  nicht  von  nm,  sehen,  gondern  von  "mTl, 
weiss  herzuleiten  ist,  entsprechend  dem  griech.  levxapcc 
und  lateinischen  albugo  (vergl.  Monatsschrift  1867,  S.  299) 
gibt  schon  de  Lara  s.  v.  an:  K"lpn  fJ/H  "fon  NlfiC  "ID1N  "OKI 
*pbn  tf'y  '-Q  UlD^NI  nmp^  **?2.  David  Cassel  übersetzt 
Tobit  2, 10;  3,  17;  6,  9;  11, 7, 12  das  fco?«» ,  Uv%mpa  der  Texte 
mit:  „weisse  Flecken". 

Die  Heranziehung  von  p^D,  Gestelle,  ursprünglich:  Zie- 
gel, entsprechend  dem  griechischen  nXlv&og,  nXtv&iov,  „das 
von  der  ursprünglichen  Bedeutung:  Ziegel,  dann  die  von: 
viereckiges  Rasenstück,  Unterlage  des  Säulenfusses,  über- 
haupt Sockel,  Untersatz  angenommen  hat"  zur  Erklärung 
des  duokelen  nNjnZpi?  2113  (Geiger's  jüd.  Zeitschr.  für  Wiss. 
und  Leben  V,  116—117)  findet  sich  gleichfalls  schon  bei  de 

Lara  s.  v.  nn^N)  mmNDtp  vk  low. ..  rrmn  nro  "wn : 
aro  t»nv  'b  p"mn  tryiw  orfon  fion  ntwt  idd  >-i  rmon  'an 
mafc  w  p^dd  wy  Tijn  ^  hkju^  td  nn  vtidd  man  -ltPVD 

3I1D  MVTI  (quadrata  figura)  NtBNVBOp  hOOT)  H3  JOT1D  V" 
n~n«^  p)  (vgl.  Midr.  Psalm  78,  49)  ...  *»D  DV  K3V  NJU1ÖÜ 

"ünrrop^D  u^yv  p^:^D  ü'o^n  omp  nyano  rmom 
\jj/db>  onow  Tiyotw  hd  foo  w  jdji  i«n  ^  HN1J  "0N  "mONtf 

.■£  ]n  nn*o 

De  Lara  stellt  mit  besonderer  durch  seinen  Studiengang  er- 
klärbarer Vorliebe  Vergleiche  mit  den  classischen  Sprachen  an. 
Er  geht  in  diesem  Punkte  wie  manche  neueren  Forscher  oft  zu 
weit  und  weist  unzweifelhaft  semitische  (oder  persische)  Wörter 
den  classischen  Sprachen  zu:  IfiPN,  bestätigen,  NmtPK,  Bestä- 
tigung soll  mit  assero;  HD\  schwören  mit  Sfivvfii;  BH\  erben 
mit  heres;  )mn  p  mit  heros;  n^H,  ^"l^^D  nach  Musaphia  = 
niK  mit  sfym,  etQopcci  zusammenhängen.    NJnttn,  die  menstrui- 

rende  Frau  im  Talmud  selber  als  persisch  erkannt  (qI***^) 
hält  er  für  &vöTrjvog,  unglücklich.  —  ■»yi»  Tttin  (Nedarim  49b) 
ich  habe  Kopfschmerzen,  nach  einer  anderen  Les-Art  '»jnu  *  J"Uin 
ich  muss  meine  Schläfen  der  Kopfschmer /.en  wegen  umbinden 
soll  auf  aeger,  aegresco  zurückzuführen  sein.  —  D^ttT,  Mün- 
zen» Geld  soll  nach  der  Analogie  von  üW  =  Blut  und  Geld 
von  Ja«,  lebe,  herzuleiten  sein,  weil  den  Menschen  das  Leben 
am  Gelde  hängt  oder  von  Ztvg,  weil  die  Menschen  das  Geld  als 


rabbinisches  Lexicon  Kheter  Kbehunnah.  263 

ihren  Abgott  betrachten,  oder  weil  nach  Mus.  den  Münzen  ein 
Jupiterbild   aufgeprägt  war.      Ich  halte   es   für  das  persische 

q}5)  =  ß*>,  ein  Gewicht,   eine  Münze  und   Geld  überhaupt.  — 

Nt&MTDI  NmDin,  das  von  Aruch  IDPI 11  und  Raschi  zu  MoSd. 
K.  12b  und  Erubin  69a  verschieden  erklärt  wird,  soll  ein  Ring 
sein,  dem  ein  Medusenhaupt  eingravirt  war:  KBTJO  "O  iMCO  ^l 

mm  njDDn  oniro  rvn  "o  onon  crmwon  rm  *Ayv  nsro  lyot^DD 

.KBT1D  tMO 

An  manchen  Stellen  lehnt  de  Lara  stillschweigend  die  ihia 
nicht  zusagenden  Erklärungen  seiner  Vorgänger  ab,  gesteht  aber 
auch  seine  eigene  Unfähigkeit  zur  richtigen  Deutung  des  Wor- 
tes ein,  z.  B.  WDnttO  Wn  NU1D  ÜNTH  rhon  *üh  TIKBD  N^  nD3*K 

.KÄDm  ponn  twrn  h:nt  ptj^a  renn  ra 

Aruch  erklärt  ^  nDDV*  V<D,  wer  zwingt  dich?  (von  HDD) 
oder:  wer  bindet  dich?  (von  DDD).  Der  letzteren  Ansicht  schliesst 
sich  auch  Buxtorf  an.  Lewy  I,  383  stellt  ohne  Weiteres  für 
nDD  die  Bedeutung:  „Jemandem  an  Etwas  gelegen  sein"  fest. 
De  Lara  war  im  Rechte,  indem  er  die  Erklärungen  des  Aruch 

und  Buxtorf  verwarf.  Ich  leite  das  Wort  von  „2aJ,  sich  um  eine 
Sache  kümmern,  mühen"  her,  also  *]b  DDDX  YtD,  was  kümmert 
Dich  das?  was  mühst  Du  Dich  darum? 

Beachtenswerth  ist  de  Lara's  Erklärung  des  vielbesprochenen 
KDUu  durch  ftrctfiftcr,  Gürtel.  Die  Jungfrauen  tragen  den  Gürtel 
als  Zeichen  der  Virginität;  desgleichen  die  Erklärung  des 
■pD^Dn  in  der  dunkelen  Stelle  Kethub.  17a:  N^"NJ^  IDDDn  tb 
TCDriD,  ordiniret  keine  Halbwisser  von  TJpusv  [L3"J  1HDVI)  DD  in 

TiBDiro  (&u|,  halica)  Hfhn  pbr\  idd  nm  —  lD^moDW  loyo  ^"hi 
amohNV  om«  (n">  nruo)  towi  tjjh  ^  udo  papm  —  (Sand,  äpadoe) 
hy  wr6  ünjn  rnvp  "o  fo  wtt&  ayiv  djw  -oi  ^  iDjno  *»n 
onmon  iarn*  no  feo  inr»  atr»nDi  p:n  ton  *©n  nn  vuDno;  und 

endlich  die  Erklärung  von  HpXNTOTl  *PJ1^3  (Gittin  57  a)  durch 
bulla,  das  sowohl  das  Siegel  selber  als  auch  das  Gehäuse  des- 
selben und  endlich  die  mit  dem  Siegel  versehene  Urkunde  be- 
deutet (vgl.  Ducange  s.  v.  und  Pott.  etym.  Forschungen,  2.  Auf- 
lage, II,  1140).  Das  Ausland  1867  Nr.  20  S.  468  berichtet:  „So 
bestätigt  sich  nun  urkundlich  (durch  einige  neuaufgefundene  und 
von  Stickel  erklärte  altarabische  Bleisiegel  im  grossherzogUchen 


264  Zar  talmudischen  Geographie. 

orientalischen  Münzkabinet  zu  Jena),  wovon  wir  bis  jetzt  nur 
traditionelle  Nachricht  hatten,  dass  auch  im  Oriente  die  Sitte 
in  früher  Zeit  gebräuchlich  war,  den  Urkunden  Siegel  als  Bullen 
beizufügen,  eine  Sitte,  die  man  aus  der  Zeit  Karl's  des  Grossen 
datirt  und  die  sich  von  den  griechischen  Kaisern  in  das  Morgen- 
land verbreitet  haben  soll."  Wenn,  de  Lara's  Deutung  von 
tPfbz  zutrifft,  so  haben  wir  an  der  angeführten  Talmudstelle 
eine  ältere  Quelle  für  den  Gebrauch  der  Bullen  im  Oriente. 

Schon  diese  wenigen  Proben  werden  genügen,  um  das  oben 
über  de  Lara  ausgesprochene  Urtheil  zu  rechtfertigen.  Mögen 
sie  dazu  beitragen,  den  Bann  der  Vergessenheit,  der  bisher  un- 
berechtigter Weise  auf  seinem  Werke  lastete,  zu  lösen  und  in 
Zukunft  die  Aufmerksamkeit  der  Forscher  auf  dieses  werthvolle 
Uülfsmittel  rabbinischer  Studien  zu  lenken. 


Zur  talmndißclieii  Geographie. 

Vom 
Rabbiner  Dr.  Oppenheim,  in  Gr.-Becskerek. 


Die  grosse  Anzahl  geographischer  Namen  und  Ortsbestim- 
mungen, die  sich  im  Talmud  und  Midrasch  zerstreut  finden, 
haben  seit  kurzem  die  verdiente  Aufmerksamkeit  auf  sich  ge- 
zogen. Freilich  war  es  bisher  zumeist  der  eigentliche  Schau- 
platz des  Talmudstudiums,  Palästina  und  Babylonien,  dem  man 
sich  hauptsächlich  mit  Liebe  zuwandte,  da  hier  eine  reiche  Aus- 
beute für  die  alte  Geographie  zu  erwarten  steht.  Allein  auch 
ausser  diesen  beiden  genannten  Gebieten  stösst  man  hie  und  da 
gar  oft  auf  geographische  Benennungen  von  fernen  Ländern 
und  Städten,  die  nicht  minder  beachtenswerth  sind  und  noch 
immer  vergebens  einer  eingehenden  Untersuchung  harren.  Wir 
wollen  darum  hier  mit  einigen  Versuchen  und  Proben  zu  deren 
Enträthselung  den  Anfang  machen. 


Zur  talmudischen  Geographie.  265 

I.    Airya. 

Die  neuesten  historischen  Forschungen  im  Vereine  mit  den 
indogermanischen  Studien  haben  bekanntlich  die  noch  vor  we- 
nigen  Decennien  fast  unbekannten  und  ungenannten  „Arier"  aus 
dem  Dunkel  der  Vergessenheit  gezogen  und  dieselben  überall 
in  den  Vordergrund  der  alten  Geschichte  gestellt.  Es  ist  eine 
grosse  Entdeckung,  wie  die  einer  neuen  Welt,  in  der  Ge- 
schichte, sagt  bereits  Hegel  (Philos.  der  Geschichte,  3.  Aufl.  S.  74), 
die  seit  etlichen  und  zwanzig  Jahren  über  die  Sanskritsprache 
u.  s.  w.  gemacht  worden  ist.  Auch  im  Talmud  lässt  sich  die 
Spur  dieser  Namen  nachweisen  und  wir  lassen  deshalb  vor  Allem 
zur  näheren  Bestimmung  des  geographischen  Begriffes  der 
„Arier"  einige  Worte  aus  Spiegels  Avesta  Th.  I,  S.  7  folgen. 
„Nirgends  ist  die  Urverwandtschaft  auffallender  und  inniger  als 
zwischen  Inder  und  Perser.  Inder  und  Perser  müssen  nach  ihrem 
Auszuge  aus  dem  gemeinschaftlichen  Urlande  noch  lange  zu* 
sammengeblieben  sein,  sprachliche  und  mythologische  Gründe 
zeigen  dies  deutlich.  Richtig  ist  vor  Allem,  dass  beide  sich  mit 
demselben  Namen  benennen.  Arja,  ehrwürdig  in  der  gewöhn- 
lichen Spräche,  abzuleiten  von  arja  in  den  Vedas,  Herr,  ist 
der  gebräuchlichste  Name  des  indischen  Volkes.  Ganz  ebenso 
bei  den  Persern.  Arja  miiss  nach  persischen  Lautgesetzen  zu 
airja  werden;  ein  Name,  mit  welchem  die  Perser  sich  längst  be- 
zeichneten und  woraus  das  neuere  Jran  (verschieden  davon  ist 
Ariana  im  engeren  Sinne)  entstanden  ist,  ein  Name,  den  schon 
Herodot  kennen  lernte." 

In  folgenden  Talmud -Stellen  hat  sich  ebenfalls  der  Name 
Airya  erhalten,  die  aber  verschieden  und  falsch  erklärt  wurden. 
Kidduschin  12b  (nach  der  richtigen  Lesart  des  Aruch  s.  v.  fcO*llW 
wird  in  einer  Ehefrage  bezüglich  einer  Berufung  auf  ferne  in 
Airya,  Jran,  sich  befindende  Zeugen  bemerkt:  4mfo  jyfy  ^IDN 
nDl  WTH  Km*0  nPID  *OW  KT»  trtÜIV  Es  lässt  sich  kaum  in 
Abrede  stellen,  dass  hier  unter  fcPIIM  nichts  Anderes  als  Airya, 
Jran,  oder  Ariana  im  engeren  Sinne  gemeint  sein  kann. 

Denn  würde  dieses  sonst  so  selten  gebrauchte  Wort,  wie 
Aruch  und  R.  Jakob  Tarn  (Thosafot  daselbst)  vermuthen,  die 
Abend-  und  Westseite  bedeuten,,  so  müsste  es  heissen: 
N-flN  "UQ  "HfiD»  die  Zeugen  befinden  sich  im  Westen,  wie  in 


266  Zur  talmudischen  Geographie. 

der  daselbst  angeführten  analogen  Stelle:  JPDK  12D  HHD»  die 
Zeugen  sind  irgendwo  im  Norden,  wobei  also  ausdrücklich  *i¥» 
Seite,  Gegend,  steht.  Die  Behauptung  des  Aruch,  s.  v.  jnDN» 
dass  im  Persischen  W"HN  die  Abendseite  genannt  werde,  ist 
eine  vage  Vermuthung,  dieblos  auf  derweiter  unten  citirten  Stelle 
basirt  und  bei  näherer  Prüfung  sich  jedenfalls  als  durchaus  grund- 
los erweist.  Wohl  ist  W11N  ein  persisches  Wort;  aber  es  be- 
deutet hier  wie  dort  Airya,  Jran  —  eine  geographische  Bezeich- 
nung, die  sich  auch  in  den  biblischen  Eigennamen:  V"VHN; 
NDTIK  =  Airya  -  data  und  nach  Einigen  auch  in  'Witt  erhalten. 
S.  Fürst,  Handwörterb.  s.  v.  —  In  Babylonien,  wo  R.  Chissda 
lebte  und  wo  die  Frage  verhandelt  wurde,  konnte  man  füglich 
sagen,  indem  man  sich  auf  ferne  Zeugen  berief:  ^IDD  fcCK  MD 
VTH  fcPTJfcO!  d.  h.  die  Zeugen  sind  ja  in  Airya,  die  davon 
Kenntniss  haben! 

Auch  die  schwierige  Stelle,  Baba  Batra  25a,  findet  nach 
unserer  Auffassung  ihre  Erklärung.  Ueber  die  Richtung  des 
Gesichtes  beim  Gebete  werden  daselbst  zwei  entgegengesetzte 
Ansichten  angeführt.  R.  Josua  b.  Lewi  entschied  sich,  gestützt 
auf  einen  Bibeivers,  Nehemias  9,  4,  für  den  Westen :  p^rül  1KD 

•p  xzpüwn  warn  stot  nbwn  oipa  wmrw  wnnab  rmo 

•onnrwö 

Daraus  wird  geschlossen,  dass  die  Herrlichkeit  Gottes, 
Schechina,  Doxa,  im  Westen  throne;  denn  es  heisst:  das  Heer 
des  Himmels  beugt  sich,  von  Osten  nach  Westen,  vor  Dir.  R. 
Scheschet  hingegen  behauptete:  GlpÖ  ^32  rWDXDt  dass  die  Doxa 
aller  Orten  in  der  Welt  throne  und  dass  es  daher  gleichgültig 
sei,  welche  Richtung  beim.  Gebet  man  einnehme.  Nur  erklärte 
er  sich  aus  dem  Grunde  gegen  die  Ostseite,  weil  die  Ketzer  und 
Heiden  sich  beim  Beten  gen  Sonnenaufgang,  „Kiblah",  zuwen- 
den. Die  Frage  wegen  der  Kiblah  scheint  damals  in  Babylonien 
durch  das  Wiederaufleben  der  zoroasterischen  Religion  und  des 
Feuercultus  unter  den  Sasaniden  und  durch  die  Verbreitung 
mehrerer  Secten,  wie  der  Hypsistarier  in  Kappadocien  und  in 
den  angrenzenden  Landern,  die  einen  strengen  Monotheismus 
mit  der  Verehrung  des  Feuers  etc.  zu  verbinden  suchten,  eine 
besondere  Aufmerksamkeit  erregt  zu  haben  und  man  entschied 
sich,  um  so  sorgfaltiger  jeden  Anschein  der  Nachahmung  heid- 


Zur  talmudischen  Geographie.  267 

nischer  und  ketzerischer  Gebräuche  zu  vermeiden,  für  die  west- 
liche Kiblah:  ijifc  j-0  ^1ÖT  DHPÖ*  Ueberhaupt  erschien  schon 
deshalb  die  Abendseite  den  Juden  in  ßabylonien  als  Kib- 
lah am  geeignetsten,  weil  Jerusalem  und  der  Tempel  südwest- 
lich von  Babylonien  liegt.  Allein  dieser  Gegenstand  beschäftigte 
viel  früher  noch  und  zwar  aus  einem  anderen  Gesichtspunkte 
die  Rabbinen.  Der  6.  Talmud,  Synhedrin  91  a,  belichtet  von  einer 
Debatte,  die  darüber  zwischen  fi.  Jehuda  Ha-nassi  und  A  n to- 
nin us  geführt  wurde.  Letzterer  fragte  nämlich,  warum  die 
Sonne  zur  Abendseite  untergehe  ?  R.  Jehuda  antwortete  darauf: 
damit  die  Sonne  ihrem  Schöpfer  Ehrfurcht  bezeuge:   HD  ^JDÖ 

-£  anwn  tosn  rwpb  üiw  jn^  na  b"x  ?  aiyöa  nypw  n»n 

D^nfittfiD«  Um  diese  Controversen  recht  würdigen  zu  können  muss 
man  die  damalige  Weltanschauung  sich  vergegenwärtigen  und 
sie  mit  ähnlichen  Thematen  vergleichen.  Plutarch,  Lehrmei- 
nungen der  Philosoph;  IL,  c.  10,  erwähnt  eine  entsprechende 
Streitfrage,  nämlich:  „Welches  ist  die  rechte,  und  welches  ist  die 
linke  Seite  der  Welt?"  Pythagoras ,  Plato  und  Aristoteles  er- 
klären die  östliche  Gegend,  von  welcher  sich  die  Bewegung 
anfängt,  für  die  rechte  Seite  der  Welt,  die  westliche  Seite  für 
die  linke.  Empedokles  setzt  die  rächte  Seite  gegen  die  Sommer- 
wende, und  die  linke  gegen  die  Winterwende.  Die  Rabbinen 
scheinen  die  Frage  von  der  rechten  Seite  der  Welt  mit  der 
obigen  in  Betreff  der  Kiblah  in  Zusammenhang  gebracht  zu  ha- 
ben. Dort  dachte  man,  wo  der Gottesglanz,  Schecbina,  throne, 
dort  muss  auch  die  rechte  Seite  der  Welt  sein.  Antoninus,  im 
Sinne  der  griechischen  Weisen  Plato  und  Aristoteles,  verthei- 
digte  die  Ansicht,  dass  die  östliche  Seite  die  rechte  sei,  und 
rief  darum  triumphirend  dem  R.  Jehuda  zu,  der  ihm  hierin  op- 
ponirte:  Warum  geht  die  Sonne  im  Westen  unter?  Würde  die 
westliche  Seite  die  rechte  Seite  der  Welt  sein,  warum  geht 
die  Sonne  hier  unter,  da  doch  unstreitig  dort  die  rechte  Seite 
der  Welt  ist,  wo  die  Bewegung  der  Weltkörper  anfängt?  Hier- 
auf entgegnete  ihm  R.  Jehuda:  dies  geschieht  darum,  damit  die 
Sonne  ihrem  Schöpfer  Achtung  und  Ehrfurcht  bezeuge.  Nicht 
daselbst  ist  die  rechte  Seite  der  Welt  und  der  Thron  des 
Gottesglanzes,  nD\DW>  wo  die  Bewegung  der  Sonne  beginnt; 
sondern  dort,  woselbst  sie  untergeht  und  sich  vor  ihrem  Schöpfer 
in  Ehrfurcht  beugt. 


268  Zur  talmudischen  Geographie. 

R.  Abuhu  (ein  Babylonier  und  nicht  zu  verwechseln  mit  R. 
Abubu  aus  Cäsarea,  vgl.  Juchasin  ed.  London  S.  102)  schloss 
sich  der  letzten  Meinung  an:  ")Ö&n  SiyM  %WW  1DN  TOH  *1 
(ltV  *MK  ?  KHW  *KÖ  N"1-  Den  Commentatoren  war  dieses  Wort 
ein  wahres  Räthsel,  sie  suchten  daher  dasselbe  aus  dem  Zusam- 
menhange zu  erklären,  und  zwar  derart,  dass  es  analog  dem 
Vordersatze  den  Westen  bedeuten  soll.  Jedenfalls  ergibt  sich, 
was  bereits  Sachs,  Beiträge  II.  S.  35,  richtig  bemerkt,  dass 
fctvftfct  in  einem  bestimmten  technischen  Sinne  angewandt  wurde. 
Denn  die  Frage  nach  der  Bedeutung  eines  sonst  wenig  erwähn- 
ten Wortes,  das  hier  wie  ein  fester  wohlbekannter  Terminus 
auftritt  —  denn  Urijah  erscheint  zwar  als  Name  bibl.  Personen, 
nirgends  aber  als  Appellati vum  —  ist  nur  möglich,  wenn  eben 
in  dem  an  der  Talmudstelle  berührten  Kreise  von  Vorstellungen 
dies  Wort  als  ein  vollkommen  geläufiges  gilt. 

Ein  solcher  geläufiger  Terminus  war  auch  wirklich,  nach 
unserem  Dafürhalten,  den  Talmudisten  in  Babylonien  und  selbst 
in  Palästina  zur  Zeit  der  Säsänidenherrschaft,  wo  die  alte  Per- 
serreligion wieder  zur  Ehre  und  Ansehen  gelangte,  das  Wort 
Airya  und  R.  Abuhu  konnte  nun  füglich  die  Frage  stellen:  W& 
WHW?  Was  bedeutet  der  Name  Airya?  Darauf  wird  geant- 
wortet in  einer  der  Aggada  geläufigen  etyinologisirenden Weise: 
IT  TW  d.  h.  Airya  bedeutet:  göttliche  Atmosphäre,  das  Land, 
wo  eine  reine,  himmlische,  göttliche  Luft  herrscht.  Der  Gottes- 
name ,-p  soll  hier  nur,  wie  in  ähnlichen  Phrasen:  *>K  v-j-jn; 
IT  rorbw  >  das  Erhabene,  Göttliche  ausdrücken.  Raschi  hat  hier, 
wie  überall,  das  Richtige  herausgefühlt,  obschon  dessen  Mei- 
nung, dass  Oria  mit  Orient  sinn-  und  lautähnlich  zusammen- 
hänge, falsch  ist:  rnK  mtiö  N2flDJ  TTtttb  TOD1  TVKÜ  ftföW« 
„Awir-jah"  heisst  das  Land  göttlicher  Atmosphäre,  als  Reflex 
des  im  Westen  thronenden  Gottesglanzes.  Gleichwie  die  Sonne 
im  Westen  untergeht,  um  sich  vor  ihrem  Schöpfer  zu  beugen, 
ebendasselbe  thun  auch  die  gepriesenen  Landschaften  des  Awir- 
jah,  die,  im  Gefolge  der  Sonne,  zum  Preis  und  zur  Huldigung 
Gottes  dienen.  R.  Abuhu  schloss  sich  auch  der  Behauptung 
des  R.  Jehuda  und  R.  Josua  b.  Lewi  an,  dass  gerade  der  Auf« 


*)  Unsere  Ausgaben  lesen  miN  wie  der  bibl.  Name,  Aruch  hin« 
gegen  immer  mit  N  am  Ende. 


Zur  talmudischen  Geographie.  269 

gang  der  Sonne  im  Osten  ein  Beweis  ist,  dass  die  Doxa,  Sehe* 
china ,  im  Westen  thron«.  Nun  will  er  nebst  dem  biblischen 
Argumente  auch  ein  profanes  anfahren,  dass  der  Name  Airya 
für  die  Lander  gegen  Sonnenaufgang  ebenfalls  als  ein  Zeugniss  d  afOr 
gelten  kann,  dass  n"l)flD3  W3tPi  denn  die  Pracht  und  Herrlich- 
keit von  Airya,  dem  Lichtlande  und  der  göttlichen  Atmo- 
sphäre als  Reflex  und  Ausstrahlung  derSchechnia  dient  eben 
nur  dazu,  um  im  Vereine  mit  der  Sonne  dem  Weltenheer  ihre 
Huldigung  darzubringen.  Bekanntlich  wird  Iran  im  Gegensatz 
zu  Tu  ran  das  „Lichtland''  genannt  und  als  Schöpfung  und 
Reich  des  Ormuzd  gepriesen.  R.  Abuhu  benutzte  gerade  diese 
zoroasterische  Vorstellung,  wie  R.  Jehuda  gegen  Antoninas, 
um  das  Gegentheil  zu  beweisen,  nämlich :  der  Awir-jah  der  Län- 
der des  Sonnenaufganges  vereinigt  mit  dem  Himmelsheere  beu- 
gen sich  gegen  Westen  vor  ihrem  Schöpfer,  weil  daselbst  die 
Schechnia  thront»  Jedenfalls  ist  die  Etymologie  pp  "WM  oder 
besser  J"p  *fltf,  göttliches  Licht  von  N^*fiK  Airya  —  dem  Osten 
Asiens  —  viel  entsprechender,  als  nach  der  Vermuthung,  dass 
Oriah  Westen  bedeute.  Denn  es  ist  nicht  nur  völlig  unbe- 
gründet, sondern  auch  gänzlich  falsch,  dass  im  Abendlande  und 
überhaupt  im  Westen  ein  J"p  TW  eine  göttliche,  reine  und  milde 
Luft  herrsche.  Der  Awir-jah  ist  den  östlichen  und  nicht  den 
westlichen  Ländern  eigen! 

Höchst  wahrscheinlich  ist  auch  das  Epitheton  NV)K  "H,  *0 
MHW  oder  fcfH'W ,  JtfHW  ( s-  Dikduke  Soferim  von  Rabbino- 
wiez  S.  54  und  am  Schlüsse  bei  den  „Errata"  und  R.  Jesaia 
Pick  zu  Berachoth  12a  über  die  verschiedenen  Lesarten),  wel- 
ches dem  R.  Joseph,  dem  Sohne  des  R.  Jpsua  b.  Lewi,  ( Joma  78a) 
dem  R.  Chija,  dem  Sohne  Rab's  (Aboda  Sara  31b)  und  dem  R. 
Jizchak,  dem  Sohne  des  Rabba  bar  Chana  beigelegt  wurde,  aus 
Airya  hervorgegangen,  da  wahrscheinlich  diese  drei  Genannten 
eine  längere  Zeit  in  Iran  waren  und  sich  dadurch  diesen  Bei- 
namen' „der  Arier"  erworben  haben.  Es  könnte  auch  sein,  dass 
fcOlK  =  arja  „Herr,  edel"  bedeute  und  dass  darum  die  Genann- 
ten, als  Sühne  der  ausgezeichnetsten  Ammoraim,  tfHN  "Q  be- 
nannt wurden,  d.  h.  „Sohn  des  Edlen".  Rapoports  Meinung 
(Biographie  des  R.  Nathan  S.  23,  Anm.  6),  dass  &miK  12  gleich- 
bedeutend sei  mit  „Sohn  des  Westens",  weil  R*b  und  Raba 
b.  Chana  von  Palästina  nach  Babylonien  übersiedelten,  findet 


270  Analekten. 

schon  darin  ihre  schlagendste  Widerlegung,  dass  dieses  Epi- 
theton auch  dem  Sohne  des  R.  Josua  b.  Lewi  beigelegt  wurde, 
der  aber  Palastina  niemals  verlassen  hat.  Ueberhaupt  wird  der 
Beiname  „Sohn  des  Westens",  scilicet  Palästina's,  immer  mit 
*a*WD  na  gegeben,  z.  B.  tODVO  13  NB^nn  '1 »  Baba  Mezia  7  a. 
Die  Feststellung  der  richtigen  Lesarten  wird  erst  die  rechte 
Erklärung  dieses  Epithetons  ermöglichen,  wie  denn  überhaupt 
alle  Epitheta  im  Talmud  sehr  dunkel  sind. 

Noch  eine  schlagende  Stelle  glauben  wir  hier  anführen  zu 
müssen,  die  unsere  Behauptung  ungemein  erhärtet.  Schebuoth  24b 
wird  ein  tfniNÖ  WH ,m)  angeführt,  das  wohl  nichts  Anderes  heisst 
als  R.  Aschi  aus  Airya.  In  unseren  Ausgaben  heisst  es  wohl 
fcCWK»  allein  Juchasin  hat  hier,  wie  fast  überall,  die  richtige 
Lesart  tfHW  und  führt  dabei  eine  zweite:  KRITIK  N"J  an,  die 
offenbar  ein  Corruptel  ist.  Ueberhaupt  ist  in  allen  Stellen  z.  B. 
Berachoth  12a,  anstatt  pniK  "13  immer  ITHW  oder  ffrpKf  da- 
her auch  WPK  "D  zu  lesen.  Jedenfalls  geht  daraus  hervor,  dass 
Wlltt  nicht  heissen  kann  Westen,  da  dadurch  die  Stelle  1J&K  '1 
ftPIIMJD  ein  reiner  Unsinn  wäre !  R.  Aschi  aus  Airya  ist  deshalb 
das  plausibelste,  was  man  unter  dem  räthselhaften  W11K,  das 
von  den  Abschreibern  und  Druckern  gar  sehr  verstümmelt 
wurde,  verstehen  kann. 


Analekten. 


Erwiderung  nebst  Berichtigung 
einiger  Stellen  im  Sefer  hajaschar  des  E.  Tarn. 

Von  Dr.  M.  Wiener. 

Im  Maihefte  S.  182  ff.  theilt  Herr  Dr.  Berliner  zwei  geschicht- 
liche Notizen  mit,  von  denen  die  erste  R.  Eljakim  aus  Speyer 
betrifft,  dessen  Commentar  zu  Menachoth  übrigens  ausser  den 
dort  angeführten  Stellen  auch  noch  im  Or  Serua  p&j  noSl  I. 
pag.  201  b  erwähnt  wird.  Auch  scheint  es  mir,  dass  die  daselbst 
Th.  II.  pag.  171b  im  Namen  des  R.  Eljakim  angeführten  Er- 
klärungen der  nach  der  Leichenbestattung  stattfindenden  Ge- 
bräuche auf  denselben  und  nicht  auf  den  Schwiegervater  des 


Analekten.  271 

R.  Elieser  ben  Natan  zu  beziehen  sind,  da  letzterer  von  R.  Isaac 
aus  Wien  stets  als  rpV  "O  ü^p^K  4m)  citirt  wird,  wofür  freilich 
Th.  I  p.  106  Vpü  12  als  Druckfehler  steht.  Herr  Dr.  B.  nimmt 
gleichzeitig  Veranlassung,  zwei  Fragezeichen  bei  Gratz  VI,  395 
zu  erledigen,  während  er  das  dritte  ebenfalls  leicht  zu  erle- 
digende unbeachtet  lässt.  In  dem  Gutachten  des  R.  Salomo 
Luria  Nr.  29  wird  nämlich  der  zu  Raschids  Zeiten  stattgehabte 
erste  Kreuzzug  als  )h%  H"1U  bezeichnet,  womit  eben  nur  die 
Jahreszahl  ^PH  bezeichnet  werden  soll,  da  fe  gleich  ist  Ü  d* 
h.  1096.  Solche  Datenbezeichnungen  für  die  verschiedenen  Lei- 
densjahre sind  aber  gar  nicht  selten,  wie  die  Bezeichnungen 
durch  *|^v)  t  «p  t  j-£v3  /  «p^n  und  andere  (vgl.  meine  Ausgabe  des 
Schevet  Jehuda  I.  S.  45  und  meine  Uebersetzung  des  Emek  ha- 
baeha  Note  181)  darthun. 

In  der  zweiten  Notiz  versucht  Herr  Dr.  B.  die  Unnahbar- 
keit einer  von  mir  in  der  hebräischen  Bibliographie  VI,  117  auf- 
gestellten Conjectur,  nach  welcher  ich  mit  Beziehung  auf  eine 
Stelle  im  ]"2tt"1  annahm,  dass  R.  Samuel  ben  Meir  in  eine  Unter- 
suchung verwickelt  gewesen,  dadurch  nachzuweisen,  dass  er  auf 
die  im  Sefer  hajaschar  vorkommende  ähnliche  Stelle  hinweist, 
beide  Referate  mit  einander  vergleicht  und  hierdurch  mit  der 
Herstellung  der  richtigen  Leseart,  wie  er  sagt,  zugleich  das  rich- 
tige Verständniss  der  Stelle  erzielt  zu  haben  meint,  indem  er 
behauptet,  dass  bei  den  Worten  *)öiy  1312H  DNpD  ^D  an  einen 
Ortsnamen  gedacht  werden  müsse.  Dass  Herr  Dr.  B.  mit  dieser 
Behauptung  nichts  Neues  vorbringe,  bekennt  er  selbst,  da  bereits 
in  der  hebräischen  Bibliographie  diese  Ansicht  im  Namen  von 
Zunz  mitgetheilt  ist,  welcher  Cttp2  nach  einem  handschriftlichen 
pfcC)  liest  und  an  GNpfc  *)D^  ,m\  erinnert,  welchen  Ort  er  für 
Caen  (Gadom)  hält.  Allein  wie  gern  ich  auch  bereit  bin,  meine 
Conjectur,  die  ich  eben  nur  als  Vermuthung  aufstellte,  einer  ent- 
schieden besseren  Erklärung  der  betreffenden  Stelle  im  pfcO 
gegenüber  fahren  zu  lassen,  so  muss  ich  doch  bekennen,  dass 
es  Herrn  Dr.  B.  durch  seine  Auseinandersetzung  weder  gelungen 
ist,  mir  die  Unhaltbarkeit  derselben  nachzuweisen  noch  mich 
zu  überzeugen,  dass  er  die  richtige  Leseart  der  ganzen  Stelle 
im  pK")  und  Sefer  hajaschar  hergestellt  und  damit  auch  das 
richtige  Verständniss  derselben  erzielt  habe.  Herr  B.  ist  näm- 
lich, von  der  Richtigkeit  seiner  Ansicht  gar  zu  sehr  durchdrun- 


272  Analekten. 

gen,  bei  seinen  Emendationen  mit  etwas  zu  grosser  Willkür  zu 
Werke  gegangen  und  hatte,  wenn  er  schon  den  Mahnruf  des 
R.  Tarn  im  Vorworte  zu  seinem  Sefer  hajaschar  unbeachtet  Hess, 
doch  wenigstens  die  Beweise  für  die  Richtigkeit  derselben  bei- 
bringen sollen.  Dass  dies  nicht  geschehen,  will  ich,  um  von 
dem  Vorangehenden  abzusehen,  nur  an  dem  Passus  nachweisen, 
der  uns  för  unsere  Untersuchung  besonders  interessirt.  Im  p"N~) 
heisst  es  nämlich  r\€)  UM  SfcttÖW  )W1  HJTDT  1WP  nmnit 
im  Sef.  haj.  dagegen  UQ"^.  Herr  B.  zieht  diese  Leseart  vor 
und  sagt:  „im  Sef.  haj.  (soll  heissen  im  Rab'n)  fälschlich 
OTm"?  woher  weiss  das  Herr  B.?  Diese  Verschiedenheit  ist 
aber  für  die  richtige  Auffassung  unserer  Stelle  überaus  wichtig, 
denn  wenn  tt'STI  gelesen  wird,  gibt  R.  Tarn  damit  den  Grund 
für  seine  Thranen  an,  die  aber  nicht  wegen  der  aus  einer  gleich- 
gültigen Veranlassung  stattgehabten  Abwesenheit  seines  Bruders 
geflossen  sein  können,  während,  wenn  man  XKTtl  liest,  das  Fol- 
gende ohne  Zusammenhang  mit  dem  Vorangehenden  steht  und 
R.  Tarn  nur  erzählt,  dass  sein  Bruder  nicht  anwesend  sei.  Ferner 
heisst  es  im  püT\  am  Schlüsse ö*r6.1PPöP  ^IfW*  TOB»  was  sich 
auf  R»  Samuel  beziehen  und  durch  das  )  vor  y&  als  mit  dem 
Vorhergehenden  in  Verbindung  stehend  aufzufassen  sein  würde, 
im  Sef.  haj.  dagegen  Q"r6  WDP-  ^KW  IÄi  ohne  allen  Zusam- 
menhang mit  den  vorangehenden  Worten,  ein  Schluss,  wie  er 
allenfalls  zulässig  erschiene,  wenn  er  vor  n"*l  geschrieben  wäre, 
wobei  immer  noch  seine  Kürze  und  Abgerissenheit  auffallend 
wäre»  Dennoch  behauptet  Herr  Dr.  B.  ohne  Weiteres:  „Im 
Rab'n  fälschlich  'DI  "Wl"  und  später:  „wie  es  auch  im  Rab'n 
heissen  mussa.  Dies  ist  aber  wiederum  nur  eine  auf  blossem 
Belieben  beruhende  und  noch  keinesweges  als  richtig  erwiesene 
Ansicht.  Herr  B.  fährt  alsdann  fort:  „Wir  sehen  nunmehr,  dass 
der  Schlusssatz  nicht  die  leiseste  (?)  Andeutung  auf  einen  Un- 
fall des  Raschbam  enthält,  (sondern)  nichts  Anderes  als  eine 
Phrase  ist,  die  in  ähnlichen  Wendungen  in  den  Gutachten  des 
R.  Tarn  am  Schlüsse  eines  jeden  Bescheides  häufig  wieder- 
kehrt." Wie  gewagt  diese  Behauptung  ist,  hätte  Herr  B.  schon 
aus  den  Worten  Steinschneider' 8  in  der  hebr.  Bibliographie 
a.  a.  O,  ersehen  können,  welcher  bemerkt:  „Wenn  Zunz  Recht 
hat  (dass  nämlich  unter  Qfctp  Caen  zu  verstehen  sei),  so  wäre 
an  eine  gewöhnliche  Galami  tat,  schwere  Krankheit  oder  der- 


Analekten.  273 

gleichen  zu  denken";  St.  muss  demnach  in  den  Schlussworten 
ebenfalls  eine  Andeutung  auf  einen  Unfall  des  Raschbam  gefun- 
den haben  und  dass  letzterer  gar  manchen  Tag  in  Kummer  und 
Sorge  verlebt  haben  muss,  scheint  mir  auch  aus  dessen  Worten 
1H  W  )ÜV  bzb  WpW  tf-lW  hervorzugehen,  die  er  an  R.  Elie- 
ser  ben  Natan  richtet  (siehe  p"ftO  146  c).  Es  scheint  übrigens 
fast,  als  habe  Herr  B.  die  Unrichtigkeit  seiner  Behauptung  selbst 
eingesehen,  da  er  zuerst  von  solchen  Wendungen  bei  R.  Tarn 
am  Schlüsse  eines  jeden  Bescheides  spricht,  dieselben  aber 
dann  nur  häufig  und  nicht  immer  wiederkehren  lässt  und 
wurde  er  wohl  gethan  haben,  wenn  er  auch  nur  einige  derglei- 
chen, wie  sie  hier  nach  seiner  Auffassung  vorkommen  sollen,  an 
änderen  Orfren  nachgewiesen  hätte,  da  mir  nur  Wendungen  be- 
kannt sind,  in  welchen  R.  Tarn  Denen,  an  die  er  seine  Bescheide 
richtet,  das  beste  Wohlergehen  wünscht,  nicht  aber  solche,  die 
einfach  mit  D"l"6  )T\DV  btWW*  TB  schliessen.  In  Betreff  der 
anderen  Behauptung  des  Dr.  B.  aber,  dass  bei  den  Worten 
*tiDW  Uttf1  DNp3  '»D  an  einen  Ortsnamen  gedacht  werden  müsse, 
habe  ich  nur  zu  bemerken,  dass  in  diesem  Falle  R.  Tarn  wohl 
einfach  Ntfn  DNpD  ^D  oder  DNpb  ^H  XD  gesagt  haben  würde  und 
wenn  Herr  B.  zur  Erhärtung  seiner  Ansicht  eine  andere  Stelle 
im  Sef.  hajaschar  §  595  anführt,  wo  sich  die  ähnliche  Ausdrucks- 
weise "ifcV  nVl  mü6fcQ  'O  findet,  so  beweist  diese  Stelle  gar 
nichts,  da  dort  von  einem  Scheidebriefe  die  Rede  ist,  den  ein 
früher  in  Auxerre  und  später  in  Joigny  wohnender  Mann  seiner 
Frau  geben  wollte;  in  Scheidebriefen  aber  musste  bekanntlich 
die  einmal  feststehende  Ausdrucksweise  innegehalten  werden, 
weil  es  nicht  gestattet  war,  an  dem  pü»  D^ÖDH  IMBttf  JDBÖ 
etwas  zu  ändern. 

Die  eben  erwähnte  Stelle  im  Sefer  hajaschar  gibt  mir  die 
willkommene  Gelegenheit,  nach  dem  Beispiele  Luzzatto's,  wel- 
cher durch  die  Mittheilung  mehrerer  Gutachten  des  R.  Tarn  im 
siebenten  Bande  des  Kerem  Chemed  S.  19 ff.  vielfach  zur  Be- 
richtigung des  Textes  im  Sef.  haj.  beigetragen  hat,  einzelne 
Paragraphen  in  dem  leider  durch  Benutzung  einer  höchst  man- 
gelhaften Handschrift  wie  durch  fehlerhaften  Druck  so  sehr 
corrumpirten  Werke  zu  berichtigen  und  bin  ich  überzeugt,  dass, 
wenn  der  Verfasser  unseres  Buches  nur  im  Entferntesten  hätte 
ahnen  können,   dass  sein  Werk  jemals   in   solcher  Gestalt  er- 

Frankel    Monatsschrift  XVIL  7.  21 


274  Analekten. 

scheinen  würde,  er  sicher  nicht  von  der  Textverbesserung  äl- 
terer Werke  so  abgemahnt  haben  würde,  wie  er  es  in  dem  Vor- 
worte zu  seinem  mehrgedachten  Buche  getban  hat.  Zuvörderst 
seien  nämlich  die  sinnentstellendsten  Fehler  des  gedachten  §  595, 
der,  so  weit  er  die  Antwort  des  R.  Tarn  an  R.  Joseph  ben  Mo- 
scheh  betrifft,  sich  auch  in  der  Gutachtensammlung  des  R.  Mehr 
aus  Rothenburg  ed.  Prag  §  283  findet,  aus  einer  Vergleichung 
beider  Relationen   berichtigt.     Gleich   zu  Anfange  ist  statt  EtC 

otv*»  inj;  ni&bn  p«  zu  lesen  t»dd  'yn'K'K,  hinter  pi^nh 

affobl  ist  zu  ergänzen  "Dl  ijli©  eipM  TH^W  >rf>B  1a  ^D  W- 
und  statt  cipi»  'Pfoa  TTlb  PlfcOl  ist  zu  lesen  Qipfca  nnb  TlXai- 
In  dem  Folgenden  lautet  der  Text  bei  0*1*110  ziemlich  verschie- 
den.   Statt  N2N0  fcWttfn  r\p*>  lies  'ü  'n  W1«.  rtatt  flTW   GlpÜl 

mpi  lies  em  na^na  tdi,  statt  -nnan  m  wn  nana  c&o  n«s  cw 
•ni  »a  ans,  statt  aan  nn  an  an  lies  'jvn  n»«n an  an*< 

Zeile  10  von  unten  ist  QH  zu  streichen. 

Zeile  9  von  unten  statt  mjna  HP©b  *£  HM1«  Plön  ü*s  HÖn- 
Tljra  PÖ  mob  1P&  nj»1»;  Zeile  4  von  unten  statt  milÖtO 
lies  «niD2;  Zeile  3  von  unten  statt  *eh  Hab  ües  nanPI  TD*-?; 
Zeile  2  von  unten  statt  y&w  v\yw  jv-q  lies  rtJBW  1ÖW  PttnP  lto 
•TW  DW  ITJJ  DEM  S.  67  a  Zeile  3  statt  fflrn  üe9  KOT,  Zeile  ö 
statt  Wfcri .  FrtiahtW  *»Ö  lies  i»ro  PTOSEN  U:Wbi  Zeile  7  statt 
ÜVjb  nW  lies  QU;  rU^W  und  statt  ^am  lies  tyapn,  Zeile  9  statt 

nni  Hes  nm. 

Dagegen  ist  auch  wiederutn  in  dem  erwähnten  Gutachten 
des  R.  Meir  nach  dem  Sef-haj.  Manches  zu  berichtigen,  wie  z»  B. 
Zeile  4  statt  amaitf  rVöl  lies'  ajV  W.  Zeile  8  und  9  statt  ama 
lies  aiTOS  Zeile  20  statt  2mai>  DW1  lies  }ha{?  Otttt,  Zeile  29 
statt  rrffift6  H3b  UM  lies  ,nnu6K  «bl  nab  Wl\  Zeile  30  statt 
'OKI  /  TW  DttH  lies  ^y  TJffl  BW ,  Zeile  32  statt  lötf  nW  lies 
IT]/  nW ,  Zeile  33  statt  p^ttf  nna  f6  lies  tK  ppnjn'a  'S  Zeile  37 
hinter  HP1DÖ1  fehlen  mehrere  Zeilen  und  statt  ejj  lies  pj, 
Zeile  13  von  unten  statt  ofo  *pa  pKJ  lies  '3'a  p«,  Zelle  5  von 
unten  statt  DUMflÖ  lies  fföJHÖl  DaHp,  Zeile  2  von  unten  statt 
Hl  Vbn  lies  nbin  PJ?  |W   und  S.  38d  Zeile  1  statt  rO\TS2  lies 

mwa  • 

In  einem  alten  auf  der  Ministerialbibliothek  zu  Erfurt  befind- 
lichen und  Verschiedenartiges  enthaltenden  Pergamentcodex 
kommen  auch  zwei  Paragraphen  aus  dem  Sefer  hajaschar  vor, 


Analekten.  .275 

welche  den  *p3  P  betreffen,  nämlich  §  382  und  618  S.  73  b  (der 
eigentlich  als  §  621  bezeichnet  sein  sollte),  aus  denen  ich  hier 
die  wesentlichsten  Varianten  mittheilen  will. 

S.  38  d  Zeile  14  statt  HDD3  pmn  ibw  lies  pn  *»  "1  £wi 
HDD3,  Zeile  15  statt  po)D  tOD)  lies  pD)D  8311  und  das  folgende 
fcOTt  ist  zu  streichen,  Zeile  23  statt  ^^0*1^  lies  ^pDD*D> 
Zeile  24  statt  nip^TTin  nö^TD  lies  nipWD  713  >  Zeile  25  hinter 
'D3  fehlt  nWDSIt  Zeile  26  hinter  ^nVl  fehlt  N3D,  Zeile  30  hinter 
HWll  fehlt  V13"6,  Zeile  32  statt  -513  lies  133,  Zeile  40  hinter 
OnD  heisst  es  folgeaderroassen:    rQPÖ  *  pfrüaTmDKp  ÖPI  *6n 

13  pton  3p  £  a-ipnw  na  man  «3«  'i  öj  www  *i  ms«  nsra 
p  iön  *6n  pw&a  pDn  w  wi  rrby  öT*n  top  td» 
Stoa  pa-&  Sto3  «6  nrrcr  /p6  nM  .pro  pjpn  ^ion  wd  rrowa 

•'öi  n^y  ö*rw  örfri  ön  «robm  S6a& 

Zeile  21  von  unten  statt  QHD  ^y  lies  DnD  ^31  >  Zeile  19  von 
unten  statt  KpnBN  ^Mn  lies  fcOmj  *Ö3n>  Zeile  17  von  unten 
statt  p3Tl  NT&Ö1  ües  HOTH  wfaM ,  Zeile  13  von  unten  ist  hinter 

KinSÖ  «333  zu  ergänzen:  |ji«n  3H3  ^>E>3  U\W  "W  mWl 
Ö^H  ö  ^  fRCÜl WD3  N^W  I^DN  !>D3  WDK  ntt  ^>3tt  pTTO  £  «H 

•'Öl  NJPSÖ  «333  'öpiffl 

Zelle  11  von  unten  statt  *n  ^3E  lies  ^3,  Zeile  9  von  unten 
statt  tf^tp  pöa  lies  K^ttfl  W»Ö3>  Zeile  2  von  unten  statt  fc6  tfKi 
^r*b   lies   ijnö   irfcöNI»    Zeile  1    von  unten  statt  ^  ^  nVKI 

npoDi  mao  ües  Tipo&i  Tijn  *Eb  vrcnw  tä  anann  iSk 

S.  39  a  Zeile  1  von  oben  statt  TIN20D1  lies  TlKSID  *«6l»  Zeile  4 
statt  3*1  ^fctf  lies  N3^  'N  und  riD©3  hinter  pn  ist  zu  streichen, 
ebenso  ^£73  ^t^  in  Zeile  6.  Zeile  9  hinter  \}vq  )®&  fehlt  N^W 
1JÖ13  und  Zeile  10  heisst  es :  **flÖttn  ma  *6  WO  ltDN  ÜÖT3  *6w 

waa  p  uöia  «b»  nroa  «n»  *6rc  moa  waa  udd  pn  ms« 
Swöiw  3m  rmarab  5wöi&  mq«  wm  «ara  -im»  w»  «iw  pa 
jro;D  tw»  -«bw  mW»  unaa  nmnaw  pmow  te  mnn  nö*n 
*6w  pa  ot»  p  »an  *6t&  ,  ma  *6  wo  ton  .otd  wm»  oyto 
p  wn»  )ö  roD3  fön ,  *ima  caao  ]nun  to  n!?^  vivsp  u^a 
p  pjflDW  4m  ppm  "n  msp^  prw  'n  oj?ö  jnra  mo«  wn^a  k^ 
ij^a  «bw  p  maa  p  mmaw  pmo^«  ba  irmnn  nö^  t^^pi? 
na«  jwdw  na  -in»  maa  «bu;  p  iraa  pa  %n  «^  oj;to  jnua 

•'öi  «»13  pn  unaSm 


276  .       Recensionen  und  Anzeigen. 

Zeile  17  statt  pnP  *1  lies  pnV1  "1  ^nan« 

„  18  hinter  Wfca  «*nP  ist  zu  ergänzen  ana   VWt&ß 

„  19  statt  CW3W  lies  pWD. 

„  22  statt  KBriDÖ  Hes  TXWfßl  NnaDfc. 

„  23  statt  "jlöoai  p:  lies  "pöTMl  Ka  WH  pV 

„  32  statt  «rfcö  lies  «am  KT^Ö- 

„  42  statt  m»  1*1  ües  on»  DW 

„  47  statt  p*a  lies  paitf. 

„  14  von  unten  statt  ^  pi  lies  ^J  p). 

„  12  von  unten  statt  B"D  ües  a"a  und  statt  H^TÖ  "030  ües 

arfrö  ^non  nana  ^av 

Seite  73  b  §  618  Zeile  7  statt  Dftfc  lies  Q^& 

„    10  statt  fe  5?«  lies  fe  W. 
Zeile  16  statt  ^  ^pifc  ^  lies  Hfl  P»  nTOT&  n^TTO^  V  >fc  D 

„    18  statt  rrb  np  Res  wi  n^  np. 

25  statt  y'n  bjTW  lies  onTlön  bv  ***))?  »"toi  DD"IM- 

26  statt  ni^aw  by  lies  nnw  rb^v  ^p. 

33  statt  mV©  ^T^  lies  iTTOD  pDD  H^. 
„      34  statt  «DD  an  lies  ppöttf  an. 

35  ist  zu  lesen  £w  rru  nr6n  nnoa  myo  an  pDD  pw'). 

5  von  unten  ist  zu  lesen   QV>  rfitpÖ  *6«  PITW)  N^5  KTO 

.ptwn 


Recensionen  and  Anzeigen. 


Maleach i.  Eine  exegetische  Studie  über  die  Eigentümlich- 
keiten seiner  Redeweise.  Inaug.-Diss.  von  Max  Sänger. 
Jena  1867.    87  S.    8. 

Der  Verf.  beabsichtigt,  „eine  Studie  mitzuth eilen ,  die  dem 
Versuche  gewidmet  ist,  zum  Verständnisse  dieses  letzten  Reprä- 


*)  Diese  Stelle  führt  Rapoport,  weil  sie  im  8efer  hajaschar  cor- 
rnmpirt  ist,  in  seinem  Saadja  Note  19  nicht  an.  Derselbe  glaubt,  dass 
die  PTU   TXübn  in   dem  mflDl  PIND1Ö  nDD  des  R.  Saadja  enthalten 


Recensiouen  und  Anzeigen.  277 

•entarten  des  hebräischen  Prophetismus  einen  Beitrag  zu  liefern« 
Dieser  Versuch  geht  allerdings  nicht  darüber  hinaus,  „die  Eigen-' 
thumhchkeiten  Maleachi's,  die  dunkelsten  Stellen  seiner  Rede 
einer  erneuten  Besprechung«  zu  unterziehen,  wird  aber  dafür 

W LTJET",  AUfW8Dde  V°n  BeleseDheit  ™*  garten, 
Wiseen  auge^,,t.    Iffl  ersteu  Theile  wird  dje 

logische  Form  beo_w^rtk n     /c    _  &  WIÄ 

ausführlich  behandeht6;  f  &~^'  ™hei  namenÜi<*  2,  10 

Beweisführung«  bietet  tu?™*™1  »die  Sichtliche 

klärung  (56-69),  dann  wird  ,,die~LUndu2'11-12  eine  neue  Er- 

(69-  78)  und  zuletzt  „die  hyPerboliscS.e,K!<ieweise  Maleachi's« 

tt  i  i.  *  ™       u  °c!eweise"  einer  nähe- 

ren Untersuchung    unterzogen.     Durchweg     m  w,c 

Gründlichkeit  geführt,  der  Leser  erhält  überhaup*  di*selbe   mit 
eine  solche  Menge  gelehrten  Beiwerkes  mit  in  den  UrS€rütss« 
er  Mühe  hat,  die  selbständige  Leistung  des  Verf.  heraifcj?ass 
kennen.    Zwar   wird    in   den    einleitenden   Worten    gegen    dfc> 
neueren  Exegeten  Front  gemacht,  die  im  Grunde  nur  den  vor- 
handenen   exegetischen   Apparat  reproduciren,  trotzdem   aber 
kommen  wir  bei  Herrn  S.  aus  den  Ci taten  und  Controversen 
nicht  heraus.    Der  langen  Reihe  der  Exegeten,  von  den  Talinu- 
disten  bis  auf  Maier  („die  erste  Rabbinerversammlung"  und  „Er- 
widerung1' etc.)  wird  noch  R.  Sal.  Lurja  beigesellt,  der  bei  der 
bisher  missverstandenen  Stelle  2,  16  nW  tOttf  ^3  „auf  das  Rich- 
tige  geführt".    Denn  in  seinem  Comm.  zu  Gittin  a.  E.  „macht  er 
die   Bemerkung    r6w   Opfoft  ^tb  HWW»   und    das    übersetzt 


seien.  Dies  scheint  jedoch  nach  den  Worten  des  Or  Serua  Th.  I.  §  339 
nicht  der  Fall  zu  sein.    Dieser  sagt  nämlich  S.  89  a:    "nj/D  ^  "&  P* 

mniD  twh  owin  tidnboi  ?"n  it-üdon  ^»nnpn  mw  rieoa  Wr  iim 
wnat<  nra  owktti  dobo  ihn  onn  noph  T"n  -ab  njnty  mn 
#oi  crwipn  und  s.  89b.:  rnyo  ti  rru  rroWio  rron  (n'i)  xam 
rrhv  nrotv  rmjDDN  Amnion  ipto  d"ti  mm  irro  iras  rraran  juü 
mnöro  pikdiüpi  -ioti  nm  idbj;  tdd  vnio  vroi  #toi  cr«pj  t  nsn« 

.n"i  naTD  *&i  2TO  o'n  wir 

Aus  den  fTU  nofcl  oder  dem  mPIDl  PIND1Ü  1DD  des  R.  Saadja 
werden  daselbst  noch  Erklärungen  angeführt  Th.  I.  §  356,  361  und 
363  N. 


2j.g  Beeensioneo  und  Anzeigen. 

Herr  S.s  „Verba«t  ist  vor  Gott  nfetf  ™  *«**  <»Sehick  fort!" 
^der  „Fort  mit  ihr!".)  -  Sagt  da»  R.  Sal.  Lu*a»  oder  sein  Inter- 
pret? Wir  bitten  den  Herrn  Verf.,  diese  talmudisohe  Lesart  ~- 
Lnn  weiter  bietet  Lurja  auch  kein  Jota  -  bei  Rasch*  z.  M. 

genauer  .eingehen  W  r^  0?«1  «^"J  £u)  vor 

heisst  doch  wohl  nichts  Anderes  «U:   Wenn ^ 

Gott  verhaasi  ist  (sc.  in  *oUje  «-  W-^JJ  ^ 

fort«.    Dieser  Gewährsmann  °rau«ht^  ^  ^  ^  ^ 

sHSrt.su  werden,  um  den  S,n^rf  d||rfta_ei  getrost  wagen>  mit 

fertige  Ehescheidung  hjg£  ^  ^  (g    ^  8e,bs,täwd.g  b<!rvor. 

«s  hat  Manches  für  »ich,   diese  .Ausdrucke  ab 
zutreten-,  4e*m  Mimd€  des  Volkes  zu.erklären  und  es  isiraußh, 
•^nlafflTrfofctig  bemerkt  wird,  eine  charakteristische  Eägeathüm- 
;3SßWeit  Maleaohi's,  Ausdrücke  and  Wendungen,  .die  unter  dem 
«Volke   gang  und    gäbe    waren,   in   seine  Rede  zu   verflechten* 
Ebenso  durfte  Verf.  mit  der  .Interpretation  von  2,  10  das  Rich- 
tige getroffen  haben,  welche  Stelle  er,  im  Wesentlichen  an  Abra- 
beuel  »ich  ans  ob  liessend,  als  Anführung   der  Anschauung   des 
Volkes  and  Entgegnung  des  Propheten  erklärt.    Auch  wo  die 
Redeweise  Mäleachi's  im  Einzelnen  eharakterisirt  wind,  effkennt 
man  meist  ein  feines  exegetisches  Verständniss. 

Allein  wenn  der  Verf.  sagt,  dass  er  „die  Regeln  der  wissen- 
schaftlichen Exegese  als  die  einzig  wahren  Leitsterne  aufs  Schärfste 
in's  Auge  gefasst"  (S.  5),  so  muss  Ref.  bekennen,  dass  er  die 
Kühnheit  dieser  wissenschaftlichen  Exegese  bisweilen  über  die 
Linie  des  theologischen  Standpunktes  hinausgehend  gefunden 
hat  Einen  solchen  Eindruck  macht  wenigstens  auf  ihn  die  Cha- 
rakteristik MaLeachi's  (S.  80),  in  welcher  gesagt  wird,  „dass  er 
von  der  Gewalt  des  Augenblickes  fortgerissen  in  hyperbolischen 
Ausdruck  verfällt."  Dieser  Ausdruck  klingt  allerdings  harmlos 
genug',  der  darauf  folgende  Satz  aber  ist  zum  Mindesten  doppel- 
sinnig. „Damit  ist  nieht  nur  seine  poetisch  schwungvolle  Schil- 
derung des  Gerichtstages  ..»  gemeint  ....";  „auch  hinsichtlich 
seiner  Darstellung  der  Vergangenheit  soll  damit  nicht  gesagt 
sein,  dass  ihm  wie  Manchem  seiner  Vorgänger  deren  Gestalten 
durch  das  Dämmerlicht  der  Ferne  glänzender,  als  sie  wirklich 
waren,  vor  die  Seele  traten ;  es  muss  vielmehr  . . .  besonders  der 


Recensionen  arid  Anzeigen.  279 

Umstand  in's  Auge  gefasst  werden,  das*s  er  auch  seine  Gegen- 
wart an  zwei  Stellen  (1 ,  II  und  fr,  9)  mit  so  starken  Farben 
zeichnet,  dass  die  Linie  def  objectiven  Wahrheit  dadurch  über-- 
schritten  wird."  —  Wenn  hier  nicht  gegen  die  Logik  gesündigt 
sein  soll,  so  muss  es  statt  „nicht"  geradezu  „durchaus"  heisren ; 
denn  Verf.  meint  offenbar,  dass  Mal.  nicht  nur,  Wo  er  von  zu- 
künftigen oder  vergangenen  Dingen  spricht,  sondern  auch'  in 
Bezug  auf  seine  Gegenwart  „die  Linie  der  objectiven  Wahrheit 
überschreitet.1'  Wenn  ferner  Herr  S.  an  einer  anderen  Stelle 
von  dem  „Glorienschein"  spricht,  „den-  Geschichte  und  Sage 
um  das  Haupt  des  Elias  gewoben",  so  mag  wohl  auch  hier  die 
wissenschaftliche  Exegese  den  Rabbiner  —  und  vice  versa  —  zu 
weit  getrieben  haben.  Üenn  in  der  das.  (S;  54)  citirten  Abhand- 
lung (vgl.  diese  Monatsschr.  XII,  S.  241  und  281)  ist  nur  von 
einem  Glorienscheine  die  Rede,  den  die  nach  biblische  Zeit  in 
sagenhafter  Weise  um  Elia  verbreitete,  Verf.  aber  meint,  dass 
auch  vor  Mal.  schon,  also  wahrscheinlich  in  den  BB.  der  Könige, 
dieser  Prophet  durch  die<  Sage  verherrlicht  wurde.  Nun,  wir 
wollen  mit  ihm  hierüber  nicht  rechten;  aber  wenn  Verf.  sich 
auf  einen  solchen  kritischen  Standpunkt  stellt,  so*  verlangen  wir 
von  ihm  Consequenz  und  wissenschaftliche,  streng  an  die  Sache 
sich  haltende  Exegese,  kein  Liebäugeln  mit  Mab ar schal  und 
Alschech,  von  welchem  letzteren  wir  übrigens  gleich  zeigen 
wollen,  dass  er  auch  nur  überflüssige  Staffage  ist.  D.  G. 

(Schlau  folgt.)  '' 


Mooatschronik. 


Rumänien«  Prinz  Napoleon  berührte  auf  seiner  Rundreise 
auch  Rumänien  und  nahm-  hier  eine  ihm  von  den  Juden  über- 
reichte Petition  entgegen,  welche  seine  Verwendung  für  schleu- 
nige Abhilfe  der  bekannten  Uebelstande  in  Anspruch  nimmt. 

Ulm.  Bei  den  jüngst  vollzogenen  Wahlen  zum  Abgeordneten* 
Hause  ist  hier  Herr  Pfeiffer  gegen  Herrn  Adam  zum  Volksver- 


280  Monatschronik. 

treter  gewählt  worden.  Es  ist  dies  der  erste  Fall,  dass  in  Wür- 
temberg  ein  Israelit  in's  Parlament  eintritt.  Herr  Pfeiffer  ist 
Nationalökonom  und  gehört  der  nationl- liberalen  Partei  an. 

Wien.  Die  Vertreter  der  Böhmischen  Landesjudenschaft 
haben  dem  Reichskanzler  von  Beust  eine  Dankadresse  für  sein 
energisches  Eintreten  zu  Gunsten  der  Rumänischen  Israeliten 
überreicht. 

—  Der  Vorstand  der  israelitischen  Cultusgemeinde  hielt  die 
erste  Sitzung,  zu  welcher  auch  das  Publicum  Zutritt  hatte,  unter 
dem  Vorsitze  des  Vicepräses  Reichsrathsabgeordneten  Dr.  &u- 
randa.  Gegenstand  der  Berathung  war  ein  Gutachten  an  die 
Statthalterei  über  das  zu  errichtende  Rabbiner  -  Seminar.  Es 
wurde  unter  Anderem  zum  Beschlüsse  erhoben:  Der -Staat  solle 
für  Erhaltung  des  Seminars  als  einer  Staatsanstalt,  gleichwie 
für  die  anderen  zur  Heranbildung  von  Geistlichen  und  Seelsor- 
gern bestimmten  Anstalten  aus  Staatsmitteln  Sorge  tragen  und 
die  Oberaufsicht  über  dasselbe,  wie  er  sie  sich  über  alle  öffent- 
lichen Unterrichts-Anstalten  vorbehält,  ausüben.  Zur  unmittel- 
baren Leitung  sei  jedoch  ein  jüdisches  Curatorium  zu  berufen. 
Schüler,  welche  in's  Seminar  aufgenommen  werden  wollen, 
müssen  Bibel-  und  Talmudkenntniss  besitzen,  das  Unter-  und 
Obergymnasium  absolvirt  und  die  Maturitätsprüfung  gemacht 
haben.  Der  Cursus  ist  auf  fünf  Jahre  berechnet.  Diejenigen 
hingegen,  welche  Aufnahme  gefunden  haben,  ohne  die  nöthige 
wissenschaftliche  Vorbildung  zu  besitzen,  sollen  sieben  Jahre  in 
der  Anstalt  verbleiben.  Die  überwiegende  Majorität  des  Vor- 
standes sprach  sich  ferner  dahin  aus,  dass  Prag  der  geeignetste 
Ort  für  die  Errichtung  des  Rabbiner-Seminars  sei. 


Notizen. 


Herr  J.  L.  Borges,  in  Hrzmanmiecziz  in  Böhmen,  theilte 
mir  schriftlich  zu  der  Stelle  Maiheft  S.  175  ü^fclN  G^TITOnh 
DYVD  mit?  dass  dieser  Ausdruck  sich  nicht  selten  im  jerusal. 
Talmud  finde.  Vgl.  Traktat  Beza  1,  3  IfclN  HWÖ3  ^nnntZ/  )TOÖ 
DIU  )b  UQ<*  sonst.  F. 


R.  Abraham  b.  Isaak,  Ab-bet-din  aus  üfarbonne. 

Ein  literarhistorischer  Versuch« 

Von 
Dr.  H.  Gross. 

(Schluss.) 


IV. 

Manche  Responsen64)  der  Sammlung  betreffen  nicht 
praktische  Fälle,  sondern  die  Erklärung  schwieriger  tal- 
mudischer Stellen  halachischen  oder  agadischen  Inhalts. 
R.  Abraham  b.  Isaak  bewährt  sich  in  diesem  Theile  sei- 
ner Responsen  als  tüchtiger  Commentator.  Er  erinnert, 
was  Präcision  und  Durchsichtigkeit  der  Darstellung  betrifft, 
in  vielfacher  Beziehung  an  Raschi,  den  er  sich  hierin  zum 
Muster  genommen  hat.  Ausser  Raschi,  den  er  häufig 
citirt66),  erwähnt  er  der  Commentarien  des  R.  Nissim  aus 
Kairuan60),  R.  Chananel  b.  Chuschiel67),  und  eines  ano- 


")  Nr.  419,  435,  476,  504,  702. 

**)  Zuweilen  bloss  R.  Salomo.  Vid.  Kr.  491.  Dass  darunter  R. 
Salomo  Jizchaki  zu  verstehen  sei,  folgt  aas  der  Uebereinstimronng  des 
betreffenden  Citats  mit  der  correspondirenden  Stelle  im  Talmud-Com- 
mentar.  Sonst  könnte  es  ja  auch  Salomo  der  Greise  ans  Narbonne 
sein,  der  um  1100  gelebt  hat. 

••)  Ms.  Nr.  604  nnDDH  1ÜÜ  Kflhroa  TPNTl  vergl.  Mafteach  ed. 
Goldenthal  p.  26  b.    Eschkol  p.  28. 

•T)  Sehr  oft  im  Eschkol. 

Frankel,  MonatMchrift.  XVU.  8.  22 


282  R.  Abraham  b.  Isaak, 

nymen  nordfranzösischen  Commentators68).  R.  Abraham 
b.  Isaak  verfasste  zahlreiche  Commentarien  zum  Talmud60), 
die  sämmtlich  verloren  gegangen  sind.  Dieselben  sind 
oft  angeführt  von  Serachja  Gerundi 70)  in  den  Glossen  zu 
Alfassi,  von  Abraham  b.  David71),  Nachmanides,  Salomo 
b.  Aderet  und  sonst,  nur  einmal  in  den  Tossafot72). 
Gewiss  ist  es,  dass  er  Commentarien  zu  B.  Kama73),  8. 
Mezia74),  B.Batra76),  Jebamot76)  und  Ketubot77)  verfasst 
hat. 

V. 

R.  Abraham  b.  Isaak  wird  von  Einigen  auch  ein  Com- 
mentar  zum  Buche  Jezira  zugeschrieben 78),  was  aber  wahr- 
scheinlich auf  einer  oft  vorkommenden  Verwechselung  mit 
R.  Abraham  b  David79)  beruht,  der  wenigstens  als  Ver- 
fasser eines  solchen  Commentars  galt.  R.  Abraham  b. 
Isaak  gilt  allgemein  als  bedeutender  Kabbaiist,  ja  als  einer 


*•)  Nr.  604  zu  Berachot  p.  63.    pj£  -pH  ItjpT  "O  Vßn  *?*  "1D1N1 

Dipow  v'dj;n  iDifo  ran  *?x  )vu  itrn  yj^a  nt  jtidd  idnj  m«Di  nfen 

•TpTjp  nbp  w»a*  Knn  *<b  pmoi  wn  cnp  ^d  lrrnrn 

*B)  Vgl.  Isaak  de  Lates  a.  a.  0.  Iuchasin  p.  84,  vergl.  oben  An- 
merkung 31. 

ro)  Vergl.  besonders  Maor  zu  B.  Mezia  If.  vgl.  das.  Milchamot. 

Tl)  Commentar  zu  Sifra  ed.  Schlossberg  p.  113  und  sonst. 

")  Vid.  Hacot.  p.  18  b.  Vgl.  Zunz'  Zur  Geschichte  und  Literatur 
S.  48. 

")  Vgl.  Sefer  ha-terummot  14,  1,  vgl.  Salomo  b.  Aderet  B.  Kama 
p.  52  und  101. 

")  Maor  zu  B.  Mezia  II.  a.  a.  0.  das.  IX.    Milchamot  das. 

")  Commentar  des  Salomo  b.  Aderet  zu  B.  Batra  p.  51,  57,  65,  67. 

70)  Das.  zu  Jebamot  IV. 

TT)  Das.  zu  B.  Batra  p.  47. 

7S)  Schalschelet  ha-Kabbala  citirt  von  Auerbach  Einleitung  zum 
Eschkol  p.  14.  Ich  habe  die  betreffende  Angabe  im  Schalschelet  nicht 
gefunden  v.  YtrTP  p  "IDD  von  Moses  Kunitz  p.  94,  123. 

")  Sehern  ha-gedolim  I  N  Nr.  11.  vgl.  De  Rossi  Biographisches 
Wörterbuch,  übersetzt  von  Hamburger  p.  23.  Vgl.  Beiträge  zur  Ge- 
schichte der  Kabbala  von  Jellinek,  erstes  Heft  p.  10. 


Ab-bet-din  aus  Narbonne.  283 

der  Hauptträger  der  Kabbala  im  Mittelalter80),  allein  zu 
einer  solchen  Annahme  fehlt  uns  jeder  Anhaltspunkt;  in 
den  Schriften  R.  Abraham  b.  Isaak's  zeigt  sich  nirgends81) 
eine  Spur  von  Kabbala  oder  irgend  welcher  Mystik.  Die 
betreffenden  Angaben  über  ihn  als  Eabbalisten  sind 
überdies  widersprechend82)  Asulai88)  theilt  eine  Tra- 
dition mit,  nach  der,  mit  Ausschluss  R.  Abraham  ben 
Isaaks,  die  Hauptträger  der  Kabbala  im  zwölften  Jahr- 
hunderte in  nachstehender  Ordnung  aufeinander  folgten* 
Isaak  Nasir,  Jacob  Nasir84),  Abraham  b.  David,  Isaakder 
Blinde.  Diese  Tradition  hat  die  meiste  Wahrscheinlich- 
keit für  sich. 

Conforte85)  schreibt  R.  Abraham  b.  Isaak  ein  kabba- 
listisches Werk  Sefer  ha-berit  zu,  was  vielleicht  auf  einer 
Verwechselung  mit  Abraham  b.  Isaak  aus  Granada  be- 
ruht88). 


•°)  Schalschelet  ha- Kabbala  p.  50,  SchenvTob  im  Sefer  ha-emu- 
not  37  citirt  von  Sehern -ha -gedolim  a.  a.  0.  Abraham  Ab-bet-din, 
heißet  es  daselbst,  weihte  seinen  Schwiegersohn  Abraham  b.  David  und 
dieser  wieder  seinen  Sohn  Isaak  den  Blinden  in  die  Kabbala  ein. 
Abraham  Ab-bet-din  selbst  soll  in  der  Kabbala  der  Jünger  des  Jacob 
Nasir  gewesen  sein.  Vgl.  Zunz*  Analekten  Geiger's  Zeitschrift  1836, 
2.  Band  p.  307.  Vgl.  Jellinek,  Auswahl  kabbalistischer  Mystik,  erstes 
Heft  p.  4.  Was  den  Namen  Jacob  Nasir  betrifft,  so  ist  zu  bemerken, 
dass  auch  ein  Sohn  des  Meschullam  b.  Jacob  aus  Lunel  den  Namen 
Jacob  Nasir  führte.  Vgl.  Zunz  Zur  Geschichte  p.  74«  Es  müsste  also 
zwei  Kabbalisten  Namens  Jacob  Nasir  gegeben  haben. 

81 )  Im  Eschkol  p.  11  ist  einmal  das  Buch  Jezira  citirt. 

n)  Diese  verschiedenen  Angaben  sind  zusammengestellt  bei  Jel- 
linek Auswahl  kabbalistischer  Mystik,  erstes  Heft,  p*  4. 

w)  Sehern  ha-gedolim  a.  a.  0. 

•*)  Nach  dieser  Tradition  könnte  Jacob  Nasir  mit  Jacob  b.  Me- 
schullam identificirt  werden. 

••)  Köre  ha-dorot  ed.  Cassel  p.  8. 

••)  Schem-ba-gedolim  II.  2  Nr.  113,  nfftiü  TTd  1DD  ed.  Amster- 
dam  1648,  das  auf  dem  Titel  R.  Abraham  aus  Granada  als  Verfasser 
trägt,  ist  identisch  mit  man  "1DD,  unter  welchem  Titel  es  von  Moses 
Botarel  in  seinem  Jezira-Commentar  citirt  wird.  Vgl.  Jellinek  a.  a.  O. 
p.  9.    Fürst  Bibliotheca  judaica  II.  p.  19.    Das  genannte  Werk  kann 

22* 


284  B.  Abraham  b.  Isaak 

R.  Abraham  b.  Isaak's,  Name  wird  femer  mit  einer 
Schrift  in  Verbindung  gebracht,  die  den  Titel  Baruch 
Scheamar87)  führt  und  deren  Verfasser  sich  auf  seinen 
Eschkol  beruft;  allein  man  hat  das  von  uns  besprochene 
halachische  Werk  Eschkol  mit  einem  kabbalistischen 
Werke  gleichen  Namens  verwechselt,  dessen  Verfasser 
R.  Lipmann  aus  Mühlhausen  ist88). 

Man  hat  ferner  R.  Abraham  b.  Isaak  einen  Commentar 
zum  Moreh  Nebuchim  zuschreiben  wollen89),  was  aber 
schon  aus  dem  Grunde  unmöglich  ist,  da  R.  Abraham  in 
der  Zeit,  in  welcher  der  Moreh  vollendet  wurde90),  längst 


schon  aus  dem  Grande  nicht  dem  zwölften  Jahrhunderte  angehören, 
da  es  bereits  den  Sohar  citirt.  Von  einem  Sefer  ha-berit  des  R.  Abra- 
ham b.  Isaak  ist  ausser  bei  Conforte  nirgends  die  Rede. 

ar)  "lONt?  JTÜ  ed.  ßklow  1804.  Vgl.  Eschkol  Einleitung  p.  15. 
Fürst  Bibliotheca  judaica  sub  voce. 

88 )  Vgl.  die  treffliche  Notiz  von  Senior  Sachs  Kerem  Chemed  VIII. 
p.  206.    Vgl.  Zunz'  Zur  Geschichte  p.  209,  210,  380. 

1DN6P  "p-Q,  das  Anweisungen  für  Soferim  enthält,  ist  aus  drei 
Th eilen  zusammengesetzt  a)  aus  einer  dem  Werkchen  zu  Grunde  lie- 
genden halachischen  Abhandlung  von  Abraham  Chasan  b.  Moses  aus 
Sinzheim  (1330),  einem  Schüler  des  R.  MeYr  aus  Rothenburg,  b)  aus 
ausführlichen  Randbemerkungen  zur  genannten  Abhandlung  von  Sim- 
son  b.  Elieser  aus  Sachsen  (1375\  c)  aus  einem  kabbalistisch  gefärbten 
Anhange  über  das  Alphabet  von  Lipman  aus  Mühlhausen,  dem  Ver- 
fasser eines  kabbalistischen  Werkes  Namens  Eschkol  und  des  Nizachon. 

••)  Carmoly  tptnw  "»VrU  nrtan  p.  87.  Carmoly  citirt  den  Schaare 
Zion  ms.  von  Isaak  de  Lates.  Abraham  b.  Isaak  soll  nach  der  ange- 
führten Quelle  auch  einen  Commentar  zu  Alfasi  verfasst  haben.  Lei- 
der kann  man  sich  auf  Carmoly 's  Angaben  nicht  viel  verlassen.  In 
der  Einleitung  wenigstens  zum  Schaare  Zion  findet  sich  die  betreffende 
Angabe  nicht 

•°)  Der  Moreh  wurde  1190  vollendet.  Vergi.  Grätz'  Geschichte, 
6.  Band,  p.  363.  R.  Abraham  b.  Isaak  hat  die  älteren  Schriften  Mai- 
muni's  ebenfalls  nicht  gekannt.  Das  in  den  handschriftlichen  Respon- 
sen  und  im  Eschkol  citirte  DlBDn  "IDD  ist  von  dem  Maimunischen 
Werke  gleichen  Namens  zu  unterscheiden  und  hat  R.  Chefez  zum 
Verfasser. 


Ab-bet-din  aus  Narbonne.  285 

nicht  mehr  am  Leben  war.  Abgesehen  davon,  beschäf- 
tigte sich  R.  Abraham  b.  Isaak  schwerlich  so  eingehends 
mit  der  Philosophie,  dass  er  einen  Commentar  zu  einem 
philosophischen  Werke  hätte  schreiben  sollen. 

Andere91)  wollten  umgekehrt  R.  Abraham  b.  Isaak  zu 
den  Gegnern  der  Philosophie  und  der  Wissenschaft  über- 
haupt zählen;  allein  diese  Angabe  beruht,  wie  es  scheint, 
auf  einer  häufig  wiederkehrenden  Verwechselung  R.  Abra- 
ham b.  Isaaks  aus  Narbonne  mit  einem  Gelehrten  gleichen 
Namens  aus  Montpellier92).  Letzterer  ist  entweder  der 
Vater  Salomo's  aus  Montpellier,  eines  Hauptgegners  Mai- 
muni's  (1231),  oder  Abraham  b.  Isaak  aus  Montpellier  in 
Carpentras,  der  in  dem  Streite  des  Salomo  b.  Aderet  eine 
hervorragende  Rolle  spielte93). 

R.  Abraham  b.  Isaak  wurde  auch  zu  den  liturgischen 
Dichtern  gezählt94),  allein  man  hat  ihn  mit  Abraham  ha- 
cohen,  einem  Zeitgenossen  des  R.  Joseph  Bon-fils,  ver- 
wechselt96). 

VI. 

Wir  geben  nun  mehrere  grösstentheils  aus  den  hand- 
schriftlichen Responsen  geschöpfte  Notizen  über  die  Be- 
ziehungen R.  Abraham  b.  Isaak's  zu  seinen  älteren  und 
jüngeren  Zeitgenossen.  Wir  haben,  um  den  Zusammen- 
hang der  Darstellung  nicht  zu  stören,  diese  Notizen  auf 
das  Ende  der  Abhandlungen  aufgespart. 
a.  R.  Abraham  b.  Isaak  war  ein  Zeitgenosse  R.  Jacob's 
aus  Ramerü  oder  R.  Tams,  den  er  oft  citirt96);  da  er 


91 )  Rapoport  Bicure  ha-ittim  XI.  p.  99. 
M)  Vgl.  Eschkol  Einleitung  p.  7. 

••)  Vergl.  Perles,   Salomo  ben  Adereth.    Sein  Leben  und  seine 
Schriften  p.  47. 

M)  Wolf  Heidenheim  WDW1 OWDH  1DND  I:  rVo!>  rfotl  1W  13P1 

•TWBoa  flTDn  nrafc  wü  kvi  mnn  nra  nwy  wn  o:  t^id  ruo  rfro 

•■)  Vergl.  Landshut  Araude  ha-abodah  p.  3.    Vgl.  Salomo  Luria 
Responsen  Nr.  29.    Grätz'  Geschichte  6.  Band,  p.  395  N.  5. 

••)  Dass  er  seine  Schriften  gekannt  hat,  folgt  aus  Eschkol  p    110 

ara  :inD-)D  apjp  '-i  nm. 


286  B.  Abraham  b.  Isaak, 

seiner  als  eines  längst  Verstorbenen  gedenkt97),  so 
folgt  daraus,  dass  er  etwa  1172,  d.  b.  ein  Jahr  nach 
dem  Tode  des  R.  Tarn,  noch  am  Leben  war08).  Dass 
er  1170 — 1171  noch  am  Leben  war,  geht  ferner  dar- 
aus hervor,  dass  Benjamin  von  Tudela")  in  demsel- 
ben Berichte,  in  dem  er  von  seinem  Aufenthalte  in 
Narbonne  spricht,  des  R  Abraham  b.  Isaak  als  eines 
noch  Lebenden,  des  R.  Mescbullam  b.  Jacob  aus  Lünel 
dagegen,  der  um  1170  starb100),  als  eines  bereits  Ver- 
storbenen erwähnt.  Dass  er  um  1185  — 1186101)  nicht 
mehr  am  Leben  war,  geht  daraus  hervor,  dass  Se- 
rachja  Geruadi  in  seinen  Glossen  zu  Alfassi  seiner 
als  eines  Verstorbenen  gedenkt109).  Das  Todesjahr 
R.  Abraham  b.  Isaaks  fallt  daher  zwischen  1172  bis 
1185108).  Da  er  ein  hohes  Alter  erreicht  hat,  so  fällt 
seine  Geburt  vielleicht  mit  dem  Tode  Raschids,  das 
ist  1105,  zusammen. 

R.  Abraham  b.  Isaak  kann  daher  nicht  bei  Moses 
ha-Darschan,  der  in  der  Mitte  des  elften  Jahrhunderts 
geblüht  hat,  gehört  haben,  er  war  vielmehr  der  Schüler 


•r)  Responsen  ms.  Nr.  497.    Temim  Deim   Nr.  140  '«DD  TIJ/OB> 

••)  Die  Angabe  Meiri's  Einleitung  zu  Abot  p.  17,  dass  R.  Abraham 
b.  Isaak  t^pnn  *»  1159  gestorben  sei,  kann  daher  nicht  richtig  sein. 
Vgl.  Zunz  in  Geiger's  Zeitschrift  1836,  II,  309. 

••)  Itinerarium  Anfang. 

100 )  mVT  B3ff  citirt  von  Gräte  Geschichte  6.  Band.  p.  397. 

101)  Serachja  starb  1186  vid.  rniiT  Ü2tP  a.  a.  O.  Die  Glossen 
Serachja's  zu  Alfasi  wurden  vom  Verfasser  sehr  früh,  ja  bereits  in  sei- 
ner Jugend  angelegt,  vgl.  Sehern  ha-gedolim  I  sub  voce;  allein  daraus 
kann  man  in  Bezug  auf  die  darin  erwähnten  Personen  keine  Fol. 
gerungen  ziehen,  da  der  Text  von  Seiten  des  Verfassers  selbst  viel- 
fache Aenderungen  erlitten  hat,  so  dass  der  Zusatz  ?"?  später  in  den 
Text  gekommen  sein  kann.  Vergl.  Geiger  Ozar  Nechmad  II.  Jahr- 
gang p.  8. 

los)  Maor  B.  Mezia  Abschnitt  II.  das.  IX. 

,0>)  Das  Datum  1205  im  Juchasin  ed.  Flipoweki  p.  220  ist  daher 
gewiss  falsch.  Die  Angabe  Meiri's  t^pnn  ist  vielleicht  in  ühpDD  zu 
emendiren, 


Ab-bet-din  aus  Narbonne.  287 

von  Personen,  die  bei  Moses  ha-Darschan  oder  dessen 
Jüngern  gehört  haben,  woraus  wohl  der  Irrthum  ent- 
standen sein  mag104), 
b.  Der  Hauptlehrer  R.  Abraham  b.  Isaak's  war  R.  Moses 
b.  Joseph  b.  Merwan  ha-lewi105),  der  Brudersohn  des 
R.  Isaak  b.  Merwan  ha-lewi  und  wahrscheinlich  Schü- 
ler des  R.  Moses  des  Demüthigen106)  aus  Narbonne. 
R.  Moses  b.  Joseph  blühte  in  der  ersten  Hälfte  des 
zwölften  Jahrhunderts,  war  Einer  der  bedeutendsten 
Gesetzeslehrer107)  von  Narbonne,  er  führte  den  Titel 
Gaon108).  Seine  Responsen  werden  in  älteren  Re- 
sponsen-Sammlungen  sehr  oft  angeführt109).  Er  war 
auch  der  Lehrer  Serachja  Gerundi's110)  und  des  Ra- 
bed111),  woraus  hervorgeht,  dass  R.  Abraham  ben 
Isaak,  der  Schwiegervater  des  Letzteren,  noch  ziemlich 
jung  war,  als  er  bei  R.  Moses  b.  Joseph  gehört  hatte. 
Er  pflegte  ihm  noch  später  seine  Responsen  vorzu- 
legen112), bevor  er  sie  abschickte;  das  Amt  eines  Ab- 
bet-din  bekleidete  R.  Abraham  b.  Isaak  noch  bei  Leb- 
zeiten seines  Lehrers,  weshalb  in  dem  besprochenen 
Responsum  des  Narbonnensichen  Rabbinatscollegiums 
in  den  Unterschriften  sein  Name  vor  dem  seines 
Lehrers  figurirt118). 


104)  Juchasin  p.  84  und  217.  Sehern- ha -gedolim  sub  voce  vergl. 
Additamenta  zur  Stelle. 

,0»)  Responsen  ms.  Nr.  517  rpy»  l"2  WD  '")  pr\2\ün  tn  Dy  TTUl 
das.  Nr.  520.    606. 

lo6)  Juchasin  a.  a.  O. 

10  r)  Meiri  a.  a.  0. 

10>)  Kaftor  wa-pherach  ed.  Edelmann  Einleitung  p.  33. 

1M)  Temim  Deim  Nr,  78,  111,  137.    Sefer  ha-terummot  49,  4. 

Uo)  Maor  Gittin  Abschnitt  IL 

1U)  Temim  Deim  Nr.  106. 

1U)  Responsen   ms.  Nr.  706.    Responsum   an   Meschullam  b.    J. 

^  rmni  JH  rpv  itf3  rwo  ,mf?  mwnn  anann  ita  i?  totw  nnw 

vgl.  das..  Nr.  719  ^|  rpV  "\"2  7WÜ  "")  3"&  nKT  VTO  Wim. 

&1>)  Vgl.  °l)en  Anmerkung  46.  Der  Unterschrift  des  Ab-bet-din 
geht  daselbst  die  des  Nasi  voraus. 


288  R.  Abraham  b.  Isaak, 

c.  R.  Abraham  b.  Isaak  hat  ausserdem  bei  R.  Isaak  b. 
Merwan  ha-lewi  gehört114),  der  im  ersten  Drittel  des 
zwölften  Jahrhunderts  in  Narbonne  geblüht  hat116), 
als  rabbinische  Autorität  galt116)  und  wahrscheinlich 
nach  Moses  dem  Demüthigen  Oberhaupt  der  Hoch- 
schule war.  Er  starb  vor  dessen  Bruder  R.  Joseph 
kinderlos117)«  Seine  Decisionen  und  Responsen  wer- 
den oft  angeführt118). 

d.  Ausserdem  gilt  allgemein  R.  Jehuda  b.  Barsilai  ha- 
Nasi  aus  Barcelona,  der  um  1130  geblüht  hat,  als 
Lehrer  R.  Abraham  b.  Isaaks110).  Letzterer  spricht 
von  seinem  Lehrer  mit  grosser  Verehrung,  er  wandte 
sich  oft  an  ihn  um  Auskunft  über  Anfragen,  die  an 
ihn  ergangen  waren iao),  er  citirt  ihn  häufig  und  bringt 
zuweilen  längere  Auszüge  aus  dessen  halachischen 
Schriften ,ai). 


11 4>  Responsen  ms.  Nr.  406  $>"T  ^H  ]\~\ü  p  h"l  j?TBP  '1D  TiyDP 
Vgl.  Eschkol  p.  9,  17 pW  XT1  1DK  anOH  "91. 

,I6)  V.TemimDeimNr.l88(d  i.JbnMigaach)^nipVTW3Tl  3TD 
^1  pD  pN  pPW  '")  3TT1  OBQ  vgl.  Eschkol  Einleitung. 

11#)  Meü-i  a.  a.  0. 

11  r)  Vgl.  Sefer  ha-terummot  14,  3. 

lie)  Temim  Deim  Nr.  169.  188.  u.  a.  m. 

"•)  Responsen  ms.  609.  (1.  V^TO)  "W^l  ^  p  iTWT  OTI.  Vgl. 
Eschkol  p.  90  mVT  '"I  mnD  TiyDff  vgl.  Simon  Duran  Responsen  III. 
Nr.  238.  vgl.  Zanz  Additamenta  ad  Cod.  Lips.  Nr.  31. 

It0)  Responsen  ms.  Nr.  719  'Ol  yti>  $>Ntfc£  Tljna  V*\. 

lsl)  Diese  Schriften  werden  aber  meist  blos  unter  dem  Namen 
Halacbot  angeführt.  Z.  B.  Responsen  ms.  Nr.  518.  das.  704.  Ueber 
diese  Schriften,  von  denen  uns  keine  einzige  erhalten  ist,  herrscht 
viel  Unklarheit.  Ich  stelle  die  älteren  Angaben  über  die  Werke  Bar- 
silai's  zusammen.  Schalschelet  ha-Kabbala  ed.  Ven.  p.  40.  (PHllT  '"0 
1DD  h<1pJ  njTlD  vp-ni  -|BO  TN»  DtfT»  1DD  hOpJ  OHM  MH3  TOD  13PI 

.onawm  otküpi  np^noa  ^ru  -nan  "am  rmw  y\pt)  todi  Dvij/n 

Asulai  sub  voce  aus  einem   anonymen  Manuscripte:    Tun  "DT! 

D'1  ^d  narrn  mo  p«D  na™  pom  otto  ^m  mo^nn  fea  naaji  fcru 
.onyn  tod  Tanon  an  Nim  -ira^  Dnefpyoi  ■»£  t»ti  ü* 

a.    In  den  uns  vorliegenden  Responsen  Nr.  710  ist  citirt  bttt  DtM  T1D 

mvr  n  mn  bald  darauf  onay  nnat?  nataa  *£&>  tod3  wy,  es 


Ab-bet-din  aus  Narbonne.  289 

e.  Kehren  wir  nun  von  Marseille,  wo  Jehuda  b.  Barsilai 
wahrscheinlich  gelebt  hatte,  nach  Narbonne  zurück, 
so  begegnen  wir  daselbst  ausser  den  bereits  Genann- 
ten mehreren  hervorragenden  Gelehrten,  welche  gleich- 
zeitig mit  R.  Abraham  b.  Isaak  gelebt  haben.  Wir 
nennen  vor  Allem  die  Narbonnensische  FQrstenfamilie, 
in  der  es  mehrere  bedeutende  Männer  gab,  wie  To- 
dros  b.  Moses192)  und  dessen  Söhne  Kalonymös ias) 


werden  nun  mehrere  den  Verkauf  von  Sklaven  betreifende  Fragen 
besprochen.  Es  unterliegt  nun  keinem  Zweifel,  dass  das  zuletzt 
citirte  Werk  mit  dem  genannten  "lt&Q  ")NtP  D11T  identisch  ist,  und 
es  folgt  daraus,  dass  es  nicht  ausschliesslich  eherechtliche  Fra- 
gen behandelte,  sondern  sich  auch  auf  andere  in  den  Tractaten 
Kidduschin  und  Oittin  vorkommende  Punkte  erstreckte.  Es  dürfte 
ein  halachischer  Codex  und  Commentar  zugleich  zu  den  Tractaten 
Jebamot,  Ketubot,  Kidduschin  und  Gittin  gewesen  sein,  und  würde 
demnach  einen  Theil  des  von  Asulai  erwähnten  umfassenden  tPlTD 
pDDI  zum  Talmud  gebildet  haben. 

b.  DTiyn  ~)DD  handelte  nicht  blos  über  Festbestimmungen,  sondern 
umfasste  viele  Gegenstände,  die  mit  den  Festbestimmungen  in  kei- 
ner Beziehung. standen.  Das  folgt  aus  den  Citaten  im  Temim  Deim 
Nr.  62,  104,  140,  142,  176,  180,  242  u.  a.  m.  Wie  Uta  "INff  D1PP 
ganz  DUM  "TID  so  umfasste  DTIJ/H  "1DD  wahrscheinlich  1]flö  VID 

c.  Ebenso  umfassend  war  sein  Responsenwflrk,  aus  dem  wahrschein- 
lich R.  Abraham  b.  Isaak  den  grössten  Theil  der  von  ihm  citirten 
gaonäischen  Responsen  geschöpft  hat     Das  Werk  ist  citirt  Eschkol 

p.  64  otküti  nip^no  mcü  m  yojn  ara  b"i  rnirr»  n  avn  vgl.  das 

oben  citirte  Werk  lüKW  "jra  p.  11,  das.  15  13TW  OTKÜT1  HOttTI 

.^ra  "13  otp  wn  ü^y  ara  rpv  "\ 

d.  nffütf  "ppn  ")DD,  in  ßefer  ha-terummot  blos  ffllBlWI  1DD,  erstreckte 
sich,  wie  ebenfalls  aus  den  Citaten  im  Sefer  ha-terumroot  hervor- 
geht, auf  das  civilrechüicbe  Gebiet  überhaupt. 

lM)  MeSri  a#  a.  O.  Vergl.  oben  Anmerkung  46.  Juchasin  p.  84. 
Die  Fürstenfamilie  war  sehr  verzweigt  und  die  Namen  Todros  Kalo- 
nymös und  Moses  kehren  oft  wieder.  Daher  die  häufige  Verwech- 
selung dieser  Namen  z,  B.  Mein  a.  a.  0.  „Todros  und  dessen  Sohn 
Lewi  die  hohe  Ceder".  Vergl.  Isaak  de  Lates  a.  a.  O.  „Der  Fürst 
Moses  b.  Todros  and  dessen  Sohn  Lewi  die  hohe  Ceder."  Vergl. 
Schalschelet  ha-kabbala  p.  54.    Vgl.  Zunz'  Zur  Geschichte  p.  480. 

"')  Vgl.  Benjamin  von  Tudela  a.  a.  0. 


290  R.  Abraham  b.  Isaak, 

und  Moses114).  Der  Sohn  des  Letzteren,  R.  Levi,  „die 
hohe  Ceder"  genannt,  der  von  Charisi1*5)  gefeiert 
wird,  war  zur  Zeit  R.  Abraham  b.  Isaaks  noch  sehr 
jung. 

f.  Ausser  dem  Nasi  Todros  b.  Moses  werden  noch  als 
Kollegen  R.  Abraham  b.  Isaak's  genannt:  R.  Mei'r  b. 
Jacob1*0)  und  R.  Meschullam  b.  Nathan197).  Letzterer 
ist  wahrscheinlich  der  Verfasser  eines  Bibelcommen- 
tars,  den  der  anonyme  Commentator  der  Chronik 
citirt1*8),  der  in  der  ersten  Hälfte  des  zwölften  Jahr- 
hunderts in  Narbonne  gelebt  hat. 

g.  R.  Abraham  b.  Isaak  gedenkt  ausser  Meschullam  b. 
Nathan  folgender  Gelehrten  von  Narbonne,  die  er 
über  talmudische  Anfragen,  die  an  ihn  ergangen 
waren,  zu  Ratbe  zu  ziehen  pflegte199): 

I.  R.  Melr  b.  Joseph,    ein  hervorragender   Ge- 
lehrter, der  den  Titel  Gaon180)  führte  und  ein 


W4)  Vielleicht  derselbe,  der  in  dem  so  oft  erwähnten  Repsonsum 
aus  Narbonne  citirt  wird.    Vgl.  oben  Anmerkung  46. 

lti)  Tachkemoni  46. 

i»tj  Vgl  oben  Anmerkung  46. 

llr)  Das.  vgl.  Köre  ha-dorot  ed.  Cassel  p.  13  wo  ein  Meschullam 
b.  Nathan  zu  den  Gelehrten  von  Narbonne  gerechnet  wird.  In  den 
Responsen  ms.  z.  B.  Nr.  495.  findet  sich  oft  Q^tiPD  '")D  TiyDP,  es  ist 
dies  wahrscheinlich  der  genannte  Meschullam  b .  Nathan  aus  Narbonne, 
nicht  zu  verwechseln  mit  Meschullam  b.  Nathan  aus  Melun,  dem  Cor- 
respondenten  des  R.  Tarn. 

1,e)  Vergl.  den  den  Namen  Raschids  tragenden  Commentar  zur 
Chronik  II.  Chronik  13,  2.  Vergl.  Kerem  Chemed.  Y.  p.  241.  Der 
Commentator  citirt  blos  R.  Meschullam,  allein,  dass  man  an  Meschullam 
b.  Jacob  aus  Lunel  nicht  denken  darf,  folgt  daraus,  dass  I.  Chronik 
4,  31.  16,  35,  Elieser  der  Sohn  des  genannten  Meschullam  citirt  wird, 
Meschullam  aus  Lunel  aber  hatte  keinen  Sohn  Namens  Elieser.  Vgl. 
Benjamin  von  Tudela  a.  a.  0. 

,,g)  Responsen  ms.  Nr.  606:  TND  '1  )tO  *?&  UVin  3D  DJ/  TTOl 

ütüh  *i"3  mpTn  '"i ,  foiDB>  i"3  pror»  ") ,  in:  'm  d$wö  'i ,  rpv  ifi 

.  rrnrr  t* 2  -m  *yi 

1,0 )  VgL  Eaftor  wa-pherach  Einleitung  p.  33. 


Ab-bet-din  aus  Narbonne.  291 

Schüler  von  R.  Isaak  b.  Merwan  ha-lewi  war, 
dessen  Decisionen  er  oft  anführt111). 
IL  R.  Isaak  b.  Samuel,   wahrscheinlich  derselbe, 
den   der  anonyme  Commentator   der  Chronik 
öfter  citirt18*)* 

III.  Chiskia  b.  Abraham1*3)  und 

IV.  R.  David  b.  Jehuda. 

h.  R.  Abraham  b.  Isaak  erwähnt  ferner  folgender  Ge- 
lehrten, von  denen  er  Decisionen  mittheilt,    die  er 
selbst  von  ihnen  gehört  hat: 
.  I.  R.  Samuel  b.  Moses184),  ein  bedeutender  Ge- 
lehrter aus  der  Provence186). 
IL  R.  Matatia186)  und 
III.  R.  Jacob  ha- cohen187). 


1,1 )  Temim  Deim  Nr.  122  vgl.  Maor  zu  Beza  Abschnitt  III  und 
sonst. 

"»)  I.  Chronik  9,  39.  18,  3.  5,  II.  Chronik  24,  14.  Vgl.  Kerem 
Chemed  a.  a.  0.  Nicht  zu  verwechseln  mit  dem  gleichnamigen  Ur. 
enkel  Raschi's,  welcher  zum  Unterschiede  von  seinem  Narbonnensischen 
Namensvetter  oft  TlD")Un  genannt  wird.    Vgl.  Temim  Deim  Nr.  203. 

1M)  Bei  Salomo  Luria  Responsen  Nr.  29  ist  ein  Chiskia  aus  Auxere 
(~11Ü?N)  genannt,  der  um  dieselbe  Zeit  als  Chiskia  aus  Narbonne  gelebt 
haben  dürfte«  Es  gab  auch,  wenn  ich  nicht  irre,  einen  Paitan  gleichen 
Namens  aus  dieser  Zeit. 

IM)  Responsen  ms.  Nr.  500  WD  1"2  $WDt?  ")D  TlJrtW. 

1M)  Juchasin  p.  84  und  217.    Vgl.  Temim  Deim  Nr.  171. 

lii)  Responsen  ms.  Nr.  434.  KnrWjTI  lTPnriD  '1  ^DD  TiyDB>.  Der 
Ortsname  Castra  und  Castro  kommt  so  häufig  vor,  dass  sich  durchaus 
nicht  bestimmen  lässt,  welcher  Ort  an  unserer  Stelle  gemeint  sei,  wahr- 
scheinlich ist  es  Castres  bei  Toulouse.  In  dem  von  Dukes  „Ehren- 
säulen" p.  30  besprochenen  „Römischen  Rituale"  begegnen  wir  einem 
liturgischen  Dichter  NnnDpD  2pjp  "O  DiTDNYgL  Kerem  Chemed  IV.  p.  38. 

liT)  Respons.  ms.  Nr.  704.  fcnw  1  n  W  yiOTi  apjp  '")  *W  ^nyDB> 

tdki  toenw  'i  DDnn  vAy  «nw  rrnnn  nroa  üfo\y  vn  vnrarn  snom 
wm  **bvnQ  aro  ort?  ton  nimn  rata  h  ytün  lrppoy  >nd3  arf? 

IHN  b)}  PlJtW  vgL  über  diese  Stelle  Tossafot  Berachot  p.  IIb.  üeber 
die  Namen,  die  in  dem  citirten  Responsum  vorkommen,  ist  Folgendes 
zu  bemerken: 


292  R.  Abraham  b.  Isaak, 

i.  Von  den  Gelehrten,  mit  denen  R.  Abraham  b.  Isaak 
correspondirte,  das  h eiset,  welche  Anfragen  an  ihn 
richteten,  ist  vor  Allem  R.  Meschallam  b.  Jacob  aus 
Lunel  zu  nennen138),  dessen  Sohn  R  Ascher,  ein  be- 
deutender Talmudgelehrter189),  die  uns  vorliegenden 
Responsen  an  R.  Meschullam,  wie  wir  bereits  bemerkt 
haben,  theilweise  geordnet  hat. 

Der  Ton,  der  in  diesen  Responsen  herrscht,  ist  nicht 
der  eines  Lehrers,  sondern  eines  gelehrteren  Freundes. 
R.  Meschullam,  der  übrigens  als  rabbinische  Autorität 
galt140),  war  vielleicht  talmudisch  minder  gelehrt  als  sein 
Narbonnensischer  Freund,  aber  er  überragte  ihn  sicher- 
lich durch  die  Vielseitigkeit  seines  Wissens.  Er  hat  sich 
auf  mehreren  literarischen  Gebieten  zugleich  versucht 
und  wenn  er  auch  nirgends  Bedeutendes  und  Bleibendes 
geleistet,  so  hat  er  doch  nach  allen  Seiten  hin  höchst  an- 


a.  In  unserer  Sammlung  ist  das  citirte  Responsum  Abraham  b.  Isaak, 
in  t0p7n  'hlW  Nr.  2  dagegen  Abraham  b.  David  zugeschrieben. 
Y3N")  ist  daselbst  gewiss  =  Y3N  Tl. 

b.  yiDH  3p]P  '"/  ist  ms.  Nr.  518  in  yTDH  v'~)  abgekürzt  und  diese  Ab- 
breviatur ist  corrumpirt  in  fon  '"1.  Dasselbe  Corruptel  in  *b)2W 
Vpbn  a.  a.  0.  Tosafot  B.  Mezia  27  a  und  Sota  38  a  ist  yon  *,m\ 
vielleicht  abgekürzt  von  y\Dr\  3pJP  '1  Zunz,  zur  Geschichte  p.  51 

liest  yan  rrnm  *i. 

c.  Samuel  ist  selbstverständlich  Samuel  b.  Mei'r,  der  ältere  Bruder  des 
R.  Tarn. 

d.  Asriel  ist  Tosafot  Kidduschin  p.  6  a  B.  Kama  p«  10  a  citirt  und  wie 
in  unserer  Stelle  so  auch  dort  in  Controversen  mit  R.  Samuel 
b.  Mefir. 

1,a)  Die  Zeit,  in  die  die  Responsen  an  R.  Meschullam  fallen,  ist 
1130—  1140,  d.  h.  kurz  nach  dem  Tode  Jehuda  b.  Barsilai's. 

"•)  Vgl.  Temim  Deim  Nr.  102,  Nr.  203,  sehr  oft  im  Sefer  ha-te- 
rummot  blos  R.  Ascher  genannt.  Er  hat  ein  ntiTUDH  "MDD  verfasst, 
aus  dem  der  Verfasser  des  Kol-Bo  sehr  Vieles  geschöpft  hat  Seinem 
Namen  begegnet  man  fast  auf  jeder  Seite  des  Kol-Bo.    Vgl.  das.  24. 

.myuon  iddd  ton  'n  nuno  m  5o 

uo)  Seine  Responsen  werden  oft  angeführt,  vgl.  Sefer  ha-terum- 
mot  Pforte  46,  Theil  4. 


Ab-bet-din  aus  Narbonne.  293 

regend  gewirkt.  Er  regte  einerseits  Ibn  Tibbon  an, 
Bacbja's  Chobot  ha-lelabofc  in's  Hebräische  zu  übertragen141) 
und  andererseits  seinen  Jünger  den  Rabed,  einen  hala- 
chischen  Codex  anzulegen142). 

Kehren  wir  nun  zu  R.  Abraham  b.  Isaak  zurück;  er 
correspondirte  viel  mit  R.  Joseph  b.  Chen148),  der  gewiss 
der  edlen  und  berühmten  Familie  Chen  oder  Graciano 
in  Barcellona  angehörte.  Zur  Zeit  des  R.  Abraham  ben 
Isaak  ragte  besonders  der  Nasi  Schaltiel  als  Haupt  der 
genannten  Familie  in  Barcelona  hervor144).  R.  Joseph, 
ein  Verwandter  des  Letzteren,  stand,  als  er  mit  R.  Abra- 
ham correspondirte,  noch  im  jugendlichen  Alter146).  Er 
wurde,  noch  jung,  zum  Lehramt  berufen  und  R.  Abraham 
b.  Isaak  macht  ihn  indirect  darauf  aufmerksam,  dass  er 
sich  durch  dies  ihm  von  allen  Seiten  reichlich  gespendete 
Lob  nicht  abhalten  lassen  solle ,  sein  Wissen  immerfort 
zu  erweitern146). 

Als  dritter  Correspondent  wird  ein  R.  Nathan  b.  Mor- 
dechai  aus  Lünel  genannt.  Ein  Responsum  an  den  Letz- 
tern über  Tefilin  ist  handschriftlich  vorhanden147). 

Wir  schliessen  mit  dem  vierten  Correspondenten148), 
mit  R.  Abraham  ben  David,  dem  Schwiegersohne149)  R. 

141 )  Vgl.  oben  Anmerkung  27. 
*  l")  Vgl.  Temim  Deim  Nr.  14  TITm  TüWl  "IDD3  HTD  TOTO  1331 

h":  ahm*  '-i  am  *xh  *mara  vgl.  das.  Nr.  9  Nr.  245. 

l4S)  Vgl.  oben  Anmerkung  54.  Das  ms.  hat  )T\  "13.  Ich  emen- 
dire  in  "jü  "13  d.  h.  der  Familie  Chen  angehörig,  über  diese  Familie 
vgl.  Steinschneider  in  Ozar  Nechmad  IL  Jahrgang  p.  229.  Zunz  gab 
in  der  A9cher'schen  Ausgabe  des  Itinerarium  des  Benjamin  von  Tudela 
einen  besonderen  Excurs  über  die  genannte  Familie.  Diese  Ausgabe 
stand  mir  bei  meiner  Arbeit  nicht  zu  Gebote. 

l44)  Benjamin  von  Tudela  Anfang. 

I4B)  Folgt  aus  dem  Tone,  der  in  diesen  Responsen  herrscht. 

14  •)  Responsen  ms.  Nr.  488. 

14  J)  Vgl.  De  Rossi  cod.  159. 

14 *)  Der  grÖ88te  Theil  der  den  Namen  R.  Abraham  b.  Isaaks  tra- 
genden Responsen  von  Temim  Dei'm  sind  gewiss  an  den  Rabed  ge- 
richtet. 

&")  Vgl.  Isaak  de  Lates  a.  a.  0.  MeVri  a  a.  0.  Vgl.  Sehern  ha  - 
gedolira  sub  voce. 


294        R.  Abraham  b.  Isaak,  Ab-bet-din  aus  Narbonne. 

Abraham  b.  Isaak's.  Der  Rabed  spricht  von  seinem  Lehrer 
R.  Abraham150),  mit  dem  er  sehr  oft  in  älteren  Schriften 
verwechselt  wurde161),  mit  grosser  Verehrung;  aber  er 
nahm  ihm  gegenüber  eine  ganz  selbstständige  Stellung 
ein.  Er  berichtet  über  einen  heftigen  Disput  über  ein 
talmudisches  Thema,  den  er  mit  seinem  Schwiegervater 
hatte  und  in  dem  der  Letztere  ihm  nachgeben  musste  '**). 
Das  ist  eben  der  Grundzug  des  Charakters  B.  Abraham 
b.  Davids,  dass  ihm  die  Wahrheit  über  jede  Rücksicht 
ging.  Was  lag  ihm  z.  B.  in  einem  Dispute  daran,  dass 
sein  Gegner  sein  Schwiegervater  und  Lehrer  zugleich  war? 
Die  Wahrheit  muss  doch  das  letzte  Wort  haben. 

B.  Abraham  b.  Isaak  hat  noch  den  Ruhm  seines  Seh  wie« 
gersohnes  erlebt,  aber  er  starb  noch  zeitlich  genug,  um 
nicht  seinen  eigenen  Ruhm  zu  überleben.  In  dem  Mai- 
munischen  Streite,  dessen  Schauplatz  in  der  folgenden 
Epoche  hauptsächlich  die  Provence  war,  trat  der  Name 
des  seiner  Zeit  gefeierten  Gesetzeslehrers  von  Narbonne 
ganz  in  den  Hintergrund.  Man  griff  dessen  Schriften 
nicht  an,  man  verbrannte  und  verdammte  sie  nicht,  aber, 
es  widerfuhr  ihnen  Schlimmeres  —  man  vergass  sie. 


lM)  Temim  Deim  Nr.  39  u.  a.  m. 

151 )  Vgl.  Eschkol  Einleitung.  Vgl.  oben  Anmerkung  137  12"H1 
und  T"3N  21  wurden  oft  verwechselt  R.  Abraham,  Ab-bet-din  wurde 
sehr  oft  in  Y'3N"1  abgekürzt,  z.  B.  Bp£n  "fco*  Nr.  15  ist  "U"Nn  — 
Y'3N  m  nach  ms.  Kr.  607.  Bet  Joseph  Nr.  22.  zur  Stelle  xles  Tur 
3TO  DnDK  "Vn  ist  Anfangs  der  Stelle  72"tC\  =  T2H  31  nach  ms. 
Nr.  €06,  vgl.  oben  Anmerkung  129.  Die  daselbst  genannten  Gelehrten 
sind  eben  die  in  Bet-Joseph  a#  a.  0.  erwähnten  nyarti  "»DD!"!. 

1M)  Temim  Deim  Nr.  56. 


Wiederherstellung  einer  im  Arucb  gefälschten  Stelle.    295 


Wiederherstellung  einer  seit  800  Jahren  im  Aruch 

gefälschten  Stelle. 


In  allen  Schriften  aus  der  alten  und  mittelalterlichen  Welt 
stossen  wir  oft  auf  einxelne  Wörter  oder  ganze  Sätze,  welche 
jeder  geregelten  Erklärungskunst  widerstehen,  weil  sie  allein- 
stehend, ohne  Zusammenhang  mit  ähnlichen  Sprach  -  Erschei- 
nungen und  Begriffen  sich  den  nachgeborenen  Geschlechtern 
darstellten,  oder  weil  ihre  Gestalt  sich  beim  Durchgang  von 
Händen  zu  Händen  fleiss-  oder  gewissenloser  Abschreiber  sich 
geändert,  wobei  der  Fehler,  welcher  Platz  im  Texte  gegriffen, 
seiner  Fortdauer  durch  Herkommen,  Scheu  vor  Aenderung  selbst 
bei  besserem  Wissen  und  wissenschaftliche  vis  inertiae  Ober- 
haupt für  lange  Zeiten  sicher  ist.  Bei  den  Schriften  der  ju- 
dischen Vorzeit  begünstigt  noch  ein  anderer  Umstand  die  starre 
Aufrechthaltung  hergebrachter  Irrthümer:  die  fromme  Heilig- 
achtung der  Texte  und  ein  gewisses  Gefühl  von  Unantastbarkeit 
der  Worte,  aus  denen  sie  zusammengesetzt  sind.  Aber  es  treten 
oft  Fälle  auf,  wo  grade  die  Verehrung  für  den  Namen  der  Schöpfer 
jener  Texte  gebieten  müsste,  das  überkommene  Gebot  der  Un- 
antastbarkeit ihrer  verstümmelten  oder  ihnen  unteqgeschobenen 
Worte  ausser  Kraft  zu  setzen;  Fälle,  in  denen  die  überlieferte 
und  doch  verwerfliche  Form  oder  Erklärung  gegen  den  Namen 
der  unsterblichen  Verfasser,  ohne  deren  Schuld,  Verwunderung 
und  Spott  bewaffnet.  Beim  Eintritt  eines  solchen  Falles  lässt 
sich  auf  das  wissenschaftliche  Streben  des  redlichen  Forschers 
eine  zweite  Weihe  herab,  die  der  hinzutretenden  Pietät  und  des 
daraus  entspringenden  Strebens,  ein  Rettungswerk  für  das  be- 
leidigte Andenken  jener  Männer  zu  vollziehen,  den  Makel  der 
Albernheit  von  ihrem  Namen  zu  trennen.  In  diesem  Sinne  hat 
auch  JQ1  bei  ähnlichem  Vorkommnis s  ausgerufen: 

(Baba  Mezia  62,  b  und  öfter). 
Aber  keine  misshandelte  Stelle   dieser  Art  ist  rettungsbe- 
dürftiger, als  die  Wurzel  D^N  hn  Aruch  des  Natan  ben  Jechiel. 


296  Wiederherstellung  einer  seit  800  Jahren 

Wurzelwort  und  Erklärung  daselbst  in  ihrer  jetzigen  Gestalt 
richten  nicht  blos  das  Befremden  des  gesunden  Verstandes  auf 
den  sonst  so  klaren  Geist  Natan  ben  Jechiel's,  nein,  sie  fuhren 
auf  denselben  und  zugleich  auf  den  Targu misten  Jonathan  den 
Vorwurf  der  Lächerlichkeit.  Hier  wie  nirgends  ist  eine  Emen- 
dation  heilsam,  rettend.  Um  aber  den  Weg  zur  Lösung  der 
Aufgabe  gänglicher  zu  machen,  scheint  es  zweckmässig,  densel- 
ben in  drei  Absätzchen  zu  sondern,  und  dem  Auge  des  Lesers 
3  Rubepunkte  zu  widmen  mit  den  Ueberschriften : 

1)  Verfälschung, 

2)  Verbesserung, 

3)  Vermuthnng. 

I.    Verfälschung. 

Das  hebräische  Wort  }rÖ  wechselt  seine  Wiedergabe  bei 

den  Targumim  dreifach  je  nach  der  zu  bezeichnenden  Stellung 
der  Persönlichkeit,  welche  der  Begriff  einschliesst.  Die  vor- 
herrschende Grundbedeutung  ist:  „Würdenträger".  In  dieser 
geistlichen  Bedeutung  nimmt  der  Cbaldäer,  unterscheidend,  auf 
die  religiöse  Angehörigkeit  des  jro  Rücksicht.  Ist  der  Altar- 
diener ein  Priester  in  Israel,  so  wird  die  hebräische  Einkleidung 
nur  chaldäisch  zugeschnitten,  jrp  wird  jrp  /  WHDj  ist  aber  von 

einem  götzendienerischen  oder  sonst  nicht  israelitischen  Pfaffen 
die  Rede,  so  wird  das  im  Hebräischen  seltene,  im  Aramäischen 
aber  häufige  *)fc1D  dafür  gesetzt.  Ist  dagegen  der  Begriff  mit 
dem  Altardienst  nicht  verbunden,  oder  wenigstens  nicht  darauf 
beschränkt,  so  geben  Onkelos  sowol  wie  die  beiden  Jonathan 
das  hebräische  Wort  durch  das  umfassendere  K^H  wieder,  wel- 
ches Würdenträger  im  Allgemeinen  bedeutet.  Letzteres  finden 
wir  z.  B.  immer  im  Onkelos  bei  dem  Epitheton  unseres  Jethro 
jnip  )TD>  Exodus  2, 16.  3, 1.  18,  1  und  ebenso  übersetzt  Pseudo- 
jonathan  an  der  zweiten  Stelle.  Um  so  stärker  wird  man  da- 
her überrascht,  bei  demselben  Jonathan  und  demselben  Jethro 
zweimal  das  unverständliche,  oder  missverständliche  DWK  (DV1M) 
Exod.  2,  16  und  18,  1  statt  des  üblichen  fcO*l  zu  finden.  Das 
merkwürdige  Wort  mag  eben  erst  durch  das  Citat  des  Aruch 
so   entstellt  in  die  Handschriften   des  Jonathan   eingedrungen 


im  Arnch  gefälschten  Stelle.  297 

sein;  aber  hat  Nathan  b.  Jechiel  diesem  Worte  auch  nicht  das 
Dasein  gegeben,  so  hat  er  es  doch  auf  seinem  Wege  in  die  Nach- 
welt mit  einer  Erklärung  beschwert,  die  an  Seltsamkeit  ihres 
Gleichen  in  dem  sonst  so  gediegenen  Werke  sucht.  Hören 
wir  unsern  Rabbi  Nathan  selbst  bei  dem  Schlagworte  DWW 
(hinter  dem  Wurzelwort  D3K.    Landau  hat  D^): 

nm  pö  bw  iiön  wn»D  p&  jro  vAwrv  mmn  piyi  dnw 

....  duw  -ffiDnb  pip  jr»  jrote  pw  vro»  onron 

So  wenig  nöthig  eine  deutsche  Uebersetzung  dieser  Worte 
für  unsere  sachkundigen  Leser  ist,  wollen  wir  doch  eine  solche 
für  nicht  ganz  überflussig  halten,  weil  in  der  lebenden  Sprache 
die  Erscheinung  dieser  Sonderbarkeit  noch  greifbarer  hervor- 
sticht: „Die  Worte  plöl  DttW  sind  die  des  Jerusalemischen 
Targum  (<1.  h.  unser  Jonathan  b.  Usiel)  für  pü  ^r\D  (Exod.  18,  1. 
Aruch  hat  wie  es  scheint  in  der  Stelle  Ex.  2,  16  das  DTDW  nicht 
vor  sich  gehabt)  und  sie  bedeuten:  Esel  von  Midian.  Der  chal- 
däische  Uebersetzer  spricht  mit  Geringschätzung  desselben, 
denn  so  nennt  man  in 'der  griechischen  Sprache  den  Esel  DOW." 

Bis  jetzt  ist  mir  kein  Midrasch  bekannt  geworden,  der  et- 
was Aehnliches  über  Jethro  spricht,  oder  auch  nur  andeutet, 
und  kein  alter  Commentator,  welcher  die  Erklärung  Jonathan's 
kennt  und  in  Anspruch  nimmt.  Rabbi  Nathan  allein  hat  uns  die 
Quelle  dieser  Erklärung  flüssig  gemacht,  und  es  ist  zu  unter- 
suchen Pflicht,  ob  sie  bei  Nathan,  oder  bei  Jonathan  getrübt 
war,  oder  bei  beiden.  Viele  Fragen  sammeln  sich  hier  um  den 
Forscher,  aus  welchen  wir  einige  der  wichtigsten  wählen:  Vor 
Allem,  fragen  wir,  ist  es  redlich,  ist  es  sittlich  und  von  Seiten 
der  jüdischen  Frömmigkeit  erlaubt,  einen  Mann  zu  beschimpfen, 
in  dessen  Lob  sich  die  ältesten  Midraschim  (Wl^DÖ)  erschöpfen, 
ein  Lob,  welches  die  Texteskritik  bereitwillig  in  seinem  vollsten 
Umfange  bestätigen  wird?  Gesetzt  aber,  Jonathan  wäre,  ganz 
alleinstehend,  noch  befangen  in  der  Ansicht,  Jethro  war  in  sei- 
ner früheren  Heidenstellung  ein  Verfolger  der  Israeliten,  ein 
Freund  Bileams  u.  dgl.  gewesen,  so  hätte  man  höchstens  nach 
Analogie  einer  particularistischen  Schwäche  ihn  yim  oder  tfDÖ 
nennen  mögen,  wie  sich  Pharao,  Bileam,  Nebuchadnezar,  Ahas- 
verus,  Titus,  Hadrian  u.  a.  diesen  letztern  Beinamen,  mehr  oder 
weniger  verdient,  zugezogen  haben;  aber  welcher  Anhaltepunkt 
gibt  einem  Ausleger  den  Anlass,  oder  gar  das  Recht,  an  den 

Frank«!,  MonatMchriftXVH.  8.  23 


298  Wiederherstellung  einer  seit  800  Jahren 

Namen  eines  Mannes  ein  so  plumpes  Schimpfwort  zu  heften, 
welcher  Erfinder  der  ältesten  Gerichtsordnung,  der  Berather 
und  Fuhrer  des  göttlichen  Gesetzgebers,  der  Schwiegervater 
desselben,  der  Gast  und  Freund  des  Volkes  Israel  war?  Und 
macht  sich  dieser  Schimpf  nicht  zugleich  den  gelehrigen  Moses 
selbst  und  das  ganze  Volk  zum  Gegenstände?  Wir  fragen  nur 
noch,  warum  übersetzt  hier  Jonathan  überhaupt  das  Wort  jTO 
mit  „Esel",  da  er  doch  hier  nicht  paraphrasirt  und  nicht  alle- 
gorisirt,  und  sonat  ja  wirklich  mit  fcOI  wie  Onkelos  übersetzt? 
Und  will  er  durchaus  gegen  Wahrheit  und  Recht  den  in  seinem 
Texte  verherrlichten  Jethro  „Esel"  nennen,  braueht  er  diesen 
Esel  aus  Griechenland  herzutreiben  ?  ist  er  um  das  in  seiner  Sprache 
so  gewöhnliche  Wort  Xlön  verlegen  ?  Aus  dem  Gesagten  geht 
schon  zur  Genüge  hervor,  dass  das  Wort  DU1K  bei  Jonathan 
in  dem  Sinne  der  angeführten  Erklärung  des  Aruch  und  diese 
selbst  aus  innern  wie  aus  äussern  Gründen  unglaublich,  un- 
möglich, unbedingt  falsch  ist.  Und  wirklich  ist  neuerdings  aus 
der  so  selten  sichtbaren  Ausgabe  des  Aruch  aus  dem  15.  Jahrb. 
nachgewiesen  worden,  dass  zudringliche  Hände  von  Abschrei- 
bern Katzengold  zwischen  das  gediegene  Gold  Rabbi  Nathans 
geschoben  haben,  und  hierdurch  wird  es  um  so  gewisser,  dass. 
die  angegebenen  Worte  DWN  und  JHÖ  bw  "Nön  unbedingt  falsch 
sind,  und  diese  Behauptung  wird  noch  unwiderleglicher,  wenn 
eine  Lesart  gefunden  ist,  welche  den  Stempel  der  Wahrheit 
unverkennbar  vorzeigt. 

Es  ist  aber  diese  der  Zustimmung  aller  unbefangenen  Ge- 
lehrten gewisse  Lesart  keine  solche,  zu  deren  Auffindung  die 
Anstrengung  besondern  Scharfsinnes  das  ihrige  zu  leisten  hat« 
sie  ist  vielmehr  eine  solche,  wie  sie  oft,  beim  Nachdenken  in 
Ruhe,  durch  plötzliches  Auftauchen  eines  glücklichen  Einfalls 
zur  wissenschaftlichen  Vision  wird.  Wohl  mögen  daher  hun- 
dert Gelehrte  diese  im  Folgenden  aufgestellte  Emendation  schon 
durch  sich  selbst  kenneu,  und  mancher  mag  sie  gar  schon,  ver- 
öffentlicht haben,  aber  unter  denjenigen,  welche  hier  mit  ihr 
überrascht  werden,  dürfte  mancher  ausrufen:  „das  ist  so  einfach, 
darauf  konnte  jeder  kommen!" 

Die  Emendation  hat  übrigens  das  Eigentümliche,  dass  sie 
durch  zwei  sich  deckende  Corruptionen  ihre  Beglaubigung 
vervollständigt. 


im  Aruch  gefälschten  Stelle.  299 

II.    Verbesserung-. 

Unsere  Ueberschriffc  „Verbesserung"  wird  mancher  unpar- 
teiische Leser  für  zu  gemässigt  finden,  und  dafür  „Wiederher- 
stellung" wünschen,  indem  er  der  Emendation  seine  unbedingte 
Beistimmung  zuwendet.  Da  hier  aber  die  Lösung  der  Frage 
noch  kleiner  Ergänzungen  fähig  ist,  namentlich  ungewiss  bleibt, 
welche  Hand  sich  zuerst  an  der  richtigen  Lesart  vergriffen,  so 
mag  diese  sich  unter  dem  anspruchslosem  Namen  „Verbesserung" 
den  Eingang  beim  Leser  erwerben.  Zuerst  muss  jedoch  schon 
der  prüfenden  Vergleichung  wegen  ein  Rückblick  auf  die,  mir 
bekannten,  Erklärungen  geworfen  werden,  welche  sich  an- 
strengten, von  Jethro  und  Jonathan  das  beleidigende  Wort  zu 
entfernen,  aber  den  aus  demselben  sich  ergebenden  Vorwurf 
der  Schmähsucht  und  der  Lächerlichkeit  der  Deutung  auf  dem 
edlen  Nathan  sitzen  lassen. — Fünf  Gelehrte  früherer  und  neuester 
Zeit  haben  sich  mit  der  Erklärung  des  seltsamen  Wortes  be- 
schäftigt: Buxtorf,  Lara,  Levy,  Musafia  und  Sachs,  jeder  der- 
selben kommt  zu  einem  andern  Ergebniss,  überein  kommen  sie 
alle  nur,  wie  gesagt,  in  dem  Ausschluss  der  im  Aruch  verzeich- 
neten Erklärung,  die  vier  letztern  kommen  auch  darin  überein, 
dass  das  Wort  DW1N  griechisch  ist,  während  der  Erstere  (Bux- 
torf Lex.   talm.  142)    es   für   einheimisch   aus    der  Wurzel  DjN 

leitet  und  QttW  oder  D^N  =  Part.  OJfrJ  oder  D3N  nimmt  für: 
Zwingherr,  Tyrann  im  altgriechischen  Sinne,  also  =  &Q}  wie 
Jonathan  selber  das  hebr.  pD  sonst  übersetzt.  Buxtorf,  wie  im- 
mer, nachschreibend  hat  Castellus  im  Heptaglotton  Q)X)H  mit 
derselben  wörtlichen  Erklärung,  und  gleich  dahinter  DUW  „gr. 
ovo? ,  asinus  aüvestris".  Mit  Unrecht!  Das  Wort  DUW  oder 
D"01K  ist  Hapaxlegom.  and  entweder,  oder!  entweder  es  heisst 
Praefectus,  oder  asinus.  Es  kommt  im  Talmud  und  Midrasch 
nur  noch  DttfflDTI  (&»*«>«)  vor.  Von  den  vier  andern  Gelehrten 
erklärt  Lara  im  Wb.  rtflTO  "WO  DIJIK  =  «*«4  v°c-  •*«& 

Levi  (chald.  Wb.  15)  *=  ewoog.  Musafia  s.  v.  mit  dem  latei- 
nischen honos,  was  Schönhack  im  -pMflDTl  in  honestus  ver- 
bessert, und  er  hätte  noch  besser  thun  können,  das  griechische 
onjurog  zu  empfehlen.    Endlich  Sachs  (Beiträge  1, 163)  vergleicht 

mit  D131M  das  griech.  evywfc. 

23* 


300  Wiederherstellung  einer  seit  800  Jahren 

Ich  verzichte  auf  das  jedem  zustehende  Recht,  über  diese 
fünf  verschiedenen  Etymologien  ein  Urtheil  abzugeben,  gewiss, 
sie  stimmen  auch  darin  überein,  dass  sie  sämmtlich  mehr  oder 
minder  scharfsinnig  sind,  aber  auch  darin,  dass  sie  Jonathan  et- 
was Anderes  als  die  gebotene  Uebersetzung  des  hebr.  Wortes 
p3  in  die  Feder  legen;  höchstens  Buxtorf  fühlt  das  Bedürfniss 
in  schwacher  Annäherungsweise,  dem  alten  Targumisten  eine 
sinntragende,  wenn  auch  nicht  annehmbare,  Uebersetzung  zuzu- 
trauen. Der  Uebersetzer  des  Jonathan  in  der  Londoner  Poly- 
glotte (wo  übrigens  D\W  gelesen  wird)  ist  naiv  genug,  sich  nicht 
in  den  Etymologien  -  Kampf  zu  mischen,  er  übersetzt:  Sacerdos! 
Konnte  der  Uebersetzer  einen  Grund  dafür,  eine  Rechenschaft 
geben?  Gewiss  nicht,  denn  weder  DUW  noch  sein  D^IJJ  be- 
deuten sacerdos;  und  dennoch  hat  ihn  eine  gluckliche  Ahnung 
geleitet,  denn  D13W  ist  falsche  Lesart,  es  ist  dafür  D1*nN  zu 
lesen,  das  heisst  IsQsvg  und  das  ist:  sacerdos. 

Mir  tönt  die  missbilligende  Stimme  mancher  Leser  ins  Ohr: 
„Also  eine  Conjectur  mehr,  eine  sechste  zu  den  fünf  altern  aus 
der  unerschöpflichen  Fundgrube  der  Etymologie!"  Aber  ich 
kann  lächelnd  diese  Stimme  anhören  und  ertragen,  sie  erschüt- 
tert meine  Ueberzeugung  von  der  Nothwendigkeit  der  genann- 
ten Emendation  so  wenig,  dass  ich  vielmehr  der  unbedingten 
Beistimmung  derer  gewiss  bin,  welche  nicht  vom  starren  Buch- 
staben ihr  Urtheil  bestimmen  lassen,  und  welche  unbefangen 
die  folgende  kurze  Begründung  prüfen. 

Schon  vor  3  Jahren  ist  diese  Conjectur  ausgesprochen  wor- 
den1), aber  ohne  weitere  Begründung,  auch  ist  dort  nur  das 
Wort  DU1K  und  ohne  Zusammenhang  mit  seiner  Erklärung  im 
Aruch  emendirt  worden.  Hier  nun  soll  gezeigt  werden,  dass 
gerade  aus  dem  traulichen  Beisammenstand  des  widersinnigen 
Wortes  mit  der  widerlichen  Deutung  eine  Aenderung  nicht  blos 
geboten,  sondern  bis  zum  höchsten  Grade  der  Wahrscheinlich- 
keit gehoben  wird,  durch  welche  das  Widersinnige  gegen  Grad- 
sinniges vertauscht  wird.  —  Dass  der  griechische  Worttheil  le  in 
IN  übergehen  kann,   bedarf  keiner  weitern  Besprechung,   zum 


*l)  Lebrecht  in  der  hebr.  Bibliogr.  von  Steinschneider,  Band  VIII. 
S.  136. 


im  Aruch  gefälschten  Stelle.  301 

Ueberfluss  weisen  wir  auf  das  syrische  hin*).  Einer  der  stärk- 
sten Beweise,  dass  der  Uebersetzer  legtvg  gesagt  hat,  ist  die  nicht 
ausser  Acht  zu  lassende  Notwendigkeit  das  Textwort  TTD  z& 
übersetzen,  welches  doch  nur  durch  ein  „Priester"  oder  „Herr" 
bedeutendes  Wort  geschehen  konnte,  also  &Oro,  N1D1D  oder 
Km  oder:  Isqsvq.  Aber  das  schwerste  Korn  für  den  „Priester" 
trägt  der  „Esel"  zur  Mühle  und  zwar  so  schwer,  dass  er  sich 
zu  Tode  daran  trägt.  Denn  so  derb  auch  das  VHÖ  ^  llttn  ETTD 
dem  DUW  in  seiner  Corruption  entspricht,  so  entsprechen  sich 
doch  beide  schöner  und  edler  bei  ihrer  Wiederherstellung: 
pilD  hw  *nftn  ttfl  *PD  hiess  ursprünglich  nicht  anders 
als  jnto^W  "lfc^D  tm*PB.  Das  Targum  übersetzte,  wie  erfor- 
derlich, das  hebr.  pD  mit  DVllN  und  dies  exotische  Wort  wurde 
von  Nathan  oder  seinem  Vorgänger  deutlicher  gemacht  durch 

TD  Ttf  10»  8). 

Lassen  wir  vorläufig  einige  störende  Schalensplitter   noch 

umher  liegen,  so  ist  der  Kern  unserer  Aufgabe  gelöst.  Ich  habe 
den  Muth  zu  vermeinen,  ich  dürfe  die  Worte  der  Matrone 
Schelomit  (Sabbat  U6b)  umkehren  und  für  die  Sache  im  All- 
gemeinen sagen:  K1)Dr6  W1D2)  WW  NnK  ,Licht  ist  gekommen 
und  hat  den  Esel  vertrieben ',  speciell  dem  Andenken  des  Ver- 
fassers des  Targum  jeruschalmi  und  des  Jethro  kann  ich  aber 
die  Worte  des  gotterkorenen  Moses,  mit  einem  kleinen  Zusatz- 
buchstaben, entgegenrufen:  CDÄ  TlKttO  TIN  "flön  *<6n  i°n  l|aoe 
Euch  den  Esel  abgenommen! 

Versuchen  wir  jetzt  noch  einige  Nebenfragen  zur  Prüfung 
vorzuführen,  ohne  dass  wir  uns  durch  die  Fähigkeit,  sie  voll- 
kommen zu  erledigen,  begünstigt  wissen: 

1)  Hat  Nathan  selbst  die  Doppelcorruption  hinterlassen,  oder 
ist  sie  das  Werk  des  eingedrungenen  Meborach4)  ?    2)  Was  hat 


■)  D^BHIN  für  IsQoaoXvtut. 

•)  Entweder  hat  früher  die  hebr.  Form  1DD  (Defectiv)  gestanden, 
wovon  der  Uebergang  in  "iDn  erleichtert  war,  oder  ein  Abschreiber 
hat  die  Stellen  des  1  und  0  irrthümlich  vertauscht  und  11DD  statt  1D1D 
geschrieben.  Unwahrscheinlich  ist,  dass  man  aus  Hass  gegen  Götzen- 
priester mit  Absicht  einen  naheliegenden  Wortwitz  spielen  Hess. 

4)  S.  Levy,  chald.  Wb.  1.  1. 


302  Wiederherstellung  einer  seit  800  Jahren 

unsern  Jonathan  zu  einem  griechischen  Worte  ge drangt,  wo  er 
Über  so  gebräuchliche  Worte  seines  eignen  Idioms  verfügen 
konnte  ? 

Mit  dem  Versuche,  diese  Fragen  zu  prüfen,  vielleicht  glück- 
lich in  deren  Beantwortung  zu  sein,  machen  wir  den  Ueber- 
gang  zu 

ELL    Vermuthnng. 

Wenn  R.  Nathan  DVttK  gelesen  hat,  so  müsste  allerdings  die 
Notwendigkeit  der  alphabetischen  Ordnung  das  Schlagwort  um 
mehrere  Wurzeln  tiefer  versetzen,  aber  ein  halbgelehrter  Ab- 
schreiber, der  in  seinem  Aruch  fälschlich  DWN  statt  D1"W  und 
fälschlich  llön  statt  *)fc^3  gelesen,  konnte  leicht  verleitet  wer- 
den, das  Schlagwort  hinauf  in  die  Reihe  3K  zu  setzen.  Viel 
lauter  aber,  als  die  alphabetische  Stellung  des  Wurzelwortes 
für  D^N  spricht  der  wissenschaftliche  wie  der  sittliche  Cha- 
rakter des  R.  Nathan  gegen  die  Annahme  desselben:  Nathan 
b.  Jechiel  verleugnet  in  dem  reichen  Umfange  seines  Werkes 
selten  die  angeborene  Begabung  des  ungekränktesten  Gradsin- 
nes, aber  niemals  trifft  den  Adel  seiner  Ausdrucks  weise  bei  Be- 
urtheilung  der  Personen  der  Vorwurf  einer  Ausnahme,  und  ist 
es  daher  von  Seiten  seines  Sprachsinnes  unwahrscheinlich,  dass 
er  das  alberne  QWW  seiner  Feder  anvertraut  habe,  so  wird  es 
von  Seiten  seines  Herzens  unglaublich,  dass  er  fähig  wäre,  so 
von  Jethro  zu  schreiben.  Rabbi  Nathans  Feder  hat  demnach  ent- 
weder gar  keine  Verbindung  mit  dem,  wohl  schon  früh  unter» 
geschobenen  Artikel,  oder  ein  vorwitziger  Abschreiber  hat  „die 
Milch  der  frommen  Denkungsart  vergiftend"  aus  den  Wörtern 
DmK  und  ")&D  die  Wörter  q^n  und  1&n  gemacht. 

Die  Frage  2.  warum  das  hebr,  p3>  das  überall  im  Targum 
sein  entsprechendes  Targumwort  gefunden,  hier  durch  einen 
Fremdling   vertreten   wird6),   führt  auf  die  Vermuthung   eines 


•)  Man  mag  DUttt,  oder  DHIN  lesen,  so  wird  das  Wort  für  grie- 
chisch erklärt  von  allen  eben  angeführten  Erklärern:  ovog,  anrät,  atr- 
/e»*)?,  ewovg,  uqbvq. 


im  Aruch  gefälschten  Stelle.  303 

neuen  quid  pro  quo,  welches  sich  an  die  verwirrungsschwangere 
Vieldeutigkeit  der  famosen  Abbreviatur  Sj-j  knüpft.  Diese  zwei 
Abkürzungs-Buchstaben  haben,  wie  bekannt,  durch  falsche  Er* 
gänzung  dem  Pentateuch  ein  |n^  Gtt"in  zugezogen,  während 
sie  ^IPW  C13"in  sagen  wollten,  und  wahrscheinlich  haben  sie 
auch  umgekehrt  aus  Targum  Jonathan  im  Talmud  ein  Targum 
Josef  geschaffen6).  Dass  Rab. Josef  von  Pumbedita  nicht  der 
Verfasser  der  20  in  seinem  Namen  angeführten  Targumstellen 
im  Talmud  war,  dafür  sprechen  mehrere  indirekte  und  direkte 
Beweise,  uud  wir  wollen  von  jeder  Klasse  nur  Einen  anführen: 
Die  citirten  Stellen  sind  sämmtlich  mit  geringen  Abweichungen 
aus  Jonathan,  was  vermochte  den  Talmud,  den  Namen  des  gött- 
lich inspirirten  (Megilla  3)  Uebersetzers  zu  unterdrücken  und 
einen  Andern  mit  dessen  Federn  zu  schmücken?  Dass  Josef 
b.  Chaja  sich  mit  dem  Targum  viel  beschäftigt  (Raschi  Kiddu- 
schin  13,  b)  beweise  wer  kann,  ja  das  Gegentheil  dürfte  eher 
zu  beweisen  sein;  gesetzt  aber  Josef  hätte  sich  mit  Jonathan 
beschäftigt  wie  rppin  p  »TlSn  mit  Ezechiel,  so  durfte  man  doch 
so  wenig  seinen  Namen  für  Jonathan  einschieben  wie  den  Namen 
Chananjas  für  EzechieL  Und  ist  denn  grade  hier  das  Sitten- 
gesetz plfcftt  Qtm  "Dl  "flötti?  ausser  Kraft  gesetzt?  Der  positive 
Beweis  ist  verzeichnet  Sota  49,  b.  Dort  strebt  derselbe  Rab 
Josef,  die  chaldaische  Sprache  aus  Babylonien  zu  verbannen, 
konnte  er  also  sich  vorzugsweise  in  und  mit  dieser  Sprache 
beschäftigt  haben?  Werke  in  chaldäischer  Sprache  zu  schrei- 
ben oder  zu  redigiren,  und  daneben  die  Leute  aufzufordern, 
sie  sollten  es  bleiben  lassen,  diese  Sprache  zu  pflegen,  das 
wäre  eine  Reclame,  strotzend  vom  Reize  der  grössten  Neuheit. 
Der  physisch  erblindete  und  kranke  Rab  Joseph  würde  durch 
solchen  Widerspruch  zwischen  Thätigkeit  und  Ausspruch  nur 
zeigen,  dass  er  auch  geistig  blind  und  krank  war.  Die  Ge- 
lehrtensprache des  Rab  Joseph  (wie  die  der  Schule  von  Pumbe- 
dita überhaupt)  war  hebräisch,  und  für  die  Umgangs  -  Sprache 
empfahl  er  die  Sprache  jenes  Volkes,  das  kurz  vorher  ange- 


•)  Sollte  hier  zum  ersten  Male  die  Entstehung  des  angeblichen 
Targum  des  Rab  Josef  b.  Chaja  auf  diese  Weise  erklärt  sein?  Sollte 
man  mit  dieser  so  naheliegenden  Erklärung  auf  mich  gewartet  haben? 


304  Wiederherstellung  einer  seit  800  Jahren 

fangen  Babylonien  zu  beherrschen  und  zu  bevölkern,  des  per- 
sischen. Ob  ein  politischer  Grund  bei  dieser  gut  persisch  ge- 
sinnten Empfehlung  anzunehmen  sei,  steht  dahin,  der  Vorgänger 
des  Joseph  im  Oberamt  der  Schule,  Rabba,  war  keine  persona 
grata  der  persischen  Regierung,  und  musste  unter  ihrer  Ver- 
folgung sterben;  erklärlich,  konnte  der  Nachfolger  suchen,  sich 
dieser  Regierung  angenehmer  zu  machen.     . 

Ich  glaube,  diese  zwei  Beweise  reichen  hin,  die  Annahme 
zu  befestigen,  dass  ein  Abschreiber  in  seinem  Originale  V")  (oder 
hier  noch  verleitender  *ph)  vor  sich  gehabt,  er  hat  aus  Unkunde 
*)ÖV  C13*in  daraus  gemacht,  und  nachdem  der  Irrthum  Eingang 
gefunden  hatte,  schrieb  man  die  Arbeit  dem  bekanntesten  Ge- 
lehrten Namens  Josef  zu  und  nothwendig  trat  auch  das  Wörtchen 
21  hinzu,  was  bei  Jonathan  nicht  nöthig  und  nicht  sittengemäss 
war,  da  zu  seiner  Zeit  das  Wort  iy\  und  2n  noch  nicht  im 
Gebrauche  war. 

Die  Zahl  der  verschiedenen  Vorkommnisse  bei  den  Ergän- 
zungen der  Abbreviatur  ^j")  ist  aber  durch  die  oben  genannten 
noch  nicht  erschöpft,  zu  den  Verwechselungen  zwischen 
*]DV»'n  *  jrOV  'H  /'»fcbtmT»  ÜUin  tritt  noch  wahrscheinlich:  Qinn 
iJW  hinzu,  welches  bei  dem  allgemein  verbreiteten  Gebrauch 
der  griechischen  Uebersetzungen  oft  in  gelehrten  Niederschrei- 
bungen einen  Platz  finden  musste  und  sich  dann  auch  mit  sei- 
nem Compendium  einschränkte.  Aus  der  Annahme  des  Vor- 
handenseins dieser  zwei  Buchstaben  für  ^p  DU1H  ist  eine 
Lösung  für  eine  fast  ähnliche  Auffälligkeit  wie  die  des  yftffi 
Pitt  bw  zu  schöpfen.  Wir  meinen  die  vielbesprochenen  Worte 
des  rWP  ^3*1  über  die  Verfasserschaft  des  Targum  Onkelos, 
welche  Tractat  Megilla  3  verzeichnet  sind:  Onkelos  der  Pro- 
selyt,  heisst  es  dort,  habe  das  Targum  zum  Pentateuch  nach 
dem  Dictat  des  Rabbi  Elieser  und  des  Rabbi  Josua  angefertigt, 
sowie  Jonathan  ben  Usiel  das  Targum  zu  den  Propheten  nach 
den  Angaben  der  Propheten  Haggai  etc.  Dass  hier  von  einer 
chaldäischen  Version  die  Rede  ist,  und  nicht  von  einer  grie- 
chischen, kann  nicht  bezweifelt  werden.  Aber  im  hierosolymi- 
tanischen  Talmud  in  demselben  Tractat  Cap.  I,  §  9  spricht  der- 
selbe PPttl^  ^31  dieselben  Worte  von  der  griechischen  Ueber- 
setzung  des  Aquila,  ohne  dort  einer  chaldäischen  Uebersetzung, 
oder  im   Babli  einer  griechischen  neben   der  chaldäischen   zu 


im  Aruch  gefälschten  Stelle.  305 

gedenken,  so  dass  man  gewaltsam  etwa  sagen  wollte,  er  habe 
beide  Versionen  gekannt  und  ihre  respective  Entstehung  an 
zwei  verschiedenen  Orten  unabhängig  besprochen.  Offenbar  ist 
die  hierosolymitanische  Beschreibung,  wie  so  viele  andere  ge- 
lehrte Kundgebungen,  wie  die  Briefe  des  p2*)  u.  a.  aus  Palä- 
stina nach  Babylonien  verpflanzt  worden,  dort  hat  man  diese 
palästinensische  Mittheilung  wie  so  viele  andere  falsch  aufge- 
fasst  und  hat  aus  D^pJJ  einen  Dl^WW  gemacht.  Dies  ist  er- 
klärlich, da  sowohl  Wortform  als  die  in  Palästina  selbst  ge- 
wöhnliche Verwechselung  des  X  und  y  Anlass  bot;  schwerer 
ist  zu  erklären,  wie  das  so  deutlich  von  der  griechischen  Ver- 
sion im  Jeruschalini  gesagte  so  im  Babli  übersehen  werden 
konnte,  dass  man  diese  gradezu  zu  einer  chaldäischen  machte. 
Unmöglich  würden  sich  die  babylonischen  Bearbeiter  der  zu 
ihnen  gelangten  Ueberlieferungen  aus  Palästiua  solche  fälschende 
Aenderung  erlaubt  haben,  wenn  die  Fassung  der  Stelle  des 
Jeruschalini  in  der  Gestalt  zu  ihnen  gelangt  wäre,  wie  wir  sie 
heute  vor  uns  haben.  Wahrscheinlich  war  die  Fassung  so,  dass 
man  die  Abkürzung  Sft  darin  las,  welches  wp  CVin  heissen 
sollte,  und  das  nahmen  die  Babylonier  für  ^öiwn1  GW)n>  da 
dieses  Targum  aus  dem  Munde  der  Gelehrten  aus  Jerusalem 
stammte. 

Das  Mass  meiner  Belesenheit  im  Jeruschalmi  verbietet  mir 
zu  behaupten,  dass  spätere  Zusätze  Rücksicht  auf  den  baby- 
lonischen Talmud  nehmen;  wäre  dies  aber  der  Fall,  so  würde 
ich  die  Vermuthung  wagen,  dass  die  zwei  Zeilen  tiefer  zu 
setzendeu  Worte  im  Jerusch.  1.  1.  rvölK  0!"6  DT3  TIK  Wn 
rYOW  "pntt  boshaft  die  Stelle  des  ^lnlD,^,  *31  *«n  Babli  treffen 
wollten,  nämlich  man  habe  fälschlich  die  griechische  Version 
für    eine    chaldäische    ausgegeben.     Wie   die    Worte   wirklich 

stehen,  hinter  den  Worten  rYOW  N^N  GrTPrfr  rfe*  mitTI  HMW 
ist  die  Emendation  des  hochseligen  Moses  Sofer  vorzüglich: 
Er  emendirt  nWI  ^att  tWWi  «nd  H.  Chajut  hat  zur  Unter- 
stützung eine  Parallele  aus  Midrasch  Esther  angeführt,  wo  wirk- 
lich rVtiYI  steht7). 


T)  S.  Chajut,  Igeres   Bikorcs  (Pressb.   1853)   19a.    Diese  Emen- 
dation ist  nicht  blos  an  sich  wichtig,  sie  ist  es  auch  zur  Würdigung 


306     Wiederherstellung  einer  im  Aruch  gefälschten  Stelle. 

Ich  komme  nun  zur  Anwendung  des  Gesagten  über  den  ver- 
mutheten  Gebrauch  der  Abbreviatur  >"n  auf  das  ursprüngliche 
Thema  und  zugleich  zum  Schlüsse  der  Behandlung  desselben. 

Nathan  b.  Jechiel  war  es  vergönnt,  bei  seiner  ruhmvollen  Ar- 
beit zahlreiche  Vorgänger  zu  benutzen,  sehr  viele  Namen  aus 
seiner  Bibliothek  nennt  er,  sehr  viele  hat  er  verschwiegen. 
Lange  vor  seiner  Zeit  mag  nun  ein  Exeget  oder  Lexicograph 
bei  den  Worten  jHfc  pS  geschrieben  haben  pift  DHW  v'n  d.  h. 
die  griechische  Version  ijfli  Qtt^in  nimmt  nicht  wie  "njP^K  *} 
^JHMDn  in  Mechilta  die  Bedeutung  -)itf  „Herr"  an,   sondern  wie 

JflLnrp  '*}  daselbst  die  Bedeutung  1^3  •).  Den  Lesern  des  Mit- 
telalters, welchen  besonders  im  jüdischen  Babylonien  die  grie- 
chischen Versionen  ganz  fremd  geworden  waren,  bot  sich  viel 
eher  die  Auflösung  des  V'p  in  löbtPrp  Ginn  dar,  und  bald 
ging  auch  das  Wort  selbst  in  dieses  Targum  über,  so  dass  es 
Nathan  schon  in  seinem  Exemplar  so  gefunden  haben  mag. 

F.  Lt. 


des  wissenschaftlichen  Charakters  des  hochgelehrten  Moses  ßofer:  Bei 
aller  Strenge  seiner  Anhänglichkeit  für  den  Talmud  klebte  diese  doch 
nicht  so  an  dem  Buchstaben,  dass  dieser  nnablösbar  wäre. 

§)  PPJ3PI  p  JrtWP  W  selbst  mag  dich  bei  seiner  Erklärung  auf 
die  Septuaginta  gestützt  haben,  die  er  benutzen  konnte,  da  er  wohl 
griechisch  verstand.  Ihm  legte  Aquila  seine  Uebersetzung  vor,  er 
verkehrte  häufig  mit  dem  römischen  Hofe,  dessen  Sprache  mehr  grie- 
chisch als  lateinisch  war,  er  hielt  sich  in  Alexandrien  auf,  und  ihn 
hat  Jochanan  ben  Sakkal  bei  seiner  Verhandlung  mit  Vespasian,  nicht 
blos  zum  Schein-Leichenträger,  sondern  zum  vermittelnden  Dolmetsch 
gewählt.  Diesen  Dienst  scheint  der  römische  Hof  auch  dadurch  be- 
lohnt zu  haben,  dass  er  ihm  Zutritt  und  Umgang  gestattete. 


Eine  Paraphrase  des  Erasinus  von  Rotterdam.  307 


Eine  Paraphrase  des  Erasmus  von  Rotterdam. 


Zu  der  Sammlung  von  alten  und  neuen  Lesestücken  über 
die  Geschichte  der  Makkabäer,  welche  Jacobus  Magdalius  Gau- 
densis  im  Jahre  1517  veranstaltete1),  hat  auch  Erasmus  auf  Er- 
suchen de 8  Vorstehers  des  Collegiums  „der  Machabäer"  Helias 
Marcaeus  Machebaetanus  einen  Beitrag  geliefert,  nämlich  eine 
Paraphrase  des  sogenannten  IV.  Makkabäerbuches ,  das  noch 
immer  fälschlich  unter  dem  Namen  des  Flav.  Josephus  geht. 
Ueber  diese  Paraphrase  urtheilt  Grimm  (Einl.  zum  IV.  M.  B. 
p.  296):  „Die  genannte  Paraphrase  des  Erasmus  durfte,  was 
Schwulst  der  Darstellung  und  grenzenlose  Willkühr  betrifft, 
wohl  ihres  Gleichen  suchen  und  kann  daher  auch  nicht  den 
mindesten  exegetischen  Werth  ansprechen/4 

Dies  harte  Urtheil  ist  ein  gerechtes  und  hätte  nur  noch  auf 
die  Latinität  des  Machwerkes  ausgedehnt  werden  sollen.  Keiner 
aber,  der  Erasmus  auch  nur  aus  seinen  Uebersetzungen  kennt, 
wird  ihn  solcher  Sünden  gegen  die  Treue  und  den  Geschmack 
fär  fähig  halten,  wie  sie  tausendfältig  diese  Paraphrase  begeht. 
Und  in  der  That  hätte  sehon  Erasmus'  Brief  an  den  genannten 
Helias  Marcaeus  Macheb.,  der  den  Ausgaben  der  Paraphrase  vor- 
gesetzt ist,  Männer  wie  Gombefisius  (in  den  Noten  zur  Ausgabe 
des  Paeudo-Jos.  in  Bibl.  Patr.  Gr.  au  ct.  noviss.  oft),  und  Grimm 
a.  a.  O.  belehren  können,  dass  wir  hier  nicht  eine  selbstständige 
Uebersetzung  des  unvergleichlichen  Mannes  vor  uns  haben,  son- 
dern eine  von  ihm  nur  ein  wenig  geglättete  Paraphrase  eines 
alten  christlichen  Schriftstellers.  „Nunc"  so  sagt  Er.  das.  „quo- 
niam  Graecus  codex  ad  manus  non  erat,  e  Latinis  Graeca  con- 
jectans,  mutavi  nonnulla  sed  non  admodnm  multa." 

Ein  paar  Worte,  die  Lambecius  (bei  Ittig  prol.  zu  Jos.)  aus 
einer  ungedruckten  lat.  Uebersetzung  der  Kaiserl.  Bibl.  zu  Wien 
anfahrt,  halfen  mir  auf  die  Spur  des  Originals  selbst.  Der  in 
tab.  cod.  mss.  etc.  vol.  I.  Vindob.  1864  unter  Nr.  577  angefahrte 


*)  Was  Über  den  Inhalt  der  bei  Encharius  Cervicornus  in  Köln  er- 
schienenen äusserst  seltenen  Schrift  Abweichendes  berichtet  wird,  ist 
falsch.    Mir  ataad  ein  Ewmplar  der  WoMbnk  Bibliothek  am  Gebote. 


306 


Eine  Paraphrase  des  Erasmus  von  Rotterdam. 


cod.  enthalt  von  S.  lb  bis  20a  eine  „Passio  Sanctorum  Macha- 
baeorum  major".  Sie  ist  das  Original.  Man  vergleiche  folgende 
Abschrift  des  Wiener  Cod.,  die  mir  durch  freundliche  Ver- 
mittelung  des  Herrn  Dr.  Güdemann  zugegangen  ist,  mit  Erasmus : 


cod.  Vindob. 
„Principium  meura  Philoso- 
phico  quidem  sermone  sed 
christiano  explicabitur  sensu. 
Necesse  est  enim  cogitationem 
huinanam  breviter  explicare. 
et  passionein  ipsam  deliberan- 
tis  adsignare  sentenci$.  Nam 
qui  ad  tolerandam  omnein  pro 
deo  iniuriam  semel  dicavit 
animum  martirium  mihi  vide- 
tur  explesse.u  Am  Schlüsse 
f.  19  b:  „Uli  vero  quos  inter- 
ficis.  Site  [sie!]  —  f.  20a  — 
credis  divino  utentur  imperio. 
et  de  salute.  et  de  ultione  se- 
curi.  In  virtute  patris.  et  filii. 
et  spiritus  saneti.  amen.  Ex- 
plicit." 


Erasmus : 
„Machabaeorum  agones  ad- 
mirationedignissimosnon  ora- 
torio  sermone,  sed  nostro  po- 
tius  eloquio,  ad  exhortationem 
nostrae  prosapiae ,  Polybio 
Megalopolita  id  flagitante,  tra- 
dere  volui.  Necesse  est  autem 
nobis  in  his  rationem  huma- 
nam  paucis  explicare  et  pas- 
sionem  ipsam  deliberandi  (1. 
—  tis)  assignare  sententiae. 
Nam  qui  ad  tolerandam  orn- 
nem  pro  Dei  gloria  injuriam 
semel  dicavit  animum  in  (1.  is) 
martyrium  mihi  Videtur  im- 
plesse".  Am  Schlüsse:  „Illi 
vero  quos  interficis  (mihi 
crede)  divino  utuntur  imperio. 
et  de  salute  et  de  ultione  se- 
curi.  Nam  qui"  etc.  noch  2 
Sätze. 

So  wenig  die  Identität  beider  Paraphrasen  angezweifelt 
werden  kann,  so  ist  es  doch  klar,  dass  die  Erweiterungen  der 
Vorlage  nicht  von  Erasmus  ausgegangen  sind  und  sicherlich 
wird  sich  irgendwo  noch  ein  Exemplar  der  alten  Paraphrase 
vorfinden,  das  der  Erasmischen  viel  näher  kommt.  Meine  Nach- 
forschungen sind  bisher  ohne  Erfolg  geblieben. 

Die  alte  Frage,  die  schon  für  Ittig  (a.  a.  O.)  kein  Räthsel 
mehr  war,  ist  hiermit  der  Hauptsache  nach  endgiltig  beant- 
wortet. Alles  Weitere  gehört  nicht  hierher.  Nur  auf  Einen 
Punkt  mache  ich  noch  aufmerksam.  Die  alte  latein.  Ueber- 
setzung  hat  nicht  blos  historischen,  sondern  auch  kritischen 
Werth,  den  ein  Blick  auf  die  jämmerliche  Beschaffenheit  des 
giiech.  Textes  unserer  Schrift  kennen  und  schätzen  lehrt 


Eine  Paraphrase  des  Erasmus  von  Rotterdam.  309 

Alle  bis  jetzt  verglichenen9)  codd.  haben  einen  schon  arg 
zerrütteten  Text  und  stammen,  wie  mehrere  gemeinsame  Lücken 
und  Interpolationen  zeigen,  aus  Einem  Archetypos. 

In  noch  schlimmerem  Zustande  als  die  Handschriften  befin- 
den sich  die  Ausgaben.  Die  besten  der  bis  jetzt  erschienenen, 
deren  Stirne  Namen  wie  Wilhelm  Dindorf  und  Immanuel  Bekker 
zieren,  gehen  durch  Vermittelung  Hudson's  auf  eine  Ausgabe 
zurück,  von  deren  Beschaffenheit  sie  kaum  mehr  als  eine  Ah- 
nung gehabt  haben  können  \  welche  seit  Hudson  schwerlich 
einer  der  Männer  zu  Gesichte  bekommen  hat,  die  unseren 
Pseudo-Josephus  herausgegeben  oder  über  ihn  geschrieben  ha- 
ben: auf  die  Ausgabe  des  Joann.  Luidus  (Oxon.  bei  Jos.  Barne- 
sius  12°.  1590»).)  lttig  a.  a.  O.;  Fabricius  bibl.  Gr.  1.  IV,  c.  VI, 
§  VII.  Harles  ib.  p.  33;  Grimm  a.  a.  O.  gestehen  das  offen  ein; 
Oberthür  ib.  p.  33  leugnet  die  Existenz  einer  Ausgabe  von  1590 
und  behauptet  aufs  Bestimmteste,  sie  sei  vom  Jahr  1690  in  8°. 
(Dasselbe  Jahr  auch  bei  Fabr.  und  Grimm.)  Dindorf  und  Bekker 
aber  würden  sich,  wenn  sie  diese  Ausgabe  gekannt  hätten,  wohl 
gehütet  haben,  ohne  erhebliche  Benutzung  des  reichen  hand- 
schriftlichen' Materials  einen  Text  zur  Grundlage  zu  nehmen, 
der  von  einem  mittelmässigen  Kritiker  aus  einer  mittelmässigen 
Handschrift  (N.)  und  einer  verstümmelten  Ausgabe  (Argent.  1526) 
vor  fast  300  Jahren  zusammengeschweisst  worden  ist. 


*)  Zu  den  von  Grimm  a.  a.  O.  S.  294  angeführten  kommen  hin- 
zu ein  cod.  Cantabr.  (bei  Huds.  Hav.);  cod.  Sinait.  (ed.  Tischend.)  und 
mehrere  von  mir  zuerst  benutzte,  nämlich  ein  Münchener  (cod.  Gr. 
Nr.  488  von  Oberthür  in  Fabr.-Harl.  bibl.  Gr.  I.  IVc.  VIII  p.  26  und 
daher  auch  von  Grimm  ebenso  wenig  erwähnt,  wie  die  von  Coxe  im 
cat.  mss.  Bibl.  Bodl.  aufgezählten  und  andere);  zwei  Wiener  (cod. 
hist.  gr.  CLV  Ness.  und  cod.  theol.  gr.  CIV;  und  mehrere  Pariser 
(ausser  den  schon  für  Haverk.  collationirten  Reg.  1875  (R);  Paris.  1475 
(D)  noch  Paris.  548.  1516.  1527  1528.)  Die  Collationen  der  Wiener 
codd«  verdanke  ich  Herrn  M.  Haupt,  die  der  Pariser  Herrn  Dr.  Prinz; 
doch  habe  ich  auch  hierbei  der  theilnehmenden  Bemühungen  der 
Herren  Dr.  Güdemann  in  Wien  und  Dr.  Gross  in  Paris  dankbar  zu  ge- 
denken. 

s)  Ich  benutze  ein  Exemplar  der  Gott.  Üniv.-Bibl. 


310  Analekten. 

Bei  solchem  Zustande  der  Handschriften  und  der  Ausgaben 
ist  jede  Beisteuer  zur  Verbesserung  des  Textes  dankbar  anzu- 
nehmen und  nach  vielen  Anzeichen  hat  der  alte  Paraphrast  ei- 
nen Text  benützt,  der  in  manchen  Stücken  über  den  uns  jetzt 
vorliegenden  hinausgeht.  Wie  gross  daher  auch  die  Willkühr, 
die  Geschmacklosigkeit  und  die  Unkenntniss  des  Mannes  sein 
mag,  der  künftige  Herausgeber  unserer  Schrift  wird  die  nicht 
leichte  Aufgabe  übernehmen  müssen,  aus  den  verzerrten  Zügen 
ein  Bild  des  ursprünglichen  Textes  in  einigen  wichtigen  Punkten 
wiederherzustellen. 

J.  Freudentbai. 


Analekten» 


PoSsies  Hebrai'ques  par  Lelio  della  Torre, 
Professenr  ä  Flnstitut  Rabbinique  ä  Padoue.  Padoue  1868, 

auch  unter  dem  Titel: 

vm^  wn  vran  "wk  crmn  nsp&  ^d  ibo  pih^  bu 
hv^biK  atro  rj»n*np  G^nnxn  nw  rap  arvbv  ibdwi 

(XX,  208  SS.) 

Je  mehr  sich  die  hebräische  Sprache  in  unserer  Zeit  über 
eine  stiefmütterliche  Behandlung  zu  beklagen  hat,  desto  erfreu- 
licher ist  es,  Einzelne  zu  finden,  welche  ihr  Müsse  und  Pflege 
widmen  und  sie  mit  Meisterschaft  handhaben.  Herr  Lelio  della 
Torre,  durch  seine  mannigfachen  Leistungen  auf  dem  Gebiete 
der  jüdischen  Literatur  in  weiteren  Kreisen  bekannt,  bewährt 
sich  auch  in  vorliegender  Sammlung  als  ein  gründlicher  Kenner 
der  hebräischen  Sprache;  seine  Poesien  zeugen  von  seltener 
Gewandtheit  und  bekunden  das  schwungreiche  poetische  Talent 
des  Dichfters.  Wir  haben  es  hier  zumeist  mit  Jugendprodukten, 
nH^  b®  wie  der  Titel  schon  besagt,  zu  thun.  Herr  Lelio  della 
Torre  trat  noch  Knabe  in  das  öffentliche  Leben;  nicht  älter  als 
16  Jahre  wurde  er  als  Lehrer  nach  Turin  berufen,  wo  er  auch 
später   die  Functionen  des  Rabbiners  übernahm.    Als   er  das 


Recensiouen  und  Anzeigen.  311 

erste  hier  veröffentlichte  Gedicht  verfasste,  war  er  nicht  älter 
als  14  Jahre;  der  junge  Dichter  wurde  bald  von  mehreren  Sei- 
ten um  poetische  Produkte  angegangen:  bald  galt  es  eine  Hymne, 
bald  eine  Elegie,  bald  einen  Gesang  zur  Einweihung  einer  Ge- 
setzesrolle oder  einer  Synagoge,  bald  endlich  eine  Grabschrift. 
Aus  dem  reichen  Inhalt  dieser  Sammlung  von  Gedichten,  welche 
in  dem  Zeitraum  von  1814  bis  1829  entstanden,  heben  wir  be- 
sonders hervor  die  Elegien  auf  die  Rabbinen  R.  Moses  Chaim 
Soscino  in  Florenz  (1823),  R.  Moses  Sacut  in  Monferato  (1823), 
R.  Jacob  Ehai  Ricanati  (1824),  den  Gesang  zur  Einweihung  der 
Synagoge  in  Turin  (1826),  die  Uebersetzungen  mehrerer  So- 
nette und  Cantaten  von  Metastasio,  Horaz  (Od.  XVI  und  XVIII 
Lib.  II),  Muret  u.  A. 

Jeder  Freund  der  hebräischen  Poesie  wird  dem  geehrten 
Verfasser  für  diese  auch  äusserlich  schön  ausgestattete  Gabe 
den  wohlverdienten  Dank  zollen. 

Kg. 


Recensionen  and  Anzeigen. 


Maleachi.  Eine  exegetische  Studie  über  die  Eigenthumlich- 
keiten  seiner  Redeweise.  Inaug.-Diss.  von  Max  Sänger. 
Jena  1867.    87  S.    8. 

(Schluss.) 

Es  handelt  sich  hierbei  nämlich  um  die  schwierige  Stelle 
•"VpSn  TP  @9  ^)  we^cne  Verf.  unter  Berufung  auf  Alschech  so 
auffasst,  als  ob  plfcfl  *)y  stünde  =  „saubere  Nachkommenschaft". 

„Denn",  sagt  Herr  S.,  „sollte  nicht  vielleicht  wirklich  die  ur- 
sprüngliche Leseart  p1tf  und  die  corrigirende  Hand  der  Masso- 

rethen  dabei  im  Spiele  gewesen  sein?"  (S.  66.)  Hier  scheint 
Verf.  seine  Expectoration  gegen  „das  leichtfertige  Handhaben 
und  Corrigiren  von  Text  und  Vocalen  der  Bibel"  sammt  den 
citirten  Worten  Geiger 's  (S.  36)  völlig  vergessen  zu  haben.  Oder 
gehört  Herr  S.  auch  zu  den  „Exegeten,  welche  sich  zur  Correc- 


312  Recensionen  und  Anzeigen. 

tur  des  massorethischen  Textes  geneigt  fühlen,"  die  er  jedoch 
in  eine  ganz  bescheidene  Note  verweist?  (S.  32  f.)  Darüber 
bleibt  der  Leser  natürlich  im  Unklaren.  Es  ist  Herrn  S.  nur 
darum  zu  thun,  die  Bedeutung,  die  er  für  das  schwierige  njfljn  "1$ 

eruirt  hat,  festzuhalten,  es  soll  nur  die  geschichtliche  Anspie- 
lung auf  Er  und  Onan  gerettet  werden,  die  schon  Alschech 
„richtig  geahnt"  hat.  Allein,  was  diesen  Exegeten  betrifft,  so 
gehört  schlechterdings,  was  er  im  Namen  „der  Rabbinen  der 
ältesten  Zeit  anführt,  mW  ^y  "DTfc  Hl  p)DÜW  nur  zu  V.  11, 
wo  allenfalls  eine  Hindeutung  auf  den  Patriarchensohn  gesucht 
werden  kann.  Wenn  hingegen  Verf.  aus  diesem  an  unrechter 
Stelle  angeführten  Citate  für  V.  12  und  für  seine  Conjectur 
(oder  Erklärung  PDlJfl  =  UlfcO)  Capital  schlägt,  so  ist  Alschech 

für  diesen  lapsus  nicht  verantwortlich.  Aber  hiervon  abgesehen, 
gibt  dann  das  folgende  nnJp  WWI,  selbst  wenn  es  mit  WVjb 

rotejP. "lttfN  in  Verbindung  gebracht  und  als  Hinweisung  auf  den 

früher  gerügten  äusserlichen  Opfercultus  gefasst  wird,  keinen 
rechten  Sinn.  Mochte  Mal.  es  „mit  dem  präcisen  Ausdrucke 
und  classischer  Construction".  noch  so  wenig  genau  nehmen:  in 
Räthseln  durfte  er  doch  wohl  nicht  sprechen.  Er  konnte,  wie 
Verf.  seine  Rede  treffend  charakterisirt,  den  tiefernsten  Ton 
mit  dem  sarkastischen  wechseln  lassen ;  aber,  fragen  wir,  sollte 
er  auch  in  seiner  Rede  vom  zukünftigen  Gerichte,  wo  er  offen- 
bar den  tiefernsten  Ton  anschlägt,  mit  einem  „Wortspiel"  (auf 
seinen  Namen  ^DN^fc)  beginnen  und  im  sarkastischen  oder  iro- 
nischen Tone  sprechen?  (S.  53,  vgl.  auch  S.  74  über  das  iro- 
nische TP*)3  2,  4.) 

*       •    • 

Ueberhaupt  ist  die  Exegese  des  Herrn  S.  bisweilen  etwas 
gesucht  und  weit  hergeholt.    3prp  ^5  (3,  6)  soll  mit  Rücksicht 

auf  das  spätere  ]Dp  (V.  8  und  9)  und  die  geschichtliche  Anspie- 
lung auf  Gen.  27,  3  den  Sinn  enthalten:  ihr  seid  „noch  immer 
die  alten  Jakobssöhne,  die  Nachkommen  eines  Ahnherrn,  von 
dessen  Namen  in  grauer  Vorzeit  schon  der  eigene  Bruder  voll 
Bitterkeit  die  witzige  Deutung  gab:  '^)  tottf  fcOp  OH  und  yap 

statt  2py  „scheint  absichtlich  von  Mal.  gewählt  zu  sein,  um  die 
angedeutete  Handlungsweise  des  erlauchten  Patriarchen  nicht 
allzu  grell  hervortreten  zu  lassen"  (S.  62).  Einen  solchen  Wort- 
witz auf  Kosten  des  „erlauchten  Patriarchen"  sollte   sich   der 


Recensionen  und  Anzeigen.  313 

Prophet  erlaubt  haben?  Und  weshalb?  Bedeutet  denn  jnp 
ohne  Anspielung  auf  M]p  und  2py  nicht  auch,  wie  das  arab. 

£*3  heimlich  thun,  betrügen?    Oder,  ist  es  nicht  dem  Charakter 

des  ebensosehr  besänftigenden  und  tröstenden  als  geisselnden 
Volksredners  angemessener,  die  zweite  Hälfte  des  Verses  3,  6 
entsprechend  der  ersten  als  Trostworte  zu  fassen? 

Indess,  Verf.  will  seine  Auffassung  nur  als  Versuch  gelten 
lassen;  nur  schade,  dass  der  Versuch  nicht  immer  ein  glück- 
licher genannt  werden  kann.  Und  so  müssen  wir  im  Allge- 
meinen gestehen,  dass  in  dieser  wahrhaft  gründlichen  Abhand- 
lung oft  nur  die  vorhandenen  Ansichten  durch  neue  vermehrt 
werden,  ohne  dass  die  eigentliche  Schwierigkeit  glücklich 
gelöst  wird.  Immerhin  aber  bleibt  das  Verdienst,  das  der  Verf. 
sich  durch  seine  interessante  Studie  erworben  hat,  anzuerkennen, 
und  hoffen  wir  daher,  dass  er  durch  die  weitere  Ausführung 
der  in  diesem  Werkchen  unternommenen  Forschung  die  exe- 
getische Wissenschaft  mit  ferneren  schätzbaren  Beiträgen  be- 
reichern wird.  D.  G. 


Die  Geschichte  der  Juden  in  Erfurt,  nebst  Noten,  Urkun- 
den und  Inschriften  aufgefundener  Leichensteine.  Grössten- 
teils nach  primären  Quellen  bearbeitet  von  Dr.  Adolph 
Jarczewsky.  Erfurt  1868.  Selbstverlag  des  Verfassers. 
In  Coinmission  bei  Carl  Villaret. 

Dem  Beispiele  anderer  Historiker  folgend,  welche  in  neuester 
Zeit  Monographien  über  die  Geschichte  einzelner  jüdischer  Ge- 
meinden publicirt  haben,  hat  der  Verfasser  obiger  Schrift  es 
unternommen,  in  derselben  die  Geschichte  einer  Gemeinde  zu 
behandeln,  welche  während  des  Mittelalters  eine  hervorragende 
Rolle  unter  den  jüdischen  Gemeinden  Mitteldeutschlands  gespielt 
hat.  Nach  meinem  Dafürhalten  wäre  es  zwar  zweckmässiger 
gewesen,  wenn  Herr  Dr.  Jarczewsky  die  Geschichte  der  Juden 
in  Erfurt  in  eine  Geschichte  der  Juden  Thüringens  eingeflochten 
hätte,  weil  die  Juden  in  Erfurt  grösstentheils  mit  denen  in  ganz 
Thüringen  ein  gleiches  Schicksal  hatten  und  die  Geschichte 
jener  durch  eine  Betrachtung  dieser  häufig  erst  richtig  v  er  st  an - 

Frank«!    Monatsschrift. XVII. 8.  24 


L 


314  Recensionen  und  Anzeigen. 

den  wird;  da.  indes?  Herr  Jar,  es  vorgezogen  hat,  die  Geschichte 
der  Juden  ip  Erfurt  allein  zu  schildern,  die  der  Juden  in  an- 
deren thüringischen  Städten  dagegen  nur  hjer  und  da  in  Betracht 
zu  ziehen,  so  kann  es  bei  einer  Kritik  seiner  Schrift  nur  darauf 
ankommen,  zu  prüfen,  ob  das  von  ihm  Mitgetheilte  überall  richtig 
ist,  ob  seine  Arbeit  viel  Neues  bietet  und  ob  er  alles  schon  durch 
frühere  Forschungen  Bekannte  bei  derselben  benutzt  hat.  Wenn  ich 
nun  im  Folgenden  Veranlassung  finden  werde,  sowohl  Herrn  J.  man- 
cherlei Unrichtigkeiten  nachzuweisen  als  auch  vieles  von  ihm 
Uebergangene  nachzutragen,  so  hoffe  ieh,  dass  derselbe,  dessen 
gnten  Willen  ieh  gern  anerkenne,  in  meinem  Verfahren  nur  das 
Bestreben  erkennen  werde,  ihn  bei  etwaigen  späteren  Publi- 
catiooen  vor  ähnlichen  Irrthümem  z>u  bewahren  und  ihn  zu  ver- 
anlassen, in  Zukunft  überall,  namentlich  aber  bei  Benutzung  von 
rabbinisehen  Quellen,  gründlicher  zu  Werke  zu  gehen.  Schon 
das  Vorwort,  in  welchem  übrigens  blo»  allgemein  Bekanntes 
vorgebracht  und  meist  nur  auf  längst  veraltete  Forschungen 
R&eksicht  genommen  wird,  erheischt  hier  und  da  eine  Berieh« 
tigung.  So  wird  z.  B.  daselbst  behauptet,  dass  das  Hoheite- 
recht  über  die  Juden  im  Jahre  1360  auch  auf  die  freie  Reichs- 
stadt Nürnberg  übergegangen  sei,  was  aber  nicht  der  Fall  war, 
da  der  Kaiser  in  dem  genannten  Jahre  und  noch  viel  später  die 
Juden  Nürnbergs  in  seinen  und  des  Reiches  Schutz  nahm  und 
nur  dem  dortigen  Rathe  befahl,  sie  zu  beschirmen.  (Siehe  meine 
Regesten  S.  134  Nr.  237.)  Auch  wird  in  dem  Vorworte  von  den 
verschiedenen  Lasten  der  Juden  und  den  von  diesen  zu  zahlen- 
den Steuern  gesprochen,  ohne  dass  der  Abgaben  an  die  Geist- 
lichkeit gedacht  wird,  zu  denen  die  Juden  in,  den  meisten  S$dten 
verpflichtet  waren.  Doch  gelten  wir  zu  der  Monographie  selbst 
§ber.  Gleich  zu  Anfange  sagt  der  Verfasser;  „Dass  die  (iieder- 
lftssviqg  der  Juden  in  Erfurt  vor  dem  Ende  des  11.  Jahrhunderts, 
stattgefunden  haben  mu,ss,  wird  sich  beweisen  lassen".  Allein 
er  erklärt  später  selber,  dass  die  Juden  Erfurts  erst  \a  der 
zweiten  (soll  heissen:  ersten)  Hälfte  des  zwölften  «Jahrhunderts 
aug  U¥*em,  mystischen  Dunkel  heraustraten,  und  weqn  er  aus  dem. 
{Imstande,  d&aa.  man  in,  Erfurt  einen  I^eiohenstein,  aus  dem  «fahre- 
U37  g;efi\n,den  m*d  dass  fle  dortige  Min}sterialbibHothet;  ejn#a 
^a^qr-Co^e*  aus;  dem,  Jahre.  U42  aufbewahrt,  auf  die  Nieder* 
lftasuftg  de.r  Juden,  in  Erfurt  yor  dem  Ablaufe  des  H.  Jjbrfcuu- 


Rezensionen  und  Atizeigen.  315 

derts  schliesst,  so  ist  dies  eben  nur  eine  Vermutburig  uiid  noch 
kein  Beweis.  Vollends  aber  beweist  das  Vorhandensein1  jenes 
Codex  durchaus  nicht,  dass  in  dei*  ersten  Hälfte  des  12.  Jahr- 
hunderts (bei  Jär.  S.  2  unrichtig:  in  der  zweiten  Hälfte  des 
11.  Jahrhunderts)  in  Erfurt  Juden  gewesen  sind,  denn  wenn  auch 
aus  dem  Codex,  —  vori  dem  es  übrigens  noch  dahin  steht,  ob 
er  1349  im  Judensturme  geraubt  Worden  ist,  da  er  mögliche? 
Weise,  zumal  wenn  man  an  die  Minhagim  und  Randbemerkungen" 
denkt,  zu  den  Büchern  gehört  haben  könnte1,  Welche  der  ftath 
von  den  Juden  bei  ihrer  Vertreibung  im  Jahre  1458  zurückbe- 
halten hatte  (vergL  Re*gesten  S.  251  Nr.  244)  und  Von  dem  de*r 
Verfasser  nicht  erst  anzugeben  brauchte,  dass  er  in  Erfurt  oder 
ausserhalb  Erfurts  geschrieben  sei,  was  sich  ja  von  gelbst  Ver- 
steht — ,  Wie  hier  angenommen  wird,  iti  der  Synagoge  vorge- 
betet  Worden  sein  sollte,  go  bleibt  es  ja  immer  noch  zweifelhaft, 
ob  dasMachsor  gleich  nachdem  es  geschrieben  War,  zu  diesem 
Zwecke  in  Erfurt  verwendet  Wurde  oder  erst  später  dorthin 
kam.  lieber  diesen  Codex  gibt  der  Verfasser  in  Note  1  nähe- 
ren Aufschluss,  doch  so,  dasä  die  dort  aufgestellten  Vermuthungefn 
kaum  Auf  Zustimmung  rechnen  können.  Der  Schreiber  Abraham 
ben  Isaac  soll  mit  dem  gleichnamigen  Schuler  des*  Meschüllam 
bett  Jacob  identisch  sein  und  jener  gewisse  (sie)  in  Närbonne 
lebende  Abraham  ben  Isaae,  der  Verfasser  des  büttWI  *1DÖ  sdll 
für  die  Erfurter  Gemeinde  ein  Mächsor  geschrieben  haben, 
welche  Combinätiön !  Zudem  ist  es  unrichtig,  dass  R.  Abraham 
ben  Isaac  Ab-beth-din  der  Schüler  des  R.  Meächtfliain  war. 
In  Betreff  des  R.  Jaöob  ben  Nachman  und  des  R.  Jizchäk  bar 
Schlomöh,  die  von  dem  Schreiber  der  Minhagim  genannt  Wen- 
den, war  aus  Zun z:  Zur  Geschichte  S.  89  und  208  riabere  Aus- 
kunft zu  erlangen.  Auch  finden  sich,  abgesehen  von  den  vielen 
Druckfehlern,  durch  welche  diese  Note  entstellt  ist,  in  derselben 
gar  mancherlei  unrichtige  Angaben.  So  Werden  z.  B.  R.  Jizcfhak 
ben  Jebuda  und  R.  Samuel  ben  Chofhi  häcohetf  um  1Ö0  Jähre 
zu  spät,  R.  Elieser  aus  Metz  dagegen  mindestens  um  ein  halbes 
Jahrhundert  zu  früh  angesetzt  und  soll  ein  Salomo,  Schüler  des 
R.  Jacob,  den  Rasehi  Lehrer  der  Gemeinde  und  der  h.  Schrift 
nennt,  anter  Berufung  auf  Zunz  a>  a.  O.  SK  124  — -  wo  aber  von 
keinem  Salöööö  die  Rede  iat  —  um  1150  gebläht  haben! 


316  Recensionen  und  Anzeigen. 

Nach  der  Mittheilung  des  aus  der  zweiten  Hälfte  des  12. 
Jahrhunderts  stamm  enden,  von  dem  Erzbischof  Conrad  von 
Mainz  herrührenden  und  vielfach  publicirten  Erfurter  Juden- 
eides, (worüber  noch  zu  vergleichen  ist  Stobbe:  Die  Juden  in 
Deutschland  S.  157  und  Anm.  148,)  berichtet  Herr  Dr.  Jar.  mit 
Ueb ergehung  der  Mittheilung,  dass  bereits  Konig  Otto  IV.  im 
Jahre  1212  den  Eribischof  von  Mainz  mit  der  Bede  von  den 
Juden  in  Mainz,  Erfurt  und  anderen  Städten  des  Erzbisthums 
belehnt  hatte  (cf.  Regesten  S.  4,  Nr.  21),  über  die  im  Jahre  1221 
(nicht  1220,  wie  Schaab  in  seiner  diplomat  Geschichte  der  Ju- 
den in  Mainz  S.  47  angibt)  in  Erfurt  stattgehabte  Judenver- 
folgung, wobei  noch  zu  bemerken  ist,  dass  das  im  chronicon 
St.  Petri  für  jene  Abschlachtungen  angegebene  Datum:  XVI,  Kai. 
Julii  genau  mit  dem  wegen  derselben  in  Erfurt  festgesetzten 
Fasttage  am  25.  Siwan  übereinstimmt,  da  beide  dem  16.  Juni 
entsprechen,  der  damals  auf  einen  Mittwoch  fiel.  Wahrschein- 
lich hat  aber  das  Morden  mehrere  Tage  gedauert,  da  noch  am 
Sabbath  ein  Mann  nebst  seiner  Frau  und  Tochter  verbrannt 
wurden,  wie,  nach  Zunz :  synag.  Poesie  S.  26,  Salomo  ben  Abra- 
ham, in  der  Selicha  0"fl  ü\*"6k  and  R.  Elasar  aus  Worms  in 
dem  Sulat  ^K  pN  *inbtt>  das  nach  dem  Alphabet  als  Akrostichon 
die  Worte  rbü  JÖK  p«  pDNI  pffl  mm  OTT1  p  |öpn  "ITJ^K 
ergibt,  mit  den  Worten  berichtet  Qpn  )T\yi  TWW  Wtt  )Ü*W1 
TfflSÖf  weshalb  dieses  Sulat  auch  wohl  für  den  Sabbath  nach 
dem  25.  Siwan  bestimmt  ward.  Unrichtig  ist  aber  die  Vermu- 
thung  des  Herrn  Jar.,  dass  bei  dieser  Katastrophe  dem  R. 
Elasar  Frau  und  Töchter  ermordet  worden  seien,  da  er  diesen 
Verlust  schon  1214  oder  schon  früher  1196  oder  1193  erlitten 
und  darauf  die  Zionide  ^NtPH  &6n  ]VX  gedichtet  hatte.  Siehe 
Lands huth  Amude  haaboda  S.  25  (wo  jedoch  1197  unrichtig  ist) 
un4  Zunz'  Literaturgeschichte  S.  317  und  320 1).  Mit  Unrecht 
citirt  Herr  Jar.  auch  eine  Stelle  im  Sehern  hagedolim  „unter 
Cap.  8  §  23"  (sie) ,  in  welcher  gesagt  sein  soll ,  dass  R.  Elasar 


')  In.  dem  Catalog  der  Oppenheimer'schen  Bibliothek  vom  Jahre 
1826  sind  die  Worte  npnn  ntPN  wm  nwyü  übersetzt:    historia  de. 
occisione  uzoris   aromatorü  (!),  was  Zunz  zur  Geschichte  6.  238  zu 
rügen  vergessen  hat 


r. 


Monatschronik.  317 

ein  Sulat  für  den  Sabbath  den  25.  Siwan  auf  das  Verhängniss 
Erfurts  gedichtet  habe,  während  daselbst  nur  angegeben  ist, 
wann  R.  Elasar  gelebt  hat,  von  dem  Sulat  aber  gar  nicht  die 
Bede  ist.  Allein  Herr  Jar.  hat  nur  das  Verzeichnis»  der  Pei- 
tanim  von  Heidenheim  vor  Augen  gehabt,  in  welchem  das  Zeit- 
alter R.  Elasar' s  mit  den  Worten  niK  O^nJD  OW  'DU  2ir03 
y'D'^D'N  angeführt  und  am  Schlüsse  noch  von  Heidenheim  an- 
gegeben wird , .  dass  R.  Elasar  auch  jenes  Sulat  verfasst  habe. 
Auf  die  Verfolgung  in  Erfurt  bezieht  sich,  wie  bemerkt,  auch 
.die  gedachte  Selicba  des  R.  Salomo  ben  Abraham  (vergl.  noch 
Zunz  Literaturgeschichte  S.  313),  aus  welcher  wir  erfahren,  dass 
der  Vorwand  für  dieselbe  das  Kinderschlachten  gewesen  sei 
und  dass  unter  den  Ermordeten  Samuel  nebst  Weib  und  Tochter 
wie  auch  dessen  Schwiegertochter,  Brüder  und  Söhne,  ferner 
Simcha,  Joseph  nebst  seinem  Enkel,  Moses,  der  mit  Sohn  und 
Tochter  in's  Feuer  ging  und  ebenso  Schab tai  nebst  seiner  Frau 
sich  befanden,  Namen,  die  nicht  ganz  mit  den  bei  Jar.  S.  65 
aus  dem  Mainzer  Memorbuche  mitgeth eilten,  übereinstimmen. 
Der  daselbst  genannte  Samuel  Chasan  ist  ohne  Zweifel  der 
schon  um  1280  als  Märtyrer  angeführte  Samuel  Dewlin  in  Er- 
furt, über  welchen  bei  Zunz  a.  a.  O.  S.  465  Näheres  sich  findet, 
und  die  Worte  BnitOl  ^H  K21  in  dem  mehrgedachten  Sulat  des 
R.  Elasar  beziehen  sich  entweder  auf  R.  Schemtob  halevi  oder 
auf  R.  Mordechai  ben  Eijakim  halevi.  Dr.  M   Wiener. 

(Fortoefarang  folgt.) 


Monatschronik. 


Paria.  Der  „Alliance  israelite  universelle"  geht  von  ihrem 
nach  Abyssinien  gesandten  Bevollmächtigten  folgende  Depesche 
zu,  die  aus  Marseille  datirt  ist :  „Meine  Reise  nach.  Abyssinien 
ist  geglückt.  Ihr  Erfolg  ist  befriedigend.  Ich  habe  geschicht- 
liche Documente  erworben  und  Verbindungen  mit  unseren  Brü- 
dern angeknüpft.    Ein  junger  Falascha  begleitet  mich. 

Joseph  Halevy." 


M8  Notizen. 

Fest.  Wie  dem  „Wanderer"  geschrieben  wird,  Ist  die  Con- 
gressangelegeuheit  in  ein  neues  Stadium  getreten.  Iu  letzter 
Zeit  hatte  der  Cultusminister  einige  Herren  aus  dem  Central- 
comit£  f&r  Leitung  der  Wahlangelegenheiten  des  Cofigresses 
zu  steh  beschieden  und  ihnen  eröffnet,  dass  er  in  Kurzem 
Ober  die  jüdischen  Angelegenheiten  seiner  Majestät  Bericht 
erstatten  und  das  Einberufangsschreiben  zum  Congresse  vor- 
legen werde.  Es  ist  demnach  gegründete  Aussicht  vornan* 
den,  dass  die  Einberufung  des  Kongresses  im  Namen  Sr.  Ma- 
jestät und  nicht  als  einfache  Verwaltungsmassregel  stattfinden 
werde,  was  freilich  demselben  in  seinen  Beschlüssen  eine  ganz 
andere  Bedeutung  verleihen  dürfte.  Der  Congress  wird  wahr- 
scheinlich auf  den  12.  November  einberufen  werden.  Wie  von 
anderer  Seite  berichtet  wird,  soll  auch  allen  Cultusbeamten  das 
volle  Wahlrecht  eingeräumt  werden,  während  man  bisher  daran 
dachte,  die  Cultusbeamten  von  der  Wählbarkeit  anszuschliessen, 
was  in  vielen  Kreisen  Anstoss  erregt  hat. 

Rumänien.  Bratiano  hat  kürzlich  eine  Note  an  den  Oster- 
reichischen Agenten  und  Generalkonsul  gerichtet,  m  welcher  er 
demselben  mittheilt,  dass  die  Juden  in  der  Moldau  in  die  Ort- 
schaften, aus  denen  sie  gewaltsam  vertrieben  wurden,  bereits 
zurückgeführt  worden  sind  und  aass  die  Tribunale  nächstens 
sowohl  über  den  ihnen  zu  restituirenden  Schaden,  als  auch  über 
die  Strafe,  welche  sich  die  Regierungsorgane  in  Bakan,  Berlad, 
Calarasch  und  Galacz  haben  zu  Schulden  kommen  lassen,  ent- 
scheiden werden. 


Notizen. 


Koch  ein  Wort  über  Frank. 

Meine  historische  Monographie  über  „Frank  und  die  Fran- 
kisten44  und  ihre  Schwindeleien  in  dem  diesjährigen  Seminar* 
Programm  hat  mehr  Beifall  gefunden  als  sie  verdient.  Mehrere 
journalistische  und  feirilletomstische  Blätter  haben  Aaszüge 
daraus  mitgetheilt.   Es  ist  vorauszusehen,  dass  der  romanhafte, 


Notizen.  319 

sohiipinerode  Gegenstand  mehr  Federn  anziehen  wird,  dass 
neue  Quellen  aufgefunden  und  neues  Licht  über  manche  dunkel 
gebliebene  Partie  verbreitet  werden  dürften,  namentlich  den 
Punkt;  woher  <jenn  Frank  diese  enormen  Summen  hergenommen 
hat,  um  eine  Art  Hof  zu  fuhren.  Diese  Frage*  welche  an  mich 
von  verschiedenen  Seiten  gestellt  wurde,  vermag  ich  nicht  zwei- 
fellos zu  beantworten,  ebenso  wenig  wie  das  die  Zeitgenossen 
wussten.  Mir  war  es  bei  dieser  Arbeit  nur  darum  zu  ihun,  an 
einem  eclatanten  Beispiel  nachzuweisen,  wohin  die  Verirrüngen 
der  kabbalistischen  Mystik  geführt  haben.  Es  wird  mich  daher 
freuen,  wenn  eine  fähigere  Feder  diesen  für  mich  widerliehen 
Gegenstand  aufnehmen  und  behandeln  wurde.  Diesem  könftigert 
Biographen  Franks  will  ich  einige  Notizen  an  die  Hand  geben, 
die  ich  bei  der  Quellenangabe  nicht,  erwähnt  habe. 

Zunächst  zwei  Notizen  aus  den  Wundererzählungen  über 
Israel  Mienziboi  oder  Baal- Sehern  (B"ttfjnn  TDttf  P-  7b). 
Dort  wird  erzählt,  dass  dieser  Stifter  des  Chassidismus  bedauert 
habe,  das»  die  Frankisten  von  ihren  Gegnern  zur  Taufe  gedrängt 
wurden.  Wie  jedes  kranke  Glied  am  Organismus1,  so  lange  es 
mit  demselben  in  Verbindung  bleibt,  auf  Heilung  Aussieht  hat, 
eben  so  jeder  Jude,  so  lange  er  mit  der  Schechina  in  Verbin- 
dung bleibt:  -flDXW  OT&Pipi  21PBD  TWDtf  VßTWJV  jnw  röÖl 

ttn  T3TTTÖ  istxrw  pt  bo  :  m&w  rkb*ö  rwDwnw  tftwnn 
mbusf  napn  )b  p«  idnh  parorrcoi  •  rmm  m\x  )b  jttw  ropn 

WDttHÖ  "DK  WH  ^nitnö  "IHN  bl  *D  -  An  einer  anderen  Stelle 
(p.  24  b)  wird  erzählt,  Israel  BaaU&chem  habe  einen  Rabbiner 
aufmerksam  gemacht,  dass  der  Gemeindeschächter  in  seinem 
Orte  zu  den  Sabbatianern  (verkappten  Frankisten)  gehört  und 
in  das  Schlachtmesser  geflissentlich  Scharten  hineingebracht 
habe:   TID  JÖ  )bw  önWTW  3WB^  pj^  3Tb  ö"tWÖTl  rbw 

tuo  pddh  )b  ntnnv?  nn*£  v  niBnü  itowd  wrn  ^a»  >naw 

yDtöb  HD  WflpH  bV  p3D3«  Ein  kindischer  antitalmudischer 
Muth wille!  Einige  von  mir  namhaft  gemachte  Quellen  über  die 
Anfange  der  frankis  tischen  Bewegung  finden  sich  auch  in  Nova 
Acta  historico  -  ecclesiastica,  oder  Sammlung  zu  den  neuesten 
Kirchen -Geschichten,  Weimar  17€0,  zweiter  Band  S.  102—142 
und  S.  229  -262.  Ich  konnte  bei  Bearbeitung  der  Monographie 
diesen  Band  in  der  hiesigen  königlichen  Bibliothek  nicht  in 
Händen  bekommen.    Namentlich  finden  sich  in  den  Nova  acta: 


320 


Notizen. 


1)  Ein  Abdruck  der  Aktenstücke  (in  meiner  Monogr.  S.  9  Nr.  1) 
Coram  judicio  Nicolai  . . .  Dembowski,  die  ausführliche  Er- 
zählung des  ersten  bei  dem  Bischof  von  Kamieniec  gegen 
die  Antitalmudisten  eingeleiteten  Processes  und  des  Bischofs 
gegen  die  Talmudisten  parteiisches  Urtheil. 

2)  Vorangeht  eine  Rede  der  Contratalmudisten  an  den  Bischof 
d.  d.  31.  Juli  1756,  worin  sie  zuerst  ihr  heuchlerisches 
Glaubensbekenntniss  ablegen.  Sie  ist  aus  dem  Polnischen 
übersetzt. 

3)  Das  Bittgesuch  an  den  Erzbischof  von  Lembtrg.   (Monogr. 

S.  8). 

4)  Die  Bittgesuche  an  den  König  von  Polen  und  den  Primas 
(das.  S.  4  und  Beilage  S.  XVII— XXIII). 

5)  Die  brüske  Antwort  des  Primas,  der  ihr  heuchlerisches 
Bekenntniss  durchschaute. 

6)  Noch  ist  zu  bemerken,  dass  von  Frank  auch  Brunet  han- 
delt in  seiner  Schrift:  Paralleles  des  Religions,  Paris  1792. 
T.  IL    Doch  bietet  sein  Material  nichts  Neues. 

Graetz. 


Berichtigung. 


S.  186  Z.    1  statt  Bunno     lies  Buöno. 


„  28  „  Ponem 

„  30  „  qua 

„  35  „  er  dem 

„   187  „  12  ,,  Aetera 

„  13  „  mamore 

„  25  „  Keynosa 

„  27  „  Araham 

„  29  „  Del 

„  31  „  vorigen 


„  PonenDÜM. 

„  que. 

„  erste. 

„  Altera. 

„  marmore. 

„  Reynoso. 

„  Abraham. 

„  Dal. 

„  vorige. 


Drei  Controversisten. 

Von 
Dr.  M.  Kayserling. 


In  dem  Masse  als  das  Christentum  und  die  Kirche 
an  Macht  und  Ansehen  in  den  europäischen  Staaten  zu- 
nahmen, tritt  auch  das  Bestreben  der  Geistlichkeit  her- 
vor, die  Juden  ihrem  Glauben  zu  entfremden  und  der 
Kirche  zuzuführen.  Was  der  unmenschliche  Druck  der 
Herrscher  nicht  vermochte,  sollte  darch  süssliche  Bekeh- 
rungsversuche der  Geistlichen  erzielt  werden;  zu  diesem 
Zwecke  Hess  der  'fromme  Ferdinand  von  Castilien  auf 
Anrathen  des  bekehrungssüchtigen  Dominicaner-Generals 
Raymund  de  Pefiaforte  in  den  Priesterseminarien  die  he- 
bräische Sprache  unterrichten,  um  aus  den  jüdischen 
Schriften  neues  Material  zur  Bekämpfung  des  Judenthums 
und  Bekehrung  seiner*  Anhänger  zu  gertinnen;  man  wollte 
die  Juden  mit  ihren  eigenen  Waffen  schlagen.  Die  theo- 
logischen Disputtitionen  zwischen  unwissenden  Priestern 
ader  ftöäWflligeti  Neophyten  und  eingeschüchterten,  in 
ddr'Rtfdfe  beschränkten  und  gehemmten  Rabbinern  gingen 
mit  den  Judenverfolgungen  Hand  in  Hand. 

Nach  der  Vertreibung  der  Juden  ans  Spanien  schien 
Itetito  för  Religionsgespräehe  und  Controversen  der  ge- 
eignetste Boden.  Italien  wurde  der  Sammelplatz  der 
gebildeten  spanischen  Flüchtlinge,  der  Sitz  der  intelligen- 
testes Juden;  es  fehlte  somit  nicht  an  Männern,  welche 

F  r  a  n  k  e  1 ,  MonatMchrift.  XVII.  9.  25 


322  Drei  Contro vereisten. 

befähigt  waren,  den  zudringlichen  Dienern  der  Kirche 
Gegenpart  zuhalten:  wissenschaftlich  gebildete  Rabbiner, 
Aerzte  und  Philosophen  schracken  vor  einem  Colloquium 
mit  einem  Priester  nicht  zurück.  Die  Disputationen  haben 
übrigens  um  diese  Zeit  einen  von  den  früheren  Jahrhun- 
derten verschiedenen  Charakter  angenommen;  sie  wurden 
nicht  mehr  mit  solchem  Eifer  geführt  als  zu  einer  Zeit, 
wo  nach  einer  einzigen,  den  Vertretern  des  Judenthums 
scheinbar  beigebrachten  Niederlage  eine  Massentaufe  ins 
Werk  gesetzt  wurde;  das  Feuer  war  verraucht,  die  Waffen 
waren  abgenutzt,  die  Masse  hatte  an  derartigen  Wort- 
gefechten das  Interesse  verloren.  Oeffentliche  Disputa- 
tionen wurden  nicht  mehr  veranstaltet;  es  waren  nur  noch 
einzelne  fromme  Mönche,  welche  mit  einzelnen  Juden  in 
theologicis  zu  machen  für  ein  gottgefälliges  Werk  hielten, 
oder  es  fiel  einem  geistlich  angehauchten  Fürsten  ein, 
sich  von  einem  gelehrten  Juden  eine  Standrede  halten  zu 
lassen  und  sich  an  den  Einwendungen  zu  vergnügen, 
welche  von  seinem  Beichtvater  zur  Verteidigung  der 
Dreieinigkeit  und  Menschwerdung  gemacht  wurden.  Aehn- 
lich  dem  Grauen,  das  die  Juden  in  früheren  Jahrhunderten 
erfasste,  wenn  von  einer  theologischen  Disputation  ver- 
lautete, war  im  17.  Jahrhundert  die  Freude,  so  es  galt 
für  das  Judenthum  eine  Lanze  zu  brechen:  Die  Juden 
waren  nicht  mehr  von  vorn  herein  der  unterliegende 
Theil;  Italien  war  das  Land,  wo  es  ihnen  gestattet  wurde, 
mit  den  geistlichen  Kampfhähnen  ein  freies  Wort  zu 
wechseln  und  ihre  Ansichten  über  Christenthum  und  Ju- 
denthum offen  und  rückhaltlos  darzulegen.  Sonder  Scheu 
und  mit  der  vollen  Kraft  der  Ueberzeugung  traten  hier 
Männer  wie  Aboab,  Luzzatto,  Cardoso  und  viele  Andere 
für  ihren  Glauben  ein:  ihnen  schliessen  sich  der  minder 
bekannte  Danielo  aus  Livorno  und  der  fast  ebepsßi un- 
bekannte Proselyt  Carrasco,  ganz  besonders  der  I^eib- 

arzt  Elias  Montalto  als  Controversisten  an. 

•  • «» 

Die  drei  Genannten,  welche  uns  hier  beschäftigen 
sollen,  verschieden  an  Beruf  und  Lebensgang,  entfalteten 
ihre  apolegetische  Thätigkeit  zu  Ende  des  16.  und  Anfang 
des  17.  Jahrhunderts  grösstenteils  in  Italien,   und  zwar 


Drei  Controversisten.  323 

in  Venedig  uud  Li  vorn  o.  Die  beiden  ersteren  verhalten 
sich  gewissermassen  gleich  Zöglingen  zu  Montalto,  der, 
so  bedeutend  auch  sein  Ruf,  als  Controversist  völlig  un- 
bekannt ist1). 

Dieser  seiner  Zeit  gefeierte  Arzt  siedelte,  vor  der  In- 
quisition aus  der  Heimath  geflüchtet2),  nach  längerem 
Aufenthalte  in  Livorno  nach  Venedig8)  über,  wo  er  sich 
grosse  Achtung  erwarb  und  mit  mehreren  der  Venezia- 
nischen Nobili  im  Verkehr  stand.  In  der  Lagunenstadt 
bot  sich  ihm  bald  Gelegenheit,  sich  über  die  Grunddogmen 
des  Christenthums  auszusprechen. 

Ein  spanischer  Dominicaner,  welcher  Rom  besucht 
hatte,  kam  auf  seiner  Rückreise  nach  Venedig  und  wandte 
sich  an  einen  Venetianischen  Nobili  mit  der  Bitte,  ihm 
eine  Unterhaltung  mit  Montalto  zu  ermöglichen,  damit  er 
mit  ihm  unter  den  Augen  des  Nobili  über  gewisse  schwie- 
rige Stellen  der  heil.  Schrift  disputiren  könne.  Montalto 
durfte  dem  Venetianer,  dem  er  zu  Dank  verpflichtet  war, 
die  Bitte  nicht  abschlagen.  Die  mündliche  Unterredung 
hatte  aber  kaum  begonnen,  da  drängten  die  Umstände 
den  Dominicaner,   seine  Rückreise  nach  Spanien  zu  be- 


*)  Um  öftere  Wiederholungen  zu  vermeiden,   geben    wir  seine 
apologetischen  Schriften  gleich  hier  an: 
Tratado  do  IL  H.  E.  Montalto  sobre  o  Capitulo  53  de  Isaias  e  ou- 
tros  Textos  da  Sagrada  Escritura.     3  Theile  in  einem  Band. 
Portugiesisch  Ms.  in  meinem  Besitze. 
Razonamiento  del  Senor  Hahara  Montalto  en  Paris,  zum  ersten  Male 
jüngst  gedruckt  in  Danielillo  o  Respuestas  a  los  Christianos  etc. 
(s.  weiter)  Brnselas  1868,  S.  104—132. 
Livro  fayto  por  el  illustre  Eliau  Montalto,  em  que  mostra  a  ver- 
dade  de  diversos  textos  e  cazos,  que  alegaon  as  Gentilidade?, 
para  conflrmar  suas  seictas.    Ms.  M.  s.  De  Rossi,  Bibl.  Judaic. 
Antichrist.    71. 
*)  Nosß08   antepassados   padecerao   principalmente   em   Portugal 
debaixo  de  Jugo  dos  Reys  D.  Manuel  e  D.  Juao,  y  nos  padecemos 
debaixo  de  aquella  Fera  Inquisicao  ....  Tratado,  128. 

•)  üeber  seinen  Aufenthalt  in  Venedig  s.  meine  Geschichte  I,  147. 
Note  1. 

25* 


324  Drei  Controversisten- 

schleunigen,  und  sie  verabredeten  die  Controverse  schrift- 
lich zu  Ende  zu  führen:  Montalto  sollte  seine  Ansichten 
über  das  53.  Capitel  des  Jesaias  ihm  schriftlich  mittheilen. 
Auf  inständiges  Bitten  seines  christlichen  Gönners  ging 
der  Jude  auf  diesen  Vorschlag  ein ;  gerade  das  Propheten- 
wort, das  yon  den  Gegnern  zu  ihren  Zwecken  und  Be- 
hauptungen ausgebeutet  zu  werden  pflegt,  bot  ihm  die 
sichersten  Anhaltspunkte,  die  ihm  entgegengehaltenen  Be- 
weise in  Nichts  aufzulösen4). 

Sowohl  in  seinem  Tratado  als  in  dem  Razonamiento, 
von  dem  später  die  Rede  sein  wird,  richtet  sich  Montalto 
znnächst  gegen  die  Erbsünde. 

Der  Arzt  sucht  dem  Gegner  von  der  humoralpatho- 
logischen  Seite  beizukommen.  Er  behauptet  nämlich, 
dass  Adam  dem  leiblichen  Tode  nicht  erst  in  Folge  des 
Genusses  der  Frucht  vom  verbotenen  Baume  verfallen 
sei;  der  Mensch  ist  von  Natur  sterblich,  indem  er  aus 
entgegengesetzten  Elementen  zusammengesetzt  und  sein 
Leben  von  der  Erhaltung  der  natürlichen  Wärme  ab« 
hängig  sei;  hört  diese  Wärme  mit  der  Abnahme  der 
Lebenssäfte  auf,  so  muss  notwendiger  Weise  der  Tod 
eintreten5). 

Noch  viel  weniger  kann  die  gegnerische  Behauptung, 
dass  Adam  und  mit  ihm  das  ganze  Menschengeschlecht 
den  geistigen  Tod  verwirkt  habe,  stichhaltig  sein.  Eine 
solche  Behauptung  hebt  nicht  allein  jede  göttliche  Gnade 
auf,  sondern  steht  auch  mit  jeder  wahren  Philosophie  in 
Widerspruch.  Adam  war,  so  argumentirt  Montalto,  eine 
endliche  Substanz,  keine  endliche  Substanz  kann  eine 
unendliche  Wirkung  erzeugen,  mit  anderen  Worten,  eine 


4)  Veyo  a  esto  cidade  de  Veneza  hnm  Frade  Dominico,  o  quäl 
chegava  de  Roma,  o  se  valeu  de  hum  Noble  Veneziano,  a  quem  Eu 
son  obrigadiesimo ,  para  que  ein  sua  companhia  pudese  conferir  co- 
migo,  ou  argnir  sobre  diversos  paseos  da  S&grada  Escritura  . .  . .  o 
Tempo  llie  nao  dava  tempo  para  conferencias,  porque  neceseitava 
partir  com  brevidade  para  Espanha  ....  Einleitung  zum  Tratado. 

•)  Tratado  5. 


Drei  Controversisten.  325 

begrenzte  That  der  Sünde  kann  nicht  unendliche  Wirkung 
hervorbringen0).  Wollte  man  hiergegen  einwenden,  dass 
die  Sünde  Adam's  mit  Rücksicht  auf  das  unendliche 
Wesen,  dessen  Gebot  er  übertreten,  von  unendlicher  Wir- 
kung sei,  so  müsste  zugegeben  werden,  dass  ebenso  wie 
die  Sünde,  auch  die  gute  That  eines  Menschen  unendliche 
Wirkung  erzeuge  und  z.  B«  die  Beschneidung  als  gute 
ThatAbraham's  die  Sündhaftigkeit  des  Menschengeschlechts 
aufgehoben  habe7). 

Mit  dem  Dogma  der  Erbsünde  im  innigsten  Zusammen«* 
hange  steht  das  Dogma  der1  Menschwerdung.  Nach 
der  christlichen  Lehre  vermag  nämlich  keine  Busse  und 
keine  Besserung  die  Befreiung  von  der  Erbsünde  und  die 
Versöhnung  des  Menschen  mit  Gott  zu  erwirken;  erst 
durch  die  Leiden  und  den  Tod  des  Stifters  des  Christen- 
thums  soll  das  Erlösungswerk  vollbracht  und  erst  durch 
den  Glauben  an  diesen  Erlöser  oder  Messias  auch  die 
Vergebung  der  Erbsünde  herbeigeführt  worden  sein.  Mit 
der  Erbsünde  steht  und  fällt  consequenter  Weise  das 
Dogma  der  Menschwerdung  und  Dreieinigkeit,  gegen  das 
Montalto  streng  logisch  seine  Polemik  nunmehr  beginnt. 
Wir  mögen  ihm  auf  diesem  Streifzuge  nicht  folgen  und 
bescheiden  uns,  das  Wesentlichsie  seiner  Widerlegung 
kurz  anzudeuten. 

Es  ist  unmöglich,  sagt  Montalto,  dass  zwei  Naturen 
sich  in  einem  Wesen  vereinen,  denn  eine  und  dieselbe 


•)  Dieser  Satz,  der  unwillkürlich  an  Spinoza  erinnert:  Praeter 
Deum  nulla  dari  neque  concipi  potest  substancia,  oder :  Omnis  substan- 
cia  est  necessario  infinita,  Etbic.  pars  I,  prop.  VIII,  XIV,  wird  von 
Montalto  an  zwei  Stellen  seines  Tratado  in  Anwendung  gebracht; 
S.  12:  nenhua  Stibstancia  ou  Potencia  finita  pode  produzir  efeito  In- 
finito,  sendo  pois  Adam  Sabstancia  finita  e  sua  Potencia  limitada, 
como  pudia  produzir  hua  accao  ou  efeito  Infinito.  Fast  mit  denselben 
Worten  S.  104:  Hua  Substancia  ou  Potencia  finita  nao  pode  produzir 
hua  acc,aö  ou  calidade  (qualidade)  infinita  y  illimitada,  y  assim  sendo 
hum  hörnern  de  finita  y  limitada  easencia,  nao  pode  ser  o  seu  pecado 
infinito. 

7)  Tratado  12  f.,  105,  109. 


326  Drei  Controversisten. 

Substanz  kann  z.  B.  nicht  Mensch  und  Stein  zugleich 
sein;  die  Negation  der  Einheit  schliesst  schlechterdings 
jede  andere  Voraussetzung  aus.  Göttliche  und  mensch- 
liche Natur  lassen  sich  in  einem  und  demselben  Wesen 
um  so  weniger  denken,  als  zwischen  beiden  eine  unend- 
liche Verschiedenheit  herrscht.  Wollte  man  sich  Gott  in 
irgend  einer  Person  vorstellen,  so  würde  das  die  unbe- 
grenzte Macht  des  allerhöchsten  Wesens  aufheben8). 
Auch  den  von  älteren  Polemikern  bereits  geltend  gemachten 
Einwurf  Hess  Montalto  nicht  unberücksichtigt,  dass,  wenn 
der  Messias  in  der  Person  Jesu  wirklich  erschienen  und 
durch  sein  Erscheinen  die  Sünde  Adam's  als  Erbsünde 
gesühnt  wäre,  folgerichtig  auch  die  Strafen,  welche  dem 
ersten  Menschenpaare  angedroht  worden  und  durch  das- 
selbe in  die  Welt  gekommen,  hätten  aufhören,  dass  der 
Mensch  sodann  wieder  unsterblich  sein,  das  Weib  ohne 
Schmerzen  Kinder  gebären,  der  Erdboden  nicht  mehr 
verflucht  sein,  überhaupt  der  Zustand  des  goldenen  Zeit- 
alters hätte  wieder  hergestellt  sein  müssen9)*  Alles  das 
und  die  daraus  fliessenden  Folgerungen  führen  Montalto 
auf  den  Unterschied  zwischen  der  christlichen  und  jüdi- 
schen Messiaslehre.  Während  das  Christentum  in  der 
Messiasidee  die  Vergebung  der  Sünde,  die  Versöhnung 
des  Menschengeschlechts  sieht,  erwartet  das  Juden thum 
mit  der  Ankunft  des  Messias  eine  Befreiung  Israel's  von 
jedem  äusseren  Drucke,  die  Anbetung  des  einig-einzigen 
unkörperlichen  Gottes  von  allen  Völkern  der  Erde,  das 
Aufhören  von  Blutvergiessen  und  Krieg,  den  allgemeinen 
Weltfrieden1). 


•)  Tratado  63  ff. 
•)  109ff. 


l)  Tratado  109  ff.  Mit  dem  Eintritte  des  Christen  thums,  meint 
Montalto,  der  hierin  augenscheinlich  Nachmani  u.  A.  folgt,  haben  die 
Kriege  und  Meinungsverschiedenheiten  nicht  allein  nicht  aufgehört, 
sondern  erst  eigentlich  angefangen.  Entre  o  corpo  y  a  alma  com  per- 
petua  Bateria  do  appetite  y  da  rezaö  y  o  que  peor  he,  o  appetite 
irracional  mais  senhor  y  a  rezaö  mais  escrava  que  nnnca.  Ebenso 
Danielo:  nunca  hubo  mas  guerras  que  despues  que  el  Mesias  vino,  y 


Drei  Controversisten.  327 

Wie  der  „Tratado"  von  dem  spanischen  Dominicaner 
aufgenommen  worden,  erfahren  wir  nicht;  dass  der  Geg- 
ner so  leicht  überzeugt  sein  würde,  glaubte  Montalto 
selber  nicht  Wusste  er  doch,  dass  vorgefasste  Meinungen 
eine  Ergründung  der  Wahrheit  nicht  zulassen,  dass  das 
hartnäckigste  Vorurtheil  aber  der  blinde  Glaube  ist,  der, 
gleichsam  ein  dicht  ausgebreiteter  Schleier  über  das  Auge 
der  Erkenntniss,  wie  Montalto  sich  ausdrückt,  den  Geist 
in  Finsterniss  gefangen  hält  und  den  Menschen  zwingt, 
auf  den  freien  Gebrauch  der  Vernunft  zu  verzichten2). 

Derselbe  Montalto,  welcher  diese  Controverse  in  seinem 
Studirzimmer  zu  Venedig  niederschrieb,  hielt  einige  Jahre 
später  auf  Befehl  des  ungläubigen  Heinrich  IV.,  wenige 
Tage  bevor  Ludwig  XIII.  auf  den  Thron  gelangte,  in  der 
Hauptstadt  Frankreichs  in  Gegenwart  der  gelehrtesten 
Theologen  und  vieler  Hofleute  eine  Standrede  (Razona- 
miento)3),  in  welcher  er,  der  königliche  Leibarzt  und 
Rath ,  nicht  minder  freimüthig  und  unerschrocken  seine 
Ansichten  über  das  Christenthum  darlegte. 


nunca  nosolros  estuvimos  mas  derramados,  ni  hubo  maß  disensiones 
en  las  religiones.  Danielillo,  28.  —  Deus  Bendito  fara  hua  tal  refor- 
macao  no  mundo  com  a  vinda  do  Mesias,  que  as  irdas  seraö  mais 
largas,  e  fomes  do  Pecado  y  inracional  appetito  emfreado  debaixo  do 
jugo  da  rezaö  e  a  Terra  sera  fertilissima  na  Produccao  de  seus  Par- 
tes com  menos  trabalho  humano  e  outras  muytas  felicidades.  Tra- 
tado  83. 

»)  Tratado  88. 

3)  Danielillo  102:  •  • .  razonamiento,  que  hizo  en  Paris  uno  de 
nuestros  Hebreos,  llamado  el  Haham  Montalto,  por  mandado  del 
Rey  Enrique  IV.  y  Luis  XIII.  ßu  hijo  (siendo  principe)  —  pocos 
dias  antes  que  empezase  de  reinar  —  delante  de  los  mayores 
Teologos  y  Doctores  de  su  corte.  Diese  Angabe  leidet  an  verschie- 
denen Widersprüchen.  Montalto  kam  frühestens  im  Mai  1611  nach 
Paris  (vgl.  meine  Geschichte  I,  147),  Heinrich  IV.  wurde  bekanntlich 
am  14.  Mai  1611  plötzlich  ermordet  und  sein  Sohn  Ludwig  war  bei 
seiner  Ermordung  erst  81/»  Jahre  alt;  bestieg  er  nun  auch  nach  dem 
Tode  seines  Vaters  den  Thron,  so  übernahm  er  doch  keineswegs 
gleich  die  Regierung« 


328  Drei  Controversisten. 

„Höre  Israel,  der  Herr  unser  Gott,  der  Herr  ist  einig", 
begann  Montalto  seine  Rede.  Gott  ist  einig,  einzig,  ein 
Wesen  an  sich,  ohne  Mehrheit,  von  jedem  anderen  Wesen 
unabhängig.  Daraas  folgt,  dass  Alles,  was,  sei  es  Betreff 
des  Daseins  oder  der  Erhaltung,  des  höchsten  Wesens 
bedarf,  Geschöpf  ist.  Hit  vielen  Stellen  aus  dem  A.  und 
N.  Testament  beweist  der  königliche  Rath,  dass  Jesus 
von  Nazareth  nur  Mensch  und  nicht  Mensch  und  Gott 
zugleich  ist. 

„Wir  Juden  halten  es  für  ein  untrügliches  göttliches 
Gesetz,  nicht  zu  wandeln  in  den  Wegen  anderer  Gott- 
heiten, welche  unsere  Väter  nicht  gekannt  —  will  man 
uns  zwingen,  anderen  Göttern  zu  dienen,  so  müssen  wir 
nach  dem  bestimmten  Ausspruche  des  wahren  Gottes, 
unser  Leben  preisgeben/6  ......   „Israel  ist  das  edelste, 


Der  Todestag  Montalto's  ist  erst  jängsl  durch  Herrn  D,  H.  <Je  Castro 
in  Amsterdam  vermittelst  Auffindung  seines  Grabsteins  festgesetzt 
Seine  von  de  Gastro  entzifferte  Grabschrift  lautet  (vgl.  N.  Isr.  Week- 
blad,  2.  Jahrg.  Kr.  19): 

K 

KTl  "in  1ND  b  Ü1ÜH2  VTW  TW1  TOT  T!** 

Kin  wpy  unv  xbn  tdj;  idp  hov  pH 

toH  rf>  v&  top  hpn  orrwa  ort?  wn! 

^"p"WT  «Aköjid  lrrfoc  Tnnt»  Hot  mn  v«pn  ^pfon  Hfl 

bs*  öwd3  erntan  n«  T&ryn  mn  p*a  aar* 

Bann  folgt  nachstehende  portugiesische  Grabsohrift: 
Aqui  esta  Bepultado  o  ill*«  £  asinaado 
Varao  Kforenu  e  Sabio,  universal  Medico 
Del  Rey  de  Franca  o  Rab  Raby  Elisa  Mon- 
Talto  cuia  memoria  seia  en  Bendicao 
O  Quai  se  apegou  com  el  Deo  em  XXIX 
Do  Mee  de  Sevath  do  anno  de  VMCCCLXXVI. 
29.  Sehe vat  5376=  19.  Februar  1616,  nicht  16.  Februar,  wie  de  Bar* 
rios  u.  A.  angeben;  hiernach  ist  Geschichte  I,  147  zu  berichtigen. 


Drei  Controversisten.  329 

würdigste,  verständigste  und  beiligste  Volk  des  Erden- 
rundes, edel  und  würdig  schon  wegen  seines  Alters: 
Med  er,  Perser,  Chaldäer,  Griechen,  Inder  und  Römer, 
welche  sich  den  grössten  Theil  der  damals  bekannten 
Welt  unterjocht  hatten,  —  sie  Alle  gingen  unter  und  Ter- 
schwanden  spurlos;  ihre  Götter  vermochten  sie  nicht  zu 
schützen.  Ganz  anders  verhält  es  stell  mit  Israel.  Sind 
die  Israeliten  auch  jetzt  wegen  ihrer  Sünden  in  die  vier 
Enden  der  Welt  zerstreut,  ohne  Staat  and  ohne. Herr- 
schaft,  so  leben  sie  doch  zufrieden  und  halten  mit  unver- 
brüchlicher Treue  an  ihrem  Gott  und  ihrem  Glauben, 
und  wenn  auch  Castilien  und  Portugal  sich  alle  erdenk« 
liehe  Mühe  gegeben,  sie  ihrer  Religion  zu  entfremden  und 
alle  diejenigen,  welche  im  Judentbum  verharrten,  grausam 
martern  und  verbrennen  —  Aehnliches  geschah  in  Eng- 
land, auch  in  Frankreich  und  anderen  Staaten  —  «o  hat 
sie  doch  nichts  in  ihrer  Glaubensinnigkeit  und  Festigkeit 
erschüttern  können.  Nur  das  unbedingte  Vertrauen,  das 
Israel  in  Adonai,  seinen  Gott,  setzt,  bat  alles  Dieses  zu 
Wege  gebracht4)." 

Diese  Standrede  schickte  Montalto  in  Abschrift*)  einem 
jungen  Freunde  in  Livomo,  seinem  früheren  Wohnorte6), 
Namens  Danielo,  welcher  sieh  freilich  seibat  den  kleinen 
Daniel  (Danielillo)  nannte,  doch  aber  in  aller  Beschei- 
denheit von  sich  behauptete:  .,Ich  bin  jener  kleine  Daniel, 
der  ich,   trotzdem   der  Flaum  mir  um  die  Lippe  spielt, 


4)  Razonatniento  121,  123f 

•)  Danielillo  5  Respuestas  &  los  Öristianös,*  escrito-  <eft  Amsterdam 
por  Isaac  Mendes  en  el  an»  de<  1788,  arreglado  j  publicado  por  M. 
Caplan.  Bruselas,  van  Gelder,  1868.  Herr  Caplan  edirte  dieses  Schrift- 
chen nach  einem  in  der  k.  Bibliothek  zu  Brüssel  aufgefundenen  Mscr. 
(ein  anderes  Exemplar  befindet  sich  nach  Carmoly,  Rev.  Orient.  II,  113 
in  einer  Bibliothek  zu  Constantinopel.)  Dose  Isaak  Mendes  nur  der 
Copist,  nicht  aber  der  ca.  150  Jahre  früher  lebende  Verf.  des  dehrift- 
chens  ist,  bedarf  keiner  weiteren  Begründung  und  ergibt  sieh  deutlich 
genug  aus  dem  Schriftchen  selbst. 

•)  Danielillo  103:  el  cual  razonaraiento  nos  enviaros  de  atta,  todo 
per  escrito« 


330  Drei  Controversisten. 

die  grössten  Männer  Europa's  habe  zittern  machen,  näm- 
lich jene,  welche  auf  ihrer  Reise  nach  Rom  livorno  pas- 
sirten;  viele  der  verständigsten  dieser  Pilger  änderten 
hier,  sobald  sie  die  Wahrheit  erkannten,  ihren  Reiseplan, 
und  schlugen  statt  nach  Rom  den  Weg  nach  Jerusalem, 
nach  Holland  ein"7). 

In  der  That  war  Livorno  um  jene  Zeit  gerade  der- 
jenige Ort,  wo  die  Wege  sich  kreuzten :  ob  Rom,  ob  Jeru- 
salem. Hier  brachte  Montalto  den  jungen  Paul  de  Pina 
von  seinem  Vorhaben  ab,  nach  Rom  zu  gehen  und  fahrte 
ihn  dem  Judenthume  wieder  zu.  Hier  gelangte  der  Ca- 
pitata Miguel  de  Barrios  „durch  dunkle  Wälder  zum 
hellen  Lichte",  wie  er  seinen  Brüdern  in  Oran  meldete, 
und  nannte  sich  hier  als  Bekenner  des  Judenthums  Daniel 
Levi  de  Barrios.  Hier  warfen  noch  viele  Andere  die 
Larven  sammt  dem  Ordenskleide  ab  und  bekannten  sich 
offen  zu  der  jüdischen  Religion.  Auch  Danielillo  sah 
seine  Bemühungen,  durchreisende  spanische  Mönche  und 
Ritter  für  das  Judenthum  wieder  zu  gewinnen,  mit  Erfolg 
gekrönt. 

Ein  edler  Ritter  des  8.  J&go-Ordens,  D.  Antonio  de 
Contreras,  von  Zweifel  über  die  Grunddogmen  der 
christlichen  Lehre  gequält,  schickte  sich,  um  vor  den  Nach- 
stellungen der  Inquisition  sicher  zu  sein,  auf  Anrathen 
eines  wohlmeinenden  Freundes  zu  einer  Reise  nach  Rom 
an.  Auf  dieser  Pilgerfahrt  gelangte  er  nach  livorno. 
Dort  besuchte  er  mit  mehreren  Dominicanern  und  Carme- 
litern,  welche  sich  unterwegs  zu  ihm  gesellt  hatten,  die 
Strada  Ferdinanda  (calle  Fernandina),  bekanntlich  die 
schönste  Strasse  dieser  reichen  Handelsstadt,  und  trat 
in  einen  Laden,  um  einige  Einkäufe  zu  machen«    Der 


')  Io  soy  aquel  Danielillo,  qne,  con  mfe  pocas  barbas,  he*  faecbo 
temblar  a  los  mayores  sujetos  de  Europa:,  digo  aquellos,  que  hau 
pasado  por  aqni  a  Roma;  7  machos  de  los  mas  entendidos  torcieron 
el  camino,  y  en  lugar  de  ir  a  Roma,  se  fueron  a  Jerusalem,  y  otros 
4  Holaada,  asi  que  vieron  la  verdad,  y  descubrieron  la  mentira 
Danielillo  74. 


Drei  Controversisten.  331 

Kaufmann  sprach  so  vortrefflich  spanisch  und  zeigte  sich 
gegen  den  landsmännischen  Ritter  so  zuvorkommend, 
dass  er  alsbald  ein  Gespräch  mit  ihm  anknüpfte  und  ihn 
nach  den  Gründen  fragte,  die  ihn  bewogen  hätten,  ein  so 
herrliches  Land  wie  Spanien  mit  seinen  reichen  Handels- 
plätzen Madrid,  Sevilla,  Toledo,  Granada  zu  verlassen 
und  Livorno  zum  Wohnorte  zu  wählen,  wo  er  ja,  wie  er- 
sichtlich, kaum  mit  der  Sprache  vertraut  wäre.  „Herr", 
erwiderte  einer  der  Anwesenden,  „der  Besitzer  dieses 
Ladens  hatte  in  Madrid,  seinem  Geburtsorte,  einige  Feinde, 
welche  ihn  als  ungläubig  bei  der  Inquisition  anklagten. 
Das  Tribunal  zog  ihn  ein,  belegte  sein  sämmtliches  Ver- 
mögen mit  Beschlag,  und  wies  ihm  ungefähr  vier  Jahre 
lang  eine  Zelle  als  Wohnung  an,  die  nicht  grösser  war 
als  jenes  Bett  da;  schliesslich  gab  es  ihm  die  Tortur  und 
zwang  ihn  durch  falsche  Zeugen  ein  Bekenntniss  abzu- 
legen, dass  er  Jude  sei  und  jüdische  Ceremonien  be- 
obachte, und  dabei  war  er  damals  ein  besserer  Christ 
als  die  Herren  Inquisitoren  selber.  Nach  vier  Jahren 
gewann  er  mit  Verlust  seines  sämmtlichen  Vermögens  die 
Freiheit  und  bekannte  sich  offen  zum  Judenthum,  was  die 
Meisten  thun,  denen  es  gelingt,  den  Erallen  der  Inquisition 
zu  entgehen,  und  warum  sollten  sie  es  nicht?  Man  sieht 
ja  täglich  mehr  ein,  dass  das  ganze  Glaubensgericht  nichts 
als  Lug  und  Trug  ist  und  nur  Geld  will.  Sie  begeben 
sich  dann  nach  Livorno  oder  nach  Holland,  wo  sie  frei 
und  offen  das  Gesetz  beobachten,  das  Gott  durch  den 
grossen  Propheten  Moses  seinem  Volke  Israel  übertragen 
hat8)." 


•)  Danielillo  11:  fleoor,  ese  bidalgo  qae  eeta  aqui  tuya  tienda, 
tenia  algnnos  enemigos  qae  le  faeron  &  acusar  a  la  Inquinicion,  y 
prendiendole  le  embargaron  todos  aus  bienes,  y  le  tuvieron  allä  muy 
cerca  de  4  anos,  en  an  aposentico  (1.  apoeentillo)  poco  mas  quo  la 
cama,  y  al  cabo  le  dieron  an  may  gentil  tormento,  y  aanqae  negaba, 
le  dijo  8u  letrado,  que  si  pasaba  con  la  negativa  adelante,  le  habian 
de  qaemar,  por  estar  convencido  de  testigoe,  adonde,  aanqae  eran 
falßoB,  le  fae*  necesario  confeaar  le  qae  por  la  imaginacion  no  le  habia 
pasado,  porqne  el  era  antes  mejor  cristiano  qae  ellos  •  •  • 


332  Drei  Controversisten. 

Als  frommer  Christ  hielt  es  D.  Antonio  für  Pflicht, 
dieser  Behauptung  entgegenzutreten,  er  entwickelte  seine 
Ansichten  über  den  Gottmenschen,  „dessen  Ankunft  alle 
Propheten  verkündet  hätten  und  der  nun  mit  offenen 
Armen  alle  Diejenigen  aufnehme,  welche  sich  zu  ihm  be- 
kennen wollten". 

Ein  jünger  Mensch  von  fünfzehn  Jahren,  welcher  mit 
Schreiben  beschäftigt  in  einem  Winkel  des  Ladens  sich 
befand,  sprang  bei  diesen  Worten  auf  und  trat,  von  dem 
Principal  des  Geschäfts,  seinem  Oheim,  aufgefordert,  nä- 
her, um  dem  Ritter  Bescheid  zu  geben.  Es  entspann  sich 
nun  zwischen  D.  Antonio  und  dem  fünfzehnjährigen  Knaben 
—  dem  kleinen  Danielo  —  eine  Controverse,  welche  sich 
um  den  Messias  drehte,  und  auf  die  wir  nicht  näher 
einzugehen  brauchen,  da  sie  in  ihren  Beweisen  und  Gegen- 
beweisen eben  nichts  Neues  bietet:  Danielo  belegt  seine 
Behauptungen  mit  den  classischen  Stellen  aus  den  Pro- 
pheten und  flicht  dann  sehr  geschickt  eine  sechs  Monate 
früher  mit  einem  spanischen  Dominicaner  geführte  Con- 
troverse ein9). 

Auch  diese  Controverse,  welche  hinsichtlich  des  In* 
halts  der  früheren  ziemlich  gleichkommt,  unterscheidet  sich 
nur  durch  den  Ton,  welchen  die  Kämpfer  darin  anschla- 
gen: Danielo,  immer  ruhig,  zuweilen  neckisch,  immer 
schlagfertig,  —  wie  weit  er  die  Waffen  Montalto's  benutzt 
hat,  wollen  wir  hier  nicht  untersuchen,  unbekannt  waren 
sie  ihm  nicht  — ;  der  Mönch,  aufbrausend,  in  beständiger 
Verlegenheit,  rechthaberisch,  bis  er  sich  endlich  auf  Gnade 
und  Ungnade  Danielo  als  besiegt  ergibt. 

Der  Mönch,  Lehrer  der  Theologie  in  Salamanca,  wel- 
cher in  der  frommen  Absicht  nach  Livorno  gekommen 
war,  um  dort  Judenseelen  zu  fangen,  liess  von  seinem 
Vorhaben  ab,  gab  seine  Reise  nach  Rom  auf  und  wurde 
Jude;  er  und  einer  der  ihn  begleitenden  Ritter  verblieben 
noch  einige  Wochen  in  Livorno,  begaben  sich  nach  Con- 


')  Danielillo  43—103. 


Drei  Controversisten.  333 

stantinopel,  wo  sie  sich  beschneiden  Hessen,  und  von  da 
nach  Jerusalem1). 

Und  D.  Antonio?  Der  edle  de  Contreras  kehrte  nach 
Madrid  zurück,  ordnete  seine  häuslichen  Verhältnisse  und 
trat  sodann  seine  Rückreise  nach  Italien  an.  Sein  bedeu- 
tendes Vermögen  gab  er  in  Genua  auf  die  Bank  de  los 
Ferraras  und  lebte  als  guter  Jude  (buen  Judio)  in  Li* 
vorno*). 

Haben  wir  es  hier  mit  historischen  Personen  oder  mit 
einer  Fiction  zu  thun?  Enthält  Danielillo  Wahrheit  oder 
Dichtung?  Es  sind  das  Fragen,  die  sich  nicht  leicht  von 
der  Hand  weisen  lassen.  Niemand  wird  Danielo  und  die 
in  der  Controverse  auftretenden  Personen  für  fingirt  er» 
klären,  Niemand  die  Facta  selber  in  Zweifel  ziehen  können. 
Sie  bilden  eine  neue  Blattseite  in  der  jüdischen  Geschichte 
und  liefern  neue,  unumstössliche  Beweise  für  die  Zähigt 
keit  der  jüdischen  Ueberzeugung,  für  die  innere  Lebens- 
kraft der  jüdischen  Religion.,  Man  denke  sich  —  wir 
führen  das  nur  beispielsweise  an  —  einen  Mann  wie 
Isaak  Penso3),  der  im  Kerker  der  Inquisition  das.  Ge-» 
lübde  thut,  innerhalb  eines  Jahres  Jude  zu  werden.  Er 
ermöglicht  mit  Lebensgefahr  seine  Flucht,  reist  nach  Ant- 
werpen, beschäftigt  sich,  bevor  er  noch  au  die  Sicher* 
Stellung  seines  grossen  Vermögens  denkt,  mit  den  „Reich- 
thttmern  seiner  Seele",  wie  er  sich  ausdrückt,  eilt  in  24 
Stunden  von  Havre  de  Grace  nach  Zeeland,  nach  Middel- 


l)  . .  •  quedando  alyunos  dias  en  este  Liorne,  al  cafee  de  15  dias 
iba  una  nave  para  Constantinopla,  adonde  se  embarcaron  . . .  Danie- 
lillo 141,  139. 

*)  £1  buen  D.  Antonio  de  Contreras  dispuso  (en  Madrid)  sns 
cosas  y  junto  mucho  dinero  qae  paso  en  letras  a  Genoa,  a  pagar  a 
los  Ferraras  ...  y  cobrando  su  dinero  todo,  se  paso  a  este  Liorno, 
donde  existe,  habra  dos  anos,  hecbo  muy  buen  Judio.  Dan.  145. 

•)  Isaak  Penso  Felix  (st  28.  Scheyat  5443  *  24.  Februar  1683) 
war  der  Vater  des  Novellisten  Joseph  Penso  de  la  Vega.  Ueber  das 
hier  Mitgetheilte  vergL  Jos.  Penso's  Oracion  funebre  en  las  exsequias 
de  su  padre  D.  Ishac  Penso  Felix.    Amst  1683. 


334  Drei  Controversisten. 

bürg,  trifft  am  Tage,  da  sein  Gelübde  abläuft,  dort  ein, 
und  lässt  ungesäumt  die  schmerzhafte  Operation  der  Be- 
schneidung an  sich  vollziehen.  Klingt  das  weniger  roman- 
haft? War  nicht  Isaak  de  Rocamora  als  Mann  noch 
Fray  Vicente,  Mönch,  Beichtvater  einer  österreichischen 
Kaiserin  und  doch  später  der  eifrigste  Jude?  Und  Abra- 
ham Peregrino,  Israel  Escudero  und  noch  viele  Andere? 
Unter  den  spanisch- portugiesischen  Marranen  sind  der- 
artige Erscheinungen  keine  Seltenheiten.  Gewahren  wir 
nicht  in  Juan  Carrasco  dieselbe  Metamorphose? 

Wer  war  Carrasco?  Man  kennt  seinen  Namen  und 
weiss,  dass  er  ein  noch  heute  un gedrucktes  Buch  zur 
Verteidigung  des  Judenthums  geschrieben4)  —  im  Gan- 
zen ist  es  eine  unbekannte  Persönlichkeit,  die  erst  jetzt 
nach  zweihundert  Jahren,  Dank  Danielo !  ihr  Auferstehungs- 
fest feiert. 

Juan  Carrasco  aus  Madrid  war -Mönch  in  einem 
Augustiner-Kloster  zuBurgos5).  Auf  einer  Romfahrt  machte 
er  in  Livorno  Halt  und  wurde  in  Folge  einer  zwei  Tage 
währenden  Disputation,  welche  er  mit  einem  dortigen 
Juden,  Danielo,  hielt,  „erleuchtet";  er  gab  seine  Reise  nach 
Rom  auf,  blieb  in  Genua  oder  Livorno,  wo  er  zum  Juden- 
thum  übertrat  und  ein  „sonderbares"  Buch  gegen  den 
Katholicismus  schrieb1).  Carrasco  galt  für  einen  der  be- 
deutendsten Prediger  Spanien's,  für  eine  Säule  der  Reli- 
gion, so  dass  sein  Uebertritt  zum  Judenthum  für  unglaub- 


*)  M.  s.  De  Rom,  Bibl.  Ant.  Christ  23:  Carascon,  über  hisp.  pro 
religione  judaica  adversus  catholicos  12.  Nodriza  1633. 

•)  •  .  •  el  Padre  Fr.  Juan  Carrasco,  natural  de  Madrid,  fraile 
Agostino,  qui,  pasando  a  Roma  ....  estuvimos  disputando  por  es- 
pacio  de  dos  dias  . . .;  despues  de  haberse  bien  enterado  de  la  ver- 
dad,  y  del  engaho,  en  qne  toda  sa  vida  habia  estado  ....  Dan.  62 f. 
vgl.  67. 

•)....  antes  que  de  aqui  se  fuese,  hizo  an  libro  curioso,  en 
qae  maestra  los  errores  de  la  religion  cristiana.  Dan.  64.  Carrasco 
selbst  sagt  estampä  alli  nn  libro,  qne  con  esta  le  remito  a  V.,  el 
cnal  le  manifestara  la  mncha  falsedad  qae  hay  en  la  qae  segaimos. 
Dan.  69.    Das  Bach  befand  sich  in  Händen  Danielo'«. 


Drei  Controversisten.  335 

lieh  gebalten  wurde,  und  man  in  seinem  Kloster  steif  und 
fest  behauptete,  er  habe  auf  der  Reise  im  Meere  seinen 
Tod  gefunden7).  Später  siedelte  er  nach  Holland  über, 
wo  er  sich  beschneiden  Hess  und  sehr  zufrieden  lebte, 
wie  er  Danielo  und  anderen  Freunden  in  Italien  brieflich 
mittheilte8).  Wir  lassen  einen  Brief  Carrasco's  an  einen 
intimen  Freund  hier  folgen: 

„Herr  und  Freund! 

Das  Denkwürdigste,  was  mir  auf  meiner  Reise  begeg- 
nete, ist,  dass  ich  in  Livorno  wahrlich  eine  ergiebigere 
Goldgrube  entdeckt  habe,  als  diejenigen  waren,  welche 
von  den  Entdeckern  Indiens  aufgefunden  wurden;  diese 
haben  sie  erst  suchen  müssen,  ich  aber  fand  sie  ohne 
Mühe,  denn  statt  nach  Rom  zu  gehen,  um  dort  reich  und 
rein  zu  werden,  blieb  ich  in  Genua.  Auf  dieser  herrlichen 
Reise  fand  ich  das  wahrhaft  göttliche  Gesetz;  auch  liess 
ich  dort  ein  Buch  drucken,  das  ich  Ihnen  anbei  tiber- 
sende und  aus  dem  Sie  ersehen  werden,  welchen  Irr- 
lichtern wir  so  lange  gefolgt Ich  fasste  den  Ent- 

schluss,  diese  Irrthümer  zu  beseitigen  und  begab  mich 
nach  Flandern,  wo  ich  eine  treffliche  Aufnahme  fand  und, 
nachdem  ich  mich  habe  beschneiden  lassen,  ganz  nach 
Wunsch  mit  allem  Nöthigen  versehen  wurde.  Ich  brauche 
Ihnen  nicht  zu  sagen,  dass  ich  glücklich  und  zufrieden 
in  der  Befolgung  der  Gotteslehre  lebe,  und  mit  dem  kö- 
niglichen Sänger  ausrufe:  „„Eine  Leuchte  meinem  Fuss 
ist  dein  Wort  und  Licht  meinem  Pfade" ".    Ich  wäre  gern 


T)  Conoza  muy  bien  —  sagt  der  Mönch,  mit  dem  Danielo  dispu- 
tirte  —  al  Padre  fray  Juan  Carrasco,  que  es  de  los  mejores  snjetos 
de  nuestra  religion,  y  afamado  Predicador:  pero,  en  cuanto  ä  que 
dijese  semejantes  cosas  de  Cristo,  y  sns  imagenes,  y  las  cruces,  me 
parece  imposible,  ni  tampoco  que  mudase  de  religion,  haciendo  tal 
afrenta  a  su  convento,  cuando  alla  se  dice,  que  el  muriö  en  la  mar« 
Dan.  67. 

8)  ...  ee  pasö  a  flandes,  y  esta  viviendo  alla  en  la  Ley  verda- 
dera  de  Dios,  muy  eatisfecho,  como  nos  escribe.    Dan.  67. 


336  Notizen  zur  Geographie  Palästina's. 

in  Genua  oder  Livorno  verblieben,  aber  ich  bin  an  diesen 
Orten  zu  bekannt,  und  will  nicht,  dass  Unwissende,  deren 
es  auf  der  Reise  von  Spanien  nach  Rom  dort  beständig 
gibt,  mich  mit  Fragen  belästigen9)." 


Notizen  zur  Geographie  Palästinas. 

* 

Von  Dr.  N,  Brüll 


I.    Seen. 

Währenddem  wir  aus  der  Bibel  blos  drei  palästinische  Seen 
kennen,  zählt  eine  alte  geographische  Notiz,  die  durch  die  Tal- 
mude  und  Midraschim  auf  uns  gelangt  ist,  sieben  grosse  Ge- 
wässer und  zwar  neben  dem  Mittelmeere,  das  den  Westen  des 
Landes  bespült,  noch  sechs  Seen  auf,  welche  innerhalb  der  Grenzen 
desselben  liegen.  Schwarz  (Tebuot  ha-Arez  27,  6 ff.;  das  heil. 
Land  S.  20 ff.)  und  Rappaport  (Erech  Miliin  p.  208)  haben  zwar 
diese  geographische  Urkunde,  die  nach  Bab.  bat  74  b  von  dem 
palästinischen  Gesetzeslehrer  R.  Jochanan  (3.  Jahrb.)  herrührt, 
bereits  in  den  Kreis  ihrer  Untersuchungen  gezogen*,  doch  hat 
der  erstere,  obzwar  er  eine  gründliche  Erörterung  derselben 
versuchte,  es  unterlassen,  sich  vorerst  einen  kritisch  gesicherten 
Text  herzustellen  und  der  letztere,  dem  ebenfalls  nur  zwei  Re- 
censionen  desselben  bekannt  waren,  begnügte  sich  blos,  dieselben 
anzuführen  und  betreffs  der  speciellen  Auseinandersetzung  auf 
die  weiteren  Theile  seines  Werkes  zu  verweisen,  die  aber  noch 
nicht  erschienen  sind. 

Es  gibt  sechs  Recensionen  dieser  Notiz  t  welche  y  zumal  sie 
von  einander  unabhängig  sind,  früher  verglichen  werden  müssen,, 
ehe  man  zur  geographischen  Fixirung  und  literarischen  Nach- 
weisung der  einzelnen  Seen  schreiten  darf. 


°)  Des  Brief  bei  Dan.  69  ff. 


Notizen  zur  Geographie  Palästina'*. 


337 


Nennen  wir  die  Stellen,  wo  diese  vorkommen:  j.  Kilajim  fy  4; 
j.  Ketubot  12,  4-,  b.  Bab.  bat.  1.  c.,  Midrasch  Psalm.  24,  1,  Mi- 
drasch  Psalm  24, 1.  Midrasch  Konen  (in  dem  Sammelwerke  Am  ade 
sche&ch  ed.  Lemberg  1785)  p.  38  a,  Jalkut  II,  667  nach  der  hier 
gegebenen  Reihe  A,  B,  C,  D,  E,  F,  so  stellen  sich  uns  folgende 
Texte  dar: 


A. 

B. 

C. 

püio  dw  njnw 

fbaiDpowninw 

rB^pÖV:#DWJDW 

•£*frcn  p« 

•V« 

DWjnwpfcRr^R 

i.          *en  rö* 

i. 

nn  rö* 

i. 

jttoö  ^  rßi 

2.      Rnatn  röv 

2. 

nrnan  m> 

2. 

ohd  te  rw 

3.         xxxn  Rfc1» 

3. 

133D1  Rtf» 

& 

rfcn  ter rw 

4.         RH^Ö"!  RÖ* 

4. 

Nn^m  rö^ 

4. 

Nr6n  iw  nw* 

5.       Rrfom  rö* 

5. 

whm  rö* 

5. 

^30  te  wy» 

6.       rp^tzn  w 

6. 

nrfrnm  rö* 

6. 

R^&DDR  0^1 

7.         OTDEWn  RÖ'1      7. 

RnDDUTI  WD1 

7. 

^rai  o*i 

D. 

E. 

F. 

haitfw  ^nti^  p» 

1t  BW 

•ow  njDib  to 

•ow 

i.           «an  wd^ 

1. 

OTTO  & 

1. 

ni-DB  te  nt)^ 

2.         Rn3OT  RÖ^ 

2. 

.     in^o  D^ 

2. 

rfrn  te  rwi 

3.        anton  rb* 

3. 

•pBl  CT 

3. 

dhd  te  raw 

4.       wbn  Rfc1»  -. 

* 

4. 

fiten  o*i 

4. 

Oy  te  HW 

5.       «rfrrn  rö* 

5. 

rnnyn  o*i 

5. 

DfcWDD  te  JW 

6.       rpn«n  rö1» 

6. 

vnao  co 

6. 

*3DD  !w  HO'»! 

^  7.     Kn»wn  R&1 

7. 

•  ^run  o>i 

7. 

teun  D^ 

Wie  zu  ersehen,  bezeichnet  hier,  wie  in  der  Bibel  (vergl. 
Winer  Realie*.  I.,  S.  407,  Anm.  3)  D^  sowol  ein  Meer  als  auch 
einen  See  und  da  dies  n»rch  Gen.  1,  10  der  Ausdruck  für  alles 
angesammelte  Wasser  ist,  so  konnte  jedes  grössere  Land- 
gewässer damit  gemeint  sein;  p331D  bedeutet  hier  nicht  „um- 
geben"  wie   man   aus    dem   in  C.   (und  F.)   hierfür   steheuden 


Frank  el,  Monatsschrift.  XVII.  9. 


26 


338  Notizen  zur  Geographie  Palästina^. 

TOppft  schKessen  könnte,  sondern  „sich  darin  befinden41,  „dort 
liegen"  in  welchem  Sinne  dieses  Verb  auch  schon  Gen.  2,  11 
und  14  zu  nehmen  ist.  A.  und  D.  enthalten  die  ursprünglichsten 
und  daher  auch  die  richtigsten  Lesearten;  der  Untersuchung 
der  einzelnen  Namen  wollen  wir  daher  den  Text  A.  zu  Grunde 
legen  und  selbe  nach  der  dortigen  Aufeinanderfolge  erklären. 

1. 

Das  grosse  Meer  nimmt  in  A.,  B.,  D.  unter  dem  aramäischen 
Namen  *Q"i  WCP  die  erste ,  in  C,  E.,  F. ,  wo  der  biblische  Name 
br\Xl  Ü*  beibehalten  ist,  die  letzte  Stelle  ein;  bekanntlich  ist 
dies  das  Mittelmeer,  das  auch  in  j.  Schekalim  6,  2  zu  den  Haupt- 
gewässern Palästina' s  gerechnet  wird.  Nach  der  Mischna  (Be- 
raehot  9,  1)  wurde  es  nicht  mit  den  Seen  in  eine  Kategorie  ge- 
stellt, da  R.  Jehuda  für  dessen  Anblick  eine  andere  Segens- 
fbrmel  vorschreibt  als  die,  welche  bei  dem  Anblicke  grosser 
Gewässer  überhaupt  üblich  war.  Die  Bezeichnung  Km  KD*1 
kommt  oft  in  den  Targumim  vor;  im  Status  constructus  wie  bei 
GV1  ^"D/  ÜV1  HJHÖ  heisst  es  blos  Q>;  sonst  findet  sich  auch 
noch  dafür  der  umfassendere  Name  D1WW  (Shfarog)  vgl.  Ps.  Jon. 
Num.  34,  6  GWplN  JO*i  KD'  ]d?  WV  K3TJTD  OTITO.  Dass  aber 
DIPpttt  überall,  wo  es  vorkommt,  nur  eine  uneigentliche  Be- 
nennung für  das  mittelländische  Meer  sei,  wie  Rappaport  (L  c. 
p.  189)  behauptet,  ist  durchaus  unerwiesen;  vielmehr  erscheint 
es  in  den  Mid  rasch  im  nur  in  der  Bedeutung  „Weltmeer**.  So 
lehrt  R.  Jochanan  (Bereschit  rab.  c.  4),  Gott  habe  von  dem  Wasser 
der  Schöpfung  die  eine  Hälfte  dem  Firmameute  und  die  andere 
dem  Ocean  zugetheilt  Qjrül  rWlT»  WO  b?  lYapH  bvü  i"i  TÖK 
Dti'pttO  DW11  JPpia  QWI»  wo  doch  offenbar  nicht  das  Mittel- 
meer gemeint  sein  kann.  Ib.  c.  5  sagt  R.  Abuhu,  dass  der  Ocean 
höher  als  die  Welt  (d.  i.  das  Land)  sei  und  dass  diese  dessen 

Wasser  trinke  TWO  &Q  üfrwn  toi  ^D  G^Pfi  tob  STOJ  DWpiK 
CPTYW  GH  (vgl«  ib.  c  23),  welche  letztere  Behauptung  übrigens 
schon  der  Tannaite  R.  Elieser  b.  Hyrcanos  aufgestellt  hat  ib. 
c.  14  vgl.  Kohelet  rab.  zu  Koh.  1,  7  Tljr6tt*1  rmW  tHNTI  pYTD) 

ry\  vmv  'n  b"t*  pan  p  rfem  tw  a^ron  owpw  w»  töhc 
efsid  p  ppnöö  tk  p  prnte  wd  vb  wpw  n«y  „Woher 

trinkt  die  Erde?"  R.  Elieser  sagte:  von  dem  Wasser  des  Oceans, 
wie  es  heisst:  „und  ein  Dunst  stieg  auf  von  der  Erde"  (Gen.  2,  2). 


Notizen  zur  Geographie  Palästina^.  339 

Da  fragte  R.  Josua:  Das  Wasser  des  Oceans  ist  ja  salzig?  und 
derErstere  erwiderte:  „in  den  Wolken  versüsst  es  sich".  Fast 
scheint  es,  dass  Dl^pW  nur  das  Weltmeer  bezeichnet,  denn  das 
DWplK  HTi  W  Jonat's.  steht  nicht  vereinzelt  da;  beide  Namen 
zusammen  haben  der  Midrasch  (Bereschit  rab.  c.  32)  NVDttf  N^K 
Dttyi*6  h*ÜH  D^  und  Ephraem  Syrus  (Quaest.  in  Gen.  2,  12) 
Jatf  c£j&  *y.?  °°*  b*  ^  SBGuuoJ. 

Besonders  bemerkenswerth  ist  eine  Stelle  im  Tanchuma  (ed. 
Stettin  Bereschit  Nr.  7),  wo  DWpW  das  ägäi sehe  Meer  zu  be- 
zeichnen scheint,  als  welches  es  dem  adriatischen  Meere  (D&OT1N)» 
das  sonst  in  den  Talinuden,  Targumim  und  Midraschim  nirgend- 
wo genannt  ist,  gegenübergestellt  wird.  Diese  Stelle,  die  auch 
sonst  Beachtung  verdient,  lautet:    TWyb  ttfpattf  ^D  h2  HfcCtt  &Q 

Mrv  töw  pfr:  *a  onoi  dw  "Tina  pe!»  )b  roia  h£k  l&sy 
vrown  im«  vraam  jndxn  rwn  paaro  own  enn  *pnb 

r6w&  poaa  paa^n  *oe&  pe!»  *  nw  anroo niw£ 

piate  phm  onnn  ja  masv  nwi»  vrn  cvnaa  enn  w  pa 
ovppi*6  D«mN  pa  puaa  piek  h  roa  dtti  • .  rbytb  w 

„Sieh'  nur,  wer  sich  zum  Gott  erheben  will,  baut  sich  einen 
Palast  im  Wasser.  Pharao  errichtete  einen  Palast  im  Wasser 
und  verstopfte  deshalb  die  Mundung  des  Nils,  damit  dessen 
Wasser  nicht  in  das  Meer  gelange.  Die  Kraft  des  Wassers  (im 
Meer)  hielt  den  Palast,  hob  und  trug  ihn  empor  (gemäss  Ezech.  2, 93). 
Sanherib  liess  sich  am  Libanon  auf  künstliche  Art  einen  Palast 
zwischen  zwei  hohen  Bergen  bauen,  aus  denen  Quellen  ent- 
sprangen, deren  Wasser  den  Palast  trug  (gemäss  ib.  31,  19). 
Chiram  errichtete  sich  künstlich  einen  Palast  zwischen  Adrias 
und  Ukenos  (d.  i.  zwischen  dem  adriatischen  und  dem  ägäischen 
Meere)  vergl.  meine  Notiz  „die  Semiramis  der  Rabbinen"  in  B. 
Ch.  Jahrg.  8  S.  252,  wo  vermuthet  wird,  dass  dieser  Darstellung 
die  Kunde  von  den  hängenden  Gärten  zu  Grunde  liege. 

2. 

In  A.,  B.,  D.  erscheint  der  See  von  Tiberias  an  der  zweiten 
Stelle,  wie  er  auch  den  in  Galiläa  lebenden  Lehrern  neben  dem 
Mittelmeere  zunächst  in  den  Sinn  kommen  musste ;  in  C.  und  F. 
wird  er  gar  zuerst  genannt,  wogegen  er  in  E.  erst  die  sechste 
Stelle  einnimmt.  Dieser  Name  des  früheren  Chineret-Sees  findet 
sich  bekanntlich  auch  bei  Johannes  21, 1  (4  öaXccoor}  tng  TißeQiados) 

26* 


340  Notizen  zur  Geograplüe  Palästina's. 

und  bei  arabischen  Schriftstellern  (Bachr  et-Tiberieh);  d'alowfrj 
Tifisfuifoe  heisst  er  auch  spater  noch  in  Vita  S.  Sabal  bei  Co- 
teler,  monumenta  ecclesiae  graecae  II,  240. 

Hieronymus  identificirt  das  alte  Chineret  mit  dem  späteren 
Tiberias  (Onomasticon  s.  v.  und  ep.  129  Cinnereth  quae  nunc 
Tyberias  appellatur),  was  von  den  Neueren  mit  Recht  bestritten 
wird  (vgl.  Winer  a.  a.  O.  II,  620).  Er  hat  aber  wahrscheinlich 
eine  ähnliche  Tradition  von  den  jüdischen  Lehrern,  mit  denen 
er  Umgang  pflegte,  gehört  und  nur  den  See  oder  vielmehr  die 
Seeküste  mit  der  Stadt  verwechselt.    In  Ber.  R.  c.  98  sagt  R. 

Berechja:  low  *oy  mn  rdn  rmj  *npj  nnao  bw  q1  *pn  bj 

Q^W  m  v^QX  JA").  „Die  ganze  Rüste  des  Tiberias  -  See's 
heisst  Chineret  und  der  Name  Ganesar  bedeutet  nach  der  Er- 
klärung der  Rabbinen  soviel  als  gane-sarim  (Fürstengärten) 
(vgl.  Megilla  6a). 

Nach  j.  Erubin  8,  8  war  der  See  ganz  von  Bergen  umgeben 
nnW  f&p'ß  Cnn  nn^Ü  CS  «nd  damit  stimmen  auch  die  Be- 
schreibungen der  Reisenden  überein.  „Seine  Ufer  werden  von 
steilen,  nur  durch  wenige  Schluchten  unterbrochenen  Bergen 
....  begrenzt  .  .  .  .  v.  Schubert  rühmt  die  malerisch  schöne 
Form  der  jäh  abstürzenden  Berge  (Winer  a.  a.  O.  I.  S.  407). 
Die  Wasserfülle  dieses  Sees  war  sprüchwörtlich  Ber.  R.%  c.  78 

nvrfc  rw  bx  rraa  apr  wdk  *p:  c^m  nw  yiv  wnv  na  b 

!"P*nü  ^D  HN>  doch  vermischten  sich  seine  Fluthen  nicht  mit 
denen  des  durchfliessenden  Jordans  feO"13DT  KÖ^D  "HJ?  K3TP  PT1 
TO  Siynö  Hb)  (Ber.  R.  c.  4,  nicht  2,  wie  es  bei  Schwarz  Te- 
buot  ha-Arez  S.  30  und  darnach  das  heil.  Land  S.  25  heisst). 

Durch  die  Sage  berühmt  war  ein  Strudel  in  der  Nähe  der 
Küste,  der  Mirjamsbrunnen,  der  nach  der  Schwester  Mosis, 
Mirjam,  so  benannt  wurde;  man  glaubte,  dass  dieser  Brunnen 
den  Israeliten  in  der  Wüste  Wasser  geliefert,  sich  mit  ihnen 
unterirdisch  fortgewälzt  und  als  sie  in  Palästina  ansässig  wur- 
den, im  Tiberias -See  seinen  bleibenden  Platz  gefanden  habe. 
So  heisst  es  j.  Kilajim  9,  4  ftf  pOTtnPl  "OD  b)l  nSpttWI  3TO 

pw  K5»i  jiotp  Tb  rb)v  ww  *o  bo  öok  -d  =)  «na  wn 
pm  roniw  prm  yk  onö  bw  mn  wn  m  maa  cd  ,tod 
panon  «np^ny  ww^i  mn»  wnn  kp  bo  ron»  Knien. 

„Es  heisst:   die  hinausschaut  in  das  Jeschimon:   (Num.21,  20). 


Notizen  zur  Geographie  Palästina^.  34  t 

Wer  auf  den  .Berg  Je  Schimon  (Asamon?)  steigt  und  eine  siefc 
artige  Vertiefung  im  See  von  Tiberias  entdeckt,  d*er  wisse,  das« 
dies  der  Mirjamsbrunnen  sei.  R.  Jochanan  sprach:  Die  Rabbinen 
haben  ermessen,  dass  er  genau  dem  mittleren  Tbore  der  alten 
Synagoge  von  Serumjin  (Sirin?)  gegenüberliegt."  Vgl.  Wajikra 
Rab.  c.  22  und  Koh.  r.  zu  Koh.  5,  7  wo  X>12ÜT  für  pMHDl  steht. 
In  Bamidbar  R.  c.  19  heisst  es:   "^fcO  Hl  ftoTOVI  ^D  by  HOPtt^ 

pö  wn  ^d  bv  rwnrrt  rmao  hm  riff  ~\rb  norow  -ip  vtöv  ntam 
naan  wvn  iun  *6m  ovi  ^na  nan  vgl.  Taucnuma 

Ghukkat  c.  22  und  Jalkut  I,  764;  mit  Bezug  auf  den  Mirjams- 
brunnen heisst  es  wol  auch  Beresehit  rab.  c.  5  pfiaa  ^D  tibtO 
rO  pÖW  btnun  bD)  HS  nmi  n:üp.  Der  babylonische  Talmud 
lässt  den  Mirjamsbrunnen  im  Mittelmeere  und  im  Gesichtskreise 
desKarmel  liegen,  vgl.  Sabbat  35  a  m*0  mrb  PSTO  K"n  T'K 

*wi  w  o>a  maa  pfca  rami  man  te-on  iwni>  n^jp  ena  bw 
ona  b»  mm  ton  w  ■«■»  bwböwi  pyD  ai  tdk  on»  !w  rnaa 

vergl.  noch  Sifr^  ed.  Friedmann  II,  306  und  Taanit  9  a.  Nach 
einem  weiteren  Bericht  war  der  Mirjamsbrunnen  tief  gelegen 
und  stand  mit  den  Heilquellen  in  Verbindung,  so  dass  Badende 
leicht  hineingerathen  konnten,  aber  ohne  Gefahr,  ja  noch  mehr 
gekräftigt  aus  demselben  wieder  herauskamen,  vgl.  Wajikra  Rab. 
1.  c;  Bamidbar  Rab.  c.  18,  Tanchuma  Chukkat  c.  lflaiöa  TWVö. 

V2Q)  «nw  'jn«i  «naoa  bwisb  tw  nn«  (aL  prpwa)  pnw 

'DnfcO  ^riDN}  D'HÖH  «*)^i5  „Ein  Aussätziger  ging  einst  nach  Ti- 
berias  baden»  doch  der  Zufall  wollte  es,  dass  er  in  den  Mirjams- 
brunnen   sank,    dort  badete   und    geheilt  wurde").      Von   der 


*)  "»DriKI  ist  hier  =  ^DNfWI ,  wie  im  Aramäischen  das  Aleph  der 

quiescentia  lit.  N  in  manchen  Verbalformen  wegfällt,  so  lantet  z.  B. 

das  Partie,  von  "ON  auch  "OD  für  ">DKD;  dies  führt  anf  das  Verständniss 

einer  sehr  schwierigen,  bisher  verschieden,   aber  unrichtig-  erklärten 

Stelle  des  Midraech.    In  Schemot  rabba  c.  42  wird  nämlich  das  J"DDD 

T ..  - 

(Exod.  32,  8)  verschiedentlich  gedeutet  Neben  anderen  bemerkt  nun 
R.  Iflak  darüber  ^TIN  ND1D  *0K  "p  rftpn  ION  HDDD  WPI  flOTT©  )wh 
PDDD  bty  ÜT\b  wy  '*üff  „das  ißt  ein  Sardioton- Ausdruck,  Massecha, 
so  heile  ich  sie,  wie  es  heisst,  sie  haben  sich  das  Gussbild  eines  Kalbes 
gemacht".  B.  Ben  Kohen  meint,-  der  Agadist  habe  PDDD  mit  "pD>  in 
Verbindang  gebracht  und  üV*T©  sei  ==  OWim  IM  ein  Fürst  der 
Gemeinen,  der  Sinn  wäre  demnach,  sie'  hätten  da?  Kalb  nicht  als  den 


342  Notizen  zur  Geographie  Palästina's. 

Mirjamsquelle  ist  sonst  nirgendswo  die  Rede.  Synb.  106a  wird 
wol  eine  Biramsquelle  zu  den  drei  Quellwissern  gezahlt,  welche 
noch  von  der  Süodfluth  herrühren  (tOW  tn2&  WH  TWI  Piyfa 
CTO1  YCH  »der  Schlund  von  Gadara  und  die  heisse  Quelle 
von  Tiberias  und  die  grosse  Biramsquelle"),  und  man  könnte 
aus  dem  Umstände,  dass  die  erstgenannten  Quellen  in  Palästina 
und  in  der  Nähe  des  Tiberias-Sees  lagen,  schliessen,  dass  auch 
die  Biramsquelle  dorthin  zu  versetzen  und  von  der  Mirjams- 
quelle nicht  verschieden,  zumal  Jalkut  I,  57  Q*)in  för  DTD  liest 
und  die  Sage  von  der  Mirjamsquelle  den  babyl.  Lehrern  nicht 
gut  bekannt  war;  allein  da  Kidduacbin  71  a  ein  cm  vorkommt, 
und  in  Ber.  Rab.  c.  33  als  die  drei  Quellen  CTOfatO  maü  pjflD 
D^DD  rVIJflDI  »die  Quelle  von  Tiberias,  Ablunis  (balneae?  oder 
TVPlXl  wonach  man  "HJ  hinzufügen  mfisste)  und  die  Paneas- 
Grotte"  genannt  werden,  so  ist  an  die  Mirjamsquelle  hier  nicht 
zu  denken.  Sie  wird  auch  nicht  zu  den  Heilquellen  gezählt; 
vgl.  Sab.  109a  *83  WöV  '03  pÖH  IM  (L  TU)  TU  *»ön  pWTTI 

•dhd  bv  rxon  vb) . . .  ♦  iron  an  vb  bat  anaü 

3. 

TDÖDT  WD1  heisst  in  B.  3 13DET  tf&  in  C.  5,  D.  4  v^Dl  NÖ\ 
in  E.  3  *]tt3l  Q>  und  endlich  in  F.  6  V£D  bfü  KÖ^-  Dass  der  See 
Samochonitis  gemeint  und  somit  DÖD  die  richtige  Leseart  ist, 
ist  unzweifelhaft;  die  LA.  ^DSD  hat  übrigens  in  Bezug  auf  eine 
weiter  anzuführende  Stelle  bereits  Frankel,  Vorstudien  zur  Se- 
ptuaginta  S.  103  gerechtfertigt   Es  ist  der  Merom  der  Bibel,  durch 


wahren  Gott,  sondern  blos  als  einen  Schatzgeist  betrachtet  und 
wäre  die  Heilang  oder  die  Rechtfertigung  ihres  religiösen  Irrthams. 
Mose  Helen  (in  Jede  Mosche  z.  St)  emendirt,  pDN  ND1D  in  }ET\)},  wo- 
nach R.  Isak  sagen  wollte,  dass  auf  die  Sonde  die  volle  Strafe  komme. 
Indessen  sind  . . .  NEHD  •••  "p  die  wörtliche  Uebersetzung  von  ro  pp, 
in  welche  Bestandteile  das  Wort  HDDD  nach  agadischer  Manier  zer- 
legt wurde;  für  JWT1D  jedoch  muss  'ptDD'HlD  (ovqiotI)  gelesen  wer- 
den, welches  Wort  rieh  noch  einmal  in  j.  Nedarim  10,  Ende  findet 
(vgl.  Rappaport  Erech  Miliin  p.  222).  Demnach  sagte  R.  Isak:  Ma- 
secha,  das  heisst  im  Syrischen  „so  heile  ich"  sie,  darum  heisst  es: 
sie  haben  sich  ein  Masecha-Kalb  gemacht  ~ 


Notizen  zur  Geographie  Palästina's.  343 

den  der  Jordan  seinen  Lauf  nahm,  vgl.  Tosifta  Bechorot  c.  9; 
bab.  bat.  74  b;  Bechorot  p.  55  a;  Jalkut  II,  4  rnjJÖÜ  K!fp  pT 

(ono  bv  rwsi)  k^dd  bw  wai  -"otd  bv  mm  -firto)  d"öd 

btVn  &b  («1.  bDOT  TM  ^H1,  »der  Jordan  gebt  aus  der  Pa- 
neas-Grotte  hervor,  lauft  durch  den  Samochonitis- ,  den  Tibe- 
rias-  und  den  Sodom-See  und  fallt  dann  in  das  Weltmeer"  (über 
den  sudlichen  Jordan  hatten  die  Rabbinen,  die  zumeist  in  Gali- 
läa wohnten,  nur  eine  mangelhafte  Kunde).  Man  rechnete  den 
Samochonitis-See  zum  Stammgebiete  von  Naphtali,  vgl.  Tosifta 
Baba  kama  c.  8  ijj»  rmnö  bti  TWti  C\H   pTS  ünDMfll  pK 

Din  bw  fen  *6ö  )b  panw  ^»ö  «!?«  tw  *6i  ^ns»  h*  wrw 
*cppy  1  ^n  w  n  nm  nurr»  am  a  'w  o^  bw  lömb 
d>  m  narr»  ma»  Vw  na1»  n?  om  wid  in?  ro*  m  er  töw 

blTTI-  »Öie  Stämme  haben  nicht  das  Recht  des  Fk^ifanges  in 
dem  Tiberias-See,  weil  dieser  zu  Naphtali  gehört  und  überdies 
ihm  noch  ein  Strich  Landes  im  Süden  des  Sees  zur  Ausbreitung 
der  Netze  überlassen  ward,  da  es  heisst:  „das  Meer  und  der 
Süden  ist  (sein)  Besitz  (Deuteron.  33, 23)"  Worte  Jose's  des  Gali- 
läers;  R.  Akiba  sprach:  Das  Meer,  das  ist  der  Samochonitis- 
See,  der  Süden,  das  ist  der  Tiberias-See;  der  Besitz,  das  ist 
das  Mittelmeer".  In  j.  Bab.  bat.  3,  3  (vgl.  ib.  Bab.  mez.  5,  1) 
lautet  die  Ansicht  R.  Akiba's  ffl  (C^)  TDÄt  p*i  nttTP  Om  D1 
W72&  bti?  U*  DT  ffllH  OÜD  bw  D1-  In  *>•  BaDa  kama  81  b  findet 
sich  nur  der  erste  Theil  der  angeführten  Tosifta  und  in  Sifre  II, 
355  ist  die  Stelle  selbst  in  der  neuesten  Ausgabe  verkürzt. und 
corrumpirt,  da  dem  Editor,  der  sonst  eine  sorgfältige  Textkritik 
übte,  die  wichtigeren  Parallelstellen  entgangen  sind.  Der  reci- 
pirte  Text  lautete  rrnOD-bv  STD*  ST?  üim  VB)0  bw  a  !T!  D^ 
\ar\  ¥bü  DITO  ipin  t>  OT1»  "fiD^Ö  STUfT.  Herr  Friedmann 
hat  diese  Stelle  gänzlich  missverstanden.  Er  streicht  das  OITfl 
und  setzt  es  vor  HWV;  An  dessen  früherer  Stelle  schaltet  er, 
gestützt  auf  die  Pesikta  des  R.  Tobia  "tfDW  ^2*1  ein,  so  dass 
demnach  die  Deutung  von  Qi  streitig  gewesen  wäre.  Allein  die 
Tosifta  lehrt  genug  deutlich,  dass  PP"DtD  "  ü*  eine  Ansicht,  näm- 
lich die  R.  Akiba's,  darstellt,  wie  es  doch  genau  in  derselben 
Fassung  auch  in  j.  Bab.  bat.  1.  c.  vorliegt;  dagegen  kann  die 
Deutung  von  fllPT  nicht  R.  Akiba  angehören,  da  er  darin  doch 
eine  Hinweisung  auf  das  Mittelmeer  findet  und  sie  wird  in  der 
That  in  der  Tosifta  1.  c.  auch  R.  Jose  dem  Galiläer  zugeschrieben. 


344  Notizen  zur  Geographie  Palästina'«. 

wofür  R.  Tobia  Tai  hatte.  Wir  haben  also  mit  der  Sifristelle 
niehts  mehr  vorzunehmen,  als  das  fehlerhafte  ^3DTD  oder  ^20» 
wie  eine  Hdschr.  hatte,  in  >DD0  zu  emendiren  und  von  ,"WV> 
den  Namen  des  Autors  mit  dem  Wörtchen  *fi33N  einzuschalten. 
Der  richtige  Text  wird  also  sein:    pfi  ÜTH)  XD3D  b&  D*  DT  D* 

)b  wütf  nöbö  rwv  om  iöw  a*nTO  ^n  tvtd®  bv  rw» 

ten  l"6ö  OTTO  Ip^n»  Ueber  die  Lage  des  Samochonitis- 
See's  gibt  auch  j.  Schekalim  6,  2  (vgl.  Jalkut  II,  383)  Auskunft, 
wo   es   mit  Bezug  auf  Ezechiel  47,  8  folgendermassen  heisst: 

wod  bv  d1  m  rwonpn  rbbv\  bx  owp  rbvc\  dw  ^x  "Baro 
noi  Nnao  ^  nvn  nmin  (Mass.  ^y)  }>«  rrro  (*l  ndwd) 

„Und  er  sprach  zu  mir:  Dieses  Wasser,  das  in  das  östliche 
Galiläa  gemW,  d.  L  der  Samoclionitis- See,  und  in  die  Ebene 
hinabzieht,  d.  if  der  Tiberias-See,  und  in's  Meer, gelangt»  d.  i. 
der  Salzsee,  in  das  Meer  die  Ausgänge,  das  ist.  das.  grosse  Meer." 
Offenbar  haben,  die  Rabbi nen  hier  den  Jordan  unter  dem  Was- 
ser  verstanden  (vgj.  Bechorot  U  c.)  und  wiederum  angenommen, 
dass  derselbe  in  das  Mittelmeer  münde:  eine  weiter  anzu- 
fuhrende  Stelle  wird  jedoch  zeigen,  dass  die  falsche  Anwen- 
dung des  Namens  todtesMeer  zu  einer,  solchen  Annahme 
fahrte. 

Auch  die  anderen  LA.  für  QöD  in  der  geographischen  Notiz 
lassen  sich  auf  den  Grund  ihrer-  Entstehungen  zurückfahren. 
In  >33D  und  D£D  sind  blos  die  Labialen  verwechselt  (Prankel, 
a.  a.  O.).  *nö"l  in  Midr.  Konen  ist  vielleicht  gar  aus  •|WP  ent- 
standen, indem  der  Harmich  (Hieromax),  dessen  ebenfalls  in  b. 
Bab.  bat.  74b  Erwähnung  gethan  wurde,  mit  dem  D&D  Samo- 
chonitis-See  gleich  gesetzt  wurde.  Auch  die  LA.  QDD  wird 
ihre  Rechtfertigung  finden  (No.  2). 

(ScbloM  folgt.) 


Ajsalekten.  345 


Aüftlekten. 


Jacob  Margoles,  Rabbiner  au  Begensburg  und  dessen 

gleichnamige  Amtsgenossen. 

Von 
Dr.  M.  Wiener. 

Ueber  K.  Jacob  Margoles  in  Regensburg,  weicher  neulich 
noch  von  Gratz  mit  dem  gleichnamigen  Rabbiner  zu  Nürnberg 
confundirt  worden  ist,  gibt  uns  dessen  Sohn,  der  bekannte  1522 
zum  Christentbume  übergetretene  Apostat  Antonius  Marganitha. 
in  seinem  oft  gedruckten  Buche:  der  ganze  jüdische  Glaube, 
Nachricht.  Derselbe  berichtet  nämlich  (siehe  edit.  Leipzig  1705 
£r.  138),  dass  sich  sein  Vater,  welcher  oberster  Rabbiner  in  Re- 
gensburg gewesen  sei,  bei  dem  Hauptmanne  RorbecJb  für  die 
in  Folge  einer  Angeberei  von.  Seiten  eines  Glaubensgenossen 
von  diesem  gefangen,  gehaltenen  Juden  verwendet  habe,  und 
dieser  Rabbiner  war  kein  anderer  als  R.  Jacob  Margalitha, 
welcher  zu  Anfange  des  sechszehnten  Jahrhunderts,  See.  XVL 
ineunte,  wie  Wolf  bibl.  hebr.  III,  515  richtig  angibt«  zu  Regen»-, 
bürg  lebte  und  mit  Reuchlin  correspondirte.  Wie  Gratz  in  seiner 
Geschichte  B.  8,  S.  456  und  B.  9,  S.  91  diesen  Regensburger 
Margoles  mit  dem  Nürnberger-  verwechseln  und  behaupten 
konnte,  dieser  habe  mit  Reuchlin,  correspöndirt,  ist  um  so  un- 
begreiflicher, als  Margoles  in  den  epist.  clarorum  virorum1)  und 
aus  diesen  auch  bei  Wolf  loc.  cit.  ausdrücklich  Primas  judeorum 
Ratisbonensis  genannt  wird.  Diese  Verwechselung  mit  Mar» - 
goles  in  Nürnberg  führte  Gratz  auch  zu  der  irrigen  Behauptung« 
jener  Brief  in  den  ep.  dar.  vir.  an  Reuchlin  müsste  zwischen 
1490  und  1492  geschrieben  sein.  Einen  Anhaltspunkt  für  die 
Abfassungszeit  dieses  Briefe»  bieten  vielleicht  die  Worte  1U3JJ1 
JBIplDttf  *VJD  "1*1»  wenn  sich  nämlich  ermitteln  Hesse,  wann 
Reuchlin  sich  in  Stuttgart  aufgehalten  hat. 


x)  Boilänflg  sei  bemerkt,  dass  auch  die  Angabe,  die  erste  Edition 
jener  epist  sei  die  von  Hagenau  1,519  (Gräte  8,  456)  unrichtig  ist; 
doch  ist  diese  Angabe  bereife  daselbst  9, 164  und  Noten  &  IX  berichtigt. 


346  Analekten. 

Wann  die  Verwendung  des  R.  Jacob  Margoles  für  die  Ge- 
fangenen in  Regensburg  stattfand,  gibt  Antonius  Margaritha 
freilich  nicht  an,  allein  sie  muss  zwischen  1499  und  1512  statt- 
gefunden haben,  denn,  wie  Gemeiner  in  seiner  Regensburger 
Chronik  IV,  30  mittheilt,  wurde  Rohrbeck  oder,  wie  er  sich  von 
jener  Zeit  an  schrieb,  Siegmund  von  Rohrbach  1499  als  Reichs- 
hauptmann in  Eid  und  Pflicht  genommen  und  blieb  in  diesem 
Amte  bis  zu  seinem  im  Jahre  1512  erfolgten  Tode  (cf.  denselben 
a.  a.  O.  S.  182).  Nach  einer  anderen  Angabe  Gemeiners  (a.  a. 
O.  S.  118),  nach  welcher  sich  Rohrbach  noch  1507  der  Juden 
Regensburgs  sehr  annahm,  könnte  man  sogar  vermuthen,  dass 
das  von  Margaritha  berichtete  Factum,  bei  welchem  der  Haupt- 
mann so  hart  gegen  die  Juden  auftrat,  erst  zwischen  1507  und 
1512  stattfand. 

Aus  den  bisherigen  Erörterungen  geht  nun  unzweifelhaft 
hervor,  daas  die  beiden  gleichnamigen  Rabbiner  Jacob  Margo- 
les, von  denen  der  eine  seinen  Sita  in  Nürnberg,  doch  schwer- 
lich schon  1476,  wie  Gritz  B.  8»  8.  280  annimmt,  wo  wahrschein- 
lich noch  R«  David  Sprintz,  auch  R.  Tewel  genannt  (siehe  weiter 
unten),  daselbst  das  Rabbinat  bekleidete,  der  andere  dagegen  in 
Regensburg  hatte,  gar  wohl  von  einander  zu  unterscheiden  sind, 
und  bedarf  es  demnach  überall,  wo  eines  Jacob  Margoles  aus 
dem  fünfzehnten  Jahrhundert  Erwähnung  geschieht,  noch  erst 
der  Untersuchung,  ob  damit  der  zu  Nürnberg,  in  Beziehung  auf 
welchen  Kaiser  Friedrich  III.  die  Brüder  Abraham  und  Salomon 
zu  Ulm  im  Jahre  1487  dahin  privilegirte,  dass  sie  nur  vor  ihm 
oder  dem  Hochmeister  zu  Nördlingen  belangt  werden  sollen*), 
oder  der  zu  Regensburg  gemeint  sei.  Welcher  von  Beiden  Ver- 
fasser der  D^BJip^  und  des  HlP^m  pöl  T1D  (siehe  jedoch  weiter 
unten)  gewesen  oder  ob  die  zwei  genannten  Werke  verschie- 
denen Verfassern  angehören,  muss  vorläufig  unentschieden  blei- 
ben, keinesweges  aber  war,  wie  Zunz:  Zur  Geschichte  S.  106 
meint,  —  dem  Hock  in  seinen  Adnotationen  zu  Gal  Ed.  S.  41 
ohne  Quellenangabe  nachschreibt  und  was  auch  D.  Cassel  zu 
Köre  haddoroth  27  b  nicht  merkt  —  der  Margaliot,  welcher  mit 
Jacob  Weil,  Joseph  Kolon  und  Reuchlin  correspondirte,  eine  und 


•)  Siehe  meine  Regesten  6.  98  Kr.  1% 


Analekten.  347 

dieselbe  Person,  da,  wie  wir  gesehen,  der  mit  Reuchlin  corre- 
spondirende  Rabbiner  der  zu  Regeosburg  war,  während  unter 
dem  Rabbiner,  der  bei  Jacob  Weil  eine  Anfrage  machte  (cfr. 
dessen  QWl  Nr.  33),  in  dem  Streite  gegen  Moses  Kapsali  für 
diesen  Partei  ergriff  und  der,  den  Joseph  Kolon  in  seinem  Gut- 
achten Nr.  26  ü*\  j"-]  «in  wnp  CTffcK  EPH  rtipHl  HÖDTO  rbEXQ 
TXfyD'Q  apJP  TfiTB  bTOn  3VI  nennt,  wie  ihn  R.  Jehuda  Minz») 
als  TDm  p^TS  im  ^TD  bezeichnet,  sicher  der  zu  Nürnberg 
verstanden  wird.  Zweifelhaft  dagegen  könnte  es  schon  sein, 
ob  nicht  der  ebenfalls  von  Kolon  GA.  Nr.  168,  in  welchem  die« 
ser  gegen  das  von  R.  Israel  Brunn  gegen  einen  gewissen  Sal- 
moni  (vergl.  Grätz  8,  275)  beobachtete  feindliche  Verfahren  an« 
kämpft,  erwähnte  Margoles  wiederum  der  Regensburger  sei, 
weil  in  demselben  GA.  der  damals  in  Nürnberg  fungirende 
Rabbiner  R.  Tewel  nw  nKTOl  rüpHl  .TWm  bnXTI  3T1 
fST  ^ayö  YTtt,  Margoles  dagegen  nur  fjfcan  "TOton  rm» 
y'JT1  H^TÖ  'H'TftD  genannt  wird,  allein  mir  ist  es  doch  wahr« 
scheinlich ,  dass  auch  hier  wiederum  der  Nürnberger  Margoles 
gemeint  ist,  da  aus  anderen  Stellen  hervorgeht,  dass  R.  Tewel, 
welcher,  wie  ich  bald  nachweisen  werde,  mit  R.  David  Sprints 
eine  und  dieselbe  Person  ist,  gleichzeitig  mit  R.  Jacob  Margoles 
in  Nürnberg  lebte,  dagegen  vermuthlich  viel  älter  als  dieser  war 
und  das  Rabbinat  in  Nürnberg  inne  hatte  zur  Zeit  als  letzterer 
wohl  nur  als  Dajan  daselbst  fungirte.  Von  den  vielen  Beleg- 
stellen, aus  denen  die  Identität  des  R.  David  Sprintz  mit  R.  Te- 
wel oder  auch  B^VlÖ*  wie  er  häufig  abgekürzt  genannt  wird 
erhellt,  mögen  hier  drei  angeführt  werden.  Wie  in  Regens- 
burg von  Seiten  des  R.  Anschel  dem  R.  Israel  Brunn  bei  dessen 
Niederlassung  daselbst  die  Erlaubniss,  dort  rabbinische  Funk- 
tionen auszuüben,  streitig  gemacht  wurde,  so  erhob  später  in 
Nürnberg,  als  sich  R.  David  Frank,  ein  Verwandter  des  R.  Israel 


•)  Dass  dieser  Name  Hinz  und  nicht  Menz  in  Beziehung  auf  Mainz 
zu  schreiben  ist,  wie  zuerst  Wolf  in  seiner  bibl.  hebr.  III.  Nr.  751 
and  später  Grätz  8,  436  annahm,  glaube  ich  im  Ben  Chananja  1864, 
871  und  in  meinem  Aufsätze  über  die  Geschichte  der  Joden  im  Elsass 
im  'dritten  Jahrgange  der  Achawa  unwiderleglich  nachgewiesen  zu 
haben. 


346  Analekten. 

BrÜnn,  in  gleicher  Absieht  in  dieser  Stadt  niederlasse«  wollte, 
R.  David  Sprints  gegen  die  ihm  drohende  Concurrenz  Einspruch, 
worauf  sich  R.  Israel  Brunn  seines  Verwandten  energisch  an- 
nahm und  erklärte  (cfr.  dessen  OA.  Nr.  253),  das«  R.  David 
Frank,  obwohl  er  einst  der  Schüler  des  R.  David  Sprinte  ge- 
wesen, doch,  nachdem  sich  letzterer  in  einem  schriftlichen  Do- 
kumente seiner  Autorität  gegen  jenen  begeben  habe,  mit  R.  Da- 
vid Sprints  vollkommen  gleich  berechtigt  sei.  In  diesem  durch 
Druckfehler  leider  sehr  verunstalteten  Gutachten  wird  der  Geg- 
ner des  R.  David  Frank  bald  uynDW  in  YllTÖ  (wie  überall 
statt  y"-)ÜW  zu  lesen  ist)  bald  ^Qy&  YVJÖ  genannt,  woraus 
also  die  Identität  beider  Personen  folgt.  Einen  zweiten  Beweis 
fÖr  diese  Identität  liefert  das  Gutachten  des  IL  Moses  Minz 
Nr.  9  verbunden  mit  dem  GA.  des  R.  Israel  Isserlein  Nr.  19. 
In  beiden  GA.  wird  über  die  Gültigkeit  des  Scheidebriefes  aus 
dem  Jahre  1455  oder  1457  (je  nachdem  die  Leseart  'ft9  bei  Moses 
Minz  oder  rnttßJ  ]QW  bei  Isserlein  Nr.  11  die  richtige  ist),  in 
welchen?  das  Jahrhundert  nicht  angegeben  war,  verhandelt  und 
R.  Moses  Minz  ertheilt  seinen  Bescheid  dem  R.  David  Sprintz, 
R.  David  Frank,  IL  Salomo  halewi  und  R.  Jacob  in  Nürnberg, 
während  Isserlein  Nr.  19  angibt,  er  sei  wegen  dieser  Angelegen- 
heit bereits  vor  fönf  Wochen  von  n'Höl  pStn\  TVBD  i  E)"V!Ö 
tt&Btt'Yt  befragt  worden,  woraus  demnach  wiederum  erhellt, 
dass  tf'inö  d.  h.  R.  Tewel  und  R.  David  Sprinte  eine  und  die« 
selbe  Person  ist.  Als  dritter  Beweis  für  die  Identität  beider  kann 
das  Gutachten  des  IL  Moses  Minz  Nr.  82  gelten,  wo  (siebe  S.  125 d) 
derselbe  Rabbiner  theils  als  pDgtQ  Y"1HD  iwittM  WttO  OHOT!  3*1 
theila  als  TVID  ItttOn  3"1  ttPttPH  erwähnt  wird.  Aus  den  bei- 
den zuerst  genannten  GA.  geht  aber  auch  zugleich  hervor,  dass 
der  darin  genannte  R,  Jacob  in  Nürnberg,  sicher  kein  anderer 
als  unserer  Margoles,  schon  1457  oder  gar  1455  daselbst  wohnte 
und  wiederum  identisch  ist  mit  dem  auch  sonst  noch  erwähnten 
R.  Jacob  DÖttO^N-  Daher  konnte  auch  R.  Moses  Minz  in  sei- 
nem GA.  Nr.  21  an  letzteren  schreiben,  er  möge  zusehen  und 
mit  den  in  Nürnberg,  also  mit  ihm  an  einem  Orte  wohnenden 
Rabbinern  R.  David  Sprintz,  R.  David  Frank  und  R.  Salomon 
halewi  wegen  einer  bei  einem  Scheidebriefe  vorgekommenen 
Unzuträglichkeit  in  Unterhandlung  treten  plDJfl  rW"!  pb>  damit 
sie  den  Scheidebrief  für  gültig  erklären.    Wie  häufig  des  R. 


Analekten.  349 

Jacob  Margole s  in  den  zeitgenössischen  Gutachten  unter  der 
blossen  Bezeichnung  MJP  WtäD  Erwähnung  geschehen  mag, 
ist  schwer  zu  ermitteln,  indess  scheint  es  mir,  dass  er  es  wohl 
ist,  an  den  R.  Moses  Minz  sein  GA.  Nr.  107  unter  der  Bezeich- 
nung üpjp  YVtiD  *)£WT  W?b  richtet  und  den  Joseph  Kolon 
GA.  Nr.  79  fjfi  2pJP  YTiTÖ'ttWVl  ITT  nennt. 

Von  den  näheren  Lebensumständen  beider  Margoles  ist  wenig 
bekannt,  auch  beider  Todesjahr  ist  nicht  mehr  genau  zu  ermit- 
teln und  nur  in  Betreff  des  Nürnberger  wissen  wir  aus  dem 
GA.  des  R.  Jehuda  Minz  Nr.  13,  dass  derselbe  1492  bereits  ver- 
storben war,  da  das  in  diesem  GA.  erwähnte  Faktum,  wie  auch 
noch  anderweitig  bestätigt  wird  (cfr.  Grätz,  9  Noten,  S.  XXI) 
im  Jahre  n"J1  (wie  es  in  der  Editio  Venedig  richtig  heisst, 
während  in  der  Editio  Salonich i  durch  Druckfehler  n"tfi  steht) 
stattfand  und  dabei  R.  Jacob  Margoles  schon  mit  dem  Zusätze 
Vt  bezeichnet  wird  und  aueh  daselbst  von  seinem  Grabe  die 
Rede  ist.  Dass  beide  berühmte  Männer  eine  grosse  Anzahl  von 
Schalern  hatten,  lässt  sich  voraussetzen;  ob  aber  Jacob  Pollak 
ein  Schüler  des  Nürnberger  Margoles  war,  wie  Grätz  9,  63  und 
65  unter  Berufung  auf  das  gedachte  GA.  Nr.  13  des  R.  Jehuda 
Minz  mit  Sicherheit  behauptet,  steht  eben  noch  dahin,  da  R. 
Jehuda  Minz,  der  a.  a.  O.  Jacob  Pollak  wegen  seines  respects- 
widrigen  Benehmens  gegen  Margoles  tadelt,  nur  vermuthet, 
dass  derselbe  des  letzteren  Schüler  war,  wie  aus  den  Worten 

m  dk  nrnpan  -pna  im  irrhrto  **•)>  yttsi  hv  oro  "pn»  ^ 
iTö^n  mn  *6  ck  *po  •  •  •  •  Tn  pwn  bw  Tbbrw  mach  o« 

nrn  brtiÜ  mHISi?  )b  .TD  t6  deutlich  zu  ersehen  ist.  Dagegen 
wird  im  Maharii  (Uilch.  3*1  my)  der  p|  fTW  als  Schüler  des 
Jacob  Margoles  genannt,  mit  welchem  aber  sicher  nicht,  wie 
Hock  in  seinen  Annotationen  zu  Gal  Ed.  Nr.  18  vermuthet,  der 
1550  in  Prag  verstorbene  Schulrector  Selkelin,  sondern  vielmehr 
der  im  Maharii  a.  a.  O.  etwas  spater  nochmals  erwähnte  R.  Sa- 
loinon  Kitzingen,  der  Freund  Joseph  Kolon's,  gemeint  ist  und 
die  Bezeichnung  pf  flTTÖ  ist  nur  Druckfehler  für  p"tYTÖ-  Von 
dem  Regensburger  Margoles  erfahren  wir  ausserdem  durch 
Antonius  Margaritha  a.  a.  O.  S.  110  und  177,  dass  er  in  Regens- 
burg noch  einen  Sohn,  welcher  ein  guter  „Hustens"  und  viel- 
leicht auch  Vorbeter  war  und  in  Prag  noch  Verwandte  gehabt, 
so  dass  sich  vermuthen  lässt,  dass  der  daselbst  wohl  im  69.  Jahre 


350  Analekten. 

▼erstorbene  Jizehak  Eisak  Margoles,  weleher  nach  Jucaasin  ed. 
Cracau  164  b  gemeinschaftlich  mit  R.  Jacob  Pollak  das  Rabbinai 
in  Prag  verwaltete  und  zu  seines  Vaters  Jacob  Margoles  ptM  T1D 
ein  Vorwort  schrieb,  ein  Sohn  des  Margoles  zu  Regensburg 
(nicht  aber  zn  Worms,  wie  Hock  a.  a.  O.  zu  Nr.  76  Zunz  irrig 
nachschreibt)  war. 

Ein  dritter  Jacob  Margoles,  wenn  derselbe  nicht  etwa  mit 
dem  Nürnberger  identisch  ist,  lebte  in  der  zweiten  Hüfte  des 
fünfzehnten  Jahrhunderts  in  Ulm  und  richtete  an  R.  Moses 
Minz  (siehe  dessen  GA.  Nr.  73)  eine  Anfrage,  bei  der  er  sich 
IV^IÖ  ITUftDlD  DpJP  unterzeichnet.  Derselbe  muss  ein  tüch- 
tiger Talmudist  gewesen  sein,  da  ihn  R.  Moses  Minz  in  seiner 
Antwort  apjp  TftTÖ- W9  ?TO  n^i  NTPOTB  nennt,  lebte,  wie 
aus  dem  gedachten  Gutachten  zu  ersehen  ist,  gleichzeitig  mit 
R.  Ascher  Enscben  in  Ulm,  scheint  aber  nicht  zu  dem  Rabbinats* 
collegium  daselbst  gehört  zu  haben,  da  er  das  iTOTD  njDtPD  2TO 
aus  dem  Jahre  1465,  welches  in  dem  rttrtn  TlD  hinter  den  GA. 
des  R.  Jebuda  Minz  mitgetheilt  ist,  nicht  mit  unterzeichnet  hat. 
Derselbe  R.  Jacob  Margoles  in  Ulm  wird  auch  mehrfach  in  dem 
GA.  Nr.  74  des  R.  Moses  Minz  genannt,  wie  S.  105 d,  106  b, 
107  d,  108  b  und  U2d,  woraus  hervorgeht,  daas  er  sich  auch 
einige  Zeit  in  Woerd  bei  Nürnberg  aufgehalten  und  sieh  mit 
JWW  beschäftigt  hat. 

Endlich  erwähnt  noch  R*  Moses  Minz  (siehe  dessen  GA. 
Nr.  114)  im  Jahre  1474  zur  Zeit  als  er  sich  in  Posen  aufhielt, 
eines  R.  Jacob  Margoles  in  Lueoa4) ,  welcher  daselbst  bei  der 


*)  Xp&  oder  Hpf?  (bei  Moses  Hinz  Kr.  43)  ist  Lncca  (igL  Zum 
im  Benjamin  von  Tadels  ed.  Asher  IL,  16)  and  nicht  Lack,  wie  es 
in  Franker»  Zeitschrift  flu*  die  religiösen  Interessen  des  Jadenthume 
1846,  387  heisst,  wo  überhaupt  mancherlei  za  berichtigen  ist  So  hielt 
sich  R«  Moses  Minz  nicht  im  Jahre  Tl  (welches  übrigens  dem  Jahre 
1444  entspräche  and  nicht  1404,  wie  daselbst  als  Druckfehler  steht), 
sondern  im  Jahre  p^th  'H"l  <L  h.  1474,  wie  a.  a.  0.  deutlich  za  er- 
sehen Ist,  in  Posen  auf,  and  dass  die  Stelle  nicht  die  einzige  ist,  in 
der  R.  Moses  Minz  von  seinem  Aufenthalte  in  Posen  spricht,  zeigt 
sein  GA.  Nr.  100  anweit  des  Schlosses,  wo  er  sagt,  er  habe  jenen 
IWlttWn  nsiTDn  TTD  festgestellt,  als  er  noch  in  Deutschland  and  zwar 
in  Bamberg  gewesen,  nachdem  er  aber  später  nach  Polen  and  zwar 


Analekten.  351 

Ertheiluog  eines  Scheidebriefes  als  Rabbiner  fnngirte,  ohne  dass 
festgestellt  werden  kann,  ob  dieser  Margoles  eine  der  bereits 
genannten  gleichnamigen  Personen  oder  von  diesen  verschie- 
den ist. 


nach  Posen  gekommen  sei  KJTID  p"p^  yhw  üTmcf?  TOOP  TUO,  habe 
er  manche  Veränderungen  in  den  Traubriefen  wahrgenommen«  Es  ist 
demnach  unnöthig,  nPD  statt  tiDD  zu  lesen.  Die  beiden  citirten  Stellen 
aus  den  GA.  des  R.  M.  Minz  führt  übrigens  schon  Perles  in  seiner 
Geschichte  der  Juden  in  Posen  (siehe  diese  Monatsschrift  1864,  283) 
an,  wobei  nur  nicht  einzusehen  ist,  was  denselben  zu  der  Behauptung 
bestimmt  hat,  M.  Minz  wäre  aus  Bamberg  nach  Posen  geflüchtet, 
da  ja  die  Vertreibung  der  Juden  aus  Bamberg  durch  den  Bischof 
Philipp  erst  im  Jahre  1475  stattgefunden  hat  (cf.  meine  Regesten 
8.  206  Kr.  664),  während,  wie  wir  gesehen,  M.  Minz  schon  1474  sich 
in  Posen  aufgehalten  hatte.  Was  M.  Minz,  der  sich  erst  im  Siwan 
1469  in  Bamberg  niedergelassen,  bewogen  haben  mag,  diese  Stadt 
wieder  zu  verlassen  und  seinen  Plan,  nach  dem  gelobten  Lande  zu 
reisen  (siehe  GA«  Nr.  60  und  107),  aufzugeben  und  dafür  in  Posen 
seinen  Wohnsitz  zu  nehmen  oder  ob  er  den  gedachten  Plan  später 
doch  noch  zur  Ausführung  gebracht  haben  mag,  lässt  sich  schwerlich 
noch  ermitteln.  Verbindungen  zwischen  deutschen  und  polnischen 
jüdischen  Gemeinden  fanden  während  des  Mittelalters  gar  wohl  statt 
und  will  ich  hier  nur  einige  erwähnen,  die  von  Zunz  (in  Frankel's 
Zeitschrift  1846,  382  ff.)  übergangen  worden  sind.  R.  Israel  Brunn  er- 
wähnt in  seinem  GA.  Nr.  55  einen  Bescheid,  den  er  an  R.  Samuel 
nach  Cracau  (31p"lp,  wie  diese  Stadt  auch  in  den  GA,  des  R.  Meir  aus 
Rothenburg  ed.  Prag  Nr.  864  und  ed.  Lemberg  Nr.  382  genannt  wird, 
während  sie  bei  Moses  Minz  8.  84  b  und  im  ?erumoth  haddesehen 
Nr.  216,  wo  ein  R»  Jacob  ans  Cracau »  mit  dem  R.  Meir  aus  Rothen» 
borg  correspondirte,  vorkommt,  2üptOp  und  bei  Späteren,  wie  in  n"W 
plK  nDS  Nr.  15  und  bei  Salomon  Luria  im  paj  ?y  HD^P  bw  D"»  37* 
tip^p  oder  tfptillp  heisst)  gesandt  und  wobei  ich  es  dahin  gestellt  sein 
lassen  muss,  ob  dieser  R.  Samuel  identisch  ist  mit  Samuel  aus  Russia, 
welcher,  nach  Zunz,  Collectaneen  aus  dem  Talmud  geschrieben,  die 
356  Bl.  in  4.  stark  im  Vatican  liegen.  Ebenso  ertheilte  derselbe  (cf. 
dessen  GA.  Nr.  264)  der  Lemberger  Gemeinde  Bescheid  auf  eine  An- 
frage, welche  diese  wegen  eines  in  ihrer  Mitte  vorgekommenen  Todt- 
schlages  an  ihn  gerichtet  hatte.  Auch  Israel  Isserlein  zeigt  sich  als 
mit  den  Zuständen  in  Polen  vertraut  und  erwähnt  (cf.  GA.  Nr.  8  und 


382  BeeensMmeo  nad  Anzeigen. 


teceisitaei  ni  Aizeigei. 


Die  Geschichte  der  Jaden  in  Erfurt,  nebst  Noten,  Urkun- 
den und  Inschriften  aufgefundener  Leichensteine.  Grössten- 
teils nach  primiren  Quellen  bearbeitet  von  Dr.  Adolph 
Jaraczewsky.  Erfurt  1868.  Selbstverlag  des  Verfassers. 
In  Commission  bei  Carl  Villaret. 

(FoitfleCsnng.) 

Was  Herr  Dr.  Jar.  S.  8  ober  den  Stadtbezirk,  den  die  Ju- 
den Erfurts  ehemals  bewohnten,  wie  auch  über  deren  Bad  und 
Spital  berichtet,  findet  sich  bereits  ausführlicher  in  Hartung's 
Häuserchronik  der  Stadt  Erfurt  S.  212  ff.  f  wo  auch  über  den 
Gottesacker  der  Juden  gesprochen  und  mitgetheilt  wird,  dass 


54)  des  dortigen  Brauches  bei  Schreibung  des  8chetdebriefe#  wie  auch 
des  Umstandes,  dass  die  dortigen  Mitosen  meist  ans  Kopfer  besteben 
und  nur  wenig  Silbergehalt  haben,  and  nur  in  Rücksicht  auf  Litthanen 
in  Rnssland  sagt  er  (a.  a.  O.  Hr.  224),   dass  Juden  ans  Deutschland 
selten  dorthin  kommen  N*wb  yiiS  UD0KD  im  *n  n«ND  TTW  ib. 
Ebenso  kennt  R.  Israel  Bronn  den  üsiis  bei   den  Benedictionen  in 
Polen  (cfr.  dessen  GA.  Kr.  121)  und  erwähnt  die  Gelehrten  in  Posen 
(das.  Kr.  285).    VgL  auch  Zunz  Ritas  8. 73.    br.  Isserlein  scheint  aber 
mit  der  Gemeinde  zn  Posen  in  vielfachem  Verkehre  gestanden  zu 
haben,  denn  wie  Israel  Brunn  (GA.  Hr.  253)  berichtet,  ertheilte  er 
einem  gewissen  R.  Moscheh  iwiD,  welcher  längere  Zeit  hindurch  m 
Posen  das  Rabbinat  unentgeltlich  versehen  und  auch  nicht  unerheb- 
liche Summen  auf  die   Förderang  des  Talmndstadiams  verwendet, 
spater  aber,  als  sich  swei  Gelehrte  Hamens  R.  David  und  R.  Kasariah 
in  Posen  niederlasten  ond  daselbst  ebenfalls  rabbmische  Funktionen 
ausüben  wollten,   es  dfesen  hatte  verwehren  wollen,-  weil  er  darin 
einen  Eingriff  in  sehte  Autorität  sah,  eine  derbe  Zurechtweisung,  ein 
Factnm ,  dessen  bei  Perles  a.  a.  O.  keine  Erwähnung  geschieht.  Ausser- 
dem ertheilte  er  der  Posener  Gemeinde  Bescheid,  wie  es  in  Betreff 
der  Abgaben,  welche  eines  ihrer  Gemeindemitglieder  von  seinen  aus- 
stehenden Schulden  zu  geben  sich  sträubte,  su   halten  sei  (cfr.  GA. 
Kr.  144),  und  erwähnt  dieselbe  auch  noch  neben  der  von  Kaiisch  an 
einem  anderen  Orte  (s.  das.  Kr.  73). 


Recensiouen  und  Anzeigen.  35& 

letztere  von  jedem  Todten  30  Pfennige  an  den  Mainzischen  Hof 
entrichten  mussten.  Ueber  alte  Erfurter  jüdische  Leichensteine 
handelt  Herr  Jar.  an  vielen  Stellen  seiner  Monographie,  jedoch 
in  einer  Weise,  aus  welcher  ersichtlich  ist,  dass  er  Zu  dz'  Werk: 
Zur  Geschichte  und  Literatur  gar  nicht  in  Händen  gehabt,  sonst 
würde  er  sowohl  eine  weit  grössere  Anzahl  von  Erfurter  Leichen« 
steinen  kennen  gelernt  als  auch  vielfache  von  Bellermann  be- 
gangene und  von  Zunz  bereits  berichtigte  Irrthüroer  nicht  wie* 
derholt  haben.  Die  briefliche  Mittheilung  von  Zunz,  dass  schon 
vor  140  Jahren  in  Erfurt  alte  Leichensteine  aufgefunden  worden 
seien,  ist  schon  a.  a.  O.  S,  397  zu  lesen  und  der  Dank  an  Wolf 
dafür,  dass  er  einige  dieser  Epitaphien  der  Vergessenheit  ent* 
rissen  habe,  ist  überflüssig,  da  Wolf  uns  keine  Erfurter  In* 
Schriften  erhalten  hat.  Von  den  26,  ausser  den  drei  unlesbaren, 
von  Zunz  a.  a.  O.  S.  405-416  nachgewiesenen  und  aus  den  Jah- 
ren zwischen  1137  und  1391  herrührenden  Erfurter  Epitaphien 
erwähnt  Herr  Dr.  J.  nur  vier,  nämlich  die  aus  den  Jahren  1137, 
1285,  1328  (für  Jecbiel  ben  Jechiel)  und  1391,  aber  ohne  Verwei- 
sung auf  Zunz  und  daher  auch  ohne  Rücksicht  anf  die  von 
diesem  gemachten  Berichtigungen,  so  dass  er  einen  Rabbiner 
Namens  Wadarasch  erfindet,  den  er  zum  Präses  des  Rabbinats- 
collegiums  in  Erfurt  macht,  während  Zunz  S.  407  Jehuda  Ascher 
ben  Sarach  ha- Cohen  liest,  was  sich  doch  hören  lässt»  Die 
hier  nochmals  publicirte  Grabschrift  des  R.  Moscheh  ben  Kalo- 
nymos  glaubt  Herr  Jar.  von  den  Fehlern  Bellermann's  befreit 
zu  haben v  allein  aus  Zunz  S.  416*  hätte  er  noch  manche  Unrich- 
tigkeit beseitigen  können.  Auch  macht  er  diesen  Leichenstein 
fast  um  ein  Jahr  jünger  als  er  ist,  denn  der  14.  Schebat  5151 
fiel  nicht  in  den  Dezember,  sondern  war  der  20.  Januar  1391. 
Was  nun  die  von  Herrn  Jar.  mitgetheilten  und  erst  in  neuerer 
Zeit  bekannt  gewordenen  Grabschriften  betrifft,  so  ergeht  sich 
derselbe  hier  wiederum  in  sehr  gewagten  Vermnthungen.  So 
soll  der  1288  (nicht  1281)  verstorbene  R.  Elieser  ben  Kalonymos 
identisch  sein  mit  dem  von  R.  Bezatel  erwähnten  R.  Elasar  aus 
Erfurt,  obgleich  die  freilich  häufig  unbeachtete  Verschiedenheit 
des  Namens  Elasar  und  Elieser  schon  dagegen  spricht  und  wird 
der  genannte  R.  Elieser  für  den  Vater  des  Nakdan  Kalonymos, 
der  „ein  Werk  über  Masorah  Ketanah"  geschrieben  hat,  erklärt, 
obgleich  bei  letzterem   der  Zusatz  halevi  fehlt.     Ueber  diese 

F  ra  n  k  e  1 ,  Monatsschrift  XVIL  9.  27 


354  ßecensionen  und  Anzeigen. 

kleine  Masorah  gibt  übrigens  Geiger  in  seiner  judischen  Zeit- 
schrift Bd.  VI,  57  ff.  Nachricht  und  vermuthet,  dass  Kalonymos 
Nakdan  nur  die  Bemerkungen  zur  kleinen  Masorah  hinzugefugt 
habe,  welche  als  spätere  Ansätze  erscheinen.  S.  118  ist  der 
Leichenstein  des  Baruch  ben  Samuel  nicht  aus  dem  Jahre  1285, 
sondern  zehn  Jahre  älter  und  der  des  R.  Joseph  ben  Samuel 
ha-Cohen  nicht  aus  dem  Jahre  1368,  sondern  aus  dem  Jahre  1338. 
S.  119  muss  die  mittlere  Inschrift  unrichtig  gelesen  sein,  da  im 
Jahre  1382  der  neunte  Tamus  auf  einen  Sabbath  fiel,  au  welchem 
keine  Beerdigung  stattfinden  konnte. 

S.  11  wird  ein  Ereigniss  aus  dem  Jahre  1272  (nicht  1271, 
wie  es  hier  und  bei  Grätz  VII,  184  Anm.  heisst)  besprochen, 
bei  welcher  Gelegenheit  Herr  Jar.  sich  manche  Ungenauigkeit 
zu  Schulden  kommen  lässt.  Schon  das  Citat  „Responseu  zu 
Maimonides  Jod  Hachasake  (sie)  aus  dem  Jahre  2TOÖa  ist  ziem- 
lich unverständlich  und  wird  damit  die  Amsterdamer  Edition 
vom  Jahre  1702  gemeint,  deren  Angabe  hier  übrigens  ebenso 
überflüssig  ist,  wie  bei  Grätz  a.  a.  O.  und  S.  480.  Das  richtige 
Citat  war  schon  aus  Zunz:  Zur  Geschichte  S.  165  und  Literatur- 
geschichte S.  618  Note  26  (wo  jedoch  Q)yt  statt  nffPK  steht) 
und  aus  Grätz  a.  a.  O.  zu  ersehen.  Ungenau  ist  aber  die  An- 
gabe, dass  der  Mann,  dessen  Frau  des  Ehebruchs  verdächtig 
war,  aus  der  unmittelbaren  Nähe  Erfurts  gewesen  sei  und  die- 
selbe vor  die  Schranken  des  Erfurter  Rabbinats  gefordert  habe, 
da  aus  dem  in  Rede  stehenden  Gutachten  über  den  Wohnort 
jenes  Mannes  nicht  das  Geringste  zu  ersehen  ist  und  wir  nur 
erfahren,  dass  die  drei  Rabbincn,  an  die  der  Mann  sich  gewendet 
hatte,  über  die  Angelegenheit  unter  Anderen  auch  mit  den  in 
ihrer  Nähe  wohnenden  Rabbinern  Erfurts  verhandelt  haben, 
aus  deren  Bescheide  übrigens  weiter  nichts  mitgetheilt  wird,  als 
dass  sie  dem  Manne  gestattet  haben,  sich  von  seiner  Frau  schei- 
den zu  lassen.  Auch  ist  rQlHD  falsch  durch  „Scheidegeld" 
wiedergegeben. 

Im  vierten  Kapitel  theilt  Herr  Dr.  Jar.  nach  einer,  Falken- 
steins Erfurter  Chronik  entnommenen  Urkunde  mit,  dass  die 
Juden  schon  wieder  im  Jahre  1266  unter  den  Augen  des  Rathes 
misshandelt  worden  seien.  Allein  dieses  Factum,  bei  welchem, 
wie  aus  dem  Briefe  des  Erzbischofs  Heinrich,  desselben,  auf 
dessen  Veranlassung,   als  er  noch  Bischof  von  Basel  war,   R. 


Recensionen  und  Anzeigen.  355 

Meir  von  Rothenburg  1286  gefangen  genommen  wurde  (cf.  Vor- 
wort zu  meinen  Regesten  S.  XIII)  hervorgeht,  der  jüdische  Be- 
gräbnissplatz wie  die  Synagogen  entweihet  worden  waren,  muss 
wenigstens  ein  Jahr  früher  stattgefunden  haben,  da  die  Urkunde, 
nach  welcher  Erzbischof  Werner  den  Erfurtern  den  ihnen  wegen 
der  Misshandlung  der  Juden  entzogenen  Gottesdienst  wiederum 
gestattete»  vom  XIII.  Kniend.  Januarii  1266  datirt  ist,  was  dem 
20.  Dezember  1265  entspricht.  Auch  ist  der  Inhalt  jener  Ur- 
kunde ziemlich  ungenau  wiedergegeben,  da  die  Worte  des  Erz- 
bischofs: ,volumus  etiain  eosdem  judeos  eojure,  libertate  pariter 
et  honore  perfrui  et  gaudere  ad  illum  terminum,  quo  nostris  ac 
praedecessorum  nostrorum  literis  sunt  niuniti'  keineswegs  be- 
sagen, dass  er  verordnete,  die  Stadt  bei  ihren  Rechten  über  die 
Juden  zu  belassen,  sondern  vielmehr,  wie  schon  Galletti  in 
seiner  Geschichte  von  Thüringen  III,  172  richtig  angibt,  dass 
die  Erfurter  sich  bequemen  mussten,  den  Juden  den  Genuss 
der  Gerechtsame  und  Freiheiten  zu  verstatten,  die  ihnen  die 
Erzbiscböfe  verliehen  hatten. 

Ueber  die  bedeutenden  Geldgeschäfte  der  Erfurter  Juden 
besitzen  wir  schon  aus  dem  13.  Jahrhundert  eine  Nachricht,  in 
welcher  berichtet  wird,  dass  im  Jahre  1294  bei  ihnen  dem  Land- 
grafen Albrecht  von  Thüringen  Pfänder  in  Gold  und  Silber 
standen,  für  welche  ihm  Landgraf  Dietrich  1008  Mark  Freiberger 
Silbers  zu  geben  versprach  (cf.  Kopp:  König  Adolph  S.  82), 
und  waren  schon  früh  die  Gerichtsgebühren  an  sie  verpfändet 
(siehe  Guden  hist.  Erfurt,  p.  70 f. > 

In  dem  fünften  Kapitel  wird  zwar  mancherlei  über  den  Kampf 
der  Erfurter  mit  dem  Landgrafen  Friedrich  erzählt,  in  Betreff 
der  dortigen  Juden  dagegen  hören  wir  nur,  dass  sie  bei  der 
Belagerung  der  Stadt  im  Jahre  1309  die  Mauern  derselben  in 
Gemeinschaft  mit  den  Christen  besetzt  hielten.  Was  dann  noch 
über  die  Judenverfolgung  in  Weissensee,  über  welche  auch 
Sidori:  Geschichte  der  Juden  in  Sachsen  S.  19  f.  handelt,  berichtet 
wird,  findet  sich  bis  auf  den  Druckfehler,  nach  welchem  der 
ermordete  Knabe  zum  Sohne  eines  Bergmannes  gemacht  wird, 
während  sein  Vater  ein  Burgmann,  castrensis,  war,  nebst  den  an- 
gegebenen Quellen  wörtlich  bei  Galletti  a.  a.  O.  III,  91  f.  und 
wir  erfahren  von  Herrn  Dr.  Jar.  nicht,  dass  auch  damals  die 
Juden  Erfurts  in  grösster  Gefahr  schwebten,  die  sie  nur  durch 


356  Recänsionen  und  Anzeigen. 

eise  grosse  Summe  Geldes  abzuwenden  vermochten,  wie  aus 
übereinstimmenden  Quellen  bei  Sidori  a.  a.  O.  S.  21  und  Leib« 
nitz  script.  rer.  Bransvic.  II,  1125  zu  ersehen  ist.  Bei  letzterem 
heisst  es  nämlich,  es  seien  damals  die  Juden  in  Thüringen  und 
den  anliegenden  Staaten  ermordet  worden.  Effordia,  in  qua  pe- 
eunia  tunc  salvati  sunt,  excepta.  Sequenti  tarnen  anno  (d.  h. 
also  1304)  et  ibidem  per  communitatem  sunt  occisi,  welche  letz- 
tere Nachricht  indess,  so  weit,  mir  bekannt  ist,  durch  andere 
Chroniken  nicht  bestätigt  wird  und  wohl  auf  Verwechselung 
mit  einer  auf  das  Gemetzel  von  1349  sich  beziehenden  Nachricht 
beruht,  wie  sie  fast  wörtlich  in  einem  Codex  bei  Klose  sich 
findet  (cfr.  Grätz  VII,  397  Anm.  1 ).  Auch  für  die  Mittheilung, 
dass  Kaiser  Ludwig  der  Baier  seinem  Schwiegersohne  Friedrich 
dem  Ernsten  die  Oberhoheit  über  die  Juden  in  Thüringen, 
Meissen  und  dem  Osterlande  verlieh,  hätte  wiederum  Gal- 
letti  III,  234  als  Quelle  angegeben  werden  müssen,  da  ihm  das 
Mitgetheilte  wörtlich  entlehnt  ist. 

Mit  Uebergehung  dessen,  was  hier  meistens  nach  einer  Ab- 
handlung Michelsens  über  den  Judensturm  in  Erfurt,  welcher 
nach  Galle tti  III,  280  am  Sonnabend  vor  Laetare  d.  i.  am  21.  März 
1349  stattfand  und  in  Beziehung  auf  welchen  es  bei  Leibnitz 
loc.  cit.  III,  379  heisst,  dass  schon  1348  die  Juden  aus  Erfurt 
vertrieben  und  wohin  sie  gekommen  waren,  an  eine  Säule  ge- 
bunden und  gestäupt  worden  seien,  wie  auch  über  die  Nach- 
wehen desselben  referirt  wird,  bemerke  ich,  dass  im  achten 
Kapitel  das  wichtige  Privilegium  nicht  hätte  übergangen  werden 
müssen,  welches  nach  Lud  ewig  reliquiae  MSS.  dipl.  X.  prae- 
fatio  p.  27  und  pag.  229  seq.  Friedrich,  Balthasar  and  Wilhelm, 
Landgrafen  zu  Thüringen  und  Markgrafen  zu  Meissen,  den  in 
ihren  Landen  befindlichen  Juden  am  1.  Dezember  1368  ertheilt 
hatten  und  nach  welchem  dieselben  sich  verpflichteten,  die  Ju- 
den nebst  ihren  Frauen,  Kindern  und  Dienern  als  ihre  Kammer- 
knechte zu  schützen  und  sie  bei  allen  jüdischen  Rechten  zu 
lassen;  falls  sie  Jemand  belangen  wollte,  sollten  sie  mit  ihrem 
jüdischen  Rechte  und  ihrem  Eide  auf  Mosis  Buch,  wie  es  von 
Alters  Herkommen  ist,  sich  reinigen  können,  womit  die  Kläger 
sich  begnügen  müssen;  kein  Vogt,  Schulze  oder  Amtmann  sollte 
über  die  Juden  ein  Recht  haben,  sondern  die  Landgrafen  woll- 
ten einen  Rath  ernennen,  damit  die  Juden  gleiche  Rechte  und 


Rezensionen  und  Anzeigen.  S57 

Freiheiten  mit  den  Christen  hatten.  Die  heimischen  Juden 
sollten  frei  von  Zoll  und  Geleite  sein,  nicht  aber  fremde  Juden; 
zwei  Jahre  hindurch  sollten  die  Juden,  welche  dafür  1000  Gul- 
den gegeben  hatten,  nicht  besteuert  werden;  nach  Halle  und 
Erfurt  durften  sie  ziehen  und  auf  ein  Schock  einen  halben  Gro* 
sehen  die  Woche  Zins  nehmen  d.  h.  43'/t  Procent;  nach  Ablauf 
von  zwei  Jahren  aber  sollte  dieser  Brief  ungültig  sein.  Später 
im  Jahre  1370  gaben,  wie  Spiker:  „Ueber  die  ehemalige  und 
jetzige  Lage  der  Juden  in  Deutschland"  S.  1G7  berichtet,  die 
genannten  drei  Landgrafen  den  Juden  und  Judinnen  in  ihren 
Landen  das  schriftliche  Versprechen,  sie  gegen  einen  jährlichen' 
Zins  von  1100  rheinischen  Gulden  sechs  Jahre  lang  in  Schutz 
und  Schirm  nehmen,  sie  von  den  Gerichten  der  Vögte  und  Schul- 
theissen  exinnren,  ihnen  ihre  herkömmlichen  Judenrechte  er- 
halten, sie  gegen  jeden  geistlichen  und  weltlichen  Bann  verth ei- 
digen und  ihnen  so  gut  wie  den  Christen  Recht  widerfahren 
lassen  zu  wollen.  Ebenso  hätte  erwähnt  werden  sollen,  dass 
der  Rath  von  Erfurt  am  28.  März  1372  mit  dem  Erzbischof  Jo- 
hannes von  Mainz  übereinkam,  ihm  für  die  dortigen  Juden  fünf 
Jahre  hindurch  jährlich  100  Mark  iöthigen  Silbers  zu  zahlen, 
nachdem  bereits  im  Jahre  1357  der  Erzbischof  Gerlach  von 
Mainz  den  Erfurtern  gestattet  hatte,  für  die  ihm  geliehenen 
400  Mark  Silber  den  dortigen  Judenzins  von  100  Mark  jährlich 
vier  Jahre  hindurch  zu  erheben  (Siehe  meine  Regesten  S.  133, 
Nr.  229  und  S.  138  Nr.  260).  Auf  diese  letztere  Thatsache  be- 
zieht sich  die  von  Herrn  Jar.  S.  26  mitgetheilte  Nachricht  bei 
Dominikus,  dass  die  Judengefälle  einige  Zeit  von  dem  Erzbischof 
Gerlach  an  die  Bürger  verpachtet  worden  seien  und  die  von 
Herrn  Jar.  beabsichtigte  Verbesserung  von  Gerlach  in  Gerhard 
ist  demnach  unrichtig.  Zu  den  Abgaben,  welche  die  Juden  in 
Erfurt  an  den  Rath  zu  zahlen  hatten,  gehörten  auch  die  für  das 
Tanzhaus,  wie  Herr  Jar.  S.  41  nach  einer  in  Hogel's  Chronik 
S.  222  enthaltenen  Nachricht,  aus  welcher  er  übrigens  noch  hätte 
ersehen  können,  dass  die  Bestimmung  des  Rath  es  nach  welcher 
kein  Jude  in  Erfurt  wohnen  dürfe,  der  nicht  daselbst  Bürger 
geworden  war,  nicht  für  diejenigen  Juden  Geltung  hatte,  die  bei 
ihren  Glaubensgenossen  dienten,  angibt«  Das  dabei  stehende 
Fragezeichen  erledigt  sich  durch  den  Hinweis,  dass  ein  solches 
Tanz-  oder  auch  Brauthaus,  in  welchem  die  Hochzeiten  abge- 


358  Recensionen  und  Anzeigen. 

halten  wurden,  weshalb  es  auch  wie  z.  B.  in  den  RGA.  des 
R.  Meir  aus  Rothenburg  ed.  Prag  Nr.  118  SlpH  b&  ntinn  rP3 
genannt  wurde,  auch  andere  Gemeinden  besassen,  wie  z.  B. 
Augsburg,  Cöln  (wo  es  Spielhaus  hiess),  Frankfurt  a.  M.,  Speyer, 
Worms  u.  a.  Vergl.  meine  Bemerkung  in  dieser  Monatsschrift 
1863,  428  Anm.  110.  Das  Brauthaus  in  Erfurt  wird  auch  in  den 
GA.  des  R.  Israel  aus  Brunn  Nr.  162  erwähnt  und  wurde,  wie 
aus  jener  Stelle  zu  ersehen  ist,  auch  noch  zu  anderen  Gemeinde- 
Zwecken  benutzt.  Einen  argen  Verstoss  begeht  aber  Herr  Jar. 
S.  43,  indem  er  sagt,  dass  „der  dritte  Theil  des  Vermögens  der 
Juden  von  vorn  herein  dem  Kaiser  gehörte,  den  dieser  den  gol- 
denen Opferpfennig  zu  nennen  beliebte"  und  somit  die  wahr- 
scheinlich erst  von  Ludwig  dem  Baiern  eingeführte  Abgabe 
eines  Guldens,  den  jeder  Jude  und  jede  Jüdin  über  12  Jahre 
jährlich  zu  erlegen  hatte  mit  der  den  dritten  Theil  ihres  Ver- 
mögens betragenden  Abgabe,  welche  die  Juden  bei  der  jedes- 
maligen Krönung  eines  Kaisers  zu  entrichten  hatten  und  die 
bereits  unter  Friedrich  I.  im  Jahre  1155  vorkam  (cf.  Regesten 
S.  3  Nr.  13),  verwechselt. 

Ueber  die  Schicksale  der  Erfurter  Juden  unter  König  Sieg- 
mund erfahren  wir  weiter  nichts,  als  dass  ihnen  derselbe,  nach- 
dem er  sie,  wie  aus  der  Zeitschrift  des  Vereins  für  thüringische 
Geschichte  IV,  328  Anm.  zu  ersehen  (wo  jedoch  nicht  Alles  mit 
den  Angaben  des  Herrn  Jar.  S.  47  übereinstimmt),  im  Jahre  1416 
um  6000  Gulden  gebrandschatzt  hatte,  in  dem  darauffolgenden 
Jahre  einen  Schutzbrief  auf  zehn  und  im  Jahre  1427  einen  sol- 
chen wiederum  auf  sechs  Jahre  ertheilte  und  endlich  zwei  Jahre 
darauf  zwei  Mandate  zu  ihren  Gunsten  erliess.  Den  letzten 
Schutzbrief  erwähnt  schon  Aschbach  in  seiner  Geschichte 
Siegmunds  111, 463,  der  auch  daselbst  S.  462  mittheilt,  dass  König 
Siegmund  bereits  vorher,  nämlich  am  10.  September  1427  dem 
Erhard  Venk  über  den  Empfang  des  goldenen  Opferpfennigs 
von  Seiten  der  Erfurter  Juden  quittirt  hatte.  Dagegen  gedenkt 
Herr  Jar.  mit  keinem  Worte  der  Acht,  die  der  genannte  König 
über  den  Juden  Friedel  in  Erfurt  verhängte,  noch  der  Leiden, 
welche  die  dortigen  Juden  während  der  Hussitenkriege  zu  er- 
tragen hatten.  Gegen  Friedel,  der  sich  wahrscheinlich  geweigert 
hatte,  die  ihm  auferlegten  Abgaben  zu  entrichten,  hatte  nämlich 
König  Siegmund  am  9.  August  1420  ein  von  Spiess  in  seinen 


r 
I 


Monatschronik.  359 

archivischen  Nebenarbeiten  I,  125  und  von  Spiker  a.  a.  O. 
S.  132 f.  mitgetheiltes  Mandat  erlassen,  in  welchem  er  allen 
Unterthanen  des  römischen  Reiches  kund  that,  dass  sein  Schwa- 
ger, der  Burggraf  Johann,  den  Friedel  nebst  dessen  Weibe  und 
Kindern  in  die  Acht  gethan  habe,  einem  Jeden  verbot,  mit  den 
Geächteten  Gemeinschaft  zu  haben,  letzteren  jedes  Recht  in  den 
Judenschulen  wie  in  den  Judenkirchhöfen  untersagte,  ihnen  den 
Frieden  und  das  Geleite  entzog  und  namentlich  verbot,  diesel- 
ben zu  beherbergen,  zu  schützen,  ihnen  zu  essen  oder  zu  trinken 
zu  geben  und  mit  ihnen  Handel  zu  treiben,  bis  sie  sich  mit  dem 
genannten  Burggrafen  vertragen  haben  würden.  Dass  die  Er- 
furter Juden  während  des  Hussitenkrieges  viele  Drangsale  zu 
erdulden  hatten,  geht  aus  dem  in  Halichoth  Kedem  S.  80  von 
Luzzatto  mitgetheilten  Schreiben  des  Maharil  hervor,  in  welchem 
dieser  berichtet,  dass  ihm  von  vielen  jüdischen  Gemeinden, 
unter  denen  er  auch  Erfurt  namhaft  macht,  Zuschriften  zuge- 
kommen seien,  aus  denen  ersichtlich  sei,  in  welcher  Angst  sich 
die  Gemeinden  befänden,  nachdem  bereits  . mehrfache  Mord- 
thaten  unterwegs  verübt  worden  wären.  Die  Unsicherheit, 
welche  damals  nflflKD  W  auf  den  von  Erfurt  ausgehenden 
Landstrassen  herrschte,  erhellt  auch  aus  dem  Gutachten  des 
R.  Israel  aus  Brunn  Nr.  278.  Dr.  M,  Wiener. 

(Schiusa  folgt.) 


Monatschronik. 


Berlin.  Die  Frage,  ob  an  jüdischen  Elementarschulen  der 
Rabbiner  zum  Lokal  -  Schulinspektor  ernannt,  oder  ob  vielmehr 
diese  Schulinspection  dem  Ortsgeistlichen  übertragen  werden 
muss,  ist  bei  Gelegenheit  einer  von  der  israelitischen  Gemeinde 
zu  Nakel  dem  Abgeordnetenhause  eingereichten  und  von  diesem 
der  Regierung  zur  Berücksichtigung  empfohlenen  Petition  durch 
ein  Rescript  des  Cultusministers  vom  16.  August  entschieden 
worden.  Dasselbe  bestimmt  im  Wesentlichen  Folgendes:  Als 
ein  Recht  können  die  jüdischen  Schulgemeinden  die  Berufung 


8G0  Monatschronik. 

des  Rabbiners  zur  Inspection  über  die  Schule  nicht  in  Anspruch 
nehmen.  Die  bestehenden  Gesetze  nöthigen  aber  auch  nicht, 
die  Localinspektion  Ober  jüdische  Elementarschulen  dem  christ- 
lichen Ortsgeistlichen  zu  übertragen.  Die  Staatsbehörden  kön- 
nen zwischen  Rabbiner  und  Ortsgeistlichen  nach  ihrem  Ermessen 
wählen.  Wo  letzterem  die  Inspection  bereits  anvertraut  sei, 
bedürfe  es,  wenn  er  dieselbe  zur  Zufriedenheit  erledige,  sehr 
gewichtiger  Gründe,  um  ihm  das  Amt  wieder  abzunehmen. 

—  Professor  Lazarus  ist  an  die  hiesige  Kriegsakademie  als 
ordentlicher  Lehrer  der  philosophischen  Disciplinen  berufen 
worden.  Professor  Pringsheim  ist  zum  ordentlichen  Mitgliede 
der  kgl.  Akademie  der  Wissenschaften  ernannt  worden  und  ver- 
lässt  daher  die  Universität  Jena,  wo  er  bisher  einen  Lehrstuhl 
für  Botanik  inne  hatte. 

Bonn.  Bei  Gelegenheit  des  hier  stattgefundenen  Universitäts- 
jubiläums wurde  dem  01>erbibliothekar  und  Professor  Dr.  Ber- 
nays  der  rothe  Adlerorden  4.  Klasse  verliehen.  Zu  den  von  der 
Universität  bei  diesem  Feste  creirten  Ebrendoctoren  gehört  auch 
Professor  Pringsheim,  welchem  das  medieinische  Doctordiplom 
ertheilt  wurde. 

Darastadt*  Auf  eine  vom  Abgeordneten  Edinger  eingebrachte 
Interpellation  wegen  Zulassung  der  Juden  zu  Staatsämtern  er- 
theilte  der  Ministerpräsident  von  Dalwigk  folgende  Antwort: 
Au  den  Präsidenten  der  zweiten  Kammer  der  Stände  des  Gross- 
herzogthums.  Die  mit  dem  gefälligen  Schreiben  vom  19.  Juni 
d.  J.  mir  mitgetheilte  Interpellation  des  Herrn  Landtagsabge- 
ordneten Edinger,  die  Verwendung  der  Juden  im  Staatsdienste 
betreifend,  beehre  ich  mich  dahin  zu  beantworten:  bei  der  An- 
stellung und  Beförderung  von  Juden  im  Staatsdienste  findet  die 
Regierung  keine  principiellen  Bedenken,  wie  dies  schon  daraus 
hervorgeht,  da&s.  Juden  im  Staatsdienste  stehen. 

Paria.  Unter  den  beim  Napoleonsfeste  Decorirten  befindet 
sieb  auch  der  Grossrabbiner  des  israelitischen  Consistoriuma 
von  Strassburg,  Herr  Aron,  der  zum  Ritter  der  Ehrenlegion 
ernannt  wurde. 


Berichtigung. 
S.  313  in  der  Recension  „Die  Geschichte  der  Juden  in  Erfurt"' 
lies  Jaraezewsky  statt  Jarczewsky. 


Sie  Alliance  Isra&ite  Universelle. 


Wir  freuen  uns,  nach  dem  in  jüngster  Zeit  ausgegebenen 
Bulletin  der  Alliance  wieder,  über  die  bedeutende  Wirk- 
samkeit dieses  Vereins  berichten  zu  können  und  welchen 
Einfluss  er  auf  die  sociale  Stellung  der  israelitischen 
Brüder  in  fernen  meist  halbbarbarischen  Staaten  und  auf 
Errichtung  von  Schulen  und  Hebung  des  Unterrichts  bei 
diesen  Glaubensgenossen  übt.  Den  Bestrebungen  der 
Alliance  stehen  zunächst  die  französische  und  englische 
Regierung  zur  Seite,  die  Alliance  ruft  nie  vergebens 
ihre  Verwendung  an,  französische  und  englische  Consuln 
treten  allenthalben  energisch  für  die  gemisshandelten  Juden 
auf-,  die  Alliance  hat  sich  aber  auch  seit  der  Zeit  ihres 
Bestehens  (1863)  zu  einer  moralischen  Macht  erhoben, 
deren  Stimme  nirgends  ungehört  bleibt.  Wir  geben  in 
Folgendem  einen  Auszug  aus  ihren  Sitzungen  und  fügen 
einige  in  dem  Bulletin  enthaltene  Aktenstücke  bei. 

In  der  Sitzung  vom  2.  Januar  1868  erstattet  Herr 
Eduard  Da'costa-Marquittos  aus  Rio  Janeiro  Bericht  über 
die  Lage  der  Juden  in  dieser  Stadt,  deren  Zahl  sich  da- 
selbst auf  ungefähr  tausend  Seelen  beläuft.  Artikel  5  der 
Constitution  erklärt  die  katholische  Religion  als  Staats- 
religion und  duldet  andere  Culte  nur  unter  der  Bedingung, 
dass  sie  durch  kein  äusseres  öffentliches  Zeichen  an  den 
Tag  treten.    Es  ist  daher  den  Juden  nicht  gestattet,  weder 

F.rankel,  Monatoschri ft.  XVII.  10.  28 


36*2  Die  Alliance  Israelite  Universelle. 

eine  Synagoge  zu  bauen,  noch  einen  besonderen  Fried- 
hof zu  errichten,  und  es  sehen  sich  die  jüdischen  Familien 
Ton  einer  festen  Ansiedelung  abgeschreckt.  Herr  Da- 
costa-Marquittos  meint,  man  müsse  die  (brasilianische) 
Kammer  um  ein  Gesetz  angehen,  welches  die  öffentliche 
Ausübung  des  israelitischen  Cultus  gestatte:  er  ersucht 
das  Comitö  der  Alliance  das  Localcomitä  zu  Rio-Janeiro 
zu  veranlassen,  in  diesem  Sinne  zu  wirken.  Ein  ähnlicher 
Schritt  wurde  von  den  englischen  Protestanten  gethan, 
und  der  Erfolg  den  er  hatte,  gibt  Raum  zu  der  Hoffnung, 
die  Bitte  der  Alliance  werde  günstig  aufgenommen  werden. 

Herr  Carl  Stetter,  Mitglied  des  Centralcomitä  theilt  aus 
Kairo  die  beklagenswerthe  Lage  der  Juden  in  Persien  mit: 
ein  grosser  Theil  will  nach  Palästina  auswandern.  Herr 
Stetter  ist  bereit,  wenn  ihn  das  Comitä  dazu  ermächtigt, 
eine  Reise  nach  Palästina  zu  machen,  um  die  Lage  der 
Juden  zu  erforschen  und  sich  über  die  Hülfsquellen  zu 
unterrichten,  welche  die  Landarbeit  den  Einheimischen 
und  Jenön,  die  sich  dort  ansässig  machen  wollen,  darzu- 
bieten im  Stande  sei.  Dieser  Vorschlag  wird  ange- 
nommen. 

Es  wird  hierauf  Bericht  erstattet  über  einige  Beschlüsse 
des  Untercomitö  für  Schulen,  von  welchen  wir  einige 
hervorheben. 

Auf  das  Ansuchen  des  Hrn.  David  Serusi  aus  Safly 
wird  der  Schule  dieser  Stadt  eine  Summe  von  100  Fr. 
zum  Ankaufe  von  Büchern  bewilligt,  ferner  eine  Zulage 
von  100  Fr.  für  den  Director. 

Herr  Hermann  Cohn  aus  Mogador  theilt  mit,  dass  das 
Elend  der  jüdischen  Bevölkerung  daselbst  das  Austreten 
einer  grossen  Zahl  Schüler  veranlasst  hat.  Man  wird  sich 
an  die  Gemeindeverwaltung  wenden,  dass  sie  Suppen 
an  die  Schüler  vertheile. 

DasComüö  bewilligtHrn.  Weisskopf,  Direktor  der  Schule 
zu  Damascus,  eine  Entschädigung  von  1500  Frs.  für  die 
Kosten  seiner  Niederlassung  in  der  Stadt. 

Hr.  Weisskopf  und  das  Comitö  zu  Bagdad  übersenden 
die  Klagen  der  Gemeinden  zu  Diarbekir,  Saku,  Erwin  und 
Saida  über  den  Amtsmissbrauch  der  türkischen  Behörden. 


Die  AUiance  lsra&ite  Universelle.  363 

Man  beschliesst,  das  Centralcomitö  der  Türkei  ^u  er- 
suchen, die  Intervention  der  Pforte  anzurufen.  Ferner 
Sir  Francis  Göldsmith  zu  ersuchen,  die  britische  Regie- 
rung in  Kenntniss  zu  setzen  von  der  Beschwerde,  die 
die  Gemeinde  zu  Sai'da  gegen  einen  englischen  Consular- 
agenten  führt. 

Die  georgischen  Juden,  die  nach  Jerusalem  gekommen 
sind,  um  dort  dem  Ackerbau  obzuliegen,  bitten,  die  AUiance 
möge  ihnen  zur  Verwirklichung  ihres  Vorhabens  beistehen. 
Das  Gesuch  wird  an  Hrn.  Stetter  geschickt,  der  es  über- 
nommen, eine  Untersuchung  zu  diesem  Zwecke  anzu- 
stellen. 

In  einer  anderen  Sitzung  (16.  Januar)  werden  Briefe 
aus  Rumänien  verlesen,  welche  von  den  Verfolgungen 
der  Juden  in  den  verschiedenen  Städten  berichten.  Wir 
gehen  über  diese  und  die  Schritte,  die  von  der  AUiance 
gemacht  wurden,  als  bekannt  weg. 

Die  Herren  Levy  D.  Gazes  und  Gogmann  zu  Tetuan 
theilen  mit,  der  Anführer  der  Räuber  Aissa  habe 
von  neuem  gedroht,  dass,  wenn  bis  zu  einem  gewissen 
Zeitpunkte  er  nicht  eine  gewisse  Summe  Geldes,  Kleider 
und  Vergebung  der  Verbrechen,  die  er  früher  gegen  die 
Juden  begangen,  erhalten  werde,  er  alle  Juden,  die  die 
Stadt  verlassen,  tödten  werde.  Das  Comit6  hat  sich  un- 
mittelbar an  die  französische  und  englische  Regierung 
mit  der  Bitte  gewendet,  ihren  Vertretern  zu  Marokko 
Aufträge  zu  Gunsten  der  Juden  zukommen  zu  lassen. 

In  einer  andern  Sitzung  (12.  März)  legt  der  Präsident 
Bericht  ab  von  den  Schritten,  die  er  gethan  hat  bei  dem 
Minister  der  auswärtigen  Angelegenheiten,  erstens  hin- 
sichtlich der  häufigen  an  Juden  zu  Tetuan  begangenen 
Morde  von  dem  Räuber  Aissa,  zweitens  hinsichtlich 
der  an  den  Juden  zu  Tunis  begangenen  Mordthaten,  die 
die  Regierung  des  Bay  ungestraft  gelassen  hat,  drittens 
hinsichtlich  der  Lage  der  Juden  zu  Rumänien,  an  welchen 
von  den  Ortsbehörden  alle  möglichen  Plackereien  verübt 
werden.  Der  Minister  hat  dem  Präsidenten  die  beruhigend- 
sten Versprechungen  gegeben. 

28* 


364  Die  Alliance  Israelite  Universelle. 

Sir  Francis  Goldsmith  schreibt,  Lord  Stanley  hat  ver- 
sprochen, ernstlich  die  Klage  der  Israeliten  zu  Sai'da  gegen 
den  englischen  Co nsula ragen ten  zu  prüfen,  der  ihnen 
einen  Theil  ihres  Gottesackers  weggenommen  hat. 

Herr  David  Serusi  aus  Safly  schreibt,  dass  die  Schritte 
der  Generalconsuln  von  Frankreich  und  England  eine 
vollständige  den  Juden  gegebene  Entschädigung  für  die 
gegen  sie  begangenen  Verbrechen  zum  Resultate  gehabt, 
und  dass  die  Schuldigen  bestraft  worden  sind. 

Wir  gehen  nun,  gedrängt  durch  die  Kürze  des  Raumes, 
zu  mehreren  wichtigen  Aktenstücken  über,  die  das  treff- 
lichste Zeugniss  für  die  Thätigkeit  der  Alliance  und  das 
Ansehen,  dessen  sie  sich  bei  den  mächtigsten  Potentaten 
erfreut,  ablegen.  Ueber  die  Schritte  des  Vereins  in  der 
rumänischen  Angelegenheit  bei  den  Fürsten  Europas  und 
deren  Erfolg  gehen  wir  als  bekannt  weg  und  wenden 
uns  zu  den  schriftlichen  Dokumenten,  die  seine  Erfolge 
in  verschiedenen  anderen  Ländern  darlegen. 

1. 

Ministerium  der  auswärtigen  Angelegenheiten. 

Paris,  19.  Mai  1868. 

Herrn  Ad.  Cremieux,  Präsidenten  des  Centralcomitö 
der  Alliance  Israälite  Universelle. 

Ich  habe  die  Ehre,  Ihnen  in^  Bezug  auf  die  Mitthei- 
lungen, die  ich  vergangene  Woche  Herrn  Leven1)  über 
die  Schritte  gemacht  habe,  die  der  Herr  Minister  der  aus- 
wärtigen Angelegenheiten  dem  Minister  zu  Tanger  vor- 
geschrieben, um  auf  die  Bestrafung  der  Banditen  zu 
dringen,  die  Mordthaten  und  andere  Frevel  an  den  Juden 
zu  Tetuan  ausgeübt,  Abschrift  zweier  Telegramme  vom 
13.  und  19.  Mai,  die  wir  soeben  erhalten,  zu  übersenden. 

Diese  Depeschen  besagen  die  Strafe,  die  der  Räuber- 
hauptmann Aissa  und  einer  seiner. Gesellen  erlitten.   Der 


l)  Leven  ist  Sekretair  des  Central-Comitö  der  Alliance. 


Die  Alliance  Israelite  Universelle.  365 

Herr  Marquis  de  Mousier  hat  sich  veranlasst  gesehen, 
Ihnen  ohne  Zeitverlust  diese  Neuigkeit  mitzutheilen ,  die 
uns  hoffen  läset,  dass  die  Handlungen  der  Unmenschlich- 
keit, gegen  die  wir  protestirt  haben,  sich  nicht  mehr  er- 
neuern werden.  Empfangen  Sie  die  Versicherung  meiner 
Hochachtung. 

Der  Cabinetchef 
Graf  von  Saint-Vallier. 


Der  Minister  Frankreichs  in  Tanger  an  den  Minister 
der  auswärtigen  Angelegenheiten. 

Tanger,  13.  Mai. 

Aissa  und  einer  seiner  Kameraden  soll  getödtet  wor- 
den sein,  ich  erwarte  die  Bestätigung  dieser  Neuigkeit. 

Die  Fregatte  der  kaiserl.  Marine  rPanama",  die  zu 
meiner  Disposition  gestellt  worden  ist,  um  mich  nach 
Rabat  zu  bringen,  ist  hier  seit  dem  8.  d.  M. 


Tanger,  19.  Mai. 

Die  Neuigkeit  von  dem  Tode  Aissa's  und  eines  der 
Seinen  bestätigt  sich.  Ihre  Leichen  sind  öffentlich  aus- 
gestellt worden,  ehe  sie  an  den  Thoren  der  Stadt  Tetuan 
aufgehängt  worden  sind,  ihre  Köpfe  sind,  wie  hier  ge- 
bräuchlich, abgeschnitten  und  dem  Sultan  überschickt 
worden. 

Tripoli,  19.  April  1868. 

Dem  Herrn  Präsidenten  des  Central-Comit^s  der 
Alliance  Isra61ite  Universelle  in  Paris. 

Den  Brief,  mit  dem  sie  mich  am  18.  Mai  v.  J.  beehrten, 
habe  ich  empfangen.  Ich  fühle  mich  geschmeichelt  von 
Ihren  Glückwünschen,  mit  denen  Sie  mich  zu  der  ent- 
sprechenden Lösung  des  Vorganges  zu  Sliten  beehrten. 
Diese  Angelegenheit  hat  um  so  mehr  unsere  Aufmerk- 
samkeit auf  sich  gezogen,  als  sich  die  Sorgfalt  Sr.  Maj. 
des  Sultans  in  gleicher  Weise  über  alle  seine  Unterthanen 
ohne  Unterschied  der  Confession  erstreckt. 


366  Die  Alliance  Israelite  Universelle. 

Es  ist  mein  Vorsatz,  bei  der  nächsten  Reise,  die  ich 
nach  Homs  machen  werde,  den  Plan  zu  der  neuen  Syna- 
goge zu  zeichnen  und  bei  der  Grundsteinlegung  zu  prä- 
sidiren. 

Ich  danke  Ihnen  für  die  Freiheit,  mit  welcher  Sie  mir 
die  Klage  der  Juden  zu  Benghazy  mittheilen,  gelegent- 
lich des  Raubes  eines  Theils  ihres  Gottesackers  durch 
einen  ottomanischen  Unterthan.  Ich  habe  schon  nach 
Benghazy  die  nöthigen  Befehle  ergehen  lassen,  um  den 
Hergang  festzustellen  und  das  Unrecht  gut  zu  machen. 
Sobald  der  Bericht  mir  zugehen  wird,  werde  ich  nicht 
ermangeln,  ihn  Ihnen  mitzutheilen. 

Genehmigen  Sie,  Herr  Präsident,  die  Versicherung 
unserer  ausgezeichneten  Hochachtung. 

Ali-Risa, 
Gouverneur  der  Provinz  Tripoü. 


3. 
Kaiserl.  Russische  Gesandtschaft. 

Paris,  12.  Juni  1868. 

Herrn  Ad.  Cremieux  u.  s.  w. 

Mein  Herr! 

Sie  haben  die  Gnade  des  Kaisers  angerufen  zu  Gun- 
sten des  Herrn  Jankel  Juskiewicz,  der  in  den  Gefängnissen 
von  Saratof  sich  befindet.  Es  ist  mir  ein  Vergnügen, 
Ihnen  mittheilen  zu  können,  dass  Se.  kaiserl.  Majestät 
befohlen,  dass  diesem  Individuum  die  Freiheit  gegeben 
werde  und  zugleich  die  Erlaubniss,  bei  seinem  Sohne  im 
Gouvernement  Charkow  wohnen  zu  können,  doch  werden 
die  persönlichen  Rechte,  welche  Juskiewicz  verloren  hat, 
ihm  nicht  wiedergegeben. 

Empfangen  Sie  die  Versicherung  der  ausgezeichnetsten 
Hochachtung. 

Tschitscherini. 


Die  Alliance  Israelite  Universelle.  367 

4. 

Herrn  Ad.  Cremieux  u.  s.  w. 

Jerusalem,  12.  März  1868. 
Herr  Präsident! 

Ich  habe  mit  einem  Gefühle  lebhafter  Dankbarkeit  den 
Brief  gelesen,  mit  dem  Sie  mich  beehrten  und  in  dem 
Sie  mir  danken  für  einige  Anstrengungen,  die  ich  gemacht 
habe,  um  in  Jerusalem  das  Werk,  das  die  Gesellschaft: 
Alliance  Isra&ite  Universelle  sich  vorgesetzt  hat,  zu  er- 
leichtern: den  Unterricht  Ihrer  orientalischen  Glaubens- 
genossen. 

Es  war  für  mich  eine  wahrhafte  Pflicht,  soviel  an  mir 
lag,  eine  Institution  zu  beschützen,  die  ein  solch'  edles 
Ziel  verfolgt:  durch  den  Unterricht  einen  der  wichtigsten 
Theile  der  ottomanischen  Nation  zu  regeneriren. 

Abgesehen  von  der  Sympathie,  welche  jeder  Aufge- 
klärte für  eine  so  umfassende  und  grossartige  Idee  fühlen 
muss,  bietet  sie  in  meinen  Augen  noch  ein  höheres  In- 
teresse dar,  denn  sie  ist  die  theilweise  Lösung  des  Pro- 
blems, dessen  Wichtigkeit  Niemandem  entgeht:  die  Ver- 
breitung des  Unterrichts  in  der  Türkei.  An  die  Reali- 
sirung  dieses  Programms  knüpft  sich  die  Zukunft  unseres 
Vaterlandes;  unsere  Mitwirkung  ist  daher  irn  voraus  ge- 
sichert allen  Initiativen,  die  direkt  oder  indirekt  darauf 
hinzielen.  Ihre  Gesellschaft  gibt  ein  edles  und  über- 
raschendes Beispiel,  indem  sie  zu  Jerusalem,  diesem  Cofti- 
cidenzpunkt  der  drei  grössten  Religionen  der  Welt, 
deren  Anhänger  die  ottomanische  Nation  mit  Stolz  in 
ihrem  Schosse  zählt,  diesem  geheiligten  und  neutralen  Boden, 
auf  welchem  der  Koran ,  die  Bibel  und  das  Evangelium 
sich  begegnen  und  brüderlich  die  Hand  reichen,  indem 
sie,  sage  ich,  diesen  Mittelpunkt  des  Unterrichts  gründet, 
dessen  wohlthätiger  Einfluss  sich  schon  durch  Thaten 
offenbart.  Die  ottomanische  Regierung  kann  nur  beloben 
und  mit  aller  Kraft  ein  Werk  unterstützen,  welches  in  so 
glücklicher  Weise  den  lebendigen  Impuls  fördert,  welchen 
sie  zur  Zeit  im  ganzen  Reiche  dem  Unterricht  der  Massen 
gibt.  Ihr  Schutz  ist  daher  hier  und  allenthalben  dem  Werke 


368  Die  Alliance  Israelite  Universelle. 

gesichert,  welches  die  A.  I.  U.  mit  so  vieler  Hingebung 
verfolgt,  und  welches  uns  ein  kostbares  Contingent  liefert 
in  diesem  Vernichtungskriege,  den  jede  weise  Regierung 
gegen  Unwissenheit  führen  muss,  gegen  diesen  weltlichen 
Verbündeten  des  Fanatismus  und  der  Barbarei. 

Nasif-Pascha, 
Generalgouverneur  von  Palästina. 


5. 

Jerusalem,  2.  April  1868. 

An  die  Herren  Mitglieder  des  Central-Comit6  der  A.  I.  U. 

zu  Paris. 

Meine  Herren! 

Ich  habe  nur  eine  Antwort  auf  die  wohlwollenden 
und  freundlichen  Worte,  mit  denen  Sie  mich  beehren. 

Alle  Agenten  Frankreichs  können  nur  ihre  Sympathien 
einem  Werke  zuwenden,  welches  darauf  hinzielt,  die 
Moralität  der  Völker  zu  veredeln  und  sie  auf  eine  höhere 
Stufe  der  Civilisation  zu  erheben.  Das  Resultat  der  Be- 
mühungen einer  Anstalt  muss  zunächst  hier  im  Orient 
sein,  die  verschiedenen  Racen  und  Culten  zu  einer 
Gemeinschaftlichkeit  der  Gefühle  zu  vereinigen,  und  so 
mitzuwirken  zu  der  Wiederbelebung  dieses  grossen  orien- 
talischen Reiches  mit  Hülfe  der  Prinzipien  der  Liebe  und 
der  religiösen  Freiheit,  welche  Frankreich  und  die  meisten 
europäischen  Mächte  bekennen,  sowie  die  ottömanische 
Dynastie  und  die  gegenwärtige  Regierung  des  Landes- 
fürsten. 

Die  Agenten  der  Regierung  des  Kaisers  entsprechen 
nur,  indem  sie  in  solcher  Weise  wirken,  den  Wünschen 
ihrer  Regierung,  und  den  Gefühlen,  die  in  Frankreich 
die  grosse  Majorität  der  Nation  belebt. 

Ich  habe  Ihre  Schulen  gesehen  und  die  Schüler  durch 
die  Freundlichkeit  Ihres  Angestellten,  Herrn  Krieger,  ge- 
prüft, welcher  die  Güte  hatte,  sie  auf  das  französische 
Consulat  zu  führen ,  wo  ich  selbst  ihren  Fortschritt  bewun- 
dern konnte.    Man  kann  mit  aller  Gerechtigkeit  sagen, 


Die  Alliance  Israelite  Universelle.  369 

dass  Herr  Krieger  durch  das  Vertrauen,  das  er  einzu- 
flössen wusste,  und  durch  seine  persönliche  Erfahrung 
der  örtlichen  Schwierigkeiten,  deren  er  so  geschwind 
Herr  wurde,  nach  Ihnen  der  wahrhaftige  Gründer  dieser 
wohlthätigen  Schule  ist.  Seine  tiefe  Kenntniss  der  Lan- 
dessprache und  der  vorzüglichsten  europäischen  Sprachen, 
erleichtern  ihm  mehr  als  jedem  Andern  die  Ausführung 
dieser  schweren  Aufgabe,  und  er  ist  in  jeder  Hinsicht 
Ihrer  Sorgfalt  würdig. 

Genehmigen  Sie  meine  Herren  mit  dem  wahrhaft  auf- 
richtigen Ausdrucke  aller  meiner  Sympathien  für  das 
civilisatorische  Werk,  das  Sie  unternommen  und  welches 
schon  in  diesen  Gegenden  glückliche  Resultate  gebracht, 
die  Versicherung  der  moralischen  Unterstützung,  die  wir 
nie  aufhören  werden  ihm  zu  leisten,  und  zugleich  die 
Versicherung  der  ausgezeichneten  Hochachtung. 

Edmond    de    Barfcre, 
französischer  Consul. 


Und  nun  lassen  wir  den  ausführlichen  Bericht  des 
Herrn  Halövi  über  seine  Reise  nach  Abyssiuien  und  über 
die  Falachas  folgen,  auf  die  wir  schon  in  früheren  Heften 
hinwiesen. 

Bericht 
an  das  Centralcomit6  der  Alliance  Isra61ite 
Universelle  betreffend  die  Mission  bei  den 

Falachas. 
Vorgelegt  in  der  Sitzung  vom  30.  Juli  1868  von  Jos.  Hal6vi. 

Meine  Herren! 

Ich  finde  keinen  Ausdruck  für  das  freudige  Gefühl, 
das  mich  jetzt  durchdringt  in  der  Mitte  einer  Versamm- 
lung, die  ich  nach  mehr  als  einjähriger  Abwesenheit  zum 
ersten  Male  wiedersehe.  Der  Wohlthätigkeitssinn,  der 
Sie  zu  einem  Verbände  geeinigt,  dessen  Aufgabe  es  ist, 
der  leidenden,  unterdrückten  Menschheit  Trost  und  Hülfe 
zu  spenden,   scheint  sich  in  dem  Masse  vermehrt  zu  ha- 


370  Die  Alliance  Israelite  Universelle. 

ben,  als  die  bisher  erzielten  staunenswerten  Resultate 
Sie  zu  einer  richtigen  Würdigung  Ihrer  eigenen  Kraft 
sowohl,  als  auch  der  Ergiebigkeit  des  weiten  Gebietes, 
dessen  Urbarmachung  Sie  sich  vorgenommen  haben,  hin- 
führten. Meine  Herren!  ein  neues  Feld  öffnet  sich  Ihrer 
Thätigkeifc.  Das  geheimnissvolle  Dunkel,  in  welches  eine 
Völkerschaft  des  alten  Aethiopien  bisher  gehüllt  war, 
ist  nunmehr  vor  Ihnen  gelichtet.  Ich  meine  die  der  Fa- 
lsch as,  von  denen  man  bisher  kaum  etwas  Anderes  als 
den  Namen  anzugeben  wusste.  Treu  den  erhabenen  Wahr- 
heiten des  sinaitischen  Gesetzbuches  haben  sie  die  ver- 
schiedensten Phasen  des  socialen  Lebens  durchgemacht, 
dabei  trotz  aller  Missgeschicke  nichts  von  der  Frische  ein- 
gebüßt, die  ein  Volk  befähigt,  sich  zu  der  Höhe  desjenigen 
Geistes  aufzuschwingen,  der  das  Wesen  unserer  beutigen 
modernen  Gesellschaft  ausmacht  Von  diesen  Falachas 
nun,  deren  Regsamkeit  und  Intelligenz  zu  den  grössten 
Hoffnungen  berechtigt,  bin  ich  beauftragt,  dem  Central- 
comit£  der  Alliance  Isra61ite  Universelle  ihre  brüderlichen 
Grösse  verbunden  mit  dem  Ausdrucke  der  tiefsten  Erkennt- 
lichkeit zu  überbringen.  Schriftlich  besitze  ich  allerdings 
nicht  das  Mindeste  hierüber,  denn  die  Schreibkunst  ist 
bei  ihnen  nicht  sehr  verbreitet.  Die  heillose  Anarchie, 
die  ihr  Land  zerrüttet,  gefährdet  alle  diejenigen,  bei  denen 
man  andere  Schriften,  als  auf  den  Handel  bezügliche  vor- 
findet, da  man  sfe  alsbald  in  Verdacht  hält,  verrätherische 
Zwecke  zu  verfolgen.  Doch  haben  unsere  abessynischen 
Glaubensgenossen  ein  wirksameres  Mittel  ausfindig  ge- 
macht, um  Ihnen  ihre  Hochachtung  an  den  Tag  zu  legen. 
Dieser  Jüngling  hier  ist  es,  der  von  ihnen  dazu  ausersehen 
wurde;  er  befindet  sich  hier,  um  im  Namen  seiner  Brüder 
die  Alliance  durch  Bitten  zu  bewegen,  ihm  eine  religiöse 
und  wissenschaftliche  Erziehung  angedeihen  zu  lassen, 
auf  dass  er  einst  der  Lehrer  von  Myriaden  von  Menschen 
werde,  die  nach  dem  Lichte  der  Bildung  und  Aufklärung 
sich  sehnen.  Ich  überlasse  es  ihm,  Ihnen  seine  Wünsche 
und  Gefühle  vorzutragen.  Seine  Muttersprache  ist  die 
amharische;  ich  werde  den  Sinn  aller  seiner  Worte  genau 
im  Französischen  wiederzugeben  suchen. 


Die  Alliance  Israeli te  Universelle.  371 

Doch  zunächst  muss  ich  über  meinen  Aufenthalt  unter 
unseren  abessynischen  Glaubensgenossen  berichten.  Ich 
gedenke  in  einer  Arbeit  von  grösserem  Umfange  unter 
dem  Titel  ,Essai  sur  les  Falachas'  alle  Notizen  zu  ver- 
öffentlichen, die  ich  über  die  Gegend  selbst  gesammelt 
habe.  Diese  Arbeit  wird  es  versuchen,  auf  gewisse  Pro- 
bleme der  Geschichte,  Ethnographie  und  Theologie  so- 
wohl der  jüdischen  als  der  anderer  abessynischer  Völker- 
schaften einiges  licht  zu  werfen.  Wir  werden  daraus  das 
häusliche  und  sociale  Leben  der  Falachas,  den  Grad  der 
Cultur  und  Gesittung,  den  diese  bisher  so  wenig  gekannte 
Völkerschaft  einnimmt»  kennen  lernen.  Die  Resultate 
einer  derartigen  Untersuchung,  neu  und  merkwürdig  wie 
sie  sind,  werden  gewiss  nicht  verfehlen,  die  Aufmerksam- 
keit der  Gelehrten  auf  sich  zu  lenken.  Ich  denke  durch 
diese  Arbeit,  die  ich  dem  Comitö  widmen  werde,  Ihrem 
hochgeschätzten  Vereine  zu  zeigen,  wie  sehr  ich  mich  ihm 
gegenüber  verpflichtet  fühle  für  die  ehrenvolle  Mission, 
mit  der  mich  derselbe  beauftragt  hat. 

Ich  bedaure  nur,  dass  in  Folge  des  mangelhaften  Ver- 
kehrs, meine  von  Sudan  und  Abessinien  abgeschickten 
Briefe  nicht  in  Ihre  Hände  gelangt  sind;  sie  hätten  Ihnen 
Andeutungen  gegeben  über  die  jedesmalige  Richtung,  die 
ich  in-  und  ausserhalb  des  Landes  einschlug,  sie  hätten 
auch  meiner  Familie,  die  mich  schon  für  todt  hielt,  viele 
Stunden  des  Kummers  erspart.  Von  diesen  meinen  ßriefen 
habe  ich  einige  in  den  Händen  von  Arabern  wiedergefun- 
den, denen  ich  sie  zur  Beförderung  nach  Massua  über- 
geben hatte. 

Der  Brief,  welcher  Ihre  Instructionen  für  mich  enthielt, 
traf  mich  erst  nach  meiner  Abreise  aus  Abessinien.  Gleich- 
wohl war  ich  nach  Kräften  bemüht,  alle  diejenigen  Fragen 
in  Untersuchung  zu  ziehen,  welche  Ihrem  Vereine  und 
der  Wissenschaft  überhaupt  von  Interesse  sein  dürften. 

Ich  will  zunächst  die  Richtung  kurz  angeben,  die  ich 
einschlug,  um  nach  Abessinien  zu  gelangen.  Es  ist  Ihnen 
bekannt,  dass  ich  in  der  Voraussetzung,  dass  die  Falachas 
nicht  da  anzutreffen  sein  würden,  wohin  die  englische 
Expedition  sich  eben  wandte,  Zula  verliess  und  die  Rieh- 


372  Die  Alliance  Israelite  Universelle. 

tung  nach  Norden  einschlug.  Am  24.  November  war  ich 
in  Kören,  im  Lande  Bogos,  über  dessen  Besitz  die  Egypter 
und  Abyssinier  im  Streite  liegen.  Ich  gedachte  anfänglich 
durch  das  Land  der  Counamas  hindurch  zu  ziehen,  um 
nach  Ghir6  zu  gelangen  Aber  die  Schwierigkeiten  des 
Weges  veranlassten  mich,  diesen  Plan  aufzugeben,  und  so 
wandte  ich  mich  nach  Barka,  dessen  unermessliche 
Ebenen  dem  mächtigen  Sigrischen  Stamme  der  Beni  Amer 
als  Tummelplatz  dienen.  Nach  14  Tagen  kam  ich  in 
Cassala  an,  einer  bedeutenden  Stadt  im  südlichen  Sudan, 
am  Mareb  (Gach)  gelegen  und  (Residenz)  Sitz  eines  egyp- 
tischen  Gouverneurs.  Ich  hörte  von  allen  Seiten  entmu- 
thigende  Mittheilungen,  alle  Welt  benachrichtigte  mich  von 
der  Gefahr,  der  ich  in  Abessinien  unfehlbar  entgegen- 
ginge. Dies  bestimmte  mich,  eine  Provinz  aufzusuchen, 
die  bisher  von  Europäern  weniger  besucht  war. 

Meine  Wahl  war  schon  längst  auf  Walquait  gefallen, 
wo  seit  dem  Besuche  Packyns  kein  Weisser  sich  hatte 
sehen  lassen.  Parallel  dem  Laufe  des  Atbara  -  Flusses 
ging  ich  durch  die  von  den  Stämmen  Noaima  und 
Homran  eingenommenen  Tiefländer.  Der  letztere  dieser 
beiden  Stämme  wohnt  an  beiden  Ufern  des  Tacazz6  oder 
Setit  in  der  Nähe  von  Changalla  und  Walquait.  Der 
Scheik  von  Homran  machte  mich  auf  das  Gefährliche 
meines  Unternehmens  aufmerksam  und  weigerte  sich,  mir 
einen  Kameeltreiber  zu  besorgen,  der  mich  bis  zur  Grenze 
führen  sollte,  da  der  abessinische  Herrscher  sein  Tod- 
feind war.  Ich  verlor  den  Muth  nicht,  setzte  über  den 
Tacazz6  in  der  Nähe  einer  Insel  Namens  Abu-Edris,  wo 
ein  Europäer,  der  mit  wilden  Thieren  handelt,  eine 
Jagdstation  errichtet  hatte.  Zu  Kir-Lebanos  traf  ich  eine 
kleine  Karawane  des  Stammes  Dabai'na  mit  Kameelen, 
beladen  mit  Salz  und  Baumwolle,  die  nach  dem  Markte 
von  Gabtha  zog.  Ich  schloss  mich  ihr  an  und  nach  fünf 
Tagen  kam  ich  daselbst  in  der  Eigenschaft  eines  Rhino  - 
ceroshändlers  an.  —  Um  den  Feindseligkeiten  der  Amharas 
zu  entgehen,  quartierte  ich  mich  bei  einem  Mohamedaner 
ein,  der  einer  der  drei  Richter  des  Marktfleckens  war. 
Mein  Wirth  gab  mir  Andeutungen  über  die  Einwohner 


Notizen  zur  Geographie  Palästina's.  373 

und  den  Ort  und  mit  Freuden  hörte  ich  von  dem  Vor- 
handensein einer  Gemeinde  der  Falachas,  deren  mehrere 
Mitglieder  das  Schmiedehandwerk  trieben.  Unter  dem 
Vorwande,  Einkäufe  zu  machen,  begab  ich  mich  in  das 
eine  Stunde  entfernte  Quartier  der  Falachas.  Ich  gab  an, 
dass  ich  den  Debtära  (Chacham)  zu  sprechen  wünschte 
und  sogleich  lief  eine  grosse  Menge  herzu,  um  den  weissen 
Juden  zu  schauen.  Viele  hatten  Mühe  zu  glauben,  dass 
ich  derselben  Religion  angehöre  wie  sie;  aber  im  Laufe 
des  Gespräches  schwand  endlich  jeder  Zweifel.  Ich  musste 
einen  Monat  in  Gabtha  warten,  bevor  ich  mich  weiter 
wagen  durfte.  Begleitet  von  einigen  Falachas  reiste  ich 
endlich  nach  der  Stadt  Walquai't  und  nach  Th&gadi6. 
Der  Weg  nach  Waggara  schien  mir  zu  unsicher.  Ich 
passirte  Armatycho,  indem  ich  mich  einige  Tage  in  Amir- 
fala  aufhielt,  von  wo  aus  ich  mich  auf  den  Weg  nach 
Djafancara  machte.  Hier  wohnt  eine  beträchtliche  An- 
zahl Falachas  in  den  Dörfern,  um  den  Berg  Hohacoa 
herum,  der  auch  hauptsächlich  der  Aufenthaltsort  der 
Asceten  oder  Nazirener  ist. 

(Schluss  folgt.) 


Notizen  zur  Geographie  Palästina^. 

Von  Dr.  N.  Brüll. 

(Schluss.) 


4. 
Ueber  das  Salzmeer  Kn^Dl  Nft^  (A  4,  B  4,  D  5),  das  C  2, 
E  1,  F  3  unter  dem  jüngeren  Namen  QHD  bvj  7XG*  Sodoms-See 
erscheint  (welcher  Name  übrigens  von  Winer  Reallex.  Art. 
todtes  Meer  gar  nicht  erwähnt  wurde),  findet  sich  im  Talmud 
sehr  wenig  und  selbst  dieses  Wenige  ist  bekannt.  Die  Angabe 
R.  Demes  DHD1  WW  Nim  JDÖ  *6  d?WO  (Sab.  108b)  wird 
durch  Josephus  bestätigt,  wie  bereits  Schwarz  (Tebuot  ha-Arez 
p.  29,  Anm.  1;  das  heil.  Land  S.  22  Anm.)  bemerkt,  vgl.  noch 
die  Nachweise  bei  Winer  a.  a.  O.  II.  S.  77  Anm.  5.  Dem  Salz 
des  Sees  schrieb  man  einen  schädlichen  Einfluss  auf  die  Augen 


374  Notizen  zur  Geographie  Palästina^. 

zu  D^jm  nK  KfcDÖttf  rrtttTD  nfe  (Erub.  17  b  and  die  Parallelst.), 
was  sich  wohl  auf  die  Ausdünstungen  des  Sees  bezieht,  und 
was  hineingerieth,  galt  als  unwiederbringlich  verloren,  daher  das 
oft  vorkommende  rfwi  D^  PKOn  T^P  (vgl-  Tebuot  ha- Are z 
a.  a.  O.).  Zu  bemerken  wäre  nur,  dass  die  Bezeichnung  todtes 
Meer  (ödlaoact  jj  vnt^d,  Pausanias  5,  7,  3;  mare  mortuum  Justinas 
36,  3)  auch  den  Rabbinen  nicht  unbekannt  war.  In  Schemot 
rabba  c.  15  wird  nämlich  dargestellt,  wie  Gott  bei  der  Schöpfung 
die  Gewalt  des  Weltmeeres  unterdrückt  und  ertödtet  habe  und 
dazu   bemerkt:    OV6tf  Tnjn  niöH   Q^   Dl^fTOt    mpj    "p^> 

dpöpi  wma  Dwmön  nttn  bt*  'w  vuwnb  „Damm  wird  der 

Ocean  das  todte  Meer  genannt;  aber  Gott  wird  es1  dereinst  wie- 
der gesund  machen,"  wie  es  heisst:  in  das  Meer  der  Ausgänge 
und  das  Wasser  wird  geheilt  (Ezech.  47, 8).  0W2flön  JTÖ1  wurde 
wohl,  wie  j.  Schekalim  1.  c.  beweist,  auf  das  Mittelmeer  gedeutet, 
doch  kann  die  Bezeichnung  H1ÜDD  C  nur  eine  Reminiscenz  an 
den  Namen  des  Asphaltsee's  sein. 

5. 

Krfcm  NB1  B  5,  D  5  schreiben  Nfl^VI  und  ebenso  C  4  KD* 
KPl^n  bw  F  2  n^n  bw  WO^-  Noch  heute  heisst  der  Samo- 
chonitis-See  Bachr-al-Chuli  und  wird  von  den  Juden  r^TT\  C1 
genannt  (vergl.  Tebuot- ha -Arez  a.  a.  O.);  auch  neuere  Reise- 
beschreiber  nennen  ihn  häufig  den  See  Hule.  Es  ist  nieht  un- 
wahrscheinlich ,  dass  die  Rabbinen  so  den  See  $10X17  nannten, 
der  nach  Josephus  b.  j.  3,  10,  7  als  der  eigentliche  Ursprung 
des  Jordans  zu  betrachten  ist.  Schwarz  bringt  einen  Beweis 
hierfür  aus  der  gegenwärtigen  Benennung  dieser  Gegend  Balad- 
al-Chuli  (d.  heil.  Land  S.  20);  man  könnte  dies  auch  dadurch 
bestätigt  finden,  dass  der  andere  Name  Balad-al-Malchi  gewiss 
den  Verfasser  des  Midrasch  Konen  veranlasst  hat,  diesen  See 
rten  D^  zu  nennen,  denn  anders  lässt  es  sich  nicht  erklären, 
wie  daselbst  DHD  C1  und  r&ÖD  G^  als  zwei  verschiedene  Seen 
aufgeführt  werden.  Jedoch  beruht  die  Identität  des  Kr6im  KÖ* 
mit  dem  See  $iaXr\  nur  auf  sehr  schwachem  Grunde,  wenn  nicht 
der  erstere  Name  noch  anderswoher  nachgewiesen  wird. 

Ich  halte  Nrffln  ^r  ^en  Landstrich  'OvXa&a,  der  nach  Jo- 
sephus ant.  15,  10,  4  neben  Phaneas  lag  und  mit  diesem  die 
Besitzung  des  Zenodoros  bildete,   die  nach  dessen  Tode  dem 


Notizen  zur  Geographie  Palästina's.  375 

Herodes  zugetheilt  wurde.  Von  diesem  'Ovla&a  ist  wohl  nicht 
verschieden  die  Landschaft  'OvdXa&a,  welche  nach  Jos.  ant.  17, 
2,  1  der  syrische  Statthalter  Saturninus  dem  babylonischen 
Juden  Zamaris  (HET)  anwies.  Nach  ihr  kann  der  See  Phiale, 
der  darin  lag  oder  daran  grenzte,  ganz  gut  Nn^im  KD1*  genannt 
worden  sein. 

Dieselbe  Gegend  ist  wohl  auch  in  j.  Demoi  2,  1  gemeint 
mbirDttf  DWV  lo  appellativem  Sinne  mag  wohl  NP^IH  eine 
sandige  Gegend  bezeichnen  wie  der  Name  tTOPBJN  D^in  (j- 
Demoi  1«  c. ;  j.  Horajot  3y  6;  Wajikrä  rab.  c.  5)  zu  erklären  ist. 
Einen  Beweis  hiefür  liefert  Sifra  Bechukkotai  c.  13,  Arachin  3,  2, 
wo  es  geradezu  ein  unfruchtbares  Stuck  Land  bezeichnet,  "IHK 

^Dono  niDTiDa  wyon  nnw  nren  rbra  wnp&n,  da  die 

Sandgegend  von  Machuz  den  Gärten  von  Sebaste  gegenüber- 
gestellt wird,  ßaschi  nimmt  n?in  in  dem  Sinne  von  Umgebung 
und  vergleicht  dazu  Q*DH  r6lfflD  (Kilajim  4,  1  wo  in  Tosa- 
fot  Jom-Tob  ib.  2  jryiy  für  pniTJJ  zu  lesen  ist);  doch  scheint 
hier  die  Antithese  mehr  auf  den  Appellativen  r6in  und  niD^T© 
als  auf  den  Namen  der  Ortschaften  zu  beruhen.  Die  Ortschaft 
V\TXD  lässt  sich  fest  nicht  nachweisen.  In  der  Mechilta  Beschal- 
lach c.  3  (ed.  Weiss  35,  6)  wird  wohl  ein  ^lnöH  ^DV  &ON  ge- 
nannt, aber  ich  bezweifle  die  Richtigkeit  dieser  Leseart,  nach- 
dem in  der  Tosifta  Mikwaot  3  ein  ^"finn  '■DP  N3N  genannt  ist, 
dessen  Identität  mit  QTinn  nDP  '"1  (Menachot  37a;  Sifra  Emor 
3a,  8)  unzweifelhaft  ist;  er  war  also  aus  Bethoron.  In  Succa  45,  b 
wird  ein  ^nöH  Ttf"!  genannt,  aber  selbst  hier  ist  die  LA.  ^nöTI 
so  verdächtig,  wie  in  derselben  Zeile  das  ^niDttil)  das  auch  au 
einen  Ortsnamen  hinweist.  Genug,  r6m  ist  ein  Appellativ  und 
bezeichnet  eine  Sandgegend,  daher  auch  von  Cäsarea  gesagt 
wird  Pl^inn  P3  rQttfWt  dass  es  zwischen  Sandstrecken  liege 
(Megilla  6a);  «n^Pl  aber  ist  Ulatha,  und  XH^im  Nft^  der  See 
Phiale. 

4 

6. 
Hier  variiren  alle  Recensionen,   doch    führen  sie  auf  eine 
sichere  Grundform  zurück.    In  A  6  heisst  der  See  JV^ttH  Rtt\ 

B  6  hat  nr6mn,  c  3  rfrn  ^,  D5  rvnttn  KÖ\  E  2  m^D  Q\ 

F4  oy  hw  D^«  Entweder  Scheliat  oder  Scheriat  muss  der  See 
geheissen  haben,  denn  das  ttf  zu  Anfange  haben  alle  Texte  bis 
auf  F,  welches  für  sich  in  Betracht  kommen  muss,  nur  in  E  ist 


376  Notizen  zur  Geographie  Palästina's. 

es  in  das  verwandte  B  übergegangen.  Man  darf  daher  durchaus 
nicht  n^K  daraus  machen ,  wie  es  Schwarz,  auf  die  fehlerhafte 
LA.  des  bab.  Talmuds  gestützt,  gethan  hat,  denn  offenbar  stand 
daselbst  n^Ytttf  hü)  und  das  W  ging  durch  das  voranstehende 
^ttf  verloren.  Man  müsste  auch  in  diesem  Falle  aus  dem  ela- 
nitischen  Meerbusen  einen  palästinischen  See  machen.  (tnn^TP 
bedeutet  einen  Teich  (vgl.  über  das  hehr,  rbw  die  Bemerkungen 
Geiger's  In  der  jüdischen  Zeitschrift  für  Wissenschaft  und  Le- 
ben, Jahrg.  5,  S.  104)  und  kann  wohl  hier  auf  einen  kleineren 
See  hinweisen,  der  sonst  nicht  namhaft  gemacht  wurde  und  hier 
nur  als  solcher  angenommen  ward,  um  die  Zahl  sieben  zu  comple- 
tiren)  oder  vielleicht  steht  dieser  Name  mit  dem  des  mittleren 

Jordan  X+£w&Jt  in  Beziehung  und   bezeichnete  eine  Bucht  des 

Tiberias  -  Sees;  doch  ist  keineswegs  an  Elat  zu  denken.  Die 
LA.  "J3J7  ^itf  erkläre  ich  mir  aus  dem  Umstände,  dass  nach  j.  Sche- 
kalim  6,  2  das  Weltmeer  bei  Akko  einen  Damm  hat,  also  der 
Sammler  des  Jalkut,  dem  es  um  die  Richtigkeit  der  geogra- 
phischen Angaben  nicht  besonders  zu  thun  war,  hier  einen 
Gedächtnissfehler  begangen  hat  oder  weil  Akko  wegen  seines 
Fischreichthums  berühmt  war  (vergl.  Bereschit  rab.  c.  4).  In 
Pesikta  rabbati  c.  8  (auch  angeführt  bei  Nachmani  zuGittin7a) 
heisst  es  ^  Q-pD  bv  ."ÜIOT  )DV  KVI  IT  D^Tl  "BWÖ  npjTC  b)p 
ML 

7. 

*P£B*n  Kfc\  B  7  OTSEW  C  6  D  7  WfcDDK,  F  5  DOTM,  E  5 
»"unyn  D1*  Die  letzte  LA.  ist  eine  gedankenlose  Reminiscenz 
aus  der  Bibel.  Gemeint  ist  der  See  von  Apamea,  der  auch  bei 
Abulfeda  tabula  Syriae  p.  152  und  p.  157  genannt  ist  und  frei- 
lich nicht  in  Palästina  lag  (vgl.  Rappaport  Erech  Miliin  p.  180); 
die  LA.  F.  weist  auf  die  Paneasgrotte  hin,  die  ebenfalls  bei 
Abulfeda  1.  c.  p.  155  als  See  von  Banias  bezeichnet  wird.  Es 
ist  merkwürdig,  dass  eine  alte  Notiz  beide  Seen  nennt  und  nach 
Palästina  versetzt.  Der  Cod.  Augusteus  110  bezeichnet  als  Seen  Pa- 
lästinas lacus  Tiberiaden,  lacusBanaian,  lacus  Cades  seuEmessae, 
lacus  Apameae.  Rappaport  hat  indess  gezeigt,  dass  man  noch 
einen  grossen  Theil  von  Syrien  zu  Palästina  rechnete,  und  man 
kann  daher  hier  nicht  eine  Ungenauigkeit  der  Angabe  consta- 
tiren. 


Notiz«i.  zur  Geographie  Palästina'?:  377 

Auch  der. See  von  Emesa  wird  im  Anbange  zu  sämmtlichen 
Recensionen  ausser  zu  E  genannt  und  die  Angabe',  dass  Dio- 
cletian,  der  doch  bekanntiioh  in  Paneas  sich  einige  Zeit  auf- 
hielt (Ber.  r.  c.  63),  ihn  durch  künstliche  Hineinlettung  meh- 
rerer Flusse  in  ein  Becken  geschaffen  habe,  ist  gewiss  unver- 
fänglich und  historisch  glaubwürdig.  Der  See  ist  noch  jetzt 
unter  dem  Namen  Bachr- Chams  oder  Bachr-Kadisa  bekannt 
(Schwarz,  d.  heil.  Land  S.  21).         '        :y   ; 

IL    Coehaba. 

Herr  K.  (Kirchheim)  bemerkt  in  einer  Note:  ZU  Schwarz  das 
heil.  Land  S.  133,  dass  in  Pesikta  rahbati  c.  lfi  ein  Ort  Coehaba 
angeführt  ist  rODD  p  "UlK  WÖn  *1  *£>KW.-  Die  Apposition 
fehlt  in  den  Parallelstellen  Bamidbar  rab.  c.  21,  Tanchuma  Pinehas 
ed.  Stettin  "Nr.  13,  Jalkut  II,  950;  nur  in  Mid rasch  Mischte  c.  13 
findet  sich  die  LA.  afcöttfi  ^Uft  "IHK*  •  Man  kann  die  Ortsangabe 
nicht  ohne  Weiteres  für  einen  corrapten  Zusatz  erklären  j  wie 
Herr  K.  gethan  hat;  es  ist  vielmehr  anzunehmen,  dass  die  Ori- 
ginalstellen sie  noch  bewahrten  und  erat  die  Secundairquellen 
sie  ausliessen.  Ob  HMD  oder  Stfütt^  ^3  die  richtige  LA.  ist, 
lasst  sich  nicht  mehr  entscheiden;  es  handelt  sich  nur  darum 
ob  sich  Ortschaften  dieses  Namens  anderswoher  nachweisen 
lassen.  Herr  K.  meint,  dass  Coehaba  mit  Bet-Schemesch  in 
Isacbar,  welches  später  Kankab-el-Chama  hiess,  identisch  ist; 
es  ist  jedoch  kaum  anzunehmen,  dass  der  hiblische  Name  von 
der  Hälfte  eines  viel  später  aufgekommenen  arabischen  Namens 
verdrängt  wurde  und  der  Ort  den  Juden  nur  unter -dem  letzteren 
bekannt  war.  Man  könnte  an  %toßa  denken,  welches  Judit  4,  4 
und  16,4  genannt  ist  und  in  der  Nähe  von  Jericho  lag,  und  der 
Umstand,  dass  ein  Chobaa  (al.  Kaukaba)  bei  Eusebius  onom. 
s.  v.  als  Hauptsitz  der  Ebioniten  bezeichnet  wird,  böte  dieser 
Vermuthung  eine  Stötze,  allein  dessungeachtet  wäre  dieselbe 
noch  wenig  begründet,  da  die  syrische  Uebersetzung  des  Buches 
Judit  an  der  ersten  Stelle  isco  schreibt*  wofür  Lagarde  aus 
einem  Walter'schen  Codex  sogar  ;^D  anmerkt  und  ein  Coehaba 
mit  ganz  bestimmter  Lage  sich  nachweisen  lässt.  Nach  Epi- 
phanius  haer.  30,  18  lag  ein  Coehaba  in  der  Nähe  von'  Edrei 
Ko%aßwv  iv  tjj  Baaavfaidi  yrj  hcSneuw,  'Adyacw,  denselben  Ort  ver- 
setzt er  ib.  40,  1  nach  Arabien,  d.  i.  in  das  jenseits  4es  Jordans 

F  ra  n  k  e  1 ,  Monatsschrift.  XVII.  10.  29 


378  Notizen  zur  Geographie  Palästina's. 

gelegene  Land,  welches  auch  unier  diesem  Namen  begriffen 
wurde.  In  haer.  II,  29,  5  nennt  er  diesen  Ort  Kanaßt}  und  ib.  8 
spricht  er  sich  über  dessen  Namen  ganz  klar  aus  iv  rg  Bccaocvl- 
vtii  vg  tejopbq  JTanuxßg,  V*nP§*\  &  kß^küftt  XtfOfthy.  Auch  bei 
Euseb.  hist.  ecel.  I,  7  wird  ein  Kmxctßa  in  der  Nahe  eines  Ortes 
Nager?  genannt;  die  Identität  mitzogoßj  lässt  sich  aber  erst  dann 
behaupten,  wenn  Afatgäfc  fixirt  ist. 

Was  die  2.  LA.  2K2&n  >2  betrifft,  so  lässt  sich  diese  mit 
rOSID  um  so  weniger  combiniren,  als  Jeschebab  ein  Personen- 
name ist,  und  ein  Ort  nach  einem  solchen  wohl  genannt  worden 
ist.  Ein  Ort  2KV  kommt  in  den  Midraschim  häufig  vor;  dort- 
her war  der  fruchtbare  Agadist  R.  Möme  (vergl.  d.  Midrasch 
rab.  zu  Koh.  8,  1^  9,  7)  und  ein  weniger  bekannter  R.  Sakkai 
(Bamidbar  rab.  c.  17);  Josephus  nennt  inn  als  die  Heimath  des 
heldenmütigen  Eleasar  b.  Samaias  (bellum  jud.  3,  7,  21  Saaß 
dk  wuqlg  avxq>  ti}s  räkdaUtg), 

Möglicherweise ,  dass  SfcOtt^  *D  die  vollere  Namensform 
für  2MP  ist 

in«    Kasyun. 

Bereits  in  einer  Notiz  über  die  hebräischen  Inschriften  der 
Synagogen  zu  Kefo-Bereim  (Illustrirte  Monatshefte  für  die  Ge- 
sammtinteressen  d.  Judenthums  I.  S.  295)  habe  ich  darauf  hin- 
gewiesen, dass  Kasyun  auch  im  Talmud  vorkommt.  Zu  der 
Baraita  nin»  TOttO  DnST  T\  (Tosifta  Beza  c.  4;  b.  Beza  32  a) 
findet  sich  inj.  Beza  5,  5,  wo  sie  auch  angeführt  ist,   folgende 

Bemerkung  r©öpJD  Tafel  WO  'T3  DTO  "1  OttD  JPSpT  pnv»  'T; 
in  j.  Berachot  8,  7  steht  )W)pT  für  jPJfpT  und  Schwarz,  dem 
nur  die  letztere  LA.  bekannt  war,  musste  JTCHp  von  KptPTp 
(vergl.  cras),  morgen,  ableiten,  um  es  mit  Zeret  -  ha  -  Schachar 
(Ups.  13,  19)  identificiren  zu  können  (d.  heil.  Land  S.  181).  In- 
dessen bedarf  es  keines  Beweises,  dass  p>Hp  die  richtige  LA. 
und  Kasyun  in  Galiläa  darstellt    (Vgl.  diese  Msch.S.  154.  D.B.) 

IV«    Kepharetaia. 

In  j.  Magilla  I,  1  wird  Hazzidim  (Jos.  19,  35)  mit  dem  spa- 
teren N»ÖTI  TM  identificirt.  Die  Richtigkeit  dieser  Behaup- 
tung dahingestellt  sein  lassend,  wollen  wir  nur  constatiren,  dass 
im  Stammgebiete  von  Naphtali  ein  Ort  fcpi^n  TM  l*g-    Der- 


Zur  talmudischen  Geographie  378 

selbe  wird  auch  in  j.  Horajot  3, 1  Ber.  rab.  c.  65;  b.  Chagiga  5b; 
Wajikra  rab.  c.  7  genannt  und  Schwarz  findet  eine  Spur  dieses 
Namens  in  dem  heutigen  Chittin,  das  2  Stunden  westnordwest- 
lich von  Tiberias  liegt.  Allein  die  Kirchenväter  haben  den  tal- 
mudischen Namen  in  präcisirter  Form  erhalten.  fcp>üVl  "1DD 
war  die  Vaterstadt  des  HlresiarchenMenander,  eines  Schulers  des 
Simon  Magus,  auf  den  die  Menandriten  ihre  Lehre  zurückführten. 
Dieser  Ort  heisst  bei  Eusebhls  histor.  eccl.  III,  12  Ka»a^atalccf 
bei  Justin us  Martyr.  opera  p.  134,  4)  Ksopccgetata.  Vergl.  noch 
Epipbanius  haerw  12  und  Theodoretus  haeres  fabul.  I,  11. 


^  ■  *  mm 


Zur  talmudischen  &eographie. 

Vom 
Rabbiner  Dr.  Oppenheim  in  Gr.-Becskerek. 


IL    Der  Himälaya. 

Es  ist  bekannt,  dasä  der  Name  dieses  wahrhaft  riesigen 
Scheidegebirges,  der  sehr  verschiedenartig  geschrieben  und 
gelesen  wird,  ein  Compositum  aus  2  Sanskrit  wurzeln  (himavata 
und  alaya)  sei,  und  gewöhnlich  mit  „Schneegebirge"  erklärt 
wird.  Das  indische  Wort  wurde  von  fremden  Völkern,  die  das 
Gebirge  kennen  lernten,  in  höchst  verstümmelter  Form  aufge- 
nommen: so  haben  die  Griechen  den  "ipctog  oQog  (Im aus),  die 
Türken  den  Mus-Tagh  daraus  gemacht,  bei  Pallas,  dem  Byzan- 
tiner, wurde  Musart  daraus.  Wir  glauben  die  Spur  dieses  mäch- 
tigsten Gebirges  der  Erde  in  freilich  ganz  anderer  Gestalt  auch 
im  Talmud  gefunden  zu  haben. 

Chullin  59  b  wird  von  zwei  ganz  ausserordentlichen  Thier- 
species  gesprochen,  die  von  ungewöhnlicher  Grösse  seien :  dem 
l£Hp>  das  trotzdem  es  nur  ein  Hörn  habe,  dennoch  zum  Genüsse 
erlaubt  sei  und  dem  D*UE«    Mar  Jehuda  erklärt:   rjviK  D*ttü 

^b^V  ^"1/  **b*V  ^"1  *raü  EHp/  UHp  sei  der  Hirsch,  DTJÖ 
der  Löwe  von  itfrjf  ^2  •  Darauf  wird  von  der  ungeheuren 
Grösse  dieser  zwei  Thiere  und  von  dem  Löwen  eine  fabelhafte 
Geschichte  erzählt:  R.  Josua  b.  Chananja  habe  denselben  einst 

29* 


380  Zur  talmudischen  Geographie« 

au?  Wunsch   des  römischen  Machthabeins   ("ID^p)   vdn  seinem 
Wohnorte  aufgeschreckt,  nnd  sein  erschreckliches  Gebrülle  haben 
Schwangere  gebären,  die  Mauern  Roin's  einfallen  gemacht  u.  s.  w. 
—  Es  handelt  sich  nun  um  die  Erklärung  der  zwei  Thiernanien 
Und  um   die  Festsetzung  der  Ortsbestimmung.    Im  Jahre  1855 
habe  ich  in  dieser  Monatsschr.  (S.  281  ff.)  VT)p  mit  dem  Fabel* 
thiere  fievoxiQmg  erklart  *—  eine  Ansicht,   in  der  ich,  trotz  des 
Widerspruches  von  Lewysohn1)  (D.  Zoologie  d.  Talmuds  S.  152), 
durch  einige  Momente  noch  mehr  bestärkt  wurde.    Von  dem 
Einhorn  herrschten  bei  den  Alten  die  fabelhaftesten  Vorstellungen, 
die  griechischen  Schriftsteller  haben  allerlei  buntes  Zeug  über 
dieses  Thier,  dessen  Existenz  heute  ganz  in  Frage  gestellt  ist, 
zusammengeschrieben    und    dessen    Ursprung    und    Aufenthalt 
nach  Indien  verlegt   (vergL  Plinius,  Ktesias  u.  s.  w.  bei  Rosen- 
müller, d.  bibl.  Thierreich  S.  190  F.).    Ein  gleiches  gilt  von  dem 
Tiger  D"UÜ  (*'??*£>  **WÖj  der  gleichfalls  nach  Indien  versetzt 
und  mit  dem  Löwen  verglichen  wird  (S.  Lewysohn,  S.  70).    Den 
Ort  wfay  ^n  nun  erklart  Aruch  (s.  D*tt£)  mit  Wald  „Uai",  was 
gar  nichts  für  sich  hat,  dagegen  Raschi  beide  Worte  als  einen 
Ortsnamen  fasst.    Zwar  liegt  die  Bedeutung  dieser  chaldäischen 
Worte  auf  der  Hand,  allein  man  kann  doch  nicht  „den  Ort 
(Haus)  der  Oberen*)4-  als  einen  Ort  auffassen,  wo  Thiere  hausen, 
vielmehr  müssen   sie  ein  ganz  bestimmtes  Nomen  propr.  sein. 
Bedenkt  man  aber,  dass  vom  Einhorn  und  Tiger  bei  den  Griechen 
Vorstellungen  im  Schwange  waren,   die  mit  der  Beschreibung 
des  Talmud  übereinstimmen,  und  dass  man  beide  auf  den  Bergen 
Indiens  wohnen  Hess,  so  wird  es  einleuchten,   dass  wir  auch 
unseren  Löwen  des  Vt^y  >a  den  „Löwen  des  Himalaya"  werden 
nennen,  und  also  ^K^JJ  ^2  als  Himalaya*)  werden  auffassen,  können. 
Die  bedeutende  lautliche  Abweichung  braucht  uns  keineswegs 
zu   beirren.    Bei   Herübernahme  fremder  Namen  aus   anderen 
Sprachen  war  es  dem  Volke  immer  darum  zu  thun,  das  fremde 
Wort  der  eigenen  Zunge  anzupassen,  es  sich  mundgerecht  zu 


1 )  Der  Oryx,  den  Lewysohn  mit  BHp  identificirt,  hat  thatsächlich 
zwei  Hörner.  Oryx  ist  vielmehr  der  K^niN  des  Talmud  (Sebach  113b). 

*)  In  diesem  Sinne  hat  sich  die  Kabbala  des  Wortes  bemächtigt. 

*)  Kohut's  Erklärung  (Deber  die  jüd.  Angelologie  nnd  Dftraonol. 
etc.  8.  103):  „der  arische  Dreibeinige  des  Waldes"  ist  verunglückt. 


i 


Zur  talmudischen  Geographie.  381 

machen,  der  Esprit  der  Joden  dagegen  gab  dein  fremden  Worte 
eine  Form,  die  auch  in  der  eigenen  Sprache  gleichen  Sinn  und 
ähnliche  Bedeutung  hatte.  Besonders  die  chaldaisch  redenden 
Juden  hatten  in  der  lautlich  und  begrifflich  ähnlichen  Umge- 
staltung von  Fremdwörtern. eine  besondere  Virtuosität,  und  es 
ist  nicht  immer  leicht,  in  solchen  Fällen  die  Pointe  herauszu- 
finden, da  die  Transformirung  einmal  mehr,  das  andere  Mal 
weniger  glücklich  war.  So  wurde  ja  Airya  in  j"p  *pft<  zerlegt, 
so  wurden  >pniDN ,  fcriu  1^3  ,D*lpDN  «•  m.  A.  in  der  witzigsten 
Seite  so  erklärt,  als  wären  sie  chaldaisch:  statt  vnoQrpirj  sagte 
man  „es  bleibe  da",  statt  Epikuräer  erklärte  man  „Freigeist", 
statt  Tempel  der  Aglaja  irgend  ein  Ort  der  Schmach4).  Zudem 
ist  unsere,  jetzt  gewöhnliche  »Schreibweise,  nämlich  Himalaya, 
keineswegs  genau  und  correct.  Das  Ut^JJ  ■  gibt  jedenfalls  den 
zweiten  Theil  des  Fremdnamens  wieder.  Stände  w^ty  i&,  so 
wäre  damit  •  das  indische  Wort  vollkommen  gegeben :  und  es  ist 
in  der  That  wahrscheinlich,  dass  es  Anfangs  so  gelautet,,  und 
mit  dem  >3,  welches  als  Ortsbezeichnung  viel  gebraucht  wurde 
(s.  Buxtorf,  Levy  v.  13)  nur  vertauscht  wurde. 

III.    Das  asiatische  Khusch  (Aethiopien).   . 

Im  1.  Verse  des  Buches  Esther,  dessen  Authenticität  man 
heute  geradezu  für  unanfechtbar  erklären  darf,  werden  als  die 
aussersten  Grenzen  des  Reiches  des  Ahaschwerosch  die  Länder 
Hodu  und  Khusch  angegeben.  Zwei  Amoräer  sollen  über  die 
Lage  dieser  2  Länder  entgegengesetzter  Ansicht  gewesen  sein. 
Im  b.  Megilla  IIa  wird  hierüber   berichtet:     TJ  i  twiöttfl   3*1 

^aa  trai  rnn  "ton  inv  ,ubivr\  rpra  ehdi  dmn  *pra  Hin  •»& 

)ü)0  iy»  Rah  erklärte  jedes  der  beiden  Länder  als  die  beiden 
aussersten  Gegenden  der  Erde,  während  Schemuel  behauptete, 
Hodu  und  Khusch  lägen  neben  einander  und  es  soll  mit  der 
Anführung  dieser  2  Grenzländer  gesagt  sein,  dass  die  aussersten 
und  entferntesten  der  127  Provinzen  des  grossen  Reiches  gerade 
so  (fest  und  stark)  regiert  wurden,  wie  etwa  Hodu  und  Khusch, 

4)  Aach  heute  werden  noch  Fremdwörter  in  solcher  Weise  ins 
Hebräische  eingeführt  31  xf?l  (Telegraph  ,  hl  V©  (Protokoll),  npy  rVQ 
(Akademie)  schon  bei  de  Rossi. 


382  Zur  talmudischen  Geographie. 

die  nahegelegenen  Grenzländer.  Es  sollte  dies  das  Grossartige 
des  Reiches  und  seiner  Regierung  noch  sprechender  illustriren. 
—  Wenn  man  nun  auch  zugeben  muss,  dass  Schemuel's  Erklä- 
rung keineswegs  dem  reinen  Wortsinne  entspreche,  so  mnss 
man  sich  doch  andererseits  Mühe  geben,  das  scheinbar  so  grelle 
geographische  Paradoxon  zu  erklären.  Und  in  der  That  kennt 
die  alte  Geographie  ein  Khüsch  im  Innern  Asiens.  — ■  Wollten 
wir  uns  an  jene  Exegeten  und  Geographen  halten,  die  das  Land 
und  das  Volk  „Khüsch"  mit  Rücksicht  auf  Genes.  2, 13  in  Asien 
suchen,  wie  z.  B.  Reland,  der  darunter  den  Stamm  der  Cossaci 
•begreifen  will,  oder  Michaelis,  der  es  nach  Khat  (Chorawesne) 
verlegt  (s.  Rosenmüller,  Winer,  Reallexicon),  so  hätte  die  Ansicht 
Schemuel's  damit  allerdings  ihre  Rechtfertigung  gefunden.  Allein 
wir  können  bei  der*  vulgären  Erklärung  mit  „Aethiopien",  wie 
sie  aus  der  Völkertafel  (Genes.  10,  (fy  und  äusserem.  13,  23  so 
klar  sich  ergibt,  immerhin  verbleiben,  und  müssen  dennoch  un- 
serem Schemuel  Recht  geben.  Khüsch  bedeute  immerhin  die 
Stämme  der  Chamiten  und  umfasse  die  damals  bekannten  Län- 
dermassen von  Africa:  trotz  alledem  konnte  man  von  einem 
Khüsch  bei  Indien  sprechen.  Herodot,  der  alte  „Vater  der  Ge- 
schichte" gibt  uns  hier  über  den  Talmudisten  von  Nehärdea  den 
besten  Aufschluss,  er  kennt  Aethiopien  in  Asien,  Nachbarn 
der  Inder,  die  er  unter  den  Völkern  im  Heereszuge  des  Xerxes 
mit  aufzählt.  Daselbst  (VII,  70)  heisst  es  von  ihnen:  ,  .  .  ot  9h 
an  rjUov  dvaxoXianr  Alfrlonsg  (9i%ol  yäg  Sri  iotQVTevovto)  7tQOrteT£ta%c(TO 
xolg  'ivdoiat,*  .  .  .  .  ql  idv  yaq  ino  rjUov  Afoioneg  &vrQi%ig  etat,  ol  9k 
in  zfjs  Aißvyg  uvl&cuxov  tQl%a>(ia  fyovoi  ....  ovtoi  9h  ot  in  trjg 
'Aoitis  Al&loitsg  %a  phv  nUco  natu  neq  'lv9ol  iaeod%cczo  x.  t.  X.  Die 
Al&Uwsg  ot  ix  Trjg  Aairp  werden  auch  noch  B.  III,  94  erwähnt, 
und  von  den  Erklärern  in  die  Gegend  des  alten  Gedrosien,  des 
heutigen  Balutschistan  versetzt  (siehe  d.  Note  ed..  Stein).  Der 
Talmud  und  Herodot  verbürgen  also,  einander  gegenseitig  die 
Richtigkeit  ihrer  Mittheilungen,  und  Schemuel  kotinte  mit  allem 
Recht  sagen:  W>p  ip  nTI  "W  WDI  Hin.  —  Wie  leicht  fühlt 
Unwissenheit  sich  nicht  versucht,  über  derartige  Auslassungen 
unserer  Talmudisten  mitleidig  zu  lächeln! 

IV.    Das  Mondgebirge. 
Seit  Ptolemäus,  der  im  IV.  Buche  seiner  Geographie  (c.  9) 
unter  dem  Namen  asXrjvrig  ooog  einen  ungeheuren  Gebirgszug  an- 


Zur  talmudischen  Geographie«  388 

fuhrt,  welcher  in  zwei  ununterbrochenen  parallelen  Kämmen 
die  Breite  Africa's  von  Habesch  bis  zum  Senegal  durchzieht, 
ist  der  Name  des  „Mondgebirges"  in  die  geographische  Litera- 
tur eingebürgert.  Die  zahlreichen  arabischen  Geographen,  die 
den  Ptolemäus  benutzten  oder  übersetzten,  nennen  dieses  Gebirge 

j+*M  J^>"  >  was  in  der  Regel  auch  mit  Mondgebirge  übersetzt 

wurde.  Diese  Berge,  die  in  der  Vorstellung  der  Alten  als  un- 
geheure, unübersteigliche  Bergkette  galten,  sind  auch  der  ju- 
dischen Alexandersage  bekannt  und  finden  sich  an  einigen  Stellen 
im  Talmud  und  Midrasch  unter  dem  Namen  Httfh  i"in  »Die 
Berge  der  Finsternisse  oder  „die  dunklen  (schwarzen) 
Berge".     Gehen  wir  an  die  einzelnen  Stellen! 

In  ziemlicher  Uebereinstimmung  erzählen  T.  jer.  Tr.  Baba 
mez.  II,  5  (Livorno  6a)  und  Midr.  rabba  Genes,  s.  33  die  be- 
kannte Sage  von  dem  Zuge  Alexanders,  des  Makedoniens,  nach 
Libyen  Op^DW»  zu  dem  Könige  von  frOSfp,  der  hinter  den  „Ber- 
gen der  Finsterniss"  sein  Reich  hatte :  X&Q1?  ^]K  P^P^  OTTÜM^ 
'131  *lttfn  ^"in  ^Tintti*  *PSp*  Die  durchschossenen  Worte  sind 
im  jer.  Talm.  ausgefallen,  doch  Jalkut  zu  Ps.  36,7  der  die  Stelle 
aus  dem  Jer.  citirt,  hat  die  Worte:  *]^n  'HH  *VQ^«  Dieselben 
Worte  finden  sich  auch  im  Tanchuinazu  Levit.  *M£K  'B,  und 
im  Levit.  Rabba  s.  27  in  gleicher  Fassung,  obwohl  hier  eine 
andere  Erzählung  mit  diesem  Zuge  in  Verbindung  gebracht 
wird.    Im  6.  Tamid  32a  heisst  es  sogar  sehr  bezeichnend:  ri&N 

*]Wn  nn- 7DD1  ,rbw  IV5»  vbAVlbtfo)  fT^  »Du  vermagst  da- 
hin nicht  zu  ziehen,  denn  ,die  Berge  der  Finsterniss*  liegen  da- 
zwischen!" 

Soviel  leuchtet  ein  und  steht  fest,  dass  unter  dem  Riesen- 
gebirge der  Volkssage,  tief  im  Innern  von  Africa,  da  wo  gleich- 
sam kein  Ausgang  mehr  ist,  „den  Bergen  der  Finsterniss"  nichts 
Anderes  zu  verstehen  ist,  als  „das  Mondgebirge"  des  Ptolemäus 
und  der  späteren  Araber.  Jedoch  wie  stimmt  der  Name  dieser 
Berge  mit  ihrer  Benennung  bei  Ptolemäus?!  Allein  man  darf 
nicht  vergessen,  dass  es  schon  eine  alte  Streitfrage  ist,  ob  denn 
auch  der  oQog  aelrprqg  die  richtige  Uebersetzung  des  ursprünglichen 

einheimischen  Bergmannes  sei,  und  ob  andererseits  der  *+*£  J^>- 

der  Araber  mit  „Mondgebirge"  zu  übersetzen  und  zu  erklären 
sei?    Denn  gerade  die  dieser  Uebersetzung  entsprechende  Lese- 


884  Zu*  talmodischen  Geographie. 

weise:  j+aU  von  j&  „Mond"  wird  von  den  gewichtigsten  ara- 
bischen Geographen  (Makrisi,  Ibn  Said  u.  A.)  verworfen,  und 
eine  andere  empfohlen.  A-  von  Humboldt,  der  über  Mond- 
gebirge, Nilquellen  u.  s.  w.  im  I.  Bd.  der  „Ansichten  d.  Natur' 
S.  129  f.  eine  wissenschaftliche  Note  hat,  zieht  bei  Besprechung 
des  eigentlichen  Namens  eine  Stelle  aus  Silv.  de  Sacy's  Noten 
zu  seiner  Ausg.  (1810)  des  Abd'allatif  an,  4*e  wir  zum  Verstand- 
niss  unserer  weiteren  Bemerkung  zum  Theil  anführen  müssen: 
„Od  traduit  ordinairement  le  nom  de  ces  montagnes  ....  par 
,montagnes  dfe  la  lune',  et  j'ai  suivi  cet  usage.  Je  ne  sais  si  les 
Arabes  oat  pris  originairement  cette  denomination  de  Ptolemee. 
On  peut  croire  qu'ils  entendent  effectivement  aujourd'hui  le  mot 

j+s   dans  le  sens  de  la  „lune"  en  le  prononc.ant  Kamar:  je  ne 

crois  pas  cependant,  que  c'ait  ete  l'opinion  des  anciens  ecri- 
vains  Arabes,  qui  prononcent  commele  prouve Makrizi  korar, 
Aboulfeda*)  rejette  positivement  l'opinion  de  ceux  qui  pronon- 
cent Kamar  et  qui  derivent  ce  nom  de  celui  de  la  lune. .  Coinme 

lemotkomr,  eoneifiere.commepluriel  de  j-*^  signifie  an  objet 

* 

d'une  couleur  v-erdatre  -ou  d'un  blanc  sale,  suivant  l'auteur 
du  Kamous,  il  paroit  que  quelques  ecrivains  ont  cru  que  cette 
wontagne  tirait  son.  nom  de  sa  couleur. 

Man  ersieht  aus  den  Zweifeln  Sacy's  und  aus  dem  Umstände, 
dass  die  angeführten  arabischen.  Autoren  die  Ableitung  von  Ka- 
mar verwarfen,  und  den  Namen  ajs  Bezeichnung  der  Farbe  er* 
klaren  wollten,  dass  „Moodgebirge"  keinesfalls  die  richtige 
Uebersetzung  des  arabischen  Wortes  sei,  dass  diese  nur  durch 
ein  Missverständuiss  bei  Ptolemäus  und  den  Späteren  Aufnahme 
gefunden  —  die  Erklärung  mit  Kamar,  Mond,  ist  ja  in  der  That 
naheliegend!  —  und  dass  wir  in  der  arab.  Bezeichnung  ein  an- 
deres Wort  zu  suchen  haben.  Und  gerade  über  die  Bedeutung 
des  dunklen  al-Komr  verbreiten  „die  finstern  Berge"  Licht! 
Die  Wurzel  K.m.r  bedeutet  in  den  semitischen  Idiomen  (hebr., 
chald.,  syr.)  „schwarz,  dunkel  seinu  —  es  ist  dieselbe,  die  als 
regelmässig  formirter  plur,  tract.  der  Farben  bedeutenden  Ad- 


*)  Reinaud  in  seiner  Oeberftetzung  des  Abolfeda  citirt  noch  zwei 
andere  Geographen,  die  al-Komr  lesen. 


Recensioneq  und  Anzeigen.  885 

jectiya6)  in  -*äU  J*aäU   „die   schwarzen,  dunklen  Berge"   be- 

deutet.  Die  arabische  und  jüdische  Tradition  stimmen  in  der 
Benennung  vollkommen  ü  herein :  die  GihalufUkoniru  und  die 
*]Wh  ^*vn  sidd  eins!  Der  Ursprung  dieser  Bezeichnung  scheint 
in  der  Vorstellung  zu  liegen,  dass  diese  Berge  am  äussersten 
Ende  der  bewohnten  Erde  gelegen  sind,  da  wo  die  Strahlen  der 
Sonne  nicht  mehr  bindringen.  Dadurch  .Hesse  sich  auch  das 
unerklärte  fcOJJp  fcote  als  König  des  (äussersten)  Endes  er- 
klären. Allein  es  scheint  dieses  Wort  auch  ein  Nom.  propr. 
su  sein.  Vielleicht  ist  das  Volk  gemeint,  welches  Herodot  (IV*  194) 
unter  dem  Namen  ZVgamc  als  im  Innern  Libyen's  wohnend  an* 
führt,  oder  gar,  dass.es  eine  Verstümmlung  des  einheimischen 
Landnamens  Muezi  ist  (s.  Humboldt  a.  a.  0.),  das  auch  nicht 
in  dieser  Leseweise  sichergestellt  .ißt').  Aber,  die  Identität  der 
*Jttfb  'Hil  mit  dem  sogen.  „Mondgebirge"  ist  festgestellt.. 


Recensioneu  and  Anzeigen. 


Die  Geschichte  der  Juden  in  Erfurt,  nebst  Noten,  Urkun*' 
den  und  Inschriften  aufgefundener  Leichensteine.  Grössten- 
•    tbeils  nach  primären  Quellen  bearbeitet  von  Dr.  Adolph 
Jarac&ewsky.  Erfurt  1868*  Selbstverlag  des  Verfassers. 

In  Commission  bei  Carl  Villaret. 

(Schlug.) 

Ebenso  erfahren  wir  aus  einer  in  den  Forschungen  zur 
deutschen  Geschichte  VI,  192  Anm.  vorkommenden  Notiz,  wie 
sehr  die  Erfurter  Juden  damals  bedrückt  wurden  und  der  Hülfe 
bedurften.  Es  wird  daselbst  nämlich  mitgetheilt,  dass  der  Raths- 
herr  Gieseler  in  Münden  um  1430  an  Herrmann  von  Schneen 
und  Herrmann  von  Lemmershausen  geschrieben  habe,  wie  er, 


•CÜ     ) 


.•)  Analog  •*»   plur.   von  j+&*\  rober. 

7)  Es  soll  dies  ein  Käme  des  angrenzenden  Landstrich  es  in  den 
Idiome»  von  Congo.  sein,  and.  unser  tfgp  mag  immerhin  eis  Wort  aas 
einem  africanischen  Dialecte  sein.  ^ 


386  Recenslonen  and  Anzeigen. 

falls  sie  es  für  zweckmässig  hielten,  mit  Einzelnen  aus  dem 
Rathe  über  die  vielen  Juden  zu  Erfurt  zu  sprechen,  er  wohl  im 
Sinne  hatte,  was  auch  von  vielen  Leuten  gebilligt  werden  würde, 
dass  man  nach  Erfurt  Leute  sende,  um  die  Juden  zu  beschirmen 
und  dass  dies  wohl  helfen  würde,  die  bösen  Wichte  fortzu- 
schaffen. Endlich  gehört  in  diese  Zeit  noch  eine  in  Jovii  Chro- 
nicon  Scbwarzburgieon  S.  477  und  von  Spiker  a.  a.  O.  S.  132 
erwähnte  Nachriebt,  nach  welcher  am  14.  April  1432  ein  kaiser- 
licher Commissair  nach  Erfurt  kam,  um  flu"  den  Kaiser  Sieg- 
mund die  Judensteuer  in  diesen  Landen  und  in  der  Grafschaft 
Schwarzborg  beizutreiben.  Derselbe  musste  jedoch  gegen  den 
Grafen  Heinrich  reversiren,  dass  ihm  Solches  an  seinen  Privi- 
legien, Ehren,  Würden,  Freiheiten  und  Briefen  unpräjudicirlich 
sein  solle. 

Im  zehnten  Kapitel  handelt  Herr  Dr,  Jar.  von  den  inneren 
Verhältnissen  und  den  Gelehrten  Erfurts,  indessen  bedürfen 
seine  Angaben  nicht  selten  der  Berichtigung  und  können  auch 
noch  mannigfach  ergänzt  werden.  Der  Gottesdienst  in  den 
Synagogen,  sagt  Herr  Jar.,  folgte  dem  Minhag  Sachsen,  in  dessen 
Bereiche  Magdeburg  und  Erfurt  die  bedeutendsten  Gemeinden 
waren.  Diese  Notiz  ist  Zunz'  Ritus  S.  70  entnommen,  welcher 
auch  bereits  mittbeüt,  dass  man  sich  in  Erfurt  wie  in  Oesterreich 
des  Fettes  am  Thierbauche  DIDH  bfPD  d?n  enthielt  und  am 
I.  Nissan  bis  Mittag  fastete  und  Selichoth  sagte  (a.  a.  O.  S.  71 
und  127).  Indessen  spricht  R.  Moses  Minz  GA.  Nr.  101  p.  153  d 
im  Jahre  1468,  wo  doch  die  Juden  längst  aus  Erfurt  vertrieben 
waren,  von  drei  Gemeinden  in  Sachsen  fitfpNn  VVbnp  'JE  DDH9 
in  denen  sich  ein  Rabbinatscollegium  befunden,  und  rechnet 
jedenfalls  auch  Halle  zu  denselben.  Dass  das,  was  Herr  Jar. 
hier  von  dem  Vorsitzenden  des  Rabbinatscollegiums  und  dem 
Rabbiner  W adarasch  wiederholt,  unrichtig  ist,  habe  ich  bereits 
oben  bemerkt.  Die  auf  einer  Mittheilung  von  mir  beruhende 
Angabe,  dass  in  der  zweiten  Hälfte  des  13  Jahrhunderts  R.  Sa- 
muel ben  Menacheui  halevi  und  R.  Siracba  ben  Gerschom  in 
Erfurt  gewirkt  haben,  bedarf  noch  der  Motivirung.  In  den  GA. 
des  R.  Meir  aus  Rothenburg  ecL  Cremona  Nr.  17  heisst  es  näm- 
lich von  zwei  mit  einander  processirenden  Männern  ftQ  12D1 

Ditrm  na  nmw  *i  *»to  ^i  croa  in  btmv  Y-in  vd?  pi? 


Receasionen  und  Anzeigen.  387 

(lies  BTinjO)  jFVQ'IIQ  W  *WtO  WJJttl ,  woraus  ich  vermutete, 
dass  die  beiden  genannten  Rabbiner,  vor  denen  jene  Männer 
zuerst  ihre  Klagen  vorbrachten,  wohl  in.  Erfurt  gewohnt  haben 
müssten.  Zu  bemerken  ist  jedoch,  dass  um  dieselbe  Zeit  von 
Erfurt  aus  einer  Entscheidung,  des  R.  Meir.  in  einer  die  Gemeinde 
zu  Stendal  betreffenden  Angelegenheit  zugestimmt  wird,. welche 
Zustimmung  aber  von  R,  Pavid.  ben  Abraham  und  R.  Baruch 
ben  Jechiel  unterzeichnet  ist  (siehe  dieselben  Gutachten  ed. 
Lemberg  Nr.  108).  Auch  ist  noch  zu  erwähnen,  dass  der  Er- 
furter Gemeinde  um  diese  Zeit. als  B"11B"1K  ^2  ganz  allgemein 
in  den  nämlichen  GA.  ed.  Frag  Nr.  .052.  gedacht  wird.  —  Herr 
Jar.  wendet  sich  dann  zu  Alexander  Süsskind  hacohen,  dem 
Verfasser  des  Agudah,  in  Erfurt,  und  bringt  einige  Notizen  bei, 
die  ihm  von  Herrn  Kirchheim  mitgetheilt  worden  sind,  die  «r 
aber  nicht  verstanden,  zu  haben  scheint.  Dass  R,  Alexander 
Cohen  zu  den  Märtyrern  des  Jahres  1349  gehörte,  war  bereits 
aus  Zunz  synagog.  Poesie  S.  40  und  aus  der  von  Landshuth  im 
Anhange  zu  seinem  Amude  haabodah  p.  IV.  initgetheilten  i"tf>3 
zu  ersehen  und  auch  in  dem  Hannoverschen  Memorbuche  wird 
derselbe  als  pj^  ")"ÜOai>K  Dlp^  '1  ain  erwähnt  und  dieser 
R.  Susskind  Cohen,  abgekürzt  *n"1fflD  genannt  -  der  aber  nicht 
zu  verwechseln  ist  mit  einem  anderen  ebenfalls  ^l"*nÖ  dfc  h.  Ä. 
Salomo  Cohen  benannten,  jedoch  erst  in  der  ersten  Hälfte  des 
15.  Jahrhunderts  in  Nürnberg  lebenden  Rabbiner  —  war  eben 
der  Schüler  des  schon  im  13.  und  nicht  erst  im  14.  Jahrhundert, 
wie  Herr  Jar.  schreibt,  gleichfalls  in  Erfurt  lebenden  R.  Isaac 
halevi  (siehe  miJK  ^EHin  zu  Sabbath  p.  78d),  welcher  letztexe 
wiederum,  wie  aus  den  RGA.  des  Maharil  Nr,  203  zu  ersehen 
ist,. ein  Zeitgenosse  des  R.  Schemarjah  ben  Chajim,  doch  nicht 
älter,  wie  Zunz  in  den  additam.  ad  cod.  Ups,  XXX VH.  B. 
meint,  sondern  vielmehr  etwas  jünger  als  R.  Meir  aus  Rothen- 
burg war,  da.es  daselbst  heisst  QYiTÖ  QttD  >b  rÖW  "^H  *"lß1ö 
y?.  Dass  R,  Süsskind  Cohen  ein  durch  Gelehrsamkeit  hervor- 
ragender Rabbiner  war,  bezeugt  nicht  allein  R.  Jacob  Weil, 
sondern  noch  früher  R.  Jacob  Levi  in  seinen  Responsen  Nr.  79, 
wo  er  sagt  bV2)  *V1  HOTTO!  rTOH  ^JD  ^TOI  pDH  pDBW  IM 
rotmn  und  Nr.  104,  wo  es  von  ihm  heisst  JHW  iW  TWTm  !*E» 

•pan  in«  »\w  rrnyia  rawo  woö  owmdi  ntep  vergi. 

auch  daselbst  Nr.  105.    S.  66  führt  Herr  Jar.  eine  den  Verfasser 


388  Rezensionen  und  Anzeigen. 

des  Agudah  betreffende  Stelle  aus  den  GA.  des  R.  Meir  aus 
Rothenburg  Nr.  9^4  an,  welche  er  folgendermaassen  übersetzt: 
„Wir  haben  es  gedruckt  (!)  nach  einer  Handschrift  des  Suss- 
kind Cohen  aus  Erfurt-Sefer  Baruch,  wo  zu  ergangen  sch'hetiko". 
Was  Herr  Jar.  sich  hierbei  gedacht  haben  mag,  ist  mir  völlig 
unklar.  AHein  ein  Einblick  in  das  bezeichnete  GA.  zeigt,  dass 
derselbe  diese  ihm  von  Kirchheiih  iiritgeth eilte ,  in  der  That 
etwas  dunkle  Stelle  gän/lich  missverstanden  hat  Es  heisst  dort 
nämlich  in  Betreff  einer  von  den  Gemeinden  getroffenen  Ein- 
richtung, deren  in  dem  Werke  des  R.  Baruch  (wahrscheinlich 
ben  Samuel  in  Mainz),  welches  die  bei  R.  Meir  Anfragenden 
in  einer  von  R.  Süsskind  Cohen  angefertigten  Abschrift  besassen, 
Erwähnung  geschehen  soll  ^DN  l'^HT'  arottü  UpW?  ÜW 

nsi  tvbnpn  iwy  nyn?  ropn  vn  yn  *todd  ©■wo»  jro  und 

diese  Worte  hat  Herr  Dr.  Jar.  in  so  unverständlicher  Weise 
wiedergegeben!  Üebrigens  braucht  aus  dieser  Stelle  nicht  erst 
geschlossen  zu  werden,  dass  der  Verfasser  des  Agudah  noch 
Vor  1293  gelebt  habe  und  R.  Meir  bekannt  gewesen  sein  müsse, 
da  letzterer  in  dem  gedachten  GA.  weiter  ausdrücklich  sagt 
"h  TÖK-p3  EU'pDfl  '")  3T1-  Freilich  müsste  R.  Süsskind  dann 
ein  sehr  hohes  Alter  erreicht  haben,  denn  wenn  er  vor  1293, 
wie  aus  dem  genannten  GA.  zu  ersehen  ist,  schon  in  einem  ge- 
wissen Ansehen  stand,  so  muss  er  damals  doch  wohl  mindestens 
25  Jahre  alt  gewesen  sein  und  da  er,  wie  wir  gesehen,  1349  er- 
mordet wurde,  so  muss  er  wenigstens  81  Jahre  alt  geworden 
sein.  Versehieden  von  R.  Süsskind  Cohen  ist  sein  Zeitgenosse 
R.  Susslein,  vollständig  Israel  ben  Joel  Susslin  genannt,  der 
ebenfalls  in  Erfurt  wohnte,  aber  noch  1353  lebte,  wie  aus  Codex 
de  Rossi  Nr.  73  hervorgeht,  den  sein  Schüler,  der  Schreiber 
Meir,  für  seinen  damals  noch  lebenden  Lehrer  in  dem  genannten 
Jahre  anfertigte.  Wegen  der  Aehnlichkeit  des  Namens  wurde 
indess  dieser  R.  Susslin  mit  R.  Süsskind  Cohen  häufig  verwech- 
selt, was  noch  von  Zunz  in  den  bereits  angeführten  Additamenten 
zu  cod.  Lips.  XXXV11B,  aber  auch  schon  früher  im  Jahre  1382 
in  einem  handschriftlichen  Mordechai  geschah,  in  welchem  nach 
einer  Mittheilung  Carmoly's  im  Ben  Chananja  1865,  913  der 
in  neuerer  Zeit  so  vielfach  besprochene  R.  Meir  halevi  in  Wien 
seinen  Lehrer  nennt  p^Bm  TV»  JOptfl  )HD  "TODD^*  '"}  Sin  und 
in  welchem  sich  auch   die  Worte  finden  i^  "fl^N  ^fo-|   Q"^nÖ 


Reoensiouen  und  Anzeigen*  380 

piHWT  "Y'TI  OT  Ctt>2>  so  dass  wir  in  dem  Schreiber  jenes  Codex 
keinen  Geringeren  als  R.  Meir  halevi  erkennen,  wonach  also 
Zunz:  Zur  Geschichte  S.  209  Anm.  E  zu  ergänzen  ist.  R.  Süss- 
lin,  von  dem  wir,  wie  Zütiz  Literaturgeschichte  S.  509  angibt, 
ein  in  den  RGA.  des  R.  Meir  Rothenburg  und  Moses  Minz  ent- 
haltenes Gutachten  und  Tosafot  zum  Alfasi  besitzen,  deren 
übrigens  ausser  Maharil  auch  R.  Israel  aus  BrOnn  GA.  Nr.  194 
S.  72  a  mit  den  Worten  DE&N  "prt3  IfYJ«  WBTl  tfXNI  y*Vß  pl 
gedenkt,  bat  auch  eine  Zionide  verfasst,  in  welcher  er  22  Orte» 
6  Länder  und  13  Rabbiner  als  Märtyrer  namhaft  macht,  die  aber 
Zunz  leider  nicht  mittheilt. 

Herr  Jar.  erwähnt  auch  noch,  nachdem  er  ohne  Quellen* 
nachweis  einen  mir  wenigstens  unbekannten  Meister  Machir  in 
Erfurt  namhaft  gemacht,  dessen  Sohn  David  1898  in  Frankfurt 
gelebt  haben  soll  und  wofür  es  wahrscheinlich  Meister  Meiner 
von  Erfurt  heissen  muss,  dessen  Sohn  David  nach  Kriegkt 
Frankfurter  Bürgerzwiste  S.  549  von  1398—1400  m  Frankfurt 
lebte,  nach  einer  ihm  von  mir  gemachten  Mittheilung  aus  dem 
1&.  Jahrhundert  R.  Anschel  Cohen  und  R.  Hillel  in  Erfurt,  wo- 
zu ich  bemerke,  dass  jener  bei  R.  Israel  aus  Brunn  GA.  Nr.  162 
erwähnt  wird,  aus  welchem  zugleich  hervorgeht,  dass  derselbe 
nach  R.  Jacob  Weil  blühte.  Dagegen  lebte  R.  Hillel  in  Erfurt 
vor  letzterem  und  wird  bereits  von  R.  Salomon  Cohen  "JVYID 
in  Nürnberg  genannt,  wie  aus  Laria's  rtöblV  bw  On  zu  jt&j  p.  34  a 
zu  ersehen,  wo  es  heisst  Tf  rflMP  mOIW  b"l  pTTlÖÖ  YWDV 
pM  W  tivb  T^TSTl  W^n-  Dass  unter  m"n&  R-  Hillel  verstan- 
den werde,  wird  a»  a.  O.  p.  36b  ausdrücklich  bemerkt  Y1JJÖIP 

Vm  tvt1»  mw  b"i  ni'rto  am  iök  n"rtö»  ««<*  vermutlich 

ist  es  dieser  R.  Hillel,  welcher  im  Maharil  nnifll  ^WVV  *** 
Schüler  des  R.  Meir  halevi  in  Wien  angeführt  wird.  R.  Hillel 
aus  Erfurt  wird  häufig  als  Autorität  citirt  und  namentlich  in 
Beziehung  auf  die  Schreibweise  in  den  Scheidebriefen  wie  z»  B. 
in  dem  tOJTl  T"»D  (hinter  den  Gutachten  des  R.  Jnda  Minz  §  54 
und  105.  Unser  R.  Hillel  ist  auch,  wie  mir  scheint,  identisch 
mit  dem  in  Urkunden  vorkommenden  Judenmeister  Heller  in 
Erfurt,  an  welchen  1406  eine  Verordnung  des  Rat h es  in  Betreff 
auswärtiger  Juden  erging  (Jar.  S.  45)  und  in  Beziehung  auf 
welchen  Landgraf  Wilhelm  von  Thüringen  nach  Lud  ewig  reli- 
quiae  Mss.  X.  p.  254  im  Jahre  1416  anordnet,  dass  sämmtliche 


300  Recensionen  und  Anzeigen. 

Joden  in  seinem  Lande  anter  Meister  Hellern,  Jaden  zu  Erfurt, 
stehen  and  ihm,  soviel  die  jüdischen  Rechte  betrifft,  gehorsam 
sein  sollen. 

Herr  Jar.  spricht  dann  von  einem  Fidel  aus  Erfurt,  der  einem 
Selichah-Erkiärer  Mittheilungen  gemacht  hat.  Allein  der  Mann 
hiess  nicht  Fidel,  sondern  Friedet,  wie  Zuoz  Ritus  8. 196  (nicht 
201)  richtig  angibt  und  ist  wohl  derselbe,  den  König  Siegmund, 
wie  'ich  bereits  oben  erwähnt  habe,  1420  in  die  Acht  erklärt  hat. 
Ausserdem  führt  Herr  Jar.  von  Erfurter  jüdischen  Gelehrten  noch 
zwei  an,  nämlich  R.  Jacob  Weil  und  R.  Selmelin.  Was  nun 
jenen  betrifft,  so  behalte  ich  mir  vor,  denselben  an  einem  anderen 
Orte  ausführlich  %u  besprechen  und  werde  mich  daher  hier  da- 
mit begnügen,  die  über  ihn  von  Herrn  Jar.  gemachten  unrich- 
tigen Angaben  zu  berichtigen.  Israel  Isserlein  war  nicht  Weil's 
Schüler,  sondern  sein  jüngerer  Freund,  mit  dem  er  in  brieflichem 
Verkehre  stand,  und  aus  seinem  6A.  Nr.  24  ist  gar  nichts  über 
Weil  zu  entnehmen,  da  dessen  daselbst  nicht  Erwähnung  ge- 
schieht, wohl  aber  folgt  aus  seinem  GA.  Nr«  269,  dass  Weil  in 
der  Rheingegend  geboren  und  auferzogen  worden  ist.  Weil's 
Sohn  Jausel  war  sieht  mit  dem  gedachten  Israel,  sondern  mit 
Israel  aus  Brunn  verschwägert;  auch  hatte  er  noch  einen  an- 
deren Sohn  ff'nnfc,  der  Rabbiner  in  Ulm  war.  Dass  auch  die 
Gemeinden  von  Wien  und  Prag  Weil's  Entscheidung  nachgesucht 
haben  sollten,  ist  aus  seinen  Gutachten  nicht  ersichtlich  und  die 
angezogene  Stelle  aus  dem  GA.  Nr.  163  hat  Herr  Jar.  nicht 
richtig  aufgefasst  und  daher  auch  nicht  sinnentsprechend  wieder- 
gegeben. Zu  der  Streitsache, .welche  zwischen  Abram  Esra  und 
David  Zehner  stattfand,  weil  jener  diesem  die  für  seine  Frau 
und  Enkeltochter  auf  deren  Befreiung  verwendete  Summe  von 
1100  Gulden  nicht  wieder  erstatten  wollte,  habe  ich  Folgendes 
ergänzend  zu  bemerken.  David  Zehner  war  Hansbesitzer  in  Er- 
furt (cf.  Jacob  Weil  Q^l  §  70),  während  Abram  Esra  wahr- 
scheinlich in  Merseburg  wohnte,  bei  dessen  Bischof  er  in  Folge 
seines  Reichthumes  viel  galt.  Die  Gemeinde  zu  Merseburg 
stand  aber  unter  dem  Rabbinate  von  Halle,  woselbst  damals 
R.  Schalom,  als  iwflD  WTW  häufig  angeführt,  Rabbiner  war, 
vor  welchem  Abram  Esra  gern  Recht  nehmen  wollte.  Derselbe 
mochte  sich  indessen  in  diese  Angelegenheit  nicht  mischen, 
weil  er,  da  die  Juden  in  Halle  unter  der  Herrschaft  des  Erz- 


Recensionen  und  Anzeigen.  391 

bischofs  von  Magdeburg  standen,  auf  welchen  wiederum  der 
Bischof  von  Merseburg  einen  gro3sen  Einfluss  übte,'  die  Ranke 
des  Abram  Esra  fürchtete,  der  ihm  durch  seine  Einwirkung  auf 
den  Bischof  schaden  konnte.  (Siehe  Jacob  Weil  GA.  Nr.  149). 
Stattgefunden  muss  dieser  Streit  aber  erst  nach  1445  haben,  da 
Weil  GA.  Nr.  148  sagt»  dass  es  allgemein  bekannt  sei,  däss  der 
Bischof  die  Gefangenen  weit  eher  wurde  haben  befreien  können, 
bevor  die  Herzoge  das  Land  getbeilt  hatten r  als  nachdem  die 
Theilung  geschehen  wäre.  Nun  fand  aber  die  Landestheilung 
zwischen  den  Herzogen  Friedrich  und  Wilhelm  erst  im  Jahre 
1445  statt;  wie  Galletti  a.  a.  O.  IV,  139  berichtet,  aus  welchem 
auch  a.  a.  O.  S.  146 ff.  zu  ersehen  ist,  in  welcher  innigen  Be- 
ziehung der  Bischof  von  Merseburg  zu  dem  Erzbischofe  von 
Magdeburg  stand*  Ob  dieser  David-  Zehner  derselbe  ist,  welcher 
später  die  junge  Schwägerin  des  R.  Jacob  Pollak  gebeirathet 
hat  und  welche  Ehe  letzterer  wieder  aufzulösen  bestrebt  war 
(cf.  Graetz  IX,  65),  steht  dahin. 

Was  nun  R.  Selmelin  aus  Erfurt  betrifft,  so.  mag  derselbe 
unter  dem  Namen  p^  oder  HJD^ltf  oft  genug  in  den  verschie- 
denen Gutachten  vorkommen,  ohne  dass  es  sich  nachweisen 
lässt.  Dass  er  der  eigentliche  Rabbiner  gewesen  sei,  während 
Weil  sich  nur  Rabbiner  der  Chewra  der  Jünglinge  nenne,  ist 
eine  unbegründete  Vermuthung  des  Herrn  Jar.,  dje  sich  auf 
eine  Stelle  in  WeiPs  C^l  §  41  stützt,  wo  derselbe  sagt  TUrUH) 
W  lÖlb  *bm  Onran  bttf.  nD.Dn  TOS.  Allein  dies  beweist 
nur,  dass  Weil  gewöhnlich  die  Synagoge  (nicht  Chewra)  der 
D^WD  besuchte,  unter  denen  aber  nicht  Jünglinge,  sondern 
Talmudbeflissene  zu  verstehen  sind,,  wie  aus  den  GA.  des  R* 
Israel  aus  Brunn  Nr,  118  deutlich  zu  ersehen  ist.  Dass  R.  Sel- 
melin dem  Redakteur  der  Minhagim  des  Maharil  Mittheilungen 
in  Betreff  des  letzteren  gemacht  und  an  diesen  Anfragen  ge- 
richtet habe,  wird  daselbst  rDl^D  TtffcO  riDS"!  mitgetheilt;  auch 
wird  er  daselbst  in  mnöttf  nO^H  erwähnt. 

Zunz  sagt  in  seiner  Literaturgeschichte  S.  493,  dass  Chajim 
Paltiel,  von  dem  er  nach  Ritus  S.  22  glaubte,  dass  er  in  Böhmen 
gelebt,  vermuthlich  in  Erfurt  oder  Magdeburg  gewohnt  habe, 
ohne  dass  ich  anzugeben  weiss,  worauf  wohl  seine  Vermuthung, 
dass  derselbe  in  Erfurt  seinen  Wohnsitz  hatte  und  demnach 
hier  ebenfalls  erwähnt  werden  müsste,  beruhen   dürfte.    Als 


902  Recensionen  und  Anzeigen» 

lapsus  calami  ist  es  wohl  anzusehen,  wenn  er  daselbst  den  Vater 
dieses  Gelehrten  Barach  nennt,  während  er  schon  zur  Geschichte 
S.  193  den  richtigen  Namen  desselben  Jacob  angefahrt  hatte, 
wie  er  sich  ausdrücklich  in  den  GA.  des  R.  Meir  aus  Rothen- 
burg ed.  Cremona  Nr.  32  findet.  Bereits  früher  habe  ich  in 
Steinschneiders  Hamaskir  B.  VI,  44  von  diesem  R.  Chajim  Pal- 
tiel,  der9  wie  ich  vermnthe,  den  Beinamen  Wurm  hatte,  weil  er 
sich  nicht  allein  selbst  immer  njT^D  unterzeichnete,  sondern 
auch,  wie  aus  den  GA.  des  R.  Meir  Rothenburg  ed,  Lemberg 
Nr.  177  zu  ersehen  ist,  von  Anderen  ny^H  Hpö^B  D^n  ge- 
nannt wurde,  gesprochen  und  angegeben,  dass  er  in  Magdeburg 
gelebt  habe,  wobei  ich  mich  auf  dieselben  GA.  Nr.  476,  aus 
welcher  zugleich  erhellet,  dass  er  1291  lebte,  stutzte,  die  aus- 
drücklich nyifln  iWöbD  D^n  pTiaTTO  bnp  unterzeichnet  ist. 
Auch  aus  den  GA.  des  R.  Moses  Minz  §  63  c,  wo  der  Einrich- 
tungen ,  die  er  wie  sein  alterer  College  Schabtai  ben  Samuel 
(vergl.  Jacob  Weil  Q'O'H  §  60  und  GA.  des  R.  Israel  Brunn 
Nr.  120,  wo  bWtohü  0*^11  2«  lesen  ist)  getroffen,  gedacht  und 
mitget heilt  wird,  daBs  er  oder  R.  Schabtai  die  rftJpn  des  R. 
Jacob  Tarn  in  Magdeburg  eingeführt  habe,  ist  zu  erseben,  dass 
Chajim  Paltiel  in  Magdeburg  gewohnt  haben  tnuss,  wo  er  eine 
fruchtbare  ThatigkeÜ  entwickelte,  denn  ausser  den  von  Zunz 
mUgetheilten  Dichtungen  besitzen  wir  von  ihm  noch  viele  Gut- 
achten, wie  aus  den  Responsen  des  R.  Meir  aus  Rothenburg, 
mit  welchem  er  correspondirte,  ed.  Prag  Nr.  226,  ed.  Cremona 
Nr.  32  und  33  und  ed.  Lemberg  Nr.  13*,  136,  157,  164  und  476 
wie  auch  aus  dem  Züricher  Semag  (cf.  Zunz  Ritus  S.  216)  er» 
hellet  und  hat  er  auch  Minhagim  verfcsst,  die  nicht  allein  von 
Klausner  und  Maharil  (QTO*  OWTO  /  HPBVS  und  rD)ü)9  wie  Zunz 
a.  a.  O.  S.  22  angibt,  sondern  auch  von  R.  Israel  aus  Brunn 
GA.  Nr.  147,  wo  WüM  statt  jrtiÖS  zu  lesen  ist,  angeführt  wer- 
den, so  dass  er,  wenn  er  auch  nicht  in  einer  Geschichte  der 
Juden  in  Erfurt  zu  erwähnen  ist,  doch,  ebenso  wenig  wie  andere 
jüdische  Gelehrte  Magdeburgs,  von  Güdemann  in  seiner  Geschichte 
der  dortigen  Juden  hatte  übergangen  werden  dürfen. 

Ich  benutze  diese  Gelegenheit  zum  Hinweise  auf  einige  an- 
dere Stellen,  in  denen  über  einzelne  Vorgänge  oder  Persönlich- 
keiten in  der  Erfurter  jüdischen  Gemeinde  Nachricht  gegeben 
wird.      Auf  die  in  Erfurt   stattgehabte  Rabbinerversammlung, 


Recensionen  und  Anzeigen.  393 

welche  Kirchheim  bei  Jar.  S.  65  sicher  zu  froh  ansetzt,  haben 
bereits  Frank el  im  Literaturblatt  des  Orient  1847,  677  und  Gratz 
VIII,  434  aufmerksam  gemacht  und  scheint  mir,  dass  dieselbe 
zwischen  1420  und  1430  stattgefunden  haben  wird»  Auf  dieselbe 
weist  nach  meinem  Dafürhalten  auch  R.  Israel  Brunn  in  seinem 
GA.  Nr.  162  p.  60b  hin,  wo  er  berichtet,  dass,  als  ein  gewisser 
Liwa  Bromber  einem  "NM  in  Erfurt  ein  Ohr  abgeschnitten  hatte, 
R.  Liepmann,  R.  Abraham  Cohen,  R.  Michel  und  R.  Chiskija 
(die  beiden  ersten  Namen  sind  daselbst  corrumpjrt)  von  dem 
Ochsen  zu  essen  erlaubt  haben,  was  auch  in  Erfurt  geschehen 
sei.  Hier  werden  nur  vier  Gelehrte  genannt,  während  Isserlein 
GA.  Nr.  24  deren  fünf  anführt.  Wenn  Grätz  aber  glaubt,  dass 
von  den  dabei  genannten  Rabbinern  keiner  bekannt  sei,  so,  irrt 
er  und  will  ich  hier  nur  in  aller  Kurze  bemerken,  dass  R.  Ichel 
oder  auch  R.  Michel  wahrscheinlich  in  Breslau  lebte  und 
wohl  derselbe  ist,  welcher,  wie  Stobbe  in  der. Zeitschrift  des 
Vereins  für  Geschichte  und  Alterthumskunde  Schlesiens  aus 
Breslauer  Signaturbüchern  mittheilt,  um:  1418  In  Breslau  eine 
grosse  Rolle  spielte  und,  ebenfalls  bald  Ichel  bald  Michel  aus 
Reichenbach  genannt,  der  Stadt  Breslau  grosse  Summen  vor- 
streckte, später  aber  in's  Gefängniss  kam.  R.  Liepmann  ist 
sicher  R.  Liepmann  in  Mühlhausen;  R.  Natqn  war  der  be- 
rühmte Gesetzeslehrer  in  Eger,  dessen  ieh  schon  in  meinem 
Emek  habacha  Note  218  gedacht  habe  und  der  später  nach  Pa- 
lästina ging,  wo  er  starb.  R.  Chiskija  ist  ohne  Zweifel  der 
von  Jacob  Weil  (D^l  §  50  und  im  n'TWn  zu  MahariJ  *flDWD  }"b 
und  hieraus  in  den  Erläuterungen  zu  Tyrnau's  Minhagim)  ge- 
nannte R.  Chiskija  Weissenfeis,  der  auch  wohl  unter  dem 
ITpTIT  "Y'VflD  ^u  verstehen  ist,  welcher  in  dem  GA,  des  R.  Ja- 
cob Levi  Nr.  79  vorkommt,  und  R.  Abraham  Cohen  ist  der 
als  V"3  K""VIÖ  io  dem  Gutachten  aus  dein  Beginne  des  15.  Jahr- 
hunderts oft  gedachte  Rabbiner  in  Halle,  der  unter  Anderem 
auch  mit  Maharil  in  Correspondenz  stand. 

Aus  Jacob  Weils  GA.  Nr.  126  und  190  erfahren  wir,  das* 
einst  ein  getaufter  Jude  seiner  Frau  einen  Scheidebrief  nach  Er- 
furt schicken  wollte  und  dass  gegen  Ende  des  Jahres  1443  ein 
gewisser  Natan  beu  Meschullam  Cohen,  genannt  Sussinanu,  in 
Erfurt  seiner  Frau  Hendlin  bath  Nachman  durch  Simon  ben 
Joseph  einen  Scheidebrief  übersandte,  bei  welchem  Akte  Juda 

F  r  a  n  k  e  1 ,  Monatsschrift.  XVII.  10.  30 


394  Recensionen  und  Anzeigen. 

ben  Baruch  halevi  und  Menachem  hen  Isaac  als  Zeugen  fun- 
girten;  ebenso  hören  wir  aus  dem  GA.  des  R.  Moses  Minz 
Nr.  109,  dass  dieser  in  Erfurt  als  Zeuge  bei  einer  KODIfiTI  rDIHD 
anwesend  war,  die  ein  gewisser  Abraham  Lucker  unter  der 
Leitung  des  R.  Jacob  Weil  ausstellen  liess.  Ueber  den  Handel, 
welcher  nach  Beendigung  der  Hussitenkriege  von  Seiten  jüdischer 
Kaufleute  von  Erfurt  aus  nach  Eger  und  von  da  wiederum  nach 
Prag  in  einer  Entfernung  von  je  18  Meilen  getrieben  wurde, 
gibt  das  GA.  des  R.  Israel  Brunn  Nr.  278  einige  Andeutung, 
und  über  einzelne  Persönlichkeiten  aus  der  Erfurter  Gemeinde 
erhalten  wir  noch  hier  und  da  Nachricht.  So  kommt  in  einer 
im  Besitze  des  germanischen  Museums  zu  Nürnberg  befindlichen 
Urkunde  vom  Jahre  1314  unter  den  vier  Meistern  der  damaligen 
Nürnberger  Judenschaft,  denen  von  Amtswegen  der  Titel  Herr 
beigelegt  wurde,  einer  vor,  welcher  als  Ysac,  Herrn  Bonfantis 
Eidam  von  Erfurt  angefahrt  wird  (siehe  Anzeiger  für  Kunde  der 
deutschen  Vorzeit  1859,  445  und  1865,  423).  Ob  dies  wohl  der- 
selbe ist,  auf  den  sich  die  Worte  *?"!  tttDJQ  1/#V1Ö  rOWD  in 
dem  GA.  des  R.  Jacob  Levi  Nr.  73  beziehen  r  In  Frankfurt  a.  M. 
wohnte  1346  ein  gewisser  Fiselin  oder  Fischlin  von  Erfurt,  wel- 
cher 1348  als  Fischs  oder  Fyschs  von  Erfurt,  genannt  zum  Stock, 
angeführt  wird,  so  wie  auch  dessen  Sohn  Meyer  oder  Meyher 
(cf.  Kriegk  Frankfurter  Bürgerzwiste  S.  549  und  551).  Im  Jahre 
1377  kommt  ein  Jude  Moller  von  Erfurt,  in  Würzburg  wohnhaft, 
vor,  der  sehr  vermögend  gewesen  zu  sein  scheint  und  mit  hohen 
Herren  in  Geldgeschäften  stand  (cf.  Regesten  S.  213  Nr.  292  a), 
und  im  Jahre  1385  wird  in  einer  Urkunde  von  dem  Ju4en  Meyr 
von  Erfurt  gesprochen,  der  in  Nürnberg  wohnte  und  der  Glau- 
biger dea  Bischofs  Gerhart  von  Würzburg  war  (daselbst  S.  150 
Nr.  330).  Vielleicht  war  dieser  Meyr  derselbe,  der  anderwärts 
Meirlein  von  Erfurt  genannt  wird,  1382  in  Nürnberg  aufgenom- 
men wurde  und  keinen  jährlichen  Zins  zu  zahlen  brauchte,  weil 
er  dem  Rathe  Geld  geliehen  hatte  (cf.  Baader  im  Anzeiger  für 
Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1867,  136). 

Unerwähnt  will  ich  auch  nachträglich  nicht  lassen,  was 
Luzzatto  im  Kerem  Chemed  VII,  56  aus  einem  handschriftlichen 
Maharil  mittheilt,  dass  nämlich  R.  Jacob  Levi  einst  die  Mainzer 
Gemeinde  veranlasste,  einen  ^itf  bw  IDHtf  nach  Erfurt  zu 
senden. 


Recensionen  und  Anzeigen.  395 

Im  elften  Kapitel  führt  Herr  Jar.  die  Geschichte  der  Juden 
in  Erfurt  weiter,  versäumt  aber  anzugeben,  dass  er  seine  sammt- 
lichen  Nachrichten  auf  S.  57  wie  auch  die  in  Betreff  des  Kaisers 
Friedrich  III.  aus  den  Jahren  1453  und  1456  einem  Aufsatze 
Michclsen's  in  dem  vierten  Bande  der  Zeitschrift  des  Vereins 
för  thüringische  Geschichte  entnommen  hat,  wie  aus  meinen 
Regesten  S.  245  Nr.  205  und  211;  S.  247  Nr.  222  und  S.  248 
Nr.  229  zu  ersehen  ist.  Er  erwähnt  auch  kurz  der  Predigten, 
welche  der  Mönch  Johann  von  Capistrano  in  Erfurt  gehalten, 
gedenkt  aber  nicht  der  Kränkungen,  welche  der  Legat  Nicolas 
von  Cusa  den  Juden  dadurch  zufügte,  dass  er  sie  zwang,  einen 
gelben  Ring  auf  der  Brust  als  Unterscheidungszeichen  zu  tragen, 
welches  der  Erzbischof  Dietrich  von  Mainz  auf  des  Legaten 
Autrieb  nach  Galletti  a.  a.  O.  IV,  188  in  Erfurt  einführte.  —  Hier- 
auf handelt  Herr  Jar.  im  zwölften  Kapitel  über  das  Leibzoll- 
wesen, wobei  ihm  die  diesen  Gegenstand  betreffende  Schrift 
von  Scheppler  entgangen  ist,  wie  dieselbe  auch  Stobbe  nicht 
zu  kennen  scheint,  der  sie  in  seinem  Buche:  Die  Juden  in  Deutsch- 
land S.  41  unerwähnt  lässt,  und  schliesslich  widmet  Herr  Jar. 
im  13.  Kapitel  der  neueren  Geschichte  Erfurts  eine  kurze  Be- 
trachtung. Als  dankenswerthe  Zugabe  sind  noch  die  Urkunden 
zu  betrachten,  soweit  dieselben  bisher  noch  nicht  veröffentlicht 
waren,  doch  lässt  die  Beschreibung  der  Erfurter  Codices  noch 
gar  Manches  zu  wünschen  übrig.  —  Möge  Herr  Dr.  Jaraczewsky 
aus  der  eingehenden  Weise,  in  welcher  ich  seine  Schrift  beur- 
theilt  habe,  das  Interesse  erkennen,  mit  welchem  ich  derselben 
gefolgt  bin  und  mir  bei  späteren  Publicationen  Gelegenheit  ge- 
ben, neben  seinem  Streben  auch  seine  Gründlichkeit  anzuer- 
kennen. Dr.  M.  Wiener. 


Sabbat-Stunden  zur  Belehrung  und  Erbauung  der  israeli- 
tischen Jugend  von  Dr.  David  Cassel.  Berlin,  Louis 
Gerschel  Verlagsbuchhandlung.    1868.    8.    388  S. 

Es  ist  eine  jüdische  Eltern  und  Religionslehrer  gleich  sehr 
mit  grosser  Besorgniss  erfüllende  Thatsache,  dass  unsere  Schul- 
jugend —  zumal  in  grösseren  Städten  —  der  ganzen  heilsamen 
Wirksamkeit  der  Sabbat-Institution  dadurch  verlustig  geht,  dass 
es  ihr  bei  der  gegenwärtigen  Organisation  der  höheren  Unter- 


396  Recensionen  uad  Anzeigen. 

richtsanstalten  benommen  ist,  aa  der  gemeinsamen  gottesdienst- 
lichen Sabbatfeier  zu  participiren.  Es  gibt  gegen  diesen  Uebel- 
atand  nur  eine  Abhülfe:  die  Einrichtung  einer  besonderen  ausser- 
halb der  Schulzeit  fallenden  Sabbat- Gottesdienst-Stunde 
für  die  gesammte  jud.  Schuljugend,  in  welcher  neben  ausge- 
wählten Gebeten  die  aus  der  heil.  Schrift  geschöpfte,  an  den 
Wochenabschnitt  anknüpfende  religiöse  Belehrung  das  Haupt- 
xnoment  bilden  muss. 

Für  diesen  Zweck  wird  das  oben  angezeigte  Buch  vortreff- 
liche Dienste' leisten.  Dasselbe  ist  mit  grossem  pädagogischem 
Geschick  abgefasst.  Der  Verf.  knüpft  einen  jeden  seiner  54  Ab* 
handlungen  an  den  betreffenden  Wochenabschnitt  an,  resumirt 
im  Eingange  dessen  Gesammtinhalt  und  wählt  ein  bedeuten- 
deres Thema  aus  demselben  zur  religiösen  Betrachtung  aus. 
Der  Verf.  versteht  es,  die  tiefen  sittlichen  Gedanken  der  Reli- 
gion in  einer  den  Anschauungskreis  der  erwachseneren  Jugend 
nicht  übersteigenden,  gemüthvollen  und  herzgewinnenden  Weise 
darzustellen  und  sie  durch  zahlreiche  Beispiele  und  Bilder  aus  dem 
Leben,  dieser  „jungen  Welt"  recht  anschaulich  zu  verlebendigen. 
Einen  besonderen  Reiz  müssen  die  in  sorgfältiger  Auswahl  und 
mit  Mass  eingestreuten  Sprüche  und  Erzählungen  aus  dem 
Legendenschatz  des  Mi  drasch  auf  die  jugendlichen  Gemüther 
üben.  Auch  dass  der  Herr  Verf.  hier  und  da  die  Jugend  mit 
manchen  gegen  Juden  und  Judenthum  intra  et  extra  muros  noch 
herrschenden  Vorurtlteilen  und  Vorwürfen  bekannt  macht  und 
ihr  die  Waffen  zur  Widerlegung  und  Bekämpfung  derselben  in 
die  Hand  drückt,  —  wie  z.  B.  im  50.  Abschnitt  über  den  Vor- 
wurf „die  Juden  seien  Fremde  im  Vaterlande",  über  die  Vor- 
züge der  heiligen  Sprache  VS.  81),  über  die  Ausdrucksweise 
der  heil.  Schrift  (S.  141),  über  Sklaverei  nach  der  biblisch-tal- 
mudischen Lehre  (Abschnitt  32),  über  die  dem  Tode  der  From- 
men zugeschriebene  sühnende  Macht  (Abschnitt  29)  u.  a.  -  können 
wir  pädagogisch  nur  sehr  gerechtfertigt  finden.  Dagegen  müssen 
wir  offen  gestehen,  dass  wir  ungern  in  dem  Buche  die  Bespre- 
chung vieler,  die  jüdische  Jugend  angehenden  religiösen  Satzungen 
vermissen,  wie  der  Zizis-,  Tefillin-  und  Sabbath- Gebote,  der 
Speiseverbote  u.  dgl.  Wir  können  uns  die  den  Verf.  zu  dieser 
Unterlassung  bestimmenden  praktischen  Beweggründe  denken 
—  der  Verf.  selbst  deutet  sie  im  Vorworte  an,  wenn  er  sagt: 


M 


Recensionen  und  Anzeigen.  397 

Von  scharf  ausgeprägten  Parteistandpunkten  konnte  und  durfte 
hier  keine  Rede  sein;  auf  der  breiten  Grundlage  der  israelit. 
Sittenlehre  sollten  alle  der  Jugend  zugänglichen  Verhältnisse 
sich  aufbauen"  —  aber  wir  können  sie  nicht  billigen. 

Dagegen  ist  alles  das,  was  der  Verf.  in  seinen  „Sabbat- 
Stunden"  bietet,  eine  so  gesunde  Kost  für  unsere  Jugend,  dass 
es  die  sittliche  Bildung  derselben  mehr  fördern  dürfte,  als  die 
trockenen,  in  Paragraphe  gebrachten  Sittenlehren  der  verschie- 
denen Katechismen  allesammt. 

Wir  wünschen  darum  diesem  Buche  die  verdiente  Verbrei- 
tung, Einführung  in  Schule  und  Haus.  Der  gediegene  Inhalt 
sowohl,  wie  die  elegante  Ausstattung,  die  die  Verlagsbuchhand- 
lung ihm  gegeben ,  machen  es  ganz  besonders  zu  Barmizwa- 
und  Confirmationsgeschenken  geeignet.  P. 


Libanon.  Ein  poetisches  Familienbuch  von  Ludw.  August 
Frankl.  Vierte  Auflage.  Wien  1858  .Pichler's  Wittwe 
und  Sohn.    476  S. 

Lessing  sagt  irgendwo  von  einer  Gedichtsammlung,  dass, 
wenn  ein  Neuntheil  darin  vortrefflich,  ein  Neuntheil  gut,  und 
noch  ein  Neuntheil  erträglich,  -—  man  auch  den  Rest  gern  in 
den  Kauf  nehme.  Schon  dies  allein  würde  es  erklären,  dass 
von  dem  bei  seinem  Erscheinen  allgemein  günstig  aufgenom- 
menen „Libanon"  in  so  kurzer  Zeit  eine  vierte  Auflage  noth- 
wendig  geworden.  Allein  wir  haben  hier  noch  ein  gut  Theil 
mehr  als  .Lessing  verlangt.  Der  Herausgeber  hat  nebst  einigen 
vortrefflichen  eigenen  Gedichten  eine  Auswahl  des  Besten  ge- 
liefert, „was  die  Dichter  der  gebildeten  Nationen  zur  Verklärung 
des  Judenthums  gesungen  haben".  Neben  bekannteren  Gedichten, 
theils  deutschen,  theils  trefflichen  Uebersetzungen  aus  anderen 
Sprachen,  enthält  die  Sammlung  eine  beträchtliche  Zahl  neuerer 
Originalgedichte,  die  immer  irgend  eine  Seite  des  Judenthums 
poetisch  darstellen.  Es  ist  mit  einem  Worte  das  ganze  geistige 
Leben  des  jüdischen  Volkes  von  den  ältesten  Zeiten  bis  auf  die 
Gegenwart  in  künstlerischer  Form  und  mit  einem  wahrhaft  poe- 
tischen Hauche  wiedergegeben.  Nur  Hesse  sich  hin  und  wieder 
über  die  Auswahl  einzelner  Stücke  rechten,  die,  ohne  dem  Werthe 


398  Recensionen  und  Anzeigen. 

des  Baches  Eintrag  zu  thun,  hätten  aasgeschieden  werden  können. 
Indess,  wo  des  Vortrefflichen  so  viel  geboten  wird,  wo  die  Aus- 
wahl eine  so  reichhaltige  ist,  bleibt  nur  der  Wunsch  auszu- 
sprechen, diese  neue,  elegant  ausgestattete  Auflage  möge  ebenso 
wie  die  früheren  eine  weite  Verbreitung  finden:  ein  Werk  wie 
Frankl's  „Libanon"  durfte  in  jedem  jüdischen  Hause  eine  Zierde 
der  Bibliothek  bilden.  D.  G. 


E^j^-pp2  Lyrische  Klänge,  Original-Poesien  und  Ueber- 
setzungen  von  Nathan  Samuel i.  Herausgegeben  von 
Michael  Wolf.    Lemberg  1868.    149  S. 

Immer  seltener  werden  die  Klänge  der  hebräischen  Muse; 
als  sollte  sie  bald  ihren  Kreislauf  beschliessen,  hört  man  sie 
nur  hie  und  da  —  wie  einst  an  den  Ufern  des  Tajo  und  Guadal- 
quibir  —  ein  Lied  noch  zirpen.  Nachklänge,  Uebersetzungen 
aus  neueren  Sprachen  und  Variationen  älterer  Poesieen  bringt 
wohl  noch  jeder  Frühling;  aber  es  fehlt  meist  die  Frische  und 
Farbenpracht  der  echten  Bluthen.  Doch  der  Freund  der  he- 
bräischen Poesie  wird  auch  diese  Gaben  dankbar  hiunehmen 
und  auch  eine  Sammlung  wie  die  Eingangs  erwähnte  nicht  ohne 
Befriedigung  aus  der  Hand  legen.  Denn  es  lässt  sich  dem  jun- 
gen Dichter  Tiefe  der  Empfindung  sowie  eine  gewisse  Gewandt- 
heit und  Leichtigkeit  des  Ausdrucks  nicht  absprechen,  wenn 
auch  bisweilen  die  Ausführung  des  poetischen  Gedankens  wenig 
Schule  verräth.  So  wird  in  dem  Liedercyclus  2'2NTi  der  Kampf 
des  Frühlings  mit  dem  Winter  wahrhaft  poetisch  durchgeführt 
und  an  das  Hervorbrechen  der  hellen  Sonne  die  Reflexion  über 
den  Sieg  des  geistigen  Lichtes  über  das  Dunkel  angeknüpft. 
Dieser  Gedanke  ist  aber  in  <jem  ersten  Gedichte  vollständig 
erschöpft  und  es  bleibt  für  die  beiden  folgenden  nur  die  Wieder- 
holung Übrig,  die  noch  durch  das  Aufgeben  der  eingestreuten 
Reflexion  Einbusse  erleidet.  Mehr  Talent  verrathen  die  Ueber- 
setzungen, die  sich  an  L.  A.  Frankl  und  Lenau  anlehnen,  und 
es  lässt  sich  nach  diesen  Proben  nur  wünschen,  der  Dichter 
möge,  getreu  dem  Heine'schen  Motto,  das  er  seinem  Büchlein 
vorausgeschickt,  ferner  in  Lust  und  Leid  sein  Herz  im  Lied  er- 


—  TT" 


Monatschronik.  399 

schliessen.  Nur  darf  er  die  äussere  Form  nicht  zu  gering  an- 
schlagen und  die  typographische  Ausstattung  nicht  allzu  sehr 
vernachlässigen.  D.  G. 


Monatschrooik. 


Algier.  Der  Vicepräsident  des  Civiltribunals,  Santayra, 
veröffentlicht  eine  französische  Uebersetzung  des  die  judischen 
Ehegesetze  enthaltenden  Codex  „Eben-HaSser",  den  er  in  Ge- 
meinschaft mit  dem  Grossrabbiner  von  Oran,  Charteville,  bear- 
beitete. 

—  Der  Moniteur  de  l'Algerie  veröffentlicht  unter  der  Auf- 
schrift „das  israelitische  Consistorium  zu  Algier"  folgenden  Ar- 
tikel: „Das  israelitische  Consistorium,  welches  unlängst  durch 
kaiserliches  Decret  eingesetzt  wurde  und  das  einstimmig  Herrn 
Honel,  Advocaten  am  Hofe,  zu  seinem  Präsidenten  ernannt  hat, 
scheint  bereit  zu  sein,  alle  Versprechungen,  die  man  hat  in  dem 
von  uns  veröffentlichten  Rundschreiben  lesen  können,  mit  rigo- 
roser Genauigkeit  zu  erfüllen.  Wir  haben  wie  Jedermann  mit 
Beifall  die  zugleich  freisinnige  und  energische  Sprache  auf- 
genommen, die  diese  Behörde  an  die  Anhänger  des  mosaischen 
Cultus  gehalten,  eine  Sprache,  die  wir  in  folgenden  Worten  zu- 
sammenfassen können :  Wurde  und  Einheit  im  Cultus,  Ordnung  und 
Sparsamkeit  in  der  Vertheilung  der  den  Armen  zu  vertheilenden 
Hülfsmittel,  absolute  Noth wendigkeit  für  die  eingeborenen 
Israeliten,  sich  den  Europäern  zu  nähern  und  sich  zu  ihrer  Höhe 
durch  Unterricht  und  Händearbeit  emporzuschwingen. 

Crefeld.  Herr  Consistorialrabbiner  L.  Bodenheimer  ist 
am  25.  August  in  seinem  69.  Jahre  verschieden.  Sowohl  unsere 
Gemeinde  als  der  Consistorialsprengel  erleidet  in  seinem  Hin- 
tritte einen  schmerzlichen  Verlust  und  wird  lange  sein  Andenken 
mit  heiliger  Ehrfurcht  bewahren.  In  ihm  verband  sich  ausge- 
breitetes Wissen  mit  tiefer  Frömmigkeit;  seine  innige  Gottes - 
ergebung  hielt  ihn  aufrecht  in  den  langjährigen  Leiden,  die  ihn  an 
jeder  freien  körperlichen  Bewegung  verhinderten.  Er  ging  nach 
langem  schmerzlichen  Kampfe  ungebrochen  an  Geist  und  rüstig  in 


.    ■> 


400  Monatschronik. 

der  Ausführung  seiner  Amtspflichten  in  das  Land  heim,  wo  diesen 
edlen  Dulder  ein  reicher  Lohn  seiner  Wirksamkeit  wie  seines 
frommen  Erlragen s  erwartet. 

Oalacz.  Die  Drachensaat,  die  Bratiano  ausgesaet  hat,  tragt 
ihre  Fruchte.  Der  3.  October  sah  in  unserer  Stadt  ein  Schau- 
spiel der  Judenverfolgung  und  Plünderung,  wie  sie  die  traurigsten 
Tage  des  Mittelalters  nicht  schrecklicher  kannten.  Ein  Polizei- 
beamter reizte  die  Menge  gegen  die  Juden  auf,  indem  er  einen 
Juden  beschuldigte,  er  habe  wollen  einen  Christenknaben  um- 
bringen. Bald  rottete  sich  ein  Pöbelhaufen  zusammen,  überfiel 
das  Haus  des  österreichischen  Unterthanen  Simon  Dolingen, 
misshandelte  ihn,  seine  Frau  und  die  anderen  Einwohner  furcht- 
bar, zerstörte  das  Haus  und  demolirte  und  plünderte  die  in 
dem  Hause  befindliche  kleine  Synagoge.  Von  dort  begab  sich 
diese  Horde,  die  mittlerweile  an  Zahl  zugenommen  hatte,  io  die 
anderen  Bethäuser  am  Neuen  Markte,  und  erst  als  mehrere  Bet- 
häuser zerstört  und  geplündert,  Privathäuser  erbrochen  waren, 
und  über  fünfzig  schwerverwundete  Juden  auf  dem  Platze  blieben, 
erschien  Militair.  Da  begab  sich  diese  Rauberbande  nach  dem 
Innern  der  Stadt  zur  grossen  Synagoge,  erbrach  die  Thure, 
zertrümmerte  die  Lade  und  die  ganze  innere  Einrichtung,  raubte 
silberne  Leuchter,  die  Kronen  der  Thoras,  viele  goldgestickte 
Ornamente,  zerriss  und  zerstreute  viele  Bibeln,  Gebet-  und  son- 
stige Bücher.  Nachdem  diese  Verwüstung  eine  halbe  Stunde 
gedauert,  erschien  ein  Militairpiquet,  das,  als  der  Haufe  Miene 
zum  Widerstand  machte,  wieder  abzog.  Viele  behaupten  unter 
den  Plünderern  der  Synagoge  Cömmunalbeamte  gesehen  zu  haben. 
Nicht  zu  verwundern !  Hat  doch  die  Regierung  von  oben  herab, 
als  es  ihren  Zwecken  dienlich  schien,  ihre  Beamten  mit  der 
Judenverfolgung  beauftragt,  und  mit  welchem  trefflichen  Beispiel 
ging  nicht  der  judenersäufende  Präfect  Lupaco  voran!  Der 
Polizeibeamte  mochte  wie  die  Oommunalbeamten  bona  fide 
handeln  und  nach  der  früher  von  oben  gegebenen  Parole  wäh- 
nen, sich  um  die  Regierung  verdient  zu  machen.  —  Der 
Minister  des  Innern  eilte  am  anderen  Tage  herbei  und  entsetzte 
den  Präfecten  und  den  Bürgermeister,  und  befahl  die  Inhaftirung 
der  Rädelsführer;  doch  kommt  es  zur  Anklage,  so  werden  diese 
blutbefleckten  Minister  zuerst  auf  der  Anklagebank  sitzen. 


fc* 


***. 


Sie  Alliance  Israelite  Universelle. 

(Schluss.) 


Die  Unruhen  wurden  immer  stärker,  Kriegslärm  drang 
in  diese  friedlichen  Wohnungen,  und  ich  war  gezwungen, 
mich  von  hier  zu  entfernen.  Ich  wandte  mich  also  ost- 
wärts und  kam  über  Warge-Laouh  Thyerkin  und  Awassa 
nach  dem  Markte  Godawi6,  woselbst  ich  mehrere  Falaschas 
traf,  die  Körbe  und  Töpfe  verfertigten.  Sie  riethen  mir 
nach  Matamma  zu  gehen,  dessen  Markt  gewöhnlich  von 
ungefähr  15  falaschischen  Familien  besucht  ist,  die  dasselbe 
Handwerk  treiben.  Ich  blieb  nun  einen  Monat  bei  den 
Falaschas  von  Matamma,  um  eine  günstige  Gelegenheit 
nach  Cuara  abzuwarten,  einer  Provinz,  die  zahlreiche 
jüdische  Niederlassungen  enthält.  —  Wir  hatten  kaum 
einen  Marsch  von  drei  Stunden  auf  dem  Wege  nach  Fer- 
feridi6  zurückgelegt,  als  wir  erfuhren,  dass  diese  Provinz 
muthmasslich  zum  Schlachtfeld  dienen  werde  in  dem  zwi- 
schen den  beiden  Feldherren  Imar  und  Desseta  ausge- 
brochenen Kampfe.  Der  erstere  nämlich  war  dem  König 
Theodor  treu  geblieben,  während  letzterer  in  offener  Em- 
pörung gegen  ihn  stand.  Um  nicht  ganz  fruchtlos  auf 
demselben  Wege  wieder  umzukehren,  änderte  ich  alsbald 
meine  Richtung  und  schlug  mit  meinen  Reisegefährten  die 
grosse  Strasse  ein,  die  von  Matamma  nach  Gondar  führt. 
Wir  waren  gegen  Freitag  Abend  unweit  von  Wahni,  aber 

K ran kel.  Monatsschrift  XVII    11.  31 


402  Die  Alliance  Israelite  Universelle. 

der  Sabbatrahe  wegen  konnten  wir  nicht  mehr  in's  Innere 
der  Stadt  hinein,  und,  wie  es  sich  später  herausstellte, 
zn  unserem  Glück.  Tags  darauf  nämlich  ward  der 
Marktflecken  geplündert,  der  vonTirsoGobaziä,  dem  Feinde 
des  Königs,  eingesetzte  Statthalter  verjagt  und  die  Stadt 
von  der  königlichen  Armee  unter  Anführung  des  Walde- 
Gu6bro  Mariam  aus  dem  Stamme  Eemmante  besetzt. 
Die  Falaschas  erwirkten  mir  durch  ihre  Verwendung  die 
Erlaubniss  zur  Fortsetzung  meiner  Reise.  Drei  Tage 
später  wurde  ich  abermals  von  einem  Detachement  der- 
selben Armee  in  die  Mitte  genommen,  aber  ich  ward  bald 
entlassen  und  hatte  die  unliebsame  Ehre,  von  einer  drei- 
tausend Mann  starken  Escorte  bis  Thyelga  geleitet  zu 
werden. 

Von  der  Unmöglichkeit,  nach  Dembäa  zu  kommen, 
war  ich  überzeugt.  Die  Armeen  der  beiden  Gobaziä 
hatten  einander  gegenüber  sich  bereits  in  Schlachtordnung* 
aufgestellt  in  der  Nähe  von  Gondar,  bereit  sich  ein  Treffen 
zu  liefern.  (Es  kam  bald  hierauf  auch  wirklich  zu  einem 
Gefechte,  welches  dem  Befehlshaber  von  WalquaXt  das 
Leben  kostete.)  Ich  wandte  mich  nun  nach  Arvamba, 
hielt  mich  aber  zunächst  in  Abba-Debtera  auf,  im  Gebiete 
von  Thyaougo.  wo  ein  berühmter  Tempel  (Mesgid)  sich 
befindet.  Nachdem  ich  dort  das  Passahfest  gefeiert  hatte, 
schlug  ich  wieder  die  Richtung  nach  Matamma  ein,  um 
aus  Abessinien  herauszukommen. 

Ich  kehrte  also  nach  Cassala  zurück  auf  dem  Wege 
über  G£daref.  Von  Cassala  ab  reiste  ich  mit  einem  bie- 
deren rechtschaffenen  Manne,  Hrn.  Hausmann,  zusammen, 
dem  ich  mich  überaus  verpflichtet  fühle.  Wir  gingen  längs 
des  Südrandes  von  Barka,  nachdem  wir  Sabd6rat-Alg6d6 
und  Bicba  passirt  hatten.  Einen  Aufenthalt  machten  wir 
nur  in  Cufit,  einer  Festung  mit  einer  zahlreichen  egyp- 
tischen  Besatzung,  die  dazu  dient,  die  Gegend  von  Baria 
und  die  der  Cunamas  zu  schützen.  Ein  glücklicher  Zufall 
verschaffte  uns  Gelegenheit,  von  hier  bis  Tender  zu  kom- 
men, im  Lande  der  Couuamas,  wo  wir  Müsse  hatten 
schwedische  Missionäre  zu  besuchen. 


Die  Alliance  Israelite  Universelle.  403 

* 

Von  Cufit  muesten  wir  uns  nordöstlich  wenden,  doch 
stets  Barka  entlang  und  so  erreichten  wir  Kören,  nach- 
dem wir  Cheytel  und  das  Thal  B6gu  passirt  hatten. 
Hierauf  gingen  wir  l&ngs  der  Flussbette  Daro,  Auseba 
und  Lebka  und  kamen,  nachdem  wir  uns  zuvor  noch 
einige  Tage  in  Emkullou  aufgehalten  hatten,  nachMassouah. 
Der  egyptische  Dampfer  Hartoum  brachte  mich  nach  Suez, 
doch  musste  er  zuvor  noch  acht  Tage  in  Tar  auf  der 
sinaitischen  Halbinsel  vor  Anker  liegen. 

Ich  will  nun  in  gedrängter  Kürze  einige  vorläufige 
Notizen  über  die  Falaschas  geben.  Es  ist  dies  eine  Völker- 
schaft, interessant  in  mehr  als  einer  Hinsicht.  Die  wissen- 
schaftliche Seite  der  Frage  soll  anderwärts  erörtert  wer- 
den. Ich  will  hier  nur  die  Grundzüge  des  Gemäldes 
zeichnen,  welches  dieser  so  merkwürdige  Theil  der  jüdi- 
schen Nation  unserem  Blicke  darbietet.  —  Eine  beträcht- 
liche Völkerschaft  von  mehr  oder  weniger  schwarzer 
Hautfarbe,  ohne  darum  den  Typus  der  Negerrace  zu 
haben,  zerstreut  auf  der  weiten  Ebene  hin,  welche  sich 
von  dem  südlichen  Ufer  des  Tacazzä  bis  zu  den  Ufern 
des  blauen  Nils  erstreckt,  —  diese  ist  es,  welche  sich 
derselben  Abstammung  rühmt  mit  unseren  Patriarchen  und 
Propheten.  Ihre  ganz  afrikanische  Hautfarbe  scheint  einer 
solchen  Behauptung  zu  widersprechen;  aber  die  ausser- 
ordentliche Feinheit  ihrer  Züge  und  die  rege  Intelligenz, 
die  aus  ihren  schwarzen  Physiognomien  hervorleuchtet, 
schlägt  alle  Zweifel  und  Einwürfe  nieder.  Ihre  hohe  Ab- 
stammung wird  ausserdem  durch  das  ausdrückliebe  Zeug- 
niss  ihrer  christlichen  Mitbürger  verbürgt  Die  Fala- 
schas beten  den  einig-einzigen  Gott  an  und  betrachten  ihn  als 
den  Gott  ihrer  Vorfahren,,  den  Gott  Abrahams,  Isaacs  und 
Jacobs.  Sie  sind  stolz  darauf,  dieser  alten  und  doch  ewig 
jungen  Nation  anzugehören,  die  nie  aufhören  wird,  den 
ihr  gebührenden  Einfluss  auf  die  Geschicke  der  Mensch- 
heit auszuüben.  Die  Liebe  zum  heiligen  Lande  erfüllt 
ihr  warmes,  für  die  Eindrücke  zarter  melancholischer 
Empfindungen  höchst  empfängliches  Herz.  Die  erhabenen 
Erinnerungen  an  das  „Volk  Gottes"  sind  vorwiegend  ihre 
geistige  Nahrung.  Der  Name  „Falascha"  (Verbannten),  den 

31* 


404  Die  Alliance  Israelite  Universelle. 

sie  sich  selbst  beigelegt,  zeigt  zur  Genüge,  dass  sie  sich 
selbst  nur  für  Fremdlinge  auf  aethiopischem  Boden  halten. 
Sie  bewohnen  die  Provinzen  Chirä  Adiabo,  Asqu£di6 
Walquaft  im  Norden.  Wenig  zahlreich  in  Armathyoho 
und  Gala- Agar a,  sind  sie  weniger  zerstreut  in  den 
Provinzen  Tembien  Enderta  Semen,  Djanfankara,  Waggara 
Belessa  und  Lasta.  Sie  bilden  zum  grossen  Theile  die 
Bevölkerung  von  Thyelga  Deinbea  und  B6gem6dir. 
Vornehmlich  zahlreich  haben  sie  sich  in  den  Provinzen 
Cuara  Atyefer,  Gadyg6  Tacossa  und  Alaffa  angesiedelt. 
Ihre  Colonien  reichen  bis  Agaoumeder  ins  Land  der 
Azabo-Gallas  und  bis  nach  Choa  Mtätya;  GodjamundTigr6 
euthalten  keine  falaschischsn  Einwohner.  —  Sie  sprechen 
zwei  Sprachen  zugleich,  die  aber  nicht  einem  und  dem- 
selben Sprachstamme  angehören;  zunächst  die  herrschende 
Landessprache,  das  Amharische,  dessen  sie  sich  im  Ver- 
kehre mit  ihren  Nachbaren  bedienen  Es  ist  dies  eine 
entartete  Tochtersprache  des  alten  Geez,  eine  semitische 
also,  mit  dem  Hebräischen,  Arabischen  und  den  aramäischen 
Dialecten  in  gleichem  Grade  verwandt.  Sie  sprechen 
ferner  eine  Mundart  der  Agaou  Sprache,  deren  Einreihung 
noch  zu  erwarten  steht.  Sie  bedienen  sich  ihrer  gewöhn- 
lich im  trauten  Familienkreise  und  tragen  in  ihr  die  Bibel 
ihren  Kindern  vor.  Ein  Theil  der  Gebete,  die  man  sonst 
im  Tempel  aethiopisch  zu  recitiren  pflegt,  wird  immer 
von  der  Versammlung  in  diesen  Dialect  übersetzt  und  so 
abgesungen. 

Das  Agaou,  wie  es  bei  den  Falaschas  gesprochen  wird, 
theilt  sich  in  drei  untergeordnete  (Neben-)  Dialekte,  den 
von  Dembea,  den  von  Euara  und  den  eigentlich  fala- 
chischen  (Falachina).  Diese  letztere  Sprache  haben  die 
Falaschas  mit  einer  ganz  räthselhaften  Bevölkerung  gemein- 
sam, welche  die  Gegend  von  Wahin  bis  Djanfankara  be- 
wohnt, eine  besondere  Religion  hat  und  unter  dem  Namen 
der  Kemmantes  (Kam ante)  bekannt  ist.  Die  Falaschas 
von  Gabtha,  Walqualt  und  Chirö  sprechen  gewöhnlich  den 
daselbst  herrschenden  Dialekt,  das  Tigrische,  und  kennen 
das  Agaou  nur  unvollkommen.  —  Sie  führen  entweder 
biblische  Namen,   hebräische  Worte   nach    abessinischer 


Die  Alliance  Israeli te  Universelle.  405 

Weise  ausgesprochen,  oder  auch  gelegentlich  gebildete 
Namen  nach  Art  der  alten  Hebräer  und  Aethiopier.  Die 
Namen  letzterer  Gattung  gehören  bald  der  aethiopischen 
bald  der  amharischen  Sprache  an.  Man  trifft  auch  sehr 
oft  auf  Namen,  die  dem  Agaou  entnommen  sind.  Einen 
chaldäischen ,  arabischen  oder  griechischen  Namen  habe 
ich  nicht  gehört.  —  Ihre  Kleidung  unterscheidet  sich  nicht 
von  der  üblichen  Landestracht.  Die  Wohlhabenden  tragen 
kurze  Beinkleider,  eine  Art  Kamiaol  und  eine  römische 
Toga  mit  rothein  Saume  (Chamma),  ausserdem  Pantoffeln 
aus  Sudan.  Die  Armen  begnügen  sich  mit  zwei  Stücken 
Tuch,  von  denen  eines  um  die  Lenden  befestigt,  das  an- 
dere um  die  Schultern  geworfen  wird.  Knaben  bis  zu 
10  Jahren  empfinden  nicht  immer  das  Bedürfniss,  in  Klei- 
dern zu  gehen.  Die  jungen  Mädchen  werden  besser  mit 
Gewändern  versehen.  Die  Frauen  tragen  ein  langes 
Hemd,  Armbänder,  Ohrringe  u»  s.  w.,  doch  kennen  sie  nicht 
die  arabische  Mode,  die  junge  Mädchen  dazu  verurtheilt, 
sich  die  Nase  zu  durchbohren.  Gewöhnlich  bleibt  man 
unbedeckten  Hauptes,  selbst  während  des  Gebetes.  Die 
Priester  und  die  Naziräer  allein  tragen  Turbane.  Männer 
und  Weiber  rasiren  gewöhnlich  das  Haupt.  Ausnahms- 
weise habe  ich  einige  Personen  bemerkt,  welche  das  Haar 
nach  Art  der  Amharas  gebunden  trugen. 

Ihre  Nahrung  besteht  zum  grössten  Theile  aus  Kuchen 
von  Thief,  einer  feinkörnigen  Getreideart,  ähnlich  dem 
Mohn.  Der  Teig  wird  bald  gesäuert  (Endjera)  bald  unge- 
säuert (Qitha)  zubereitet;  ausserdem  kennt  man  auch  das 
Dourra  (Machilla).  Das  Getreide,  welches  einige  Pro- 
vinzen produciren,  ist  für  die  ärmere  Klasse  der  Bevöl- 
kerung zu  theuer.  Das  Dagoussa  -  Brot  ist  das  am  wenig- 
sten dem  Gaumen  angenehm.  Fleisch  wird  nur  sehr  selten 
gegessen.  Der  widerwärtige  Gebrauch,  rohes  Fleisch  (Be- 
sends)  zu  geniessen,  stark  verbreitet  bei  den  Amharen, 
konnte  bei  den  Falachas  keine  Wurzel  fassen,  da  sie  das 
Blut  verabscheuen.  Eine  gepfefferte  Sauce  ist  sehr  in  der 
Mode.  Ausser  dem  Wasser  trinkt  man  oft,  besonders 
aber  an  Festtagen  Meth  (Thedy)  und  eine  Art  berauschen- 
den  Bieres   (Thella).     Da   Bürgerkriege   das  Land   ver- 


406  Die  AHiance  Israelite  Universelle. 

heeren,  so  gibt  es  wenig  Milch  und  noch  weniger  Butter. 
Käse  wird  in  Abessinien  nicht  bereitet. 

Die  Falachas  bauen  ihre  Häuser  stets  in  der  Nähe 
fliessenden  Wassers,  um  ihre  zahlreichen  Waschungen 
mit  grösserer  Leichtigkeit  vollziehen  zu  können.  Ihre 
Möbel  sind  höchst  einfach.  Eine  Matte  oder  ein  Fell 
dient  ihnen  als  Tisch,  als  Stahl  und  als  Bett,  doch  findet 
man  zuweilen  auch  das  Alga  oder  das  Angareb  von  Su- 
dan, eine  Art  Bett,  durch  netzartig  verschlungene  Schnure 
zusammengeknüpft.  Flaschenkürbisse  von  verschiedener 
Grösse  dienen  ihnen  als  Becher,  Schüssel  und  Flaschen. 
Zwei  Steine  zum  Mahlen  des  Korns,  des  Kaffe's  und  des 
unvermeidlichen  rothen  Pfeffers  finden  sich  am  Eingange 
eines  jeden  Hauses  vor.  Eine  Cisterne  zur  Aufbewahrung 
von  Wasser  und  gährendem  Bier,  einige  Geräthe  aus  ge- 
brannter Erde  zur  Zubereitung  von  Brot  und  anderen 
Gerichten  fehlen  nie  in  einer  gut  eingerichteten  Wirt- 
schaft. 

Die  Gr  uppirung  der  Häuser  ist  bei  den  Falaschas  nicht  dem 
Zufall  überlassen.  Das  Haus  des  Familienvaters  ist  immer  in 
der  Nachbarschaft  des  seiner  Eltern.  Zur  Seite  ist  eine 
kleine  Hütte  errichtet,  welche  alle  diejenigen  aufnimmt, 
die  sich  durch  ein  kaltes  Bad  bei  Sonnenaufgang  zu  rei- 
nigen haben.  In  einiger  Entfernung  vom  Hause  und  manch- 
mal selbst  ausserhalb  des  Zaunes,  welcher  gewöhnlich  die 
Häusergruppe  umgibt,  gewahrt  man  die  Hütte,  welche  für 
alle  diejenigen  bestimmt  ist,  die  sich  erheblich  verun- 
reinigt haben,  für  Frauen  während  ihrer  Regel,  für  die- 
jenigen die  einen  Leichnam  berührt  haben  u.  s.  w.  Die  Aus- 
sätzigen werden  noch  vollständig  abgesondert  und  sie 
sind  oft  dazu  verurtheilt,  die  schönsten  Jahre  ihres  Lebens 
unter  dem  Schatten  eines  Cactus  oder  Baobab  zuzubringen. 

Aus  völligem  Mangel  aller  medizinischen  Kenntnisse 
werden  sogar  oft  Leute  ausgeschlossen,  die  nicht  das 
geringste  Symptom  einer  Krankheit  aufzuweisen  haben. 

In  einer  Ecke  des  falaschischen  Dorfes  erhebt  sich  das 
Gotteshaus,  Mesgid  d.  h.  „Ort  der  Anbetung"  genannt, 
dessen  Bestimmung  eher  der  des  alten  Heiligthuras  als  der 
unserer  modernen  Synagogen  gleicht.    Das  Allerheiligste 


Die  Alliance  Israelite  Universelle.  407 

(OUpttlp)  wird  nur  vom  Hohenpriester  am  Versöhnungs- 
tage betreten.  Der  übrige  Theil  des  Tempels  ist  für  die 
Priester  während  des  Gebetes  geöffnet;  das  Volk  stellt 
sieh  im  Hofe  auf,  jedoch  sind  beide  Geschlechter  getrennt 
Diese  strenge  Einrichtung  namentlich  in  Betreff  des  Vor* 
rechtes  das  dem  Hohenpriester  zustehet,  ist  bereits  fast  in 
Vergessenheit  gerathen,  und  die  Naziräer  betreten  den 
Tempel  gerade  so  gut  wie  die  Priester.  In  einer  Ecke 
des  Hofes  befindet  sich  der  Altar  aus  rohen  Steinen  auf* 
geführt;  es  werden  Opfer  daselbst  gebracht,  die  eher  den 
Charakter  einer  herkömmlichen  Ceremonie  als  den  einer 
vorgeschriebenen  Pflicht  an  sich  tragen.  Darum  sucht 
man  sie  auch  nie  mit  den  Vorschriften  des  mosaisehen 
Gesetzes  in  Einklang  zu  bringen.  An  Sabbathen  und  am 
Jörn  Kippur  werden  keine  Opfer  gebracht.  Von  allen 
Opfern  sind  die  gewöhnlichsten  die  für  die  Buhe  der 
Verstorbenen,  wie  dies  auch  bei  den  verschiedenen 
Völkerschaften  Abessiniens  der  Fall  ist 

.  In  der  Umgebung  des  Tempels  zerstreut  liegen  die 
Wobnungen  der  Priester,  welche  das  Heiligthuin  bewahren. 
Sie  beobachten  eine  stränge  Reinlichkeit,  bebauen  ihre 
Felder,  bereiten  sich  selbst  ihre  Nahrung  und  halten  sich 
fern  vom  Gewühle  der  Aussenwelt.  Das  Volk  gibt  ihnen 
einen  Theil  der  Ernte  und  auch  andere  Geschenke,  na« 
mentlich  an  .dem  Vorabende  der  Hauptfeste.  Die  Priester 
beschäftigen  sich  Vorzugsweise  mit  der  Erziehung  der 
Kinder,  denen  sie  die  Bibel  und  die  traditionellen  Ge- 
bräuche beizubringen  suchen.  Dasselbe  thun  die  Asceten 
oder  Naziräer,  die  das  Gelübde  der  Enthaltsamkeit  und 
des  Cölibats  abgelegt  haben  und  geistlichen  Studien  sich 
hingeben.  Das  Studium  der  biblischen  Geschichte  ist 
ziemlich  verbreitet.  Unglücklicherweise  wird  die  Schreib- 
kunst nur  selten  in  das  Programm  der  Lehrgegenstände 
mit  aufgenommen. 

In  der  Mitte  des  geweihten  Umkreises  lassen  die  Priester 
ihre  Gebete  zum  Himmel  aufsteigen.  Von  Mitternacht 
an  hört  man  die  hellen  taktgemässen  und  melancholischen 
Töne  der  Vorsänger,  denen  das  monotone  Recitativ  der 
Umstehenden  erwidert    Das  Lob  des  Ewigen,  die  Erlö- 


406  Die  Alliance  lsraelite  Universelle. 

sung  Israels,  die  Liebe  zu  Jerusalem,  der  sehnsüchtige 
Wunsch,  eine  glückselige  Zukunft  für  die  ganze  Mensch- 
heit eintreten  zu  sehen    —   dies  sind  die  Ideen,   deren 
Ausdruck  ihnen  Seufzer  and  Thränen  erpresst,  untermischt 
mit  Ausbrüchen  des  Gefühls  der  Freude  und  Hoffnung. 
Die  Morgendämmerung  findet  die  geweihten  Schaaren  der 
Gottesdiener  stets  in  Andacht  versammelt  und  die  Sonne 
geht  nie  unter,  ohne  dass  zuvor  das  Echo  in  der  Um- 
gegend durch  die  Laute  dieser  unermüdlichen  Beter  zwei- 
mal herausgefordert  worden  wäre.    Das  mit  dem  Ausrufe 
Abba!  Abba!  (Vater!  Vater!)  beginnende  Gebet,  wie  auch 
unter  häufigen   Kniebeugungen   die  Worte  Abiel!  Abiel! 
(Herr!  Herr!)    werden    mehrere  Male   mit  einer  ausser- 
ordentlichen Inbrunst  hervorgestossen.  —  Der  häusliche 
Herd  ist  nicht  minder  rein  als  das  Heiligthuin.    Die  Frau 
ist  fast  unabhängig,  aber  arbeitsam  und  massig,  führt  eine 
reinliche  Wirthschaft  und   lässt  die  Familie  die  Früchte 
ihrer  Arbeit  gemessen.    Sie  besorgt  das  Hauswesen,  und 
der  Liebe  ihres  Gatten  gewiss,  ist  sie  ihm  in  den  schwie- 
rigsten Lagen  und  Lebensverhältnissen  stets  treu  zur  Seite. 
Polygamie  ist  gesetzlich  nicht  verboten,  gilt  jedoch  für 
tadelnswertb.    Kebsehen  sind  gänzlich  unbekannt.    Hei- 
ratben  werden  erst  in  reiferem  Alter  geschlossen,   von 
einem  Ehescheidungsfalle  hört  man  nur  äusserst  selten. 
Die  Neuvermählten  geben  in  den  ersten  zehn  Tagen  nicht 
aus  dem  Hause.    Bei  einem  Todesfalle  besorgen  drei  oder 
vier  Personen  die  Waschung  und  Beerdigung,  das  Volk  be- 
gleitet die  Leiche  bis  zum  Zaune  des  Begräbnissplatzes 
unter  dem  Absingen  von  Gebeten.    Sieben  Tage  später 
rasirt  man  sich  das  Haupthaar   und  bringt   das  übliche 
Todtenopfer     Die  Debteras  und  die  Armen  nehmen  Theil 
an  dem  Mahle   und  ermangeln  dann  nie,   die  Tugenden 
desjenigen  zu  preisen,  den  die  Familie  eben  verloren  hat. 

Die  Falaschas,  die  sich  eines  guten  Rufes  als  Land- 
wirthe  erfreuen,  repräsentiren  zu  gleicher  Zeit  auch  die 
Industriellen  im  Lande.  Alle  Handwerke  werden  fast 
ausschliesslich  von  ihnen  betrieben  Sie  sind  Schmiede, 
Böttcher,  Töpfer,  Weber,  Zimmerleute  u.  s.  w.  Viele  unter 
ihnen  verstehen  mehrere  Handwerke  zugleich.   Die  Frauen 


Die  Alliance  Israelite  Universelle.  409 

sind  ihren  Männern  bei  der  Arbeit  behülflich  und  ver- 
lassen sie  nur,  wenn  sie  die  häuslichen  Bedürfnisse  zu 
besorgen  haben.  Die  jungen  Knaben  hüten  die  Heerden, 
die  jungen  Mädchen  gehen  Wasser  schöpfen  oder  ver- 
bringen ihre  Zeit  mit  Spinnen. 

Der  Handel  ist  bei  den  Falaschaß  nicht  gerade  blühend. 
Sie  betrachten  ihn  als  etwas  der  Redlichkeit  Widerstre- 
bendes und  halten  mit  besonderer  Strenge  darauf,  dass 
die  Beobachtung  der  religiösen  Vorschriften  nicht  darunter 
leide.  Den  Sklavenhandel  verabscheuen  sie  vollends,  er 
gilt  ihnen  für  gesetzwidrig.  Wenn  ein  Falascha  durch 
Zufall  in  den  Besitz  eines  Sklaven  gelangt  ist,  so  Versucht 
er  zunächst  ihm  die  zehn  Gebote  und  die  Reinlichkeits- 
gesetze beizubringen.  Er  wird  fortan  als  Jude  betrachtet, 
darf  nicht  wieder  verkauft  werden,  und  seine  Dienstzeit 
beträgt  höchstens  sechs  Jahre.  Nach  Verlauf  dieses  Zeit- 
raumes wird  er  in  den  Schoss  der  jüdischen  Nationalität 
ohne  irgend  welche  Beschränkung  aufgenommen  und  in 
allen  Stücken  als  Jude  angesehen.  Die  Sklaven  hingegen, 
die  sich  gegen  die  Glaubenslehren  des  Judenthums  sträu- 
ben, können  weder  zur  Zubereitung  von  Lebensmitteln 
noch  zu  anderen  häuslichen  Verrichtungen  gebraucht 
werden,  da  ihre  Berührung  jeden  Augenblick  beschwer- 
liche Reinigungen  erheischen  würde.  Solche  Sklaven 
werden  sorgsam  gemieden. 

Wenn  nun  die  Falaschas  den  Handel  verschmähen,  so 
tragen  sie  doch  nicht  im  Mindesten  Bedenken,  als  Soldaten 
in  die  Armee  einzutreten.  Sie  sind  sehr  tapfer  und  ver- 
theidigen  sich  mit  viel  Muth  gegen  ihre  Angreifer.  In 
den  Provinzen,  wo  sie  in  grösserer  Zahl  auftreten,  wissen 
sie  sogar  ihren  Nachbaren  Achtung  einzuflössen,  die  sie 
fast  niemals  ungestraft  angreifen.  Während  z.  B.  die  Fa- 
laschas des  Nordens  die  bittersten  und  grausamsten  Er- 
pressungen erdulden  müssen,  sind  die  jüdischen  Bewohner 
von  Alyefer  und  Kuara  ein  Schrecken  in  den  Augen 
der  A ulnaren.  Der  König  Theodor  zählte  sie  in  seiner 
Armee  nach  Tausenden,  und  unter  den  unglücklichen 
Kriegern,  die  von  Tsaddiq  bei  seinem  Einfall  in  Alguäden 
befehligt  wurden,  befand  sieh  eine  grosse  Anzahl  Falaschas 


410  Die  Alliance  Israelite  Universelle. 

aus  Adiaba.  Ihr  Vaterland  geht  ihnen  über  Alles  und  sie 
sind  entröstet  über  Jedermann,  der  es  wagt  eine  ungün- 
stige Bemerkung  Aber  Abessinien  und  seine  Bewohner 
zu  machen. 

Die  Justiz  befindet  sich  in  den  Händen  der  Aeltesten 
(Chimaqu61i£).  Alle  Klagen  und  Prozesse  kommen  vor 
sie  und  ihrer  Entscheidung  fügen  sich  stets  beide  Parteien. 
Niemand  wagt  es,  sich  zu  widersetzen  oder  an  eine  am- 
harische  Obrigkeit  zu  appelliren.  Die  Falaschas  sind  meist 
heftig,  Streitigkeiten  unter  ihnen  daher  nicht  selten.  Jeder 
vertheidigt  seine  Sache  mit  grosser  Beredtsamkeit  unter 
ausdrucksvollen  Geberden;  aber  dieses  Feuer  der  Rede 
wird  nie  auf  die  Spitze  getrieben,  und  sobald  Jemand  als 
Vermittler  dazwischentritt,  vergessen  sie  Alles  was  da 
hätte  geschehen  können,  und  reichen  sich  brüderlich  die 
Hand.  Zur  Ehre  der  Frauen  sei  übrigens  noch  erwähnt, 
dass  sie  fast  nie  das  gute  Einvernehmen  mit  den  Nachbarn 
durch  Wortwechsel  ihrerseits  stören.  —  Die  Religions- 
einheit  der  Falacbas  besteht  seit  undenklichen  Zeiten. 
Noch  nie  gab  es  ein  Schisma  oder  eine  Secte.  Jede  Pro- 
vinz, jede  Stadt  unterwirft  sich  willig  den  Entscheidungen 
ihres  Priester  und  ihrer  Debteras.  Jede  Gemeinde  ist 
autonom  und  unabhängig;  nur  wo  es  die  Sache  der  Re- 
ligion gilt,  vereinigen  sie  sich  zur  Abwehr  des  gemein- 
samen Feindes.  Nur  durch  diese  Einigkeit  ist  es  den  schwa- 
chen und  unwissenden  Falaschas  möglich  geworden,  gegen 
das  Andringen  der  heiligen  Schaar  der  Missionäre  und 
gegen  die  vielen  Bekehrungsversuche  ,,ad  majorem  Dei 
gloriam  et  ecclesiae"  mit  Erfolg  Stand  zu  halten. 

Die  Falaschas  nehmen  unter  den  Juden  eine  ganz  be- 
sondere Stelle  ein.  Ihre  Gebräuche  und  Geremonien 
machen  den  Theologen  im  höchsten  Grade  stutzig.  Sie 
besitzen  unseren  ganzen  Canon  in  aethiopischer  Sprache, 
nebst  den  von  der  abessinischen  Kirche  adoptirten  apo- 
kryphischen  Büchern.  Mehrere  unserer  ceremoniellen 
Gebräuche  finden  sich  bei  den  Falachas  gar  nicht,  wie 
z.  B.  die  halbfeste  Cbanukah  und  Purim.  Andererseits 
beobachten  sie  verschiedene  Ceremonien  und  halten  nament- 
lich eine  ziemliche  Menge  von  Halbfeiertagen,  die  sich 


Die  Alliance  Israelite  Universelle.  411 

auf  andere  apokryphische  Bücher  gründen,  von  denen 
einige  aus  sehr  verdächtiger  Quelle  zu  kommen  scheinen, 
an  der  sie  aber  gleichwohl  mit  einer  Zähigkeit  festhalten, 
die  einer  besseren  Sache  würdig  wäre.  Ohne  Kenntniss 
eines  mündlichen  Gesetzes  haben  sie  ihr  Verhalten  nach 
Gewohnheitsregeln  eingerichtet,  hervorgegangen  aus  einer 
ganz  besonderen  Art  und  Weise  der  Textesauslegung, 
die  nicht  immer  mit  der  Erklärung  der  übrigen  jüdischen 
Secten  übereinstimmt.  Man  umhüllt  sich  beim  Gebete 
nicht  mit  einem  Talith;  man  kennt  auch  nicht  den  Ge- 
brauch der  Gebetriemen,  ebensowenig  sind  die  Thüren 
mit  der  Mesusah  versehen. 

Bei  einem  Volke,  welches  schon  seit  Jahrhunderten 
fern  von  den  bewegenden  Ereignissen  der  Welt  sich  be- 
findet, kann  man  keine  besondere  Entfaltung  der  Geistes- 
kräfte voraussetzen.  Indessen  haben  wir  auch  hier  einen 
neuen  Beweis,  dass  der  jüdische  Geist  sich  nirgends  ganz 
verläugnet.  So  haben  auch  die  Falaschas  ihre  Literatur, 
in  aethiopischer  Sprache  nach  Art  der  Apokryphen  im 
Stile  der  Midraschim  geschrieben.  Der  Mysticismus,  der 
schon  so  viel  Unheil  angerichtet  bat,  ist  auch  bis  nach 
Abessinien  gedrungen,  mit  seinem  Gefolge  von  Daemonen, 
Engeln  und  Zauberern.  Beschwörungen  und  Amulette 
sind  bei  den  Falaschas  minder  gewöhnlich  als  bei  den 
Christen  und  Mohamedanern.  Doch  der  blinde  Glaube 
des  Volkes  verschafft  jedem  Aberglauben  leichten  Eingang. 
Man  sieht  nicht  selten  Falaschas  sich  an  der  Leetüre  kab- 
balistischer Namen  aus  Büchern  erbauen,  deren  nicht- 
jüdischer Ursprung  unverkennbar  ist  und  die  man  mit 
grosser  Kühnheit  dem  leichtgläubigen  Volke  aufzudrängen 
nicht  verschmäht 

Die  Traditionen,  welche  die  Falaschas  über  ihren  Ur- 
sprung bewahrt  haben,  bieten  ein  Gemisch  von  Dichtung 
und  Wahrheit,  das  sehr  schwer  zu  sichten  ist.  Sie  be- 
richten über  ihre  Einwanderung  genau  dasselbe,  wie  die 
Christen,  sie  behaupten  nämlich,  die  Abkömmlinge  jener 
jüdischen  Gesandten  zu  sein,  die  das  Ehrengeleite 
der  Maqu6da,  der  berühmten  Königin  von  8aba  und  ihres 
Sohnes  Menilek,  der  den  König  Salomo  zum  Vater  hatte, 


412  Die  Alliauce  Israel ite  Universelle. 

bildeten.  Von  ihren  Schicksalen  seit  der  christlichen 
Aera  wissen  sie  nur  sehr  dunkel  und  verworren  zu  er- 
zählen. 8ie  berichten,  dass  sie  einst  ein  unabhängiges 
Königreich  unter  der  Herrschaft  von  Königen  und  Kö- 
niginnen Namens  Gideon  und  Judith,  gebildet  haben.  Ein 
ehrwürdiger  Greis  Namens  Abba  Guidon,  der  in  Semen 
wohnt,  gilt  für  den  Nachkommen  der  verfallenen  Dynastie, 
deren  Namen  er  führt.  Der  ehemalige  Gouverneur  von 
Semen,  Oubiö,  der  sich  übrigens  zur  christlichen  Religion 
bekennt,  hält  fest  an  dem  Glauben,  dass  seine  Familie 
von  jenen  jüdischen  Königen,  seinen  Vorfahren,  nur  durch 
sieben  Generationen  getrennt  sei.  —  Die  Wiederherstel- 
lung der  jüdischen  Nationalität  ist  einer  der  wichtigsten 
Glaubensartikel  bei  den  Falaschas.  Ueber  die  Ankunft  des 
Messias  haben  sie  keine  theoretische  Vorstellung,  sie  ge- 
brauchen selten  das  Wort  Messih,  um  die  zukünftigen 
Beherrscher  der  ganzen  Nation  zu  bezeichnen,  sondern 
nennen  ihn  vielmehr  „Sohn  des  Löwen",  anspielend  auf 
seinen  Ursprung,  der  aus  dem  Stamme  Juda  sein  muss. 
Bisweilen  nennen  sie  ihn  den  grossen  Theodor,  eine  Be- 
nennung, die  deu  chiliastischen  Legenden  des  abessinischen 
Volkes  entlehnt  ist.  Als  sie  zum  ersten  Male  die  Missio- 
näre kategorisch  behaupten  hörten,  dass  der  Messias  be- 
reits gekommen  sei,  beeilten  sie  sich  an  den  obengenannten 
Hohenpriester  schriftlich  die  Frage  zu  richten,  ob  diese 
Nachricht  begründet  wäre.  Ihre  Absicht  lag  offen  genug; 
sie  würden  im  Falle  einer  bejahenden  Antwort  das  Land 
ihrer  Verbannung  schaarenweise  verlassen  haben. 

Der  Charakter  der  Falaschas  hat  einen  Zug  aufzuweisen, 
der  sie  von  den  übrigen  Völkerschaften  Aethiopiens  vor- 
teilhaft unterscheidet.  Im  Gegensatze  zum  Abessinier, 
der  Alles  wissen  möchte  und  seiner  Würde  zu  vergeben 
glaubt,  wenn  er  von  einem  Europäer  etwas  lernt,  gesteht 
der  Falascha  seine  Unwissenheit  ein  und  zeigt  grosse  Lern- 
begierde. Weniger  träge  und  bei  Weitem  einsichtsvoller 
als  die  übrigen  Völkerschaften  haben  die  Falaschas  die 
Gabe,  sich  in  kurzer  Zeit  den  Sitten  der  civilisirten  Na- 
tionen anzupassen.  Wenn  die  schöne  Stirne  des  Falascha 
nicht  vom  Zorne  gefurcht  ist,  trägt  sie  eine  gewisse  sym- 


Die  Alliance  Israeltte  Universelle.  413 

pathische  Anmuth  zur  Schau,  die  man  auch  in  allen  seinen 
Bewegungen  wiederfindet. 

Die  Zahl  der  falaschischen  Bevölkerung  scheint  eine 
ziemlich  beträchtliche  zu  sein.  Bei  der  grossen  Ausdeh- 
nung des  Landes  und  der  isolirten  Lage  ihrer  Wobnungen 
ist  es  aber  unmöglich,  diese  Zahl  genau  anzugeben.  Die 
Schwierigkeit  hierbei  wird  noch  grösser,  indem  Unsicher- 
heit im  Lande  die  Bewohner  der  Ebenen  nöthigt,  ihre 
Wohnsitze  zu  verlassen  und  auf  den  Bergen  ein  Asyl  zu 
suchen. 

Die  weiten  und  fruchtbaren  Ebenen  von  Dembea  und 
B6queineder,  die  einst  so  dicht  bevölkert  waren,  gewähren 
jetzt  den  Anblick  einer  Einöde;  ihre  ehemalige  Bevölkerung 
ist  theils  decimirt,  theils  zur  Auswanderung  veranlasst 
worden.  Doch  war  ich  so  glücklich,  über  diesen  wich- 
tigen Theii  des  jüdischen  Volkes  sehr  genaue  Angaben 
zu  erhalten.  Mein  Verzeichniss  enthält  nicht  weniger  als 
160  Ortschaften  mit  ihren  Namen  und  ihrer  Einwohner- 
zahl, die  sich  mitunter  bis  auf  mehr  als  11,000  Familien, 
d.  h.  bis  auf  50  oder  60,000  Seelen  beläuft.  Bedenkt  man 
ferner,  dass  die  Zahl  der  Dörfer  und  Weiler  im  amha 
rischen  Lande  unberechenbar  ist  und  fast  jedes  dieser 
Dörfer  mehr  oder  weniger  falaschische  Familien  enthält, 
so  ist  man  berechtigt,  die  Gesammtzahl  der  Falaschas  min- 
destens auf  das  Dreifache  der  im  Verzeichnisse  angenom- 
menen Summe  zu  veranschlagen,  d.  h.  auf  ungefähr  30 
bis  40,000  Familien  oder  auf  150  bis  200,000  Seelen. 
Sie  bilden  demnach  nahezu  den  10.  Theil  der  Bevölkerung 
des  Landes. 

Die  Beziehungen  der  Falaschas  zu  den  Amhara  sind 
nicht  minder  merkwürdig.  Der  Abessinier  braucht  den 
Juden,  um  sich  von  ihm  die  notwendigsten  Acker-  und 
Hausgeräthschaften  anfertigen  zu  lassen,  auch  hasst  er 
ihn  nicht,  obwohl  er  ihn  für  einen  Ungläubigen,  für  den 
Mörder  des  Heilandes  hält.  Im  Gegentheil,  der  Aberglaube 
schreibt  den  Falachas  die  ausschliessliche  Eenntniss  der 
Magie  und  der  übrigen  Geheimwissenschaften  zu,  und  so 
werden  sie  dadurch  ein  Schrecken  für  ganz  Amhara.  — 
Bis    zum  Regierungsantritte  Theodors   konnte    der  Jude 


414  Die  Alliance  Israelite  Universelle. 

Verfraltungsbeamter  sein.    Dieser  König,  dessen  Streben 
auf  Glaubenseinheit    gerichtet   war,    nahm    ihnen    diese 
Befugniss   mit    Gewalt    Hierauf  kamen   die   Proselyten- 
m acher,    die    eine    Verfolgung    gegen    diesen    unschul- 
digen Theil  der  Bevölkerung  ins  Werk  setzten.    Die  fana- 
tischen Europäer   drangen   bis   in  die   friedlichen  Woh- 
nungen der  Falaschas,  man  bestach  die  Einen,  beredete  die 
Anderen,  man  rief  den  Arm  der  weltlichen  Macht  zu  Hilfe, 
um  den  Bekehrungen  desto  grösseren  Nachdruck  zu  ver- 
leihen.   Geblendet  von  Ehrgeiz  und  Hass  gegen  das  Juden- 
thum,  führten  die  protestantischen  Puritaner  ihre  jüdischen 
Neophyten  der  ketzerischen   abessinischen  Landeskirche 
zu,  nur  um  sich  die  Protection  des  Abanna,  des  Erzbischofs 
der  abessinischen  Kirche,  nicht  entgehen  zu  lassen.  —  Man 
bereitete  einen  Entscheidungsschlag  gegen  das  sinaitiscbe 
Gesetz  vor  und  wollte  unter  grossem  Aufsehen  den  Illu- 
minaten  von  Europa  den  Sturz  des  Judenthums  in  Aethio- 
pien    verkünden.     Mehrere  falaschische  Priester   wurden 
vor  den  Hof  von  Gondar  zu  einer  religiösen  Disputation 
geladen.    Die  Fanatiker  und  Apostaten  entwickelten  hier- 
bei eine  angestrengte  Thätigkeit,  um  dem  Kreuze  den  Sieg 
zu  sichern.    Ein    panischer  Schrecken   bemächtigte   sich 
der  bedrängten  Falaschas,  sie  wähnten  sich  in  die  Zeiten 
des  Antiochus  zurück  versetzt.    Aber  bald  zeigten  sich 
zum  Glücke  ihre  Maccabäer.    Die  jüdischen  Priester  kamen 
nicht  allein,  sondern  begleitet  von  Hunderten  ihrer  wackeren 
Glaubensgenossen.    Der  Disput   begann  und  wurde  mit 
Hitze  fortgeführt.    Der  König,   gereizt   durch    die   Hart- 
näckigkeit der  jüdischen  Priester,  befahl  seinen  Soldaten, 
auf  die  Rebellen  anzuschlagen.   Doch  unerschrocken  riefen 
diese  einstimmig:  „Wir  sind  jeden  Augenblick  Alle  bereit, 
für  die  Sache  unserer  Religion  zu  sterben".    Der  ritter- 
liche König  Theodor  bewunderte  die  Standhafügkeit  der 
Falachas,  entliess  alsbald  die  Versammelten  und  schickte 
den  jüdischen  Priestern  kostbare  Geschenke. 

Die  Sache  der  Missionäre  verschlimmerte  sich  hierauf 
von  Tag  zu  Tag.  Ja  es  kam  so  weit,  dass  ein  Apostat 
gegeisselt  und  hierauf  in  Fesseln  gelegt  wurde.  Der 
König   Hess    sich  den  Briefwechsel    der  Europäer  über- 


Die  Alliance  Israeli te  Universelle.  415 

setzen  und  musste  die  Kränkung  erfahren,  sich  schmäh- 
lich hintergangen  zu  sehen  von  Leuten,  denen  er  mit 
wahrhaft  königlicher  Gastfreundschaft  entgegengekommen 
war.  Die  Schuldigen  wurden  verhaftet,  und  auch  Jene, 
die  sich  zum  Fürsprecher  aufwerfen  wollten.  Die  Fala- 
schas  athmeten  wieder  auf,  ihre  Verfolger  waren  wie 
durch  einen  Zauber  verschwunden.  —  Aber  die  geheimen 
Schliche  der  Missionäre  hatten  gleichwohl  den  Juden  be- 
deutende Verluste  bereitet.  Ich  meine  nicht  die  Wenigen, 
welche  aus  Furcht  oder  anderen  Motiven  dem  Glauben 
ihrer  Vorfahren  untreu  wurden;  ich  meine  vielmehr  die 
zahlreichen  Opfer,  die  in  selbstgewählter  Verbannung  den 
Leiden  und  Entbehrungen  erlagen.  Europa  weiss  es  heute 
noch  nicht,  wie  viel  Thränen  „die  Apostel  des  Heils"  in 
diesen  fernen  Ländern  erpresst  haben,  wie  viel  Blut  ihret- 
wegen geflossen  ist.  Die  Furcht,  auf  einen  Wink  des 
Herrschers  das  kostbare  Erbe  ihrer  Väter  zu  verlieren, 
scheuchte  die  Falascbas  von  ihren  friedlichen  Wohnsitzen 
auf  und  sie  betrachteten  diese  Leiden  als  Vorläufer  der 
messianischen  Zeit. 

Die  kalte  Ueberlegung  musste  den  Vorspiegelungen 
einer  schrankenlosen  Einbildungskraft  weichen,  eine  un- 
geheure Menge  Männer,  Frauen  und  Kinder  verliessen 
den  heimathlichen  Herd,  ehrwürdige  Greise  übernahmen 
die  Führung  des  Zuges,  indem  sie  mit  Fahnen  vorangingen 
und  Lobgesänge  anstimmten.  Ohne  irgend  welche  Vor 
sichtsmassregel,  sogar  ohne  genügende  Kenntniss  des 
Weges  wandten  sie  sich  gegen  Sonnenaufgang  hin,  indem 
sie  sich  mit  der  Hoffnung  trugen,  bis  zu  den  Ufern  des 
rothen  Meeres  zu  gelangen,  das  sie  trockenen  Fusses 
durchwandern  würden«  • 

Aber  das  Meer  war  noch  sehr  weit  entfernt,  als  Mangel 
an  Lebensmitteln  die  Unklugen  zwang,  sich  in  Arum,  einer 
tigrischen  Stadt,  aufzuhalten  Die  Ebene  daselbst  war  zwar 
keine  Einöde,  aber  das  Klima  sowohl  als  die  vielen  Ent- 
behrungen hatten  die  Reihen  dieser  Unglücklichen  sehr 
stark  gelichtet.  Die  Greise  und  Kinder  erlagen  zuerst. 
Trotzdem  liess  man  den  Muth  nicht  sinken,  und  erst  nach 
unerhörten  Anstrengungen  liess  man  nach  Verlauf  von 


416  Die  Alliance  Israelite  Universelle. 

drei  Jahren  das  Project,  nach  Jerusalem  zu  ziehen,  fallen. 
Nur  Trümmer  kehrten  von  der  ganzen  8chaar  zurück; 
in  einem  bejammernswerthen  Zustande  suchten  sie  ihre 
Hütten  wieder  auf,  die  mittlerweile  Hyänen  und  Scorpione 
in  Besitz  genommen  hatten.  Ihre  Notb  ist  grenzenlos, 
doch  gereicht  es  ihnen  zum  Tröste,  dass  kein  Missionär 
sich  mehr  bei  ihnen  blicken  lässt.  —  Nach  dieser  Kata- 
strophe erhoben  sich  die  Falascbas,  wie  dies  bei  jeder 
Minorität  der  Fall  ist,  nur  sehr  schwer  von  ihrem  Sturze. 
Die  äusserste  Armuth  zwang  sie,  das  Mitleid  ihrer  ent- 
fernteren Glaubensbrüder  anzurufen*.  Die  zahlreichen 
Heerden,  die  sonst  ihren  einzigen  Reichthum  bildeten  — 
sie  sind  verschwunden.  Der  Falascba  beschäftigt  sich  jetzt 
mit  Weib  und  Kind  beim  Pfluge  oder  treibt  Bergbau,  um 
nur  nicht  Hungers  zu  sterben.  Aus  Furcht,  nichts  von 
dem  zu  ernten,  was  er  gesäet  hat,  überlässt  er  oft  Anderen 
sein  Feld  und  sucht  sein  Leben  durch  Handel  zu  fristen, 
der  allerdings  wegen  der  vollständigen  Erschöpfung  des 
Landes  nicht  sehr  einträglich  ist.  Er  besucht  die  Märkte, 
wagt  sich  sogar  in  die  angrenzenden  Ortschaften  von 
Sudan,  aber  seine  Mühe  ist  umsonst;  auf  dem  Rückwege 
wird  er  von  Soldaten  oder  Strassenräubern  geplündert, 
kommt  arm  und  hülflos  zu  Hause  an,  und  Alles,  was  er 
den  Seinigen  mitbringt  ist  —  ein  väterlicher  Kuss. 

Diese  gedrängte  Skizze  wird  genügen,  um  die  Sym- 
pathieen  der  Alliance  Israälite  Universelle  für  diesen  ent- 
fernten Zweig  des  israelitischen  Stammes  rege  zu  machen. 
Die  Falascbas  haben  gerechte  Ansprüche  auf  innige  Theil- 
nahme  von  Seiten  der  europäischen  Juden.  Ihr  Recht 
stützt  sich  auf  folgende  drei  Punkte:  1)  Sie  sind  Juden, 
2)  sie  sind  unglücklich,  3)  sie  haben  das  eifrige  Bestreben, 
sich  geistig  zu  vervollkommnen. 

Sie  sind  Juden,  erfüllt  von  glühender  Begeisterung  für 
den  Glauben  und  die  Lehren  der  heiligen  Schrift,  die  sie 
sludiren,  in  den  Tempeln  vorlesen  und  ihren  Kindern  lehren. 
Wenn  auch  ihre  Hautfarbe  sie  von  uns  unterscheidet,  die 
wir  unter  einer  milderen  Sonne  geboren  sind,  so  können 
wir  sie  doch  im  Hinblick  auf  ihre  edlen  Gesinnungen  und 
vielen  sonstigen  Vorzüge  mit  Stolz  als  unsere  Stammes- 


Die  Alliance  Israelite  Universelle.  417 

und  Glaubensbrüder  anerkennen.  Soviel  als  möglich 
beobachten  sie  alle  Ceremonien  des  mosaischen  Gesetzes 
und  fügen  sich  willig  allen  Entbehrungen,  die  der  Glaube 
ihnen  auferlegt.  Lieber  tausendfachen  Tod  erdulden,  als 
den  Bund  mit  dem  Ewigen  brechen,  ist  ihnen  Grundsatz. 
Die  Verschiedenheit  ihres  Ritas  rührt  bloss  daher,  dass 
ihre  Ansiedlung  in  Aethiopien  noch  in  die  vortalmudische 
Zeit  fallt.  Oft  ist  sie  auch  aus  einer  verschiedenen  Ueber- 
setzung  des  Bibeltextes  entstanden,  Ihre  Unkenntniss  des 
Hebräischen  ist  von  keiner  Bedeutung,  wenn  man  bedenkt 
dass  schon  die  jüdische  Bevölkerung  in  Aegypten  vor 
der  Zerstörung  des  zweiten  Tempels  das  Hebräische  nicht 
mehr  verstand.  Würde  etwa  Jemand  es  wagen,  den  jü- 
dischen Ursprung  der  Werke  eines  Philo  zu  bezweifeln? 
2)  Sie  sind  unglücklich  Haben  schon  die  anderen  Be- 
wohner Abessinien's  in  Folge  des  Bürgerkrieges  viel  zu 
leiden,  so  ist  das  Unglück  der  Falaschas  unendlich  grösser. 
Vom  Grosshandel  sich  fernhaltend,  können  sie  als  fried- 
liche Handwerker  nur  mit  Mühe  ihr  verlorenes  Vermögen 
wiedererwerben.  Doch  noch  mehr  als  den  Verlust  ihrer 
Güter  beklagen  sie  den  Raub  ihrer  Bücher.  Eine  grosse 
Anzahl  Dörfer  besitzt  kein  einziges  Exemplar  des  Penta- 
teochs,  auch  die  übrigen  kanonischen  Bücher  sind  sehr 
selten.  Der  Falascha  muss  seinen  Jesaias  oder  seinen 
Psalter  zu  theuren  Preisen  von  denen  erkaufen,  die  sie 
ihm  entwendet  haben;  freudig  gibt  er  seine  letzte  Kuh 
bin,  um  zu  seinem  Buche  wiederzugelangen,  von  dem  er 
sich  nicht  trennen  kann.  3)  Sie  zeigen  ein  lebhaftes  Ver- 
langen, sich  geistig  zu  vervollkommnen.  Kaum  hatten  sie 
von  dem  Vorhandensein  Ihres  Vereines  vernommen,  als 
sie  freudig  ausriefen:  „Welches  Glück!  Gott  sei  gelobt 
dafür,  dass  er  unseren  Brüdern  in  Europa  Interesse  für 
uns  eingeflösst  hat.  Wir  können  zwar  kaum  lesen  und 
noch  weniger  schreiben,  wir  kennen  die  Sprache  der 
Propheten  nicht,  aber  unsere  Unwissenheit  ist  nicht  eine 
selbstverschuldete,  sondern  durch  unsere  Armuth  uns  auf- 
erlegte. Unterweisen  Sie  uns,  wenn  Sie  uns  lieben,  grün- 
den Sie  Schulen  in  unseren  Dörfern,  wir  werden  mit 
Freuden  unsere  Kinder  dahin  schicken.    Für  jetzt  geben 

Frankel,  Monatwchrift.  XVII.  11.  32 


418  Die  Alliance  Israälite  Universelle. 

wir  Ihnen  einen  der  Unserigen  mit,  erziehen  Sie  ihn  im 
Gesetze  und  in  der  Wissenschaft,  wir  werden  seiner  in 
Zukuntt  bedürfen.'1  So  sprachen  die  Priester  und  das 
ganze  Volk,  indem  sie  mir  den  Jüngling  vorführten,  wel- 
chen sie  der  Sorge  und  Obhut  der  Alliance  Isra&ite  Uni- 
verselle anvertrauen  wollten.  Der  junge  Mensch  zeigte 
sich  mir  sofort  sehr  anhänglich.  „Führen  Sie  mich  nach 
Frankreich,  so  lauteten  seine  Worte,  ich  will  gern  die 
Beschwerden  der  Reise  erdulden,  ich  verlange  auch  we- 
der Gold  noch  Silber,  ich  verlange  nur  Wissen."  Ist  dies 
nicht  Beweis  genug,  dass  die  Falaschas  belehrt  sein  wollen 
und  der  africanischen  Barbarei  entfliehen  möchten?  Ein 
einziger  Weisser  erscheint  vor.  ihnen,  in  Lumpen  gehüllt, 
mit  wenigen  Geldmitteln  versehen  und  der  Landessprache 
nur  unvollkommen  mächtig.  Er  gibt  vor,  Israelit  zu  sein, 
man  hat  Mühe,  es  ihm  zu  glauben,  doch  endlich  weichen 
alle  Zweifel  und  Bedenken  dem  unbedingtesten  Vertrauen, 
die  Ueberlegenheit  der  Europäer  findet  Anerkennung, 
und  sie,  die  nie  ihre  Heimath  verlassen  haben  und  ausser- 
dem von  eingewurzelten  Vorurtheilen  gegen  die  Weissen 
befangen  sind,  entschliessen  sich  einen  der  Ihrigen  mit- 
zuschicken in  ein  fernes  Land,  unter  der  einzigen  Bürg- 
schaft dieses  jüdischen  Reisenden,  der  zu  ihnen  von  Be- 
lehrung sprach.  Nein,  meine  Herren,  eine  solche  Nation 
strebt  gewiss  nur  darnach,  sich  uns  zu  nähern  und  mit 
uns  die  Wohlthaten  der  Givilisation  zu  th eilen.  —  Ich  bin 
mit  meinem  Berichte  zu  Ende.  Sie  kennen  jetzt  die  Fa- 
laschas, ihre  Bedürfnisse  und  Wünsche.  Ich  werde  mich 
glücklich  schätzen,  wenn  mein  Bericht  dazu  beigetragen 
hat,  dem  heiligen  Stamme  Israels  um  einen  mächtigen 
Zweig  zu  bereichern,  einen  Zweig,  der  mitten  in  der 
africanischen  Barbarei  sich  frisch  und  saftig  erhalten  hat. 
Es  wird  stets  der  Alliance  Isra&ite  Universelle  zum  Ruhme 
gereichen,  die  Falaschas  mit  ihren  Brüdern  in  Europa  in 
Verbindung  gebracht  zu  haben. 


Die  hebr.  Traditionen  i.  d.  Gommentarien  d.  Hieronymus.    419 

Die  hebräischen  Traditionen  in  den  Gommentarien 

des  Hieronymus*). 

Von 
Dr.  M.  Rahmör,  Rabbiner  in  Magdeburg. 

(Fortsetzung.) 


Nr.  28. 

Hosea  cap.  VIII.  v.  3.  y\®  ^TW1  fÜT.  Zu  der  Uebersetzung 
der  Vulgata :  „projecit  Israel  bonum"  fugt  Hieronymus  im  Com- 
mentar  erklärend  hinzu:  ,i.  e.  dominum  suum,  a  quo  appellatus 
est  Israel.  Merkwürdig  ist  diese  Uebereinstimraung  mit  dem 
Midrasch,  der  sonst  unter  ^)1D  die  Tbora  als  das  suinmum  bonum 
versteht  (cfr.  Aboth.  VI.  rfiTl  tÖX  21Ü  p*tt)t  jedoch  das  21B 
in  dem  vorliegenden  Verse,  ganz  wie  Hierpn.  es  thut,  auf  „Gott" 
bezieht,  cfr.  Jalk.  II,  Nr.  647  nö  *?iT\W  rUT  W  YIW  VDX  DH 
b^b  v'*  21E  'yo  rQ"pn  VOR  yi®  pW-  —  Während  der  Syrer  und 
die  LXX.  darunter  ganz  allgemein  „Wohlthaten"  verstehen, 
folgt   das  Targ.    dem  Midrasch,    und   auch    Ibn   Esra    erklärt 

(sc  ^nrc^)  )b  nro  rww  -03x1  nvn  «n  ,  aus . 

Nr.  29. 

Ibid.  v.  6.  JHSW  bty  DTP  üPOSNf  *2*  Zur  Erklärung  des 
a«a|  leyoiuvov  Q^—W  fuhrt  Hieron.  zunächst  sämmtliche  ältere 
Interpreten  auf,  aber  von  ihren  Übersetzungen  unbefriedigt 
gelassen,  thut  er  sich  zum  Schlüsse  etwas  darauf  zu  Gute,  von 
seinem  Hebräer  die  wahre~Bedeutung  gelernt  zu  haben.  „Quod 
LXX.  et  Thedotion,  also  lauten  seine  Worte,  nXcrrmv  interpretati 
sunt  i.  e.  seducens  atque  decipiens,  Aquila  errantibus 
sive  conversis,  Symmachus  inconstans  vel  instabile  i.  e. 
axaxaouxxmv,  quinta  editio  fepßeviow  vagus  et  fluctuans.  Man 
sieht,  dass  diese  Uebersetzungen  das  Wort  nicht  als  ein  ax.  l$y.f 
sondern  als  gleichbedeutend  mit  dem  öfters,  besonders  im  Jere. 
mias  (cfr.  3,  14  und  22.  31,  22.  50,  6)  vorkommenden  0^3W  an- 
nahmen.   Hieron.  warnt  vor  einer  solchen  Verwechselung,  indem 


•)  Siehe  Jahrg.  1867  S.  103  -  108. 

32 


420  Die  hebräischen  Traditionen 

er  auf  die  verschiedenen  Lesemütter  aufmerksam  macht.    „In 
Hebraico  scriptum  est  Sebabim  per  Jod  pen  ultima  m  litter  am, 
non,  ut  quidam  false  putant,  Sebabum  i.  e.  per  Vau1).     Und 
nun  führt  er  triumphirend  die  eigentliche  Bedeutung  des  Wortes, 
wie  er  sie  durch  seinen  hebr.  Lehrer  erfahren,  an.    Nos  autem 
ab  Hebraeo    didicimus,   „Sebabim"   proprie   nominari  „ara- 
nearum  fila"  per  aerem  volantia,  quae  dum  videntur  intereunt 
et  in  atomos  atque  in  nihilum  dissolvuntur.    Diese,  wie  man  aus 
Hieron.  ersieht,  althebräische  Uebersetzung  des  Wortes  CQ2E? 
(„Sommerfäden")  hat  sich  merkwürdiger  Weise  weder  in  einer 
älteren  jüd.  Quelle   noch   bei  irgend  einem   der  späteren  jud. 
Interpreten  und  Commentatoren  erhalten.    Das  Targum,  welches 
es  mit  prr6  *n03  („Sägespäne'*)  übersetzt  (vgl.  hiermit  das  tal- 
mudische O^ttHn  b&  miDJ  Chullin  88 b,   Baba  kama  119  und 
Kelim  20,  vom  syr.  kni  „zersägen"  wovon  das  hebräische  ~ftt&& 

Jesaj  .10, 15„  die  Säge"),  hat  es  entweder  für  identisch  mit  Q'Hüttf* 
„Trümmer,  Splitter"  genommen  (so  auch  Kimchi),  oder  es  von 
dem  aram.  fcCW  (Synhedrin  7  b)  abgeleitet,  welches  dieselbe 
Bedeutung  hat  (cfr.  Raschi  z.  St.).  Auch  Nathan  b.  Jechiel 
(Aruch  s.  v.  2TP  IV.)  hält  es  für  gleichbedeutend  mit  D^IDItf ;  er 
verweist  nämlich  zur  Erklärung  des  Wortes  piattfÖ  in  der 
Talmudstelle  Sabb.  66  Dl«  ^  mjH  p 3 2WDW  Dn3"i ,  nttfD  SttPl 
auf  unser  an.  Uy.  mit  den  Worten:  130  p^y]  p^ZWW  EH*VO 
ITiT  D^Mltf  •  Menachem  leitet  (im  Lex.  s.  v.  3ttf)  das  Wort  CCDltf 
von  ^tt?  ab*),  Ibn  Esra  hält  es  für  gleichbedeuteud  mit  DTD^ttf 
„Feuerfunken"  (Hiob  18,  5,  Daniel  3,  22;  7,  9). 

Von  neueren  Exegeten  hat  Hitzig  in  seinem  „Commentar  zu 
den  kleinen  Propheten"  wieder  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass 
in  der  Erklärung  des  „hebräischen  Lehrmeisters  des  Hieron.'* 


')  Hieron.  mnss  mit  dieser  Bemerkung  das  unterscheidende  1  in 
der  ersten  Silbe  des  D^32lt?  meinen  (?).  Oder  sollte  er  die  Stelle 
Jerem.  50,  6,  wo  das  K'ri  DQ31#  lautet,  im  Auge  haben,  das  er  selbst 
—  wie  die  Quinta  hier  zur  Stelle  —  mit  „vagari"  übersetzt? 

*)  Aehnlich  Abulwalid  (siehe  die  Edition  einer  arabischen  üebers. 
der  kleinen  Propheten  von  Schröter,  im  „Archiv  für  wissenschaftliche 
Erforschung  des  alten  Testaments"  herausgegeben  von  Dr.  A.  Merx. 
II.  Heft,  p.  169). 


in  den  Commentarien  des  Uieronytnus.  421 

doch  etwas  Wahres  Hege,  da  sowohl  der  Plural  als  auch  das 
im  folgenden  Verse  gebrauchte  Bild  diese  Uebersetzung  („fliegen- 
der Sommer")  unterstützen.  Auf  diesen  zweiten  Beweis  stützt 
sich  Hieron.  —  was  Hitzig  übersehen  hat  —  in  der  That  auch 
in  seiner  Erklärung  zum  Verse  7,  woselbst  er  sagt:  Aranearum 
telis  Samariae  vitulum  comparat,  idcirco  metaphoram  servat  in 
reliquis,  ut  quos  aranearum  telas  dixerat,  comparet  vento  et  tur- 
bini  cultnisque  non  stantibus,  et  si  steterint,  farinam  non  haben- 
tibus.  In  jedem  Falle  ist  diese  nur  durch  Hieron.  auf  uns  ge- 
kommene althebräische  Erklärung  eines  «*.  lef.  für  die  Exegese 
von  Bedeutung. 

Nr.  30. 

Cap.  IX.  v.  9.  njDjn  v&O  HTRtf  IfPÖPru  Die  geschichtliche 
Reminiscenz,  die  in  den  Worten:  „wie  in  den  Tagen  zu  Gibea" 
liegt,  bezeichnet  Hieron.  folgend ermaassen :  Gabaa,quando  uxorem 
Levitae  revertentis  de  Bethlehem  illicito  necavere  concubitu. 
Possumus  „dies  Gabaa"  et  illud  tempus  accipere,  quando  pro 
Deo  elegerunt  sibi  regem  de  urbe  Gabaa,  i.  e.  Saul.  Diese  bei- 
den Momente  werden  in  prägnanter  Weise  auch  von  Raschi  her- 
vorgehoben: ni  cn&w  im,  wjhep,  jn^n  nyaa  m  cnnw  on 

*pÜ  ürb  )b*WW  bltW  njDa,  der  unter  diesen  QnDttt  W  jeden- 
falls ältere  hagadische  Autoritäten  versteht.  Dieselbe  Meinungs- 
verschiedenheit gibt  sich  zu  c.  x.  v.  9.  ^tiep  rwcn  ronan  ^ö^ö, 

was  das  Targ.  auf  die  Einsetzung  Saul's  zum  Könige,  Hieron. 
auf  die  schändliche  Ermordung  des  Kebsweibes  zu  Gibea  be- 
zieht. Hier  entscheidet  sich  Raschi  für  die  letztere  Ansicht  gegen 
das  Targum.  Worin  aber  die  Sünde  des  übrigen  Israels 
(ausser  Benjamin)  damals  bestand,  sagt  uns  wiederum  Hieron. 
„peccavit  mihi  omnis  Israel,  non  quia  ultus  est  injuriam  et  sce- 
lus  sanguine  vindicavit,  sed  quia  dolore  maritali  prosiluit  ad 
pugnam,  et  sacrilegium  in  Deum  suum  noluit  vindicare,  eo  quod 
in  domo  Michae  Ephod  et  Teraphim,  quae  pro  idolis  adora- 
bantur,  neglexerit.    Ebenso  Raschi  (zu  Hosea  10,  9)  TVTW  ^üb) 

ronan  narte:*  dt  nrrtan  *6  yb  rbv  m>pn  vb)  crrra  f. v  py 

pÖ^Ä  *Ä  bV-  Die  ältere  hebr.  Quelle  hierfür  ist  das  Seder  olam, 
das  ausdrücklich  (cap.  12)  sagt:  bw  l5?DO  tTTi  DTßJttD  WD  itfO 

to!*d  nnn  rem  idi  wo 


422  Die  hebräischen  Traditionen 


Nr.  31. 


Cap.  X.  v.  14   ^NTIN  ITO  pbw  "IttO-    Diese  wegen  ihrer 
Anspielung  auf  ein  sonst  unbekanntes  Factum  dunkle  Stelle  über- 
setzt Hieron.  „sicut  vastatus  est  Salmana  a  domo  ejus,  qui  vin- 
dicavit  Baal",  und  bezieht  sie,  wie  er  im  Commentar  weitläufig 
darthut,   auf  die    Besiegung   des  Midjaniter-  Fürsten   Zalmuna 
(yycbti)  durch  Gideon  (^jnrp)  (cfr.  Judic.  8,  12).     Es   bestätigt 
sich  hier,  was  wir  im  ersten  Theile  unserer  „hebr.  Traditionen" 
p.  71  durch  zahlreiche  Belegstellen   erwiesen,  dass  Hieron.   oft 
nach  dem  blossen  Gehör  etymologisirt,  sonst  hätte  er  hier  Tchw 
mit  yycbx9  und  ^fcOlN  mit  ^jniT  nicht  verwechseln  können*). 
Dass  Ycbw  vielmehr  eine  Abkürzung  von  "lDfcÖÖ^ttN  wie  neuere 
Exegeten  (Keil,  Delitzsch)  und  Lexicographen  (Fürst)  annehmen, 
sei,  bemerkt  von  jüd.  Erklärern  schon  R.  Tanchum.    Dieser  sagt 

ist  ein  nom.  propr.  und  man  meint,  dass  es  abgekürzt  ISftOftbltf 
den  König  von  "TJttfN  bezeichnet.  "EROÖ^ttf  ist  vielleicht  aus 
zwei  Nomin.  zusammengesetzt,  von  denen  das  eine  als  bekannt 
weggelassen  ist."  In  der  That  findet  sich  die  Zusammensetzung 
mit  "1QK  in  mehreren  assyrischen  Eigennamen,  wie  "1D&&B  rfetfl  $ 

jnrr-n». 

Auch  der  Midrasch  (Rabba  zu  Levit.  c.  27  und  Jalkut  z.  St.) 
sieht  in  diesem  Verse  einen  Hinweis  auf  die  von  einem  assy- 
rischen Könige  verübten  Grausamkeiten;  er  bezieht  nämlich  die 
Schlussworte  dieses  Verses  auf  Sancherib  n  ^IHOttf  STHnJO  HT 
TW1SD  DOS  bV  CN.  Vielleicht  ist  für  anrUD  im  Midrasch 
TOttifcbW  zu  ^sen. 


8)  Nur  eine  Kritik,  die  nach  jeder  noch  so  sinnlosen  Leseart  and 
Conjectur  hascht,  wenn  sie  nur  dem  massoretischen  Text  entgegen  ist, 
vermag  die  irrthümlichen  Verwechselungen  des  Hieron.  für  die  rich- 
tigen Lesearten  in  der  Bibel  zu  halten.  Cfr.  Geig  er 's  jüd.  Zeitschrift, 
Jahrg.  II,  p.  257,  Anm.  „p^B>  efraimitisch  für  Jttofci  und  ^JQ"P  cor- 
rigirt  in  ^31Ntt. 


in  den  Commentarien  des  Hieronymus.  423 

Nr.  32. 

Ib.  v.  5.  )b*W  VbV  THM1  TSV  VbV  bOH  *D.  Wenn  das  Volk 
darob  (dass  die  goldenen  Kalber  in  die  Schatzkammer  des  assyr. 
Königs  wandern  mossten)  trauert,  warum  sind  seine  Götzen- 
priester darüber  erfreut?  fragt  Hieron.  so  recht  im  Geiste  des 
Midrasch  —  si  autem  luxit  populus,  quare  aeditui  ejus  super  eo 
exultaverunt?  —  und  gibt  als  Antwort  folgende  Sage  von  der 
Pfiffigkeit  jener  Pfaffen  zum  Besten.  Diese  hätten  nämlich  die 
massiv-goldenen  Kälber  schon  früher  für  sich  bei  Seite  gebracht 
und  an  deren  Stelle  nur  vergoldete  zur  Anbetung  hingestellt. 
Während  das  Volk  nun  jetzt  bei  der  Wegfuhrung  der  vermeint- 
lich goldenen  Kälber  den  grossen  Verlust  betrauert,  freuen  sich 
die  Priester,  dass  man  ihnen  bislang  auf  den  Betrug  nicht  ge- 
kommen und  dass  der  assyr.  König  so  geprellt  sei.  Als  dieser 
später  merkte,  dass  er  hintergangen  worden  sei,  habe  er  dem 
Könige  von  Israel  brieflich  darüber  Vorwürfe  gemacht,  und 
darauf  bezögen  sich  die  Worte  des  nächsten  Verses  (V.  6),: 
„Scham  ergreift  Ephraim  und  Israel  ist  bescjiämt  ob  seiner 
Pläne",  denn  während  sie  durch  jene  Goldgeschenke  die  Gunst 
der  Assyrer  sich  erwerben  wollten,  mussten  sie  jetzt  in  deren 
Augen  als  absichtliche  Betrüger  dastehen.  Von  dieser,  durch 
die  Worte  „Tradunt  Hebraei"  ausdrücklich  als  ,,hebr.  Tradition" 
gekennzeichneten  und  ganz  den  Charakter  der  Uagada  tragen- 
den Erzählung  hat  sich  in  den  jüdischen  Quellen  unseres  Wis- 
sens keine  Spur  erhalten.  Das  Seder  olam  c.  22  bat  nur  die 
trockene  Notiz :    3HH  b*V  b&3  'Dl  vbin  fcQ  nptb  DnW  rüWn 

*fm  im  n«  "n  nm  vnitö  rrwv  ctw  nwnob  •pni  pnrc 
'm  nö  nyb ,  )b  -£rn  bx  rvariw  amn  bw  bm  'di  nw« 

.4)bnv  -nwxb  im«  a  n  ">  wmn) 


4)  Um  dieses  CJ  zu  erklären,  bemerkt  R.  Saadja  (von  Kimchi  z. 
St  citirt),  dass,  nachdem  das  zn  Dan  aufgestellte  Kalb  schon  früher 
weggeführt  worden,  es  hier  richtig  heisse:  „Aach  dieses  (cL  h.  das  zu 
Bethel)  u.  s.  w.  (r&nn  flfeü  ITU?  bty ,  mnb  miN  DJ).  Schröter  (im 
Archiv  für  wissensch.  Erforsch,  d.  a.  Test  herausgegeben  von  Merz, 
p.  176,  Anm.  4)  übersetzt  diese  Stelle  anrichtig:  R.  Saadja  erklärt  Ü3, 
dass  es  einschliesse  das  Kalb,  welches  in  Dan  zuerst  weggeführt  wor- 
den ist" 


424  Die  hebräischen  Traditionen 

Nr.  33. 

Cap.  XL  v.  4.  CIN  ^2rD«  Nachdem  Hieron.  den  vorher- 
gehenden Vers  auf  die  göttliche  Fürsorge,  die  dem  Volke  Israel 
während  des  vierzigjährigen  Zuges  durch  die  Wüste  zu  Theil 
geworden,  bezogen  (ähnlich  dem  Midrasch  Jalk.  II,  528,  und 
Mechilta  zu  n^ttD)  fährt  er,  die  angeführten  Worte  erklärend, 
also  fort:  Curavi  autem  eos  propter  funiculos  et  vincula  chari- 
tatis,  quibus  mihi  Abraham,  Isaac  et  Jacob  astrinxeram.  Auch 
in  der  angeführten  Jalkutstelie  wird  dieses  CIN  in  prägnanter 
Weise  unter  Anderem  auf  einen  der  Stammväter  bezogen:  K"T 
SpJP  n]  DIN  ^ÜPD  Abrabanel  bezieht  es  auf  Mose  0"1N  ^3rO 

•rwö  m  ein  nnro  '£d 

Die  Schlussworte  dieses  Verses  ^31N  I^N  ENI  übersetzt 
Hieron.  „declinavi  ad  eum  ut  vesceretur"  und  erklärt  im  Com- 
mentar  „quod  cibum  mannae  ad  eum  fecit  declinare".  Ebenso 
fasst  es  der  Midrasch  (Jalk.  1.  c.)  und  auch  das  Targum  über- 
setzt in  diesem  Sinne :  bj^b  *Q1B  ])rb  TI3DN  tmiM  flPI  13  P)K1 
Dagegen  leiten  -die  LXX.,  Tanchum  und  Raschi  das  Wort  von 
b)D  ab,  Letzterer  erklärt:  plD^D  bty  b^Drh  TO  *b  TPBn- 

Nr.  34. 

Cap.  XII.  v.  1.  *>N  cy  Tl  *i$  TVTm*  Wie  sehr  Hieron. 
nicht  blos  in  seinen  Erklärungen  zur  Bibel,  sondern  auch  bei 
seiner  Bibelübersetzung  unter  dem  Einflüsse  der  jüdischen 
Sage  steht,  geht  aus  der  vorliegenden  Stelle  wieder  klar  hervor. 
Er  übersetzt  dieselbe  nämlich:  „Judas  autem  testis  descendit 
cum  Deou.  Nun  wird  jeder  mit  der  älteren  jüd.  Sagenkunde 
Vertraute  durch  diese  Uebersetzung  (die  "|'y  =  "|j;  und  T"}  =  "n^ 

nimmt)  sofort  an  die  in  den  Talmuden  und  Midraschim  öfters 
wiederkehrende  hagadische  Erzählung,  wonach  der  Stamm  Juda, 
sein  beherzter  Stammesfürst  an  der  Spitze,  beim  Durchzuge 
durch  das  rothe  Meer  das  meiste  Gottvertrauen  bewiesen  und 
den  ersten  Schritt  in's  Meer  gethan  hätte,  erinnert.  Der  ur- 
sprüngliche Bericht,  der  ebenfalls  an  die  vorliegende  Propheten- 
stelle anknüpft,  scheint  Sota  37a  enthalten  zu  sein:  ^NlttP  HÖJJttQ 

yE>?  'di  pN  -)äin  rm  g^  rfcnn  tw  *»  pN  iöw  rn  '2)  ar\  bv 
rtcncm  am»  wraa  waao  'w  rbr\n  ab  -pro  yvmv  p  iwre 


in  den  Commentarien  des  Hieronymus.  425 

rburco  tmnh  mxv  roi  *p*Eb ,  bx  nv  in  ny  mm  Sarran  ro 
'Di  wnp!?  mp  nrvn  w  5*nnra  (cfr.  Jaik.  i,  234.  11,  799). 

Hieron.  fuhrt  diese  Sage,  um  seine  auffallende  Uebersetzung 
dieses  Verses  zu  motiviren,  in  aller  Ausführlichkeit  an :  „Tradunt 
Hebraei  hujuscemodi  fabulam:  In  exitu  Israel  ex  Aegypto,  quando 
ex  alia  parte  mons,  ex  alia  rubrum  mare,  et  ex  alia  Pharaonis 
exercitus  cingebatur,  et  inclusus  populus  tenebatur,  ceteris  tri- 
bubus  desparantibus  salutem  et  aut  reverti  in  Aegyptum  aut 
bellare  cupientibus,  solus  Juda  fideliter  ingressus  est  mare; 
unde  et  regnum  meruit  accipere,  et  hoc  esse  quod  nunc  dicatur: 
Judas  testis  sermonum  Dei  et  astipulator  ac  vindex  descendit 
cum  Deo  in  mare,  et  inter  sanctos  fuit  fidelissimus,  ut  vcrbis 
jubentis  crederet  Dei."  Während  nun  beide  Relationen  inhalt- 
lich genau  übereinstimmen,  ja  sogar  bis  auf  die  Schlussfolgerung 
„unde  et  regnum  meruit  accipere"  (rfctPEE  TOtf]^  iTTVl1  rDT^D^t 
scheint  doch  die  exegetische  Operation  bei  ihnen  eine  verschie- 
dene zu  sein;  denn  während  der  Talmud  seinen  Beweis  haupt- 
sächlich aus  dem  Wörtchen  "H,  das  er  für  gleichbedeutend  mit 

TV1  nimmt,  führt5),  lässt  Hieron.  ausserdem  (denn  T1  übersetzt 
er  ebenfalls    „descendit")  das  Wörtchen  -|y  als   „Zeuge"  (-|j;) 

auftreten.  Allein  auch  diese  Umbiegung  des  iy  in  "j;  scheint 
nicht  bieronymianisch,  sondern  ebenfalls  talmudisch  zu  sein,  wie 
aus  folgender  Jalkutstelle  (11,35)  ersichtlich:  -jöNC  "VKÖ  '"1  rm 

bpbp ,  üD2  onx  ony  'm  G2»n  cnnm  m  c*ot  btnvn  tytcd 
uro  T»yn  b*-\w  rra  rtcnm)  anw  raran  ^nao  'w  cösw 

•rnvT  enw 

Bemerkens werth  ist,  dass  R.  Meir,  auch  sonst  als  Textes- 
kritiker bekannt  ('31  2TO  M&O  TKÖ  1  bw  V1BD2 ,  cfr.  Midrasch 
rabba  zu  Gen.  c.  Jerus.  Taanith  I.),  der  Autor  dieser  hagadischen 
Cunjectur  ist. 

Wir  führen  einer  ähnlichen  Conjectur  wegen  hier  noch  die 
Worte  des  Hieron.  zu  Zephanja  3,  8  TJjS  ^p  CVb  *n;  er  sagt 
daselbst:   Ubi  nos  transtulimus  „in  die  resurrectionis  meae  in 


*)  R.  Meir  zerlegt  (ibid.)  zu  ähnlichem  Behufe  das  Wort  Dfl 
(Ps.  68,  28)  im  ü;  Tl. 


426  Die  hebräischen  Traditionen 

futurum",   omnes  interpretati  sunt  „in   testimoniumu.     H  e- 
braeus,   qui  me  in  scripturis  instituit  asserebat,  "ip^   in 

praesenti  loco  magis  slg  foi  (i.  e.  in  futurum)  debere  intelügi, 
quam  „in  testimonium",  ny  enim,  quod  scribitur  per  litteras  'p 
et  '"1  et  Jkt?  et  ^utQTvqto*"  intelligi.  Wer  sind  die  „omnes",  die 
nach  Hieron.  das  hiesige  "lj^5  mit  „in  testimoniuin"  übersetzen? 

Man  sehe  nur  die  LXX.,  die  Pescbittho,  auch  das  Targum. 
Doch  die  beiden  letzteren  kannte  Hieron.  nicht.  Sieht  man  sich 
aber  bei  den  Agadisten  um,  so  findet  man,  dass  sie  offenbar  für 
Hjfe  zur  Stelle  ig^  gelesen  haben.    Man  vergleiche  Jalk.  II.  567. 

T]6  Wp  DV6  "H  C*0  ^  DH  p^  'W  •    Noch  deutlicher  ist  dies 
aus  der  folgenden  Stelle  (Jalk.  ib.)  zu  ersehen:    iftip  Qvfy  fct"n 

.'Di  wnb  wp  cra  -116 

Nr.  35. 

Wir  fassen  zum  Schluss  hier  mehrere  Stellen  aus  diesem 
Propheten  zusammen,  an  denen  Hieronymus  mit  Hülfe  seiner 
hebr.  Sprachkenntnisse  eine  gesunde  Kritik  der  betreffenden 
griechischen  Uebersetzungen  übt6). 

1)  IX,  12.  cnö  "Hltap  üH?  ^N*  *n  eo  l°co>  <luo  nos  diximus: 
„Vae  iis  cum  recessero  ab  eis",  LXX,  ei  Theodotio  trans- 
tulerunt:  Vae  eis,  caro  mea  ex  eis.  Quaerensque  causam, 
cur  sit  tanta  varietas,  hanc  mihi  videor  reperisse:  „Caro 
mea"  lingua  Hebraea  dicitur  „Besari",  rursum  si  dicamus 
„recessio  mea"  sive  „declinatio  mea"  dicitur  „Besuri" 
LXX.  igitur  et  Theodotio  pro  eo  quod  est  „recessio  mea" 
verterunt  „caro  mea". 

2)  ibid.  v.  13.  yßb  TP*T)  "IttffrO  D'HDN.  Rursum  ubi  nos 
posuimus:  „Ephraim,  ut  vidi  Tyrus  erat",  LXX.  inter- 
pretati sunt  „öi)Qctv  i.  e,  venationem  sive  capturam"  Aquila, 
Symmachus  etTheodotio„petram  durissimam,  i.  e.  silicem'4, 


6)  Einige  hierher  gehörige  Stellen  haben  wir  im  Jahrg.  1865  dieser 
Monatsschrift  sub  Nr.  4,  5  and  6  mitgetheilt. 


in  den  Commentarien  des  Hieronymus.  427 

quod  lingua  Hebraica  appellatur  „Zur'4  quod  si  legamus 
„Zor"  Tyras  dicitur.  Patantes  autem  LXX.  interpretes 
ob  literarum  similitudinem  Daleth  et  Res  non  esse  „Resu 
sed  „Daleth"  legerunt  „Zud"  i.  e.  „venationein  sive  cap- 
turam",  unde  et  „Beth-Zaida"  domus  dicitur  venatorum". 
Auf  eine  ähnliche  Buchstabenverwechselung  macht  Hieron. 
auch  zu  folgenden  beiden  Stellen  aufmerksam: 

3)  Ibid  v.  6.  IfcnS  Quod  autem  in  LXX.  dicitur  „Machmas" 
in  Hebraeo  non  habetur  sed  „inachmad".  Ex  quo  per- 
spicuum  est,  falsos  eos  esse  similitudine  literarum  •  et  1. 

4)  Ibid.  v.  7.    WT  Et  in  hoc  loco  error  est  solitus.   Ubi  nos 

interpretati  sumus  „scitoteu  et  in  Hebraeo  legitur  „jedeu" 
LXX.  transtulerunt  „xal  xonurfhpttTai"  i.  e.  „et  aftligetur", 
Jod  literam  Vau  putantes,  et  pro  ~|  legentes  -). 

5)  XII,  12.  C^ttf  Hieron.  übersetzt  richtig  „bobus"  und  rügt 
den  Irrthum  der  LXX.,  die  „afzottt?  übersetzen,  also  C^ttf 

•     T 

gelesen  haben"  verbi  similitudine  atque  ambiguitate  de- 
cepti. 

6)  XIII,  3.  rE"lfc5  WV2}  die  LXX.  lasen  rGHNÖi  wozu  Hier, 
bemerkt:  Apud  Hebraeos  „locusta"  et  „fumariuin"  iisdem 
scribitur  literis. 

7)  Ib.  v.  7.  WX.  Hier  liest  Hieron.  mit  den  LXX  "YKtfgs 
ebenso  die  Peschittho. 

8)  Ib.  v.  14  5P12n  VtK-    Hieron.  übersetzt:   Ero  mors  tua  — 

er  nahm  ViN  =  .Tritt»  ebenso  Symmachus;  die  LXX  und 
Aquila  übersetzen  nov  r\  dixq  6ovt  sie  fassten  V"|X  richtig  als 
Fragepartikel  —  ;-pK,  leiteten  aber  T"OT  von  "HT  statt  von 
131  ab  —  legentes  „Dabar*'  pro  „Deber"  rügt  Hieron. 
Das  Targ.  that  dies  ebenfalls  vjfca  >pp. 

9)  XIV,  3.  C^D«  Pro  „vitulis"  qui  Hebraice  appellaotur 
C^B»  LXX.  *a$*6v  i.  e.  „fructum'c  transtulerunt,  qui  dicitur 
V}p,  falsi  sermonis  similitudine. 


428  Analekten. 


A  n  a  1  e  k  t  e  d. 


Zur  Mischna  der  Middot. 

Von 

Dr.  Berliner. 

Ein  weiteres  Fragment  dieses  von  Dr.  Steinschneider  zum 
70.  Geburtstage  des  Dr.  Zunz  veröffentlichten,  jedenfalls  aber 
noch  nicht  vollständigen  Schriftchens1),  glaube  ich  im  Jalkut 
Abschnitt  Pekude  nachweisen  zu  können.  Was  wir  nämlich 
dort  von  §  419  an  bis  427  lesen,  gehört  den  49  Middot  an,  so 
weit  wir  dies  aus  folgenden  drei  Citaten  im  Raschi-Commentar 
folgern  dürfen.  Was  Raschi  zum  2.  B.  M.  Cap.  27  Vers  5  nom. 
nnfc  ü"ft  anfuhrt,  lesen  wir  §  419  des  Jalkut  in  den  Worten: 

Ebenso  ist  im  §  421  diejenige  Stelle  enthalten,  die  Raschi 
zum  2.  B.  M.  26,  5  mit  den  Worten  n"3  p*lN  n^TD  anfuhrt; 
indem  er  die  betreffende  Erläuterung  der  des  Talmud  zu  Sab. 89b, 
womit  noch  Cap.  2  der  Baraita  der  Stiftshütte  übereinstimmt, 
entgegen  hält.  Nur  muss  dort  im  Jalkut  (wir  citiren  nach  der 
Lemberger  Ausgabe  v.  J.  1858),  wie  leicht  zu  ersehen,  verbessert 
werden  flfcK  'fc  pm  und  niftN  n"3  pIN").  Auch  was  Raschi 
zum  V.  13  des  Cap.  26  ohne  Weiteres  anführt  -p-|  mm  mö^ 


1)  Den  dort  8.  6  zusammengestellten  Citaten  ist  noch  Raschi  zum 
1.  Bach  der  Könige  Cap.  7,  Vers  17,  ausser  Vers  16  (es  mnss  nämlich 
dort  sub  3  Vers  TLD  heissen)  nachzutragen.  Zum  Citat  sub  N  ist  noch 
hinzuzufügen,  dass  Raschi  nur  in  Sukka  8  den  mathematischen  Satz 
])2MÜ  HDD  ausdrücklich  aus  den  49  Middot  anführt  (der  sich 
übrigens  ausser  Oholoth  12  auch  in  der  Baraita  der  Stiftshütte 
Cap.  12  findet),  nicht  aber  in  Erubin  14  b,  56  b,  57  a,  76  b,  auch  nicht 
in  Baba  bathra  27  und  im  Buch  der  Könige  Cap.  7,  Vers  26. 

*)  Nach  dem  Commentar  pyi  rW  ist  dort  auch  noch  zu  emen- 
diren:  statt  D^D  (3)  Dmpy  muss  es  heissen  D^D  '3;  ferner  ist  statt 
niDN  PlJrtPn  -  2  Mal  dort  —  niDN  nJlDGP  zu  lesen ,  wie  es  auch  aus 
Raschi  zur  Stelle  zu  ersehen  ist. 


Recensionen  und  Anzeigen.  429 

PiDVl  bV  OH  GIN  NTPltf  |HK  findet  sich  ebenfalls  im  §  422  des 
Jalkut.  Ein  anderes  Citat  Raschi's,  nämlich  das  zu  Psalm  78,  16 
dürfte  sich  im  §  426  nachweisen  lassen.  Obwohl  dieser  Midrasch 
eher  dem  Tanchuma  zum  Abschnitt  npn  (von  dorther  haben  ihn 
auch  Jalkut  npn  und  Raschi  zu  4.  B.  M.  21,  18  abgeholt)  ange- 
hörig ist,  so  ist  doch  auch  in  den  Worten  des  Jalkut 

u.  s.  w.  ünrci  tnw  bi  pn  Gnro 

eine  annähernde  Analogie  für  diesen  Midrasch  wiederzuerkennen. 
Es  darf  demnach  angenommen  werden,  dass  das,  was  der 
Jalkut  im  §  419  von  ")EK  rP£i"D  "1 »  vielleicht  auch  erst  von  den 
Worten  "Eflin  T"1K  an'),  bis  zum  427  hin  anonym  bringt,  der 
Mischna  der  49  Middot  angehört,  während  der  Schluss  §  427 
der  Baraita  der  Stiftshütte  Cap.  11  wörtlich  entnommen  ist. 


Revisionen  und  Anzeigen. 


Kanngiesser,  Dr.  Gustav.  Die  Stellung  Moses  Mendelssohn's 
in  der  Geschichte  der  Aesthetik.  Frankfurt  a.  M.  1868. 
F.  Bovelli'sche  Buchhandlung.    VIII.    S.  115. 

Es  darf  als  ein  eigenthümliches  Verdienst  unserer  modernen 
Literatur  bezeichnet  werden,  dass  sie  sich  die  Aufgabe  gestellt 
hat,  das  Urtheil  über  gewisse  historische  und  literarhistorische 
Thatsachen  und  Persönlichkeiten,  welche  durch  der  Zeiten  Gunst 
oder  Ungunst  getragen  einer  gerechten  Würdigung  bisher  noch 


»>» 


•)  Es  ist  dort  eine  ganze  Confasion  der  einzelnen  Theile  zu  be- 
merken; der  Anfang  des  §  419  ~1D1K  J"l  gehört  wahrscheinlich  vor 
die  Worte  "OTITI  "pN  bis  zum  Schiasse  des  Paragraphen,  dessen  Fort- 
setzung im  §  420  mit  den  Worten  *y\Wü  rpn  7riNn  erscheint.  Die  dort 
gegebene  Vergleichung  der  Stiftshütte  mit  dem  Kosmos  aber,  begin- 
nend in  §  419  mit  den  Worten  rwü  TWyV  TJflD  br\X  bis  QW  JINI 
Dil/  n&]ftP  ist  in  §  420  Anfang  weiter  zu  lesen.  —  Uebrigens  ist  diese 
Vergleichung  sehr  lückenhaft,  wenn  man  die  Parallelen  im  Tanchama 
Abschn.  Peknde  und  Midrasch  der  Psalmen  Cap.  26  beachtet. 


490  Reeensionen  and  Anzeigen. 

entbehrten,  za  berichtigen  und  dareh  eine  nochmalige  ond  ge- 
nauere Revision  der  Acten  die  oft  verletzte  historische  Gerech- 
tigkeit wieder  herzustellen.  Dass  ein  solches  Bestreben  jedoch 
gereizt  durch  den  Gegensatz,  in  welchen  es  sich  mit  der  herge- 
brachten Meinung  befindet,  zumeist  der  Gefahr  ausgesetzt  ist,  in 
Uebertreibung  und  Paradoxie  auszuarten,  ist  eine  in  unserer 
Zeit  der  „Rettungen"  oft  gemachte  Erfahrung.  Es  bedarf  daher 
in  den  meisten  Fällen  erst  einer  dritten  vermittelnden  Ansicht, 
welche  mit  Vermeidung  beider  Extreme  Lob  und  Tadel  auf  ihr 
richtiges  Maass  zurückzuführen  und  ein  nach  allen  Seiten  hin 
gerechtes  und  befriedigendes  Endurtheil  abzugeben  im  Stande 
ist.  Dass  jedoch  eine  von  so  verschiedenen  Standpunkten  aus- 
gehende Beurtheilung  sich  nur  an  solche  Ereignisse  und  Persön- 
lichkeiten knüpft,  welche  dem  geschichtlichen  Beobachter  von 
ganz  besonderer  Bedeutung  und  eigentümlichen  Interesse  zu 
sein  scheinen,  liegt  in  der  Natur  der  Sache. 

Diesem  wechselvollen  Schicksale  nun  inussten  auch  die 
Schriften  Moses  Mendelssohn's  unterliegen.  Während  sie  bis 
an  das  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts  nicht  nur  allgemein  hoch- 
geschätzt and  gerühmt  wurden,  sondern  sogar  unter  den  vor- 
züglichsten Erzeugnissen  des  deutschen  Geistes  eine  der  ehren- 
vollsten Stellen  angewiesen  erhielten,  sind  sie  seit  der  weiteren 
Verbreitung  und  Entwickelung  der  kritischen  Philosophie  in 
ungebührlicher  Weise  herabgesetzt  und  vernachlässigt  worden. 
Die  Fortschritte,  welche  man  seither  in  der  deutschen  Philoso- 
phie offenbar  gemacht  hatte,  und  durch  welche  die  Leibnitz- 
WolfFsche  Philosophie  allerdings  überwunden  worden  war, 
gaben  die  Veranlassung,  dass  man  die  Vertreter  der  sogenannten 
Popularphilosophie  mit  ungemeiner  Geringschätzung  behandelte 
und  sie  in  Bausch  und  Bogen  verurtheilte.  Da  man  sich  um  die 
Verschiedenheit  der  einzelnen  Individualitäten  nicht  viel  beküm- 
merte, so  stand  mau  nicht  an,  ein  Urtheil,  das  vielleicht  auf 
einen  Nicolai  noch  anwendbar  war,  auch  auf  Mendelssohn  aus- 
zudehnen. Eine  Folge  dieser  oberflächlichen  und  obenhin  ur- 
theilenden  Betrachtungsweise  ist  es  z.  B.,  wenn  Hegel  (Vorles. 
über  d.  Gesch.  d.  Philus.  Bd.  III.  pag.  537)  auf  den  seltsamen 
Einfall  gerätli,  Mendelssohn  eine  so  unbegrenzte  Eitelkeit  zur 
Last  zu  legen,  dass  er  sich  für  den  grössten  Philosophen  ge- 
balten habe  und  Niemanden  neben  sich  habe  wollen  aufkommen 


Reccnsionen  und  Anzeigen.  431 

lassen.  Wer  einem  Manne  wie  Mendelssohn,  dessen  ausser- 
ordentliche Bescheidenheit  von  Allen,  die  je  mit  ihm  in  Be- 
rührung gekommen  sind,  nachdrucklichst  hervorgehoben  wird, 
derartige  Vorwürfe  zu  machen  im  Stande  ist,  von  dem  darf  es 
uns  auch  nicht  Wunder  nehmen,  wenn  er  in  seiner  Beurtheilung 
der  litterarischen  Leistungen  Mendelssohns  an  Ausdrücken, 
wie  Flachheit,  Unwissenheit  und  ähnl.  fast  unerschöpflich  zu  sein 
scheint.  Dem  Beispiele  ihres  Meisters  folgend  hat  es  denn  die 
HegePsche  Schule  überhaupt  an  ebenso  schiefen  wie  ungerechten 
Urtheilen  über  Mendelssohn  nicht  fehlen  lassen.  Uns  genüge 
es  hier,  auf  die  Darstellung  zu  verweisen,  welche  Rosenkranz 
in  seiner  Geschichte  der  Kant'schen  Philosophie  von  Mendels- 
sohn gibt,  um  einzusehen,  zu  welchen  Albernheiten  ein  übel  an- 
gebrachter Pragmatismus  in  Hegelscher  Manier  selbst  einen  sonst 
so  feinen  Kritiker,  wie  es  Rosenkranz  unleugbar  ist,  zu  verleiten 
vermag.  Um  den  gewaltigen  Eindruck  zu  erklären,  welchen 
Mendelssohn  auf  Männer  wie  Garve,  Lessing  und  Kant  gemacht 
hat,  begnügt  man  sich,  daraufhinzuweisen,  dass  es  vorzugsweise 
der  Jude  Mendelssohn  gewesen  sei,  an  welchem  die  damalige 
Zeit  ein  so  hervorragendes  Interesse  nahm,  weil  man  erstaunt 
war,  „einen  aufgeklärten,  mit  so  viel  Geist  und  Charakter  aus- 
gestatteten Juden  und  in  ihm  die  Sehnsucht  nach  dem  allgemein 
Menschlichen,  für  das  man  schwärmte,  verkörpert  zu  sehen." 
So  viel  Richtiges  auch  einerseits  diese  Bemerkung  enthält,  so 
bot  sie  doch  andererseits  ein  Vehikel,  Mendelssohns  Verdienst 
um  die  deutsche  Litteratur  herabzusetzen  und  die  ihm  zuerkannte 
Stellung  in  derselben  einzig  und  allein  auf  diesen  äusserlichen 
Umstand  zurückzufuhren.  Man  kann  zugeben,  dass  ein  gut  Theil 
der  Begeisterung,  welche  man  Mendelssohn  entgegenbrachte,  der 
ungewohnten  Erscheinung  eines  vollständig  auf  der  Höhe  seiner 
Zeit  stehenden  Juden  galt,  ohne  ihn  deshalb  in  eine  Reihe  mit 
Männern  wie  Sulzer,  Teller  oder  Engel  zu  stellen.  Man  kann 
es  für  eine  Ueberschwänglichkeit  jener  Zeit  erklären,  wenn  man 
damals  in  Mendelssohn  einen  zweiten  Sokrates  zu  sehen  glaubte, 
oder  wenn  selbst  Lessing  (freilich  in  einem  Briefe  vom  Jahre 
1754)  von  ihm  sagt:  „seine  Redlichkeit  und  sein  philosophischer 
Geist  lässt  mich  ihn  im  Voraus  als  einen  zweiten  Spinoza  be- 
trachten, dem  zur  völligen  Gleichheit  mit  dem  ersten  nichts  als 
seine  Irrthümer  fehlen  werden"*,  man  kann  solchen  Uebertrei- 


432  Reccnsionen  und  Anzeigen.  *' 

bungen,  deren  sich  übrigens  jede  Zeit  ihren  hervorragenden 
Männern  gegenüber  schuldig  macht,  mit  einer  kuhleren  und  un- 
befangeneren Beurtheilung  entgegentreten,  ohne  für  die  wirklich 
bedeutenden  Vorzöge  des  Mannes  blind  zu  sein,  wie  es  eine 
Zeit  lang  in  der  Kritik  Mendelssobn's  der  Fall  war. 

Wir  müssen  es  daher  als  einen  Fortschritt  anerkennen,  wenn 
in  neuester  Zeit  Danzel  und  Hettner  dieser  zu  weit  getriebenen 
Reaction  ein  objectiveres  und  daher  milderes  Unheil  entgegen- 
setzten und  so  einer  gerechteren  Würdigung  der  Mendelssohn'schen 
Verdienste  um   die  deutsche  Literatur  Eingang   zu  verschaffen 
wussten.    Auf  Grund  dieser  Vorarbeiten  nun,  welche  den  Ver- 
fasser der  von  uns  zu  besprechenden  Schrift  in  seinen  Studien 
über  Mendelssohn  nicht  wenig  förderten,  von  welchen  er  jedoch 
die  Hettner'sche,  unserer  Ansicht  nach,   zu  sehr   unterschätzt, 
unternimmt  es  derselbe,  Moses  Mendelssohn  die  Stellung  anzu- 
weisen, welche  ihm  in  der  Geschichte  der  Aesthetik  gebührt. 
Im  ersten  allgemeinen  Theile  seiner  Arbeit  versucht  es  der  Verf., 
auch  seinerseits  die  Vorurtheile  zu  widerlegen,  welche  so  lange 
auf  der  Zeit  der  Aufklärung  und  der  Popularphilosophie  lasteten, 
und  die  Bedeutsamkeit  dieser  Periode  für  die  Entwickelungs- 
geschichte   der  deutschen  Philosophie    in  das  rechte  Licht   zu 
stellen.  Der  Verfasser  schliesst  sich  der  Auffassung  Kuno  Fischer' s 
an,  nach  welcher  die  Aufklärungsperiode  von  Leibnitz  erzeugt 
in  Lessing  ihren  grössten  Vertreter  findet  und  auf  einen  Kant  aus- 
geht.    Es  lässt  sich  nun  darüber  streiten,  ob  eine  derartige  Auf- 
fassung, welche  freilich  für  denjenigen,  der  wie  Kuno  Fischer 
bemüht  ist,  überall  eine  geradlinige  Entwickelung  der  philoso- 
phischen Systeme  und  Standpunkte  nachzuweisen,  ausserordent- 
lich viel  Bestechendes  hat,  in  Wahrheit  begründet  und  berech- 
tigt ist;   das  jedoch  muss  man  derselben    einräumen,   dass  sie 
ausserordentlich  geeignet  ist,   die  historische  Forschung  anzu- 
regen und  in  längst  aufgegebene  Gebiete  zurückzulenken. 

Wir  sind  zwar  nicht  der  Ansicht,  dass  es,  um  der  Zeit  der 
Aufklärung  gerecht  zu  werden  noth wendig  sei,  sie  so  weit  nach 
rückwärts  auszudehnen,  wir  können  uns  auch  dazu  nicht  bere- 
den lassen,  dass  es  gerade  die  Aufklärung  gewesen  sei,  welche 
einen  Lessing  gezeitigt,  und  müssen  es  endlich  auch  in  Abrede 
stellen,  dass  Kant  in  seinen  Leistungen  für  die  kritische  Philo- 


Recensionen  und  Anzeigen.  433 

sophie  von  den  Anschauungen  der  Auf  klarung  wesentlich  beein- 
flusst  worden  sei. 

Allein  dies  sind  Fragen  5  welche  den  eigentlichen  Kern  des 
von  unserem  Verfasser  behandelten  Gegenstandes  Wenig  berühren. 

Indem  der  Verf.  auf  Moses  Mendelssohn  übergeht,  macht  er 
mit  Recht  auf  das  nicht  geringe  Verdienst  der  Popularphilosophie 
aufmerksam,  welches  darin  bestand,  dass  sie  sich  bemühte,  ein 
Feld  der  Wissenschaft  wieder  anzubauen,  welches  der  voran- 
gegangenen Zeit  der  Aufklärung  fast  vollständig  abhanden  ge- 
kommen war,  wir  meinen  die  philosophische  Aesthetik.  Diese 
auffallende  Vernachlässigung  der  Kunstbetrachtung  hatte  ihren 
Grund  nicht  nur  in  der  Nüchternheit,  und  Unempfänglichkeit 
jener  Zeitrichtung,  deren  vorherrschende  Tendenzen  auf  Mora- 
lisirung  und  Aufklärung  des  Volkes  gerichtet  waren  sondern 
hängt  zum  grossen  Theile  auch  mit  der  niedrigen  Stellung  zu- 
sammen, welche  der  Sinnlichkeit  oder,  wie  sie  damals  hiess, 
dem  unteren  Seelenvermögen  in  der  unumschränkt  herrschenden 
Leibnitz-Wolff 'sehen  Philosophie  zuertheilt  wurde.  Obwohl 
Leibnitz  selbst  durch  seine  wunderbare  Universalität  davor  ge- 
schützt war,  die  Bedeutung  der  Aesthetik  zu  übersehen  oder 
zu  unterschätzen  und  in  der  That  auch  nach  dieser  Richtung  hin 
manchen  anregenden  Gedanken  geäussert  hatte,  so  lag  doch  der 
Keim  der  gerügten  Vernachlässigung  schon  in  Leibnitzen's  Auf- 
fassung der  Sinnlichkeit  als  verworrener  und  dunkler  Vorstel- 
lung. Ja  selbst  zur  Zeit,  als  durch  Baumgartens  Einführung 
der  aesthetiseben  Wissenschaft  in  das  System  der  damals  do- 
minirenden  Zeitphilosophie  kunstphilosopbische  Untersuchungen 
wieder  in  Schwung  gekommen  waren,  hatte  die  neue  Lehre  einen 
harten  Kampf  zu  bestehen,  bis  sie  diesen  Begriff  und  seine  Con- 
sequenzen  völlig  überwand.  Wir  glauben,  dass  dieser  Umstand 
von  dem  Verfasser  unserer  Schrift  mehr  hätte  hervorgehoben 
werden  müssen,  als  es  von  ihm  geschieht.  Dass  jene  Leibnitz'sche 
Lehre  in  der  That  von  so  nachhaltigem  Einflüsse  auf  das  Schick- 
sal der  Aesthetik  gewesen  ist,  beweist  übrigens  am  treffendsten 
der  Umstand,  dass  Baumgarten  einer  Entschuldigung  dafür  zu 
bedürfen  glaubte,  dass  et*  der  Untersuchung  jener  Wissenschaft 
seinen  Fleiss  zugewendet  habe,  trotzdem  den  aesthetiseben  Be- 
strebungen doch  nur  ein  Werth  für  die  niederen  Seelenkräfte 
beiwohne.  Ritter,  in  seiner  Geschichte  der  Philosophie,  vergleich 

F  r a  n  k  e  1 ,  Monatsschrift  XVII.  11.  33 


434  Recensionen  und  Anzeigen. 

diese  Aensserung  passend  mit  der  Entschuldigung  Wolff's  darüber, 
dass  er  empirische  Kenntnisse  der  Philosophie  beigemischt  habe. 
Es  lässt  sich  nun  leicht  einsehen,  dass  wer  mit  solchen  Ansich- 
ten über  den  Werth  seiner  Wissenschaft  an  die  Bearbeitung  der- 
selben geht,  wie  es  bei  Baumgarten  der  Fall  war,  nicht  gerade 
befähigt  ist,  derselben  einen  höheren  Aufschwung  zu  geben. 
Und  in  der  That  muss  man  Baumgarten's  Verdienst  dahin  be- 
schränken, dass  er  es  war,  der  zuerst  die  Aesthetik  als  ge- 
schlossene Wissenschaft  hinstellte,  die  verschiedenen  Thexle  der- 
selben unter  dem  neuen,  Allen  gemeinsamen  Namen  vereinigte 
und  dem  so  zu  Stande  gebrachten  Ganzen  seine  Stelle  im  Systeme 
der  philosophischen  Wissenschaften  anzuweisen  bemüht  war. 
Positive  Leistungen  auf  diesem  Gebiete  lassen  sich  ihm  wohl 
wenig  nachrühmen. 

Unter  den  Nachfolgern  und  Fortsetzern  Baumgartens  ist  es 
nun  Moses  Mendelssohn,  welcher  vor  Allen  die  Theorie  der 
schönen  Künste  am  glücklichsten  bearbeitete  und  ihre  Grenzen 
nicht  unbeträchtlich  erweiterte.  Das  Verdienst  unseres  Verfassers 
ist  es  daher,  zum  ersten  Male  mit  grösserer  Energie  darauf  hin- 
gewiesen zu  haben,  dass  auf  diesem  Gebiete  der  Schwerpunkt 
der  litterarischen  Thätigkeit  Moses  Mendelssohns  zu  suchen  sei. 
Es  würde  ein  unnützes  Unternehmen  sein,  wollten  wir  hier,  dem 
Gange  unseres  Buches  folgend,  durch  Auszüge  aus  demselben 
zu  zeigen  versuchen,  wie  der  Verfasser  seiner  Aufgabe,  Moses 
Mendelssohn's  Verdienste  um  die  Aesthetik  nachzuweisen,  gerecht 
wird.  Da  der  Verfasser  den  richtigen  Weg  einschlägt,  durch 
Analyse  der  hierher  gehörigen  Schriften  Mendelssohn's  und  durch 
eine  sich  hieran  knüpfende  Besprechung  der  gewonnenen  Re- 
sultate dem  Leser  ein  klares  Bild  von  der  hohen  Bedeutung 
Mendelssohn's  als  Kunstphilosophen  zu  liefern,  so  würden  wir 
weder  dem  Verfasser  noch  dem  Leser  einen  Dienst  damit  er- 
weisen, wenn  wir  über  dieses  Referat  hier  wiederum  zu  referiren 
versuchten.  Wir  müssen  daher  den  Leser  in  dieser  Beziehung 
auf  das  Buch  selbst  verweisen,  können  ihm  aber  zugleich  die 
Versicherung  mit  auf  den  Weg  geben,  dass  der  Verf.  es  ver- 
standen hat,  durch  eine  frische  und  kräftige  Darstellung  seines 
Gegenstandes  die  Leetüre  seiner  Schrift  zu  einer  ebenso  an- 
genehmen wie  lehrreichen  Beschäftigung  zu  machen.  Wir  wollen 
hier  nur  in  gedrängter  Weise  auf  diejenigen  Resultate  noch  auf- 


Recensionen  und  Anzeigen.  435 

merksam  machen,  welche  uns  von  besonderer  Bedeutung  für  die 
Erkenntniss  der  Mendelssohn'schen  Leistungen  auf  aesthetischem 
Gebiete  zu  sein  scheinen. 

Wir  haben  schon  oben  darauf  hingewiesen,  wie  die  Leib- 
nitzische  Lehre  durch  ihre  Auffassung  der  Sinnlichkeit  als  ver- 
worrener Vorstellung  hemmend  und  schädigend  auf  den  Fort- 
gang der  aesthetischen  Wissenschaft  gewirkt  hat.  Obschon  nun 
Mendelssohn  in  seinen  aesthetischen  Forschungen,  wenn  auch 
mit  Berücksichtigung  der  Engländer,  von  Baumgarten  ausgeht 
und  ein  bis  in  den  Tod  getreuer  Anhänger  der  Leibnitz- 
Wolff 'sehen  Schule  ist,  so  weiss  er  sich  doch  in  dieser  Bezie- 
hung von  seinen  Lehrmeistern  zu  emaneipiren  und  bekämpft  z.  B., 
wie  unser  Verfasser  gegen  Zimmermann  nachweist,  die  Ansicht, 
dass  Schönheit  in  der  undeutlichen  Vorstellung  einer  Vollkom- 
menheit beruhe.  Mendelssohn  bemüht  sich  in  den  Briefen  über 
die  Empfindung  den  Nachweis  zu  führen,  dass  Klarheit  der  Vor- 
stellung das  Vergnügen  nur  befördere.  Es  ist  überhaupt  das 
grosse  Verdienst  Mendelssobn's,  dass  er  die  von  Baumgarten 
nicht  geschiedenen  Begriffe  der  Schönheit  und  Vollkommenheit 
von  einander  sondert  und  die  Schönheit  als  die  gefällige  äussere 
Verknüpfung  in  der  Form  erklärt,  während  die  Vollkommenheit 
in  dem  vernünftigen  inneren  Zusammenhange  und  der  Zweck- 
mässigkeit bestehe.  Mit  Recht  macht  zwar  der  Verfasser  unserer 
Schrift  darauf  aufmerksam,  dass  Mendelssohn  in  den  Vorur- 
theilen  seiner  Schule  befangen  es  nicht  wagt,  die  Consequenzen, 
welche  sich  aus  dieser  Definition  der  Schönheit  ergeben,  selbst 
zu  ziehen.  Weit  entfernt,  die  Schönheit  der  Form  der  inneren 
Gesetzmässigkeit  und  Vollkommenheit  gleichzustellen,  scheut 
sich  vielmehr  auch  Mendelssohn  nicht  den  Satz  auszusprechen, 
dass  das  Vergnügen  an  der  sinnlichen  Schönheit  oder  der  Ein- 
heit im  Mannigfaltigen  blos  unserem  Unvermögen  zuzuschreiben 
sei  (S   3."S). 

Gehen  wir  nun  zu  einem  anderen  Punkte  über  und  sehen 
wir,  wie  Mendelssohn  es  verstanden  hat,  die  Grenzen  der 
Aesthetik,  welche  Baumgarten  so  eng  gezogen  hatte,  dass  eigent- 
lich nur  die  Poesie  und  Beredtsamkeit  dabei  berücksichtigt  wor- 
den waren,  zu  erweitern  und  auch  die  anderen  Künste  in  ihr 
Bereich  zu  ziehen.  Es  geschieht  dies  zuerst  bei  Gelegenheit 
einer  Recension,  welche  Mendelssohn  über  den  von  Meier  ver- 


436  Rezensionen  und  Anzeigen. 

öffentiichten  „Auszug  aus  den  Anfangsgründen  alter  schöner 
Künste  und  Wissenschaften"  für  die  Bibliothek  der  schönen 
Wissenschaften  schrieb  und  die  sich  in  den  gesammelten  Wer- 
ken 4,  1  S.  313  findet.  Es  dürfte  freilich  heut  zu  Tage  kaum 
glaublich  erscheinen,  dass  eine  allgemeine  Theorie  der  Aesthetik 
die  Malerei  und  Plastik  ebensowenig  wie  die  Musik  in  ihre 
Betrachtung  zieht  und  sich  fast  einzig  und  allein  mit  den  soge- 
nannten redenden  Künsten  beschäftigt.  Und  dennoch  ist  dies 
bei  Baumgarten  sowohl  als  bei  Meier,  der  sich  freilich  vollständig 
an  den  Ersteren  anschliesst,  der  Fall.  Erst  Mendelssohn  war 
es  vorbehalten,  diesen  Mangel  aufzudecken,  und  wir  wollen  da- 
her die  Worte,  mit  welchen  er  dies  thut,  hier  anführen. 

„Allein  uns  dünkt,  dass  der  Erfinder  dieser  Wissenschaft 
der  Welt  nicht  alles  geliefert  habe,  was  seine  Erklärung  des 
Wortes  Aesthetik  verspricht.  Die  Aesthetik  soll  eigentlich  die 
Wissenschaft  der  schönen  Erkenntniss  überhaupt,  die  Theorie 
aller  schönen  Künste  und  Wissenschaften  enthalten;  alle  Erklä- 
rungen und  Lehrsätze  derselben  müssen  daher  so  allgemein  sein, 
dass  sie  ohne  Zwang  auf  jede  schöne  Kunst  insbesondere  an- 
gewendet werden  können.  Wenn  man  z.  B.  in  der  allgemeinen 
Aesthetik  erklärt,  was  erhaben  sei,  so  muss  sich  die  Erklärung 
sowohl  auf  die  erhabene  Schreibart,  als  auf  den  erhabenen  Con- 
tour  in  der  Malerei  und  Bildhauerkunst,  auf  die  erhabenen  Gänge 
in  der  Musik,  und  auf  die  erhabene  Bauart  anwenden  lassen; 
denn  alle  diese  Künste  haben  ihren  niedrigen,  mittelmassigen 
und  erhabenen  Styl.  Erklärt  man,  was  die  Schönheit  in  den 
Gegenständen  sei,  so  muss  diese  Erklärung  einer  allgemeinen 
algebraischen  Formel  gleichen,  zu  welcher  man  nur  noch  einige 
Bestimmungen  hinzuzuthun  hat,  um  die  verschiedenen  Arten  der 
Schönheit  in  den  Gedanken,  in  der  Sprache,  in  den  Figuren, 
Linien  und  Bewegungen,  und  endlich  in  den  Tönen  und  Farben 
näher  erklären  zu  können.  Dieses  fordert  man  mit  Recht  von 
einer  Aesthetik,  von  einer  Theorie  der  Schönheit  überhaupt. 

Betrachtet  man  aber  die  Aesthetik  des  Herrn  Prof.  Baum- 
garten, oder  die  Anfangsgründe  des  Herrn  Meier  (denn  die  letz- 
tern sind  nichts  als  eine  weitläufigere  Ausführung  der  erstem, 
so  scheint,  als  wenn  man  bei  der  ganzen  Einrichtung  des  Werks 
bloss  die  schönen  Wissenschaften,  d.  i.  Poesie  und  Beredtsam- 
keit  zum  Augenmerk  gehabt  hätte  u.  s.  w." 


Recensiouen  und  Anzeigen.  437 

Bemerkens werth  ist  schliesslich  noch  die  Annäherung  an 
Kant,  welche  der  Verf.  mit  gutem  Rechte  in  einer  Stelle  der 
Morgenstunden  findet,  wo  Mendelssohn  gegen  die  Eintheilung 
ankämpft,  welche  nur  zwei  Seelenvermögen  anerkennt,  nämlich 
das  Erkenntnissvermögen  und  das  Begehrungsvermögen.  Men- 
delssohn erhebt  dagegen  Einsprache,  dass  man  die  Empfindung 
von  Lust  und  Unlust,  welche  durch  die  Betrachtung  des  Natur- 
oder Kunstschönen  erzeugt  wird,  dem  Begehrungsvermögen  zu- 
schreibe. „Wir  betrachten  die  Schönheit  der  Natur  und  der 
Kunst  ohne  die  mindeste  Regung  von  Begierde  mit  Vergnügen 
und  Wohlgefallen.  Es  scheint  vielmehr  ein  besonderes  Merkmal 
der  Schönheit  zu  sein,  dass  sie  mit  ruhigem  Wohlgefallen  be- 
trachtet wird,  dass  sie  gefällt,  wenn  wir  sie  auch  nicht  besitzen, 
und  von  dem  Verlangen,  sie  zu  benutzen,  auch  noch  so  weit 
entfernt  sind  u.  s.  w."  Man  muss  in  der  That  einräumen,  dass 
in  diesen  Worten  die  bedeutungsvolle  und  folgenreiche  Lehre 
Kant's  vom  interesselosen  Wohlgefallen  am  Schönen,  welche  den 
Kernpunkt  der  Kritik  der  Urtheilskraft  bildet,  im  Keime  schon 
enthalten  sei. 

Indem  wir  nun  die  Besprechung  der  oben  bezeichneten 
Schrift  schliessen,  können  wir  nicht  umhin,  den  Wunsch  auszu- 
sprechen, es  möge  dieselbe  dazu  beitragen,  das  Interesse  an  den 
Mendelssohn'schen  Schriften  auch  in  weiteren  Kreisen  wieder- 
zuerwecken  oder  neu  zu  beleben.  Eine  gerechtere  Würdigung 
des  nicht  minder  um  die  deutsche  Literatur  als  um  das  Juden- 
thum  hochverdienten  Mannes  wird  die  sorgfältige  Beschäftigung 
mit  seinen  Werken  wohl  hoffentlich  dann  von  selbst  herbei- 
führen. Dr.  J.  Guttmann. 


Homiletische  Monatsschrift  für  Rabbiner,  Prediger 
und  Religionslehrer.  Redigirt  und  herausgegeben  von 
Dr.  S.  H.  Sonneschein.    Prag,  H.  Dominicus. 

Die  jüdische  Predigt  ist  längst  aus  dem  Kindesalter  heraus- 
getreten und  gewinnt  auch  in  den  Kreisen,  wo  man  noch  vor 
einigen  Jahrzehnten  Vorträge  in  der  Landessprache  als  ketze- 
rische Neuerung  verurtheilte ,  immer  mehr  Boden.  Schon  hat 
auch  die  Predigtliteratur  treffliche  Muster  aufzuweisen,  an  denen 


438  Recensionen  und  Anzeigen. 

jüngere  Theologen  sich  bilden  können,  und  von  Tag  zu  Tag 
mehren  sich  die  Veröffentlichungen  theils  ganzer  Sammlungen, 
theils  einzelner  Predigten.  Gleichwohl  lasst  sich  nicht  leugnen, 
dass  auf  diesem  Gebiete  noch  sehr  viel  zu  leisten  ist.  Noch  fehlt 
es  an  einer  Theorie  der  jüdischen  Homiletik  ebenso  wie  an  einer 
Geschichte  derselben,  noch  sind  die  Grenzen,  innerhalb  welcher 
die  Bibelexegese  oder  der  Midrasch  in  der  Predigt  eine  Stelle 
finden  sollen,  nicht  abgesteckt,  noch  gibt  es  Prediger,  die  ihren 
eigenen  Weg  gehen  und  entweder  durch  allzusehr  gehäufte  Citate 
aus  Profanschriftstellern  ihre  Predigt  dem  Leser  ungeniessbar 
machen,  oder  durch  schulgerechte  und  trockene  Behandlung  dss 
Themas  in  die  Gefahr  kommen,  —  langweilig  zu  werden.  Da 
hat  denn  ein  Journal,  das  die  Interessen  der  Predigt  im  weitesten 
Sinne  vertreten  soll,  ein  weites  Feld  der  Thätigkeit,  und  es  war 
daher  der  „Homiletischen  Monatsschrift"  gleich  bei  ihrer  Be- 
gründung ein  günstiges  Prognosticon  zu  stellen.  Und  die  vor- 
liegenden Hefte  (Januar  bis  Juli)  haben  die  gehegte  Erwartung 
in  dem  Masse  befriedigt,  dass  dem  Unternehmen  ein  fernerer 
gedeihlicher  Fortgang  zu  wünschen  ist. 

Die  erste  Rubrik  „Erklärung  der  Hagada  in  historischer  wie 
in  philologischer  Hinsicht"  brachte  nebst  einer  anregenden  Ab- 
handlung vom  Herausgeber  recht  schätzenswerthe  Beiträge  von 
Dr.  Jellinek  unter  dem  Titel  „Hagadische  Analecten",  deren 
Fortsetzung  jedem  Leser  willkommen  sein  wird.  Als  „Darstel- 
lung des  dogmatischen  und  ethischen  Lehrinhalts  der  heiligen 
Schrift"  ist  die  grössere,  sehr  gründliche  Abhandlung  von  Dr. 
G.  Perlitz  über  das  „Verhältniss  Ibn  Esra's  zu  Saadias"  vorzüg- 
lich herzorzuheben.  Besonders  wirft  das  dritte  Capitel  (S.  160 ff.) 
auf  die  philosophischen  Ansichten  Beider  interessante  Streiflichter, 
so  dass  eine  Vervollständigung  der  hier  uud  anderweitig  von 
demselben  Verf.  mitgetheilten  Studien  über  Ibn  Esra  das  Ver- 
ständniss  dieses  Exegeten  wesentlich  bereichern  durfte. 

Neben  dieser  streng  wissenschaftlichen  Abhandlung  wurden 
in  anregender  Weise  Fragen  besprochen,  die  das  Wesen  und 
die  Theorie  der  jüdischen  Predigt  betreffen,  oder  auf  den  öffent- 
lichen Gottesdienst,  den  Religionsunterricht  u.  s.  w.  Bezug  haben, 
ja  auch  eine  an  das  Feuilleton  streifende  Skizze  ,.Der  Maggid 
von  Dubno"  fand  in  einem  Hefte  ihre  Stelle.  Hauptsächlich 
wurde  natürlich  die  Predigt  und  besonders  die  Casualrede  be- 


Recensionen  und  Anzeigen.  439 

rücksichtigt.  Und  hier  finden  wir  Leistungen  von  anerkannten 
Meistern  der  jüdischen  Kanzelberedtsamkeit,  die  den  bereits  be- 
kannten derselben  sich  würdig  anreiben;  so  die  „Kleinen  Reden" 
und  die  ebenso  tief  empfundenen,  wie  an  Form  und  Inhalt  ge- 
diegenen „Leichenreden"  von  Dr.  Jellinek,  ferner  vom  sei. 
Mannheimer  eine  „Rede  am  Grabe  der  Märzgefallenen",  zuletzt 
von  Dr.  Klemperer  eine  recht  geistvoll  durchgeführte  Trau- 
predigt. Auch  von  den  übrigen  Mitarbeitern  verdient  manche 
Leistung  besonders  erwähnt  zu  werden,  so  eine  Sabbath-Tol- 
doth- Predigt  und  eine  Leichenrede  von  Dr.  N.  Brüll,  der  in 
Bezug  auf  geschickte  Handhabung  des  Textes  und  kraftvolle 
Sprache  vielfach  an  Jellinek  erinnert,  ferner  vom  Herausgeber 
einige  Predigten  und  Casualreden,  unter  denen  besonders  die 
Predigt  „Wissenschaft  versöhnt"  durch  angemessene  Behand- 
lung des  Themas  den  Leser  ebenso  interessirt,  wie  sie  den  Zu- 
hörer gewiss  erbaut  hat. 

Alle  die  einzelnen  Predigten  zu  besprechen,  würde  zu  weit 
führen;  es  genüge  die  Bemerkung,  dass  der  Leser  in  jedem 
Hefte  Lesenswerthes,  Interessantes  und  Neues  finden  und  immer 
eine  fruchtbare  Anregung  empfangen  wird.  Zwar  wird  ihn  nicht 
Alles,  was  Aufnahme  gefunden  hat,  in  gleicher  Weise  befriedigen. 
Er  wird  z.  B.  in  der  „Festrede"  von  Dr.  Zipser  (S.  139 ff.)  durch 
den  Aufwand  von  Gelehrsamkeit  sich  nicht  blenden  lassen  und 
die  etwaige  Belehrung,  die  die  vielen  Citate  (aus  Herod.,  Thu- 
eid;,  Philo,  Tit.  Liv.,  Tacit.,  Arion,  Alex,  apud  Vitrov  (?)  etc.  etc.) 
bieten  konnten,  sich  lieber  aus  einem  Reallexicon  holen  wollen. 
Indess,  es  hat  auch  in  der  Predigt  Jeder  seinen  eigenen  Ge- 
schmack und  —  sein  eigenes  Genre.  Oder  vielleicht  ist  es  eben- 
sosehr eine  Kunst,  eine  inhaltsleere,  wie  inhaltreiche  Predigt  zu 
halten.  Wenigstens  konnte  Rec.  nur  von  diesem  letzteren  Ge- 
sichtspunkte aus  die  Grabrede  von  Dr.  Rothschild  (S.  158  ff.) 
zu  Ende  lesen. 

Doch,  wir  wollen  gegenüber  einem  Unternehmen,  das  alle 
Aufmunterung  verdient,  wegen  mancher  Einzelheiten,  wohin  wir 
auch  die  Ungenauigkeit  der  Correctur  rechnen,  keinen  kritischen 
Feldzug  eröffnen  und  erwähnen  bloss  noch,  dass  die  Homiletische 
Monatsschrift  auch  für  Läuterung  des  Geschmackes  und  Anbah- 
nung des  Besseren  Manches  zu  leisten  bestrebt  ist,  indem  eine 
besondere  Rubrik  in  jedem  Hefte  Recensionen  und  Bibliographie 


44D  Monatschronik. 

gewidmet  wird.  Wenn  hier  auch  manche  neue  Erscheinung  be- 
sprochen wird,  die  mit  der  jüdischen  Predigt  nicht  im  engen 
Zusammenhange  steht,  so  werden  doch  die  meisten  Leser  dem 
Herausgeher  dafür  dankbar  sein.  D.  G. 


Monatsehronik. 


Berlin.  Die  Bukarester  Juden  haben  sich  wiederum  hierher 
gewendet  mit  der  Bitte  die  geeigneten  Schritte  zu  veranlassen, 
um  den  Grausamkeiten  ein  Ziel  zu  setzen,  denen  sie  noch  immer 
ausgesetzt  sind.  Graf  Bismarck  wird  ohne  Zweifel  seinen  Ein- 
fluss  aufbieten,  um  dem  Wunsche  der  dortigen  Juden  gerecht 
zu  werden.  Ob  dies  jedoch  von  Erfolg  sein  wird,  solange  Bra- 
tiano  am  Ruder  bleibt,  wird  von  vielen  Seiten  mit  Grund  be- 
zweifelt. 

Madrid.  Die  spanisch  -  portugiesischen  Juden  in  London  be- 
glückwünschten in  einer  Zuschrift  an  Prim  das  spanische  Volk 
zu  seiner  Befreiung  vom  bourbonischen  Joche  und  sprechen  zu 
gleicher  Zeit  die  Bitte  aus,  es  möge  nunmehr  auch  das  Verbot 
aufgehoben  werden,  welches  den  Juden  den  Aufenthalt  in  Spa- 
nien untersagte.  Prim  rieth  in  seinem  Erwiderungsschreiben 
den  portugiesischen  Juden,  sich  mit  ihrem  Gesuche  an  die  pro- 
visorische Regierung  zu  wenden.  Die  in  der  Zwischenzeit  er- 
lassene allgemeine  Religionsfreiheit  wird  wohl  auch  diese  An- 
gelegeiiheit  erledigt  haben. 

Paris.    Baron  von  Rothschild  ist  gestorben. 

Wien«  Herrn  Dr.  Gudemann  ist  das  hiesige  Rabbinat  über- 
tragen worden.  Die  in  einem  bekannten  jüdischen  Blatte  er- 
schienenen Schmähartikel  gegen  Dr.  Gudemann  haben  hier  all- 
gemeine Indignation  erregt. 


"Tifc»  — •"!,» *a^ 


Sine  Alexandrinische  LiebesgescMcMe. 

Vom  Heransgeber. 


Wir  nahen  uns  der  heil.  Schrift  mit  tiefer  Verehrung 
als  der  Verkünderin  der  höchsten  Wahrheit  und  sind  er- 
füllt mit  Hochachtung  vor  den  in  ihr  niedergelegten  Ge- 
setzen als  dem  Ausdrucke  tiefer  Weisheit.  Aber  sie  ist  uns 
nicht  nur  Lehrerin,  spricht  nicht  nur  zum  Geist,  auch  die 
Sprache  des  Gemüthes  nach  allen  seinen  Richtungen  ver- 
nehmen wir  in  ihr,  sie  gibt  den  verschiedenen  Regungen 
des  Gefühles  den  beredtesten  Ausdruck,  wir  hören  in  ihr 
eine  Sprache  des  Herzens,  deren  Widerhall  in  unserem 
Innern  in  tausend  Accorden  nachklingt.  Ziehet  sich  doch 
selbst  durch  die  Gesetze  eine  wohlthuende,  Recht  mit 
Billigkeit  paarende  Milde,  und  wir  können  nicht  umhin, 
auch  in  den  Vorschriften  des  strengen  Rechts  den  wohl- 
wollenden ,  menschliche  Schwächen  und  menschliches 
Fehlen  berücksichtigenden  Gesetzgeber  zu  erkennen;  und 
mit  welchen  Farben  zeichnet  die  Schrift  ihre  Gestalten 
und  gibt  in  ihnen  den  edelsten  Gefühlen  Ausdruck!  Die 
Freundschaft,  wo  ist  sie  so  tief  empfunden,  wo  ihre  Sprache 
so  lebendig  gesprochen  worden  als  in  dem  Bilde,  das  die 
Schrift  von  Jonathan  entwirft?  Mit  welchef  Uneigen- 
nützigkeit,  mit  welcher  Nichtberücksichtigung  der  ihm  aus 
seiner  Freundschaft  drohenden  Todesgefahr  gibt  ersieh  dem 
Freunde  hin,  entsagt  er,  der  präsumtive  Thronerbe,  seinen 
eigenen  Ansprüchen  und  ruft  jenem  zu:  „Du  wirst  König 

F  r  »  n  k  e  1,  UonatMchrift.  X VU.  12.  34 


442  Eine  Alexandrinische  Liebesgeschichte. 

sein  und  ich  will  gern  den  zweiten  Rang  nach  Dir  ein- 
nehmen". Wie  weit  stehen  die  Freundschaftsbilder  des 
klassischen  Alterthums  hinter  dieser  Freundschaft  zurück ! 

—  Und  welch'  ein  schönes  Gemälde  kindlicher  Hingebung 
wird  in  „Ruth"  gezeichnet.  Der  Erzähler  hat  seinen 
Pinsel  in  die  Tiefen  des  Herzens  getaucht,  die  Farben 
sind  den  edelsten  Gefühlen  entnommen ,  einfach  und  gross, 
still  und  menschlich  erhaben,  so  ist  nach  dem  Ausspruche 
des  bekannten  grossen  Dichters  Ruth  das  schönste  Idyll 
des  Alterthums. 

Unter  den  Bildern  dieser  edleren  Regungen  hat  die 
Liebe  keinen  Raum  gefunden.  Wir  besitzen  zwar  ein 
erotisches  Gedicht,  in  welchem  der  Schäfer  Aminadib1) 
und  die  Schäferin  Sulamith  unübertroffene  Liebeslieder 
gegenseitig  austauschen;  einer  Li e b es geschichte  jedoch 
ging  die  Schrift  aus  dem  Wege  oder  Hess  sie  vielmehr, 
weil  bei  der  Auseinandersetzung  manches  den  Charakter 
der  Schrift  Alterirende  unvermeidlich,  nicht  an  sich  heran- 
treten, nur  mit  kurzen  Worten  werden  manche  Liebes- 
verhältnisse berührt.  Erst  die  Apokryphen  des  A.  T. 
bringen  eine  Liebesgeschichte,  zwar  nicht  einen  Roman 

—  der  Roman  im  modernen  Sinne  datirt  erst  aus  dem 
Mittelalter  — ,  aber  eine  ausgesponnene  Liebesintrigue  in 
ihrer  ganzen  Nacktheit  und  Unreinheit.  Die  Bücher  der 
Apokryphen  gehören  ihrer  grossen  Mehrzahl  nach  Alexan- 
drien  an  und  sind  ursprünglich  griechisch  verfasst,  nur 
das  Buch  Sirach  und  das  erste  Buch  der  Maccabäer  sind 
palästinensischen  Ursprunges  und  waren  in  aramäischer, 


l)  Hohel.  6,  12  heisst  es:  aTj  "»DJ/  nU31D  "OnDtf  HPDJ  TIJ/T  N$>. 
Dieser  Vers  hat  Uebersctzern  und  Exegeten  viele  Mühe  gemacht;  da 
sich  aber  der  Eigenname  3irDJ7  im  Buche  Nuin.  mehreremals  findet, 
so  dürfte  dieses  2nJ  ^Ü)}  als  identisch  mit  2lTOy  und  als  Namen  des 
Geliebten  der  Sulamith  zu  nehmen  sein,  und  die  Uebereetzung  also 
heissen:  „Mir  selbst  unbewusst  hat  meine  Seele  mich  gemacht  zum 
Wagen  des  Aorinadib'*  d.  h.  er  beherrscht  mich  ganz,  hat  sich  ganz 
meiner  bemächtigt.  Vgl.  auch  die  Septuaginta,  welche  hat  ov*  Jpm> 
r\  ipvxri  fwv  B&eto  p$  ctQpcctcc  'A(uvaddß.    Vielleicht  las   der  Verteilt 


Eine  Alexandrinische  Liebesgeschichte.  443 

der  damals  in  Palästina  landesüblichen  Sprache  geschrie- 
ben, später  wurden  sie  in  Alexandrien  ins  Griechische 
übertragen.  Die  Synagoge  nahm  kein  Buch  der  Apo- 
kryphen in  die  heil.  Schrift  auf;  in  Alexandrien  scheinen 
die  Apokryphen  zu  den  heil.  Büchern  gezählt  worden  zu 
sein8),  die  Kirche  erklärt  sie  für  canonisch*  —  Manche 
dieser  apokryphischen  Bücher  bilden  einen  Anhang  zu 
den  Büchern  der  Schrift  und  zu  diesen  zählt  Susanna3). 
Das  Buch  Susanna  gibt  sich  als  Einleitung  zu  dem  Buche 
Daniel  und  will  berichten,  wie  schon  in  dem  Jüngling 
Daniel  sich  der  göttliche  Geist  manifestirte.  Es  wird  da- 
selbst erzählt: 

In  Babylon  wohnte  ein  reicher  und  angesehener  Mann 
Namens  Joakfrn,  der  die  schöne  und  gottesfürchtige  Su- 
sanna, Tochter  des  Helkia,  zur  Frau  hatte.  Joakim  besass 
einen  Lustgarten  neben  seinem  Hause  und  es  kamen  bei 
ihm  die  Juden  zusammen.  Da  wurden  einst  zwei  Aelteste 
aus  dem  Volke  zu  Richtern  erwählt,  diese  waren  bestän- 
dig im  Hause  Joakims,  und  es  ging  zu  ihnen  alles  Volk 
zu  Gericht.  Wenn  nun  das  Volk  um  Mittag  weggegangen 
war,  begab  sich  Susanna  in  den  Garten,  um  daselbst  zu 
lustwandeln.  Da  bekamen  diese  Aeltesten,  welche  sie 
täglich  hinein-  und  herausgehen  sahen,  Lust  zu  ihr,  ver- 
bargen aber  vor  einander  ihre  Begierde  und  stellten  sich 
als  gingen  sie  nach  Hause,  kehrten  aber,  nachdem  sie 
sich  getrennt,  wieder  in  den  Garten  zurück.  Da  sie  sich 
einander  begegneten,  blieb  ihnen  nichts  übrig,  als  ein- 
ander ihre  frevelhafte  Lust  zu  gestehen  und  sie  verab- 
redeten sich,  einen  Zeitpunkt  abzupassen,  wo  sie  Susanna 
allein  treffen  würden.    Und   diese  Gelegenheit   bot  sich 


*)  Bei  Philo  begegnet  man  zwar  nicht  einem  Citat  ans  den  Apo- 
kryphen, dieses  Schweigen  ist  jedoch  nicht  beweisend,  da  auch  manche 
Bücher  der  heil.  Schrift  nicht  von  ihm  citirt  worden.  Hingegen  be- 
sitzen die  Falaschas,  die  Abkömmlinge  ausgewanderter  alexandrinischer 
Jaden,  mehrere  apokryphische  Bücher.  Vgl.  2.  «Jahrg.,  S.  472  dieser 
Monatsschrift. 

•)  Eigentlich  Sosanna,  das  hebr.  HJtsW  (Rose),  und  so  hat  auch 
die  Septnaginta  Sooaawce, 

34 # 


r 

i 


444  Eine  Alexandriniscbe  Liebesgeschichte. 

an   einem   Tage   dar  als   Susanna   nach    ihrer  Gewohn- 
heit  im  Garten  spazieren  ging,  begleitet  von  zwei  Mäd- 
chen.   Da  der  Tag  sehr  heiss  war,  bekam  sie  Last    zu 
baden  und  sie  befahl  den  Mädchen,  ihr  Oel  und  Salben 
zu  bringen  und  die  Thüren  des  Gartens  zu  verschliessen. 
Kaum  hatten  sich  die  Mädchen  entfernt,  da  stürzten  die 
zwei  Aeltesten,  die  sich  im  Garten  verborgen  hatten,  auf 
Susanna  zu  und  sprachen:  Thue  unseren  Willen  und  er- 
gib Dich  uns,  wo  nicht,  so  werden  wir  Zeugniss  ablegen, 
dass  ein  Jüngling  bei  Dir  war  und  Du  deshalb  die  Mäd- 
chen   fortschicktest.  —  Und    Susanna    sprach    seufzend: 
Grosse  Angst  umgibt  mich  von  allen  Seiten,  willfahre  ich 
Euerem  Willen,  so  erwartet  mich  Tod  von  oben,  willfahre 
ich  ihm  nicht,  so  werde  ich  Euren  Händen  nicht  entgehen ; 
doch  besser  ihm  nicht  zu  willfahren  und  in  Euere  Hände 
zu  fallen  als  vor  Gott  zu  sündigen.  —  Und  als  am  an- 
deren Tage  das  Volk  bei  Joakim,  dem  Manne  Susanna's, 
zusammenkam,  traten  die  Aeltesten  voll   ruchloser   An- 
schläge auf  und  sprachen  zum  Volke:  schicket  um  Susanna« 
Susanna  erschien  und  die  Aeltesten  sagten:    „Wir  wan- 
delten allein  im  Garten  herum  und  es  trat  diese  mit  zwei 
Mädchen  hinein,  die  sie  fortschickte  und  hierauf  die  Thüre 
des  Gartens  verschloss.    Und   es  kam   nun   zu   ihr    ein 
Jüngling,  welcher  sich  verborgen  hatte  und  schlief  mit 
ihr.    Wir  befanden  uns   in    einem  Winkel   des  Gartens 
und  liefen,  als  wir  diese  Schandthat  sahen,   auf  sie   zu. 
Des  Jünglings  konnten  wir  uns  nicht  bemächtigen,  da  er 
stärker  war  als  wir,    er  öffnete  die  Thüre  und  entfloh. 
Diese  aber  ergriffen  wir  und  fragten  sie,  wer*  der  Jüngling 
sei,  sie  wollte  es  aber  nicht  sagen.    So  bezeugen  wir  es." 
Die  Gemeinde   glaubte   es  ihnen,   da  sie  Aelteste   und 
Richter  des  Volkes  waren,  und  verurtheilte  Susanna  zum 
Tode.    Susanna  aber  rief  mit  lauter  Stimme  und  sprach: 
„Ewiger  Gott,    Richter  des  Verborgenen,   der  Du  Alles 
siehest,  ehe  es  geschieht,  Du  weisst,  dass  sie  falsch  wider 
mich  gezeugt;  ich  sterbe,  ohne  etwas  von  dem  gethan  zu 
haben,  was  sie  schändlicher  Weise  wider  noch  ersonnen.*c 
Und  der  Herr  erhörte  ihre  Stimme.    Als  sie  zum  Tode 
abgeführt  wurde,  erweckte  Gott  den  heiligen  Geist  eines 


Eine  Alexandrinische  Liebesgeschichte.  445 

Jünglings  Namens  Daniel.  Dieser  rief  mit  lauter  Stimme : 
„Ich  bin  unschuldig  an  diesem  Blute!"  Das  ganze  Volk 
wandte  sich  zu  ihm  und  sprach:  „Was  ist  das  für  eine 
Sprache,  die  Du  gesprochen?"  Er  aber  trat  in  ihre  Mitte 
und  sprach:  „Seid  ihr  so  thöricht,  o  Söhne  Israels,  eine 
Tochter  Israels  zum  Tode  zu  verurtheilen,  ohne  genau  zu 
forschen,  ohne  das  Richtige  zu  wissen?  Kehret  zurück 
zum  Gerichte,  denn  diese  haben  falsch  wider  sie  gezeugt/4 
Und  das  Volk  kehrte  zurück  und  die  Aeltesten  sprachen : 
„Setze  Du  Dich  unter  uns  und  berichte."  Daniel  aber 
sprach:  „Entfernt  sie  weit  einen  vom  andern,  dann  werde 
ich  mit  ihnen  die  Untersuchung  anstellen."  Nachdem  sie 
von  einander  entfernt  waren,  berief  er  den  Einen  und 
sprach  zu  ihm:  „0  Du,  dessen  Tage  voller  Bosheit  sind! 
jetzt  kommen  über  Dich  die  Sünden,  die  Du  früher  be- 
gangen, da  Du  ungerechte  Urtheile  gefällt,  die  Unschul- 
digen verurtheilt,  die  Schuldigen  losgesprochen  hast,  und 
Oott  sagt  doch,  du  sollst  den  Unschuldigen  und  Gerechten 
nicht  umbringen.  Wenn  Du  nun  diese  gesehen  hast,  so 
sage  doch,  unter  welchem  Baume  hast  Du  sie  gesehen 
mit  einander  verkehren?"  „Unter  einem  Mastixbaum," 
erwiderte  Jener.  „Du  hast  wider  Deinen  Kopf  gelogen, 
sagte  hierauf  Daniel,  schon  hat  ein  Engel  von  Gott  den 
Auftrag  erhalten,  Dich  in  der  Milte  zu  zerschneiden."  Er 
Hess  ihn  abtreten  und  befahl,  den  Anderen  herbeizuführen. 
„Samen  Kanaan's  und  nicht  Juda's,  Dich  verführte  die 
Schönheit,  und  die  Begierde  hat  Dein  Herz  verkehrt!  so 
habet  Ihr  es  mit  den  Töchtern  Israels  gemacht  und  sie 
gaben  Euch  aus  Furcht  nach,  aber  diese  Tochter  Juda's 
widerstand  Eurer  Schändlichkeit.  Sage  mir  nun,  unter 
welchem  Baume  hast  Du  sie  gesehen  miteinander  ver- 
kehren?" Dieser  sagte:  unter  einer  Steineiche.  Da  sagte 
Daniel:  „auch  Du  hast  wider  Deinen  Kopf  gelogen.  Der 
Engel  Gottes  ist  bereit,  Dich,  das  Schwert  haltend,  in  der 
Mitte  durchzusägen,  damit  Ihr  ausgerottet  werdet."  —  Und 
die  ganze  Gemeinde  lobte  Gott  mit  lauter  Stimme,  der 
die  auf  ihn  Hoffenden  rettet,  und  sie  erhob  sich  gegen  die 
beiden  Aeltesten,  die  Daniel  aus  ihrem  eigenen  Munde 
der  Lüge  überführt  hatte. 


446  Eine  Alexandrinische  Liebesgeschichte. 

Man  that  ihnen  nach  dem  Gesetze  Mosis  in  der  Weise, 
wie  sie  dem  Nächsten  zu  thun  in  schändlicher  Art  beab- 
sichtigt hatten,  man  richtete  sie  hin  und  es  wurde  an  jenem 
Tage  unschuldiges  Blut  gerettet.  Heskia  und  seine 
Frau  lobten  Gott,  wegen  ihrer  Tochter,  sowie  Joakim, 
ihr  Gatte  und  ihre  Verwandten,  dass  an  ihr  keine  schänd- 
liche That  gefunden  wurde.  Und  Daniel  wurde  von 
diesem  Tage  an  und  weiter  gross  in  den  Augen  des 
Volkes. 

So  weit  die  Erzählung  dem  grösseren  Theile  nach. 
Das  Unwahrscheinliche  legt  sich  von  selbst  dar  und  es 
ist  zu  verwuudern,  dass  das  Buch  Susanna  je  als  canonisch 
anerkannt  wurde.  Scheint  doch  die  plumpeDarstellungsweise 
selbst  auf  den  Versuch  einer  Täuschung  zu  verzichten. 
Dieses  tumultuarische  Verfahren  des  Volkes,  das  die  als 
tugendhaft  bekannte  Susanna  ohne  weitere  Untersuchung 
auf  blosse  Aussage  zum  Tode  verurtheilt,  ist  nicht  nur 
unmotivirt,  sondern  dem  Griminalprozessverfahren  des 
mosaischen  Rechts,  das  auf  vielen  8eiten  auf  genaue 
Untersuchung  dringt,  durchaus  widersprechend.  Und 
gerade  Daniel,  den  der  Verfasser  verherrlichen  will,  er- 
scheint in  ganz  entgegengesetztem  Lichte.  Der  Ausruf: 
„Ich  bin  unschuldig  an  diesem  Blute!"  ist  ihm  ebenso 
unsinnig  in  den  Mund  gelegt,  wie  sein  die  beiden 
Aeltesten  von  vornherein  als  Bösewichter  brandmarken- 
des Verhör.  Woher  wusste  Daniel  vor  noch  nicht  ge- 
schehenem Widerspruche  der  Aeltesten,  dass  sie  schuldig 
und  Susanna  unschuldig  sei?  Der  kindische  Verfasser 
hat  auch  vergessen,  dass  nach  seiner  Darstellung  Daniel 
die  Aussage  der  Aeltesten  bestärkt  und  sich  selbst  als 
den  Jüngling  denuncirt,  mit  dem  Susanna  die  verbreche- 
rische That  begangen.  Wie  konnte  er  sonst  nach  dem 
Baum  fragen,  da  die  Aeltesten  gar  nicht  sagten,  dass  die 
That  unter  einem  Baume  begangen  worden  sei?  Und 
nun  das  abermalige  stürmische  Verfahren  bei  Verurthei- 
lung  der  Aeltesten,  und  noch  dazu  auf  einen  Widerspruch 
in  der  Aussage  eines  mit  der  eigentlichen  That  nicht  im 


Eine  Alexandrinische  Liebesgeschichte.  447 

Zusammenhange  stehenden  Urostandes,  und  dieses  nennt 
der  Verfasser:  „nach  dem  Gesetze  Mosis." 

Das  Gedachte  weiset  darauf  hin,  dass  das  Buch 
Susanna  Alexandrien  und  nicht  Palästina  zur  Hei- 
math habe.  In  Palästina,  woselbst,  wie  die  Mischna 
zeigt,  schon  in  früherer  Zeit  viel  über  Zeugenaussage 
und  Zeugenverhör  geforscht  wurde,  war  man  zu  sehr 
mit  dem  Gerichtsverfahren  bekannt,  als  dass  sich  Jemand 
in  einem  Schriftwerke  solcher  Unwissenheit  schuldig  ge- 
macht hätte.  Noch  prägnanter  spricht  ein  anderer,  schon 
im  3.  Jahrhundert  bemerkter  Umstand4)  für  Alexan- 
drien, Daniel  sagt  zu  dem  einen  Aeltesten,  der  einen 
Mastixbaum  angibt:  „also  wird  der  Engel  dich  von 
einander  trennen"  und  zu  dem  eine  Steineiche  angeben- 
den Aeltesten:  „so  wird  der  Engel  dich  von  einander 
spalten. u  Dieses  gibt  weder  in  hebräischer,  noch  in 
aramäischer,  sondern  nur  in  griechischer  Sprache  einen 
Sinn.5)  Das  Buch  ist  also  griechisch  verfasst,  griechisch 
schrieb  man  aber  nur  in  Alexandrien,  nicht  in  Palästina. 

Fragen  wir  nun:  hat  diese  Erzählung  einen  geschicht- 
lichen Hintergrund?  Gerade  die  sie  characterisirende 
Abgeschmacktheit  führt  auf  eine  solche  Vermuthung: 
selbst  der  phantasiereichste  Alexandriner  würdsnicht,  so  er 
nicht  ein  Relief  vorgefunden,  ein  derartiges  nebelhaftes 
Gebäude  aufgeführt  haben;  und  in  der  That  zeigt  sich 
bei  näherem  Eingehen  eine  geschichtliche  Handhabe. 
Für  die  zwei  lasterhaften  Aeltesten  ist  zu  verweisen  auf 
Jerem.  29,21—24,  woselbst  erzählt  wird,  dass  zwei  sich 
für  Propheten  ausgebende  Männer  mit  den  Frauen  ihres 
Nächsten  Unzucht  getrieben.  Diese  zwei  Propheten  dien- 
ten dem  Erzähler  als  Vorbild  für  die  zwei  Aeltesten/) 


4)  Vgl.  Origenee  ad  Jul.  African.  Oper.  Tom.  II.  Edit.  de  1a  Rue. 

•)  Anf  die  Antwort  des  einen  Aeltesten  vnb  o%tvovy  sagt  Daniel 
fjdri  yag  ayysXog  .  .  .  .  o%loei  öe  pdcov,  und  auf  die  andere  Antwprt 
vno  itqivov,  sagt  Daniel  p&vH  yaq  6  ayyeXog  itqtaai  ob  (daov. 

•)  Vgl.  Hieronymu8  bei  Fritsche  Kurzgefasstes  exeget.  Handbach 
zu  den  Apokryphen  des  A.  T.  S.  134.  Nor  hält  Hieron.  seiner  Zeit 
gemäss  das  Bach  Susanna  für  echt  and  meint,  die  zwei  Aeltesten  seien 


448  Eine  Alexandrinische  Liebesgeschichte. 

Die  den  Angelpunkt  des  Buches  bildende  Untersuchung 
„unter  welchem  Baume"  scheint  auf  einem  b.  T.  Syn- 
hedrin  41  a.  erzählten  Hergang  zu  beruhen.  Daselbst 
wird  mitgetheilt  rUKn  ^Spi»  TOI  p  p"Q1  PWJ»  „ben  Saccai 
untersuchte  die  Zeugen  an  den  Stengeln  eines  Feigen- 
baumes", d.  i.  zwei  Zeugen  hatten  in  einer  Capitalsache 
ausgesagt,  das  Verbrechen  sei  unter  einem  Feigenbaume 
begangen  worden  und  ben  Saccai  befragte  die  Zeugen, 
jeden  einzeln,  nach  der  Form  der  Stengel:  ergibt  sich 
hier  ein  Widerspruch,  so  ist  das  Zeugniss  als  ungültig  zu 
betrachten.  Diese  Thatsache  liegt  der  Fragestellung 
„unter  welchem  Baume u  zu  Grunde,  nur  hat  der  Ver- 
fasser des  Buches  Susanna  in  fabelhafter  Weise  übertrieben 
und  lässt  auf  den  Widerspruch  Todesstrafe  erfolgen,  wäh- 
rend ben  Saccai  durch  einen  derartigen  Widerspruch  das 
Zeugniss  nur  für  ungültig,  d.  i.  nicht  ausreichend  zur 
Verurtheilung  des  Angeklagten,  erklärt7). 

Woher  der  gedachte  Vorfall  in  Alexandrien  bekannt 
war,  ist  eine  untergeordnete  Frage:  durch  den  häufigen 
Verkehr  zwischen  Palästina  und  Alexandrien  mochte  die 
Kunde  dieser  erstaunenerregenden  Untersuchung,  die  viel- 
leicht von  einem  Erfolge  —  dem  Widerspruche  der  Zeu- 
gen und  Nichtigkeitserklärung  des  Zeugnisses  —  begleitet 
war,  sich  nach  Alexandrien  verbreitet  haben.  —  Es  ist 
aber  noch  ein  anderes  Moment  hervorzuheben.  Dieser 
ben  Saccai'  ist,  wie  nach  einer  viel  Wahrscheinlichkeit  für 
sich  habenden  Meinung,  Synhedrin  a.a.O.  erklärt  wird,  nicht 


jene  falschen  Propheten  gewesen.  —  Allein  dadurch,  dass  diese  Stelle 
dem  Erzähler  vorschwebte,  erhält  auch  der  höchst  schwierige  V.  5: 
•mal  anedstxdrjaav  8vo  iCQSoßvteQOL  ix  rov  Xaov  iv  töj  iviavtm  |xf£va>, 
nsffl  v  bXa\r](Stv  6  deoitavrig,  ort  £%r)Xd'tv  dvofila  in  Baßvlmvoe  &c  ftpro- 
ßvriqmv  %Qttmv9  vergleiche  Jerem.  das.  V.  22,  Verständniss.  Nur  hat 
der  Erzähler  wie  es  seinem  Zwecke  dienlich,  umgeändert 

7)  Vgl.  Frankel,  Der  gerichtliche  Beweis  8.  199.  —  Die  spätere 
Halacha  erklärt  durch  solchen  Widerspruch ,  da  er  sich  nur  auf  einen 
unwesentlichen,  die  That  nicht  beeinflussenden  Umstand  beziehet,  das 
Zeugniss  nicht  für  ungültig.    Vgl.  Synhedrin  a.  a.  O. 


Ueber  die  Authentie  des  Commentars  zum  Buche  Job.    4 


•*« 


identisch  mit  dem  am  die  Zerstörung  des  Tempels  leben- 
den R.  Jochanan  ben  Saccai',  sondern  ein  von  ihm  ver- 
schiedener früher  lebender  Gelehrter.  Sein  Eigenname 
ist  nicht  genannt,  war  also  in  späterer  Zeit  verschollen: 
eine  Erscheinung,  die  bei  Auswärtigen  nicht  ungewöhnlich. 
So  wird  Tractat  Challa  Ende  berichtet,  >,der  Sohn  des 
Antinous  brachte  Erstlinge  aus  Apamea",  auch  hier  der 
Eigenname  nicht  genannt.  Es  führten  aber  Alexandriner 
den  Namen  Saccai8);  dieser  ben  Saccai  mochte  also  ein 
Alexandriner  sein,  und  daher  war  obiger  Fall  dem  Ver- 
fasser des  Buches  Susanna  bekannt.  —  Ob  dieser  Vorfall 
selbst  sich  vielleicht  in  Alexandrien,  woselbst  ein  Sjn- 
hedrin  bestand  (vergl.  Succa  51  b.,  Ketubot  25  a.)  r  zuge- 
tragen hängt  mit  der  Frage  zusammen,  ob  daselbst 
der  Blutbann  geübt  wurde,  und  hoffen  wir,  hierauf  bei 
einer  anderen  -Gelegenheit  zurückzukommen. 


Ueber  die  Authentie 
des  Commentars  Bachmanfs  zum  Buche  Job. 

Vom  Herausgeber. 


Ein  ausgebreiteter  Commentar  zum  Buche  Job  hat  in  den 
Druckwerken  Nachmani  zum  Autor,  auch  werden  von  manchen 
Autoren  —  wie  R.  Sehern  tob  in  seinem  Buche  HWIlöNn  7,  3  — 
Stellen  aus  diesem  Commentar  mit  der  Angabe  j?"]  j"Dftin  '^©1 
angeführt.  Es  erheben  sich  jedoch  bei  genauerem  Durchlesen 
des  Commentars  Zweifel,  ob  er  in  der  That  Nachmani  angehöre. 
Die  Aufschriften  auf  Druckwerken  sind  wie  bekannt  nicht  mass- 
gebend, und  auch  die  Anführungen  unter  dem  Namen  eines  ge- 
wissen Verfassers  liefern,  selbst  wenn  sie  sich  bei  früheren  Au- 
toren finden,  keinen  genügenden  Beweis,  da  die  Kritik  in  frü- 
herer Zeit  auf  schwachen  Füssen  stand  und  man  sich  auf  die 
Eruirung  des  Inhalts  beschränkend  über  das  sogar  mitunter  we- 


8)  Vgl.  j.  T.   Ketubot  4,  6  Aboda  sarah  2,  9  and  sonst  YOT  "1 


450  Ueber  die  Authentie 

sentlich  formelle,  wie  Autorschaft,  Zeit  des  Verfassers  u.  s.  w. 
wegsah  und  sich  mit  unkritischen  Angaben  begnügte.  Fuhren 
doch  selbst  die  Tosafisten  R.  Salomon  Jizchaki  als  Verfasser 
des  Commentars  zu  Talmudtraktaten  an,  deren  Coininentar  wie 
in  neuerer  Zeit  nachgewiesen  wurde,  nicht  R.  Sal.  Jizchaki  an- 
gehört! —  Die  Feststellung  der  Authentie  eines  Werkes  inuss 
womöglich  aus  dem  Werke  selbst  hervorgehen,  und  hat  der 
namhaft  gemachte  Autor  mehrere  Werke  verfasst,  so  ist  die 
Vergleichung  dieser  Schrift  mit  anderen  diesem  Autor  als  Con- 
sta tirt  angehörenden  Schriften  ein  sicheres  Kriterium.  Wir 
wollen  nun  bei  der  Untersuchung  über  den  Nachmanicommentar 
zu  Job  an  die  Vergleichung  anderer  von  Nachmani  verfasster 
Werke ,  zunächst  an  seinen  Pentateuchcommentar  gehen,  wer- 
den aber  da  dieser  Jobcominentar  selten  *),  vorerst  Manches  über 
Tendenz  und  Weise  derselben  hervorheben. 

Dem  Commentare  gehet  eine  Vorrede  voran,  die  den  Inhalt 
des  Buches  Job  angibt.  Der  Verf.  beginnt:  Der  Glaube  an  die 
Allwissenheit  Gottes  und  die  göttliche  Vorsehung  für  das  Allge- 
meine und  Einzelne  bildet  die  Grundlage  der  mosaischen  Lehre. 
Nur  wenn  der  Glaube  an  die  Allwissenheit  und  Vorsehung  fest- 
stehet, gibt  es  für  uns  Lehre  und  Gebote.  Es  knüpft  sich  ferner 
hieran  der  Glaube  an  Belohnung  und  Bestrafung  sowie  der 
Glaube  an  Prophetie:  Prophetie  selbst  ist  ein  hoher  Akt  der 
Vorsehung  (nßK3  KVI  r^TO  nrUOTI  rttraJTJ).  Es  wird  sich  ihm 
aber  auch  die  Ueberzeugung  von  der  Vorsehung  durch  Wunder 
(nTIDIft  nniRPn)  aufdringen,  da  die  natürliche  (den  Gang  der 
Natur  nicht  unterbrechende)  Vorsehung,  wie  sie  sich  in  der 
Schrift  kundgibt,  ebenso  wunderbar  ist  wie  die  in  Wundern  sich 
manifcstirende  Vorsehung.  Dass  es,  wie  die  Schrift  verheisst, 
wenn  den  Geboten  Gottes  gehorcht  wird,  der  Regen  kommt  zur 
rechten  Zeit  u.  s.  w.  liegt  nicht  weniger  ausser  den  Gesetzen 
der  Natur  wie  der  Durchgang  der  Israeliten  durch  das  Meer 
(vgl.  Nachmani  Commentar  zu  Levit.  26,  8).  —  Es  drängt  sich 
aber  bei  dem  Glauben  an  die  göttliche  Vorsehung  ein  tiefver- 


')  Der  Jobcominentar  des  Nachmani  wnrde  zweimal  gedruckt. 
Zuerst  in  den  Venetianer  H)Wvi  DlNlpD  Bomberg  J.  1517,  dann  in 
demselben  Werke  Amsterdam,  J.  1724—28. 


des  Commentars  Nachmani's  zum  Buche  Job.  451 

wundend  er  schmerzlicher  Zweifel  auf:  so  mancher  Fromme  kämpft 
mit  Leiden  und  Ungemach,  und  gar  mancher  Böse  blühet  in  der 
Freuden  Fülle  rf?  3UD1  Jflm  )b  im  p^TJ),  wie  stimmt  dieses  mit 
einer  göttlichen  Vorsehung?  Dieser  Zweifel  hat  schädliche  Mei- 
nungen wachgerufen.  Einige  geben  zu,  Gott  kenne  alle  Wesen, 
denn  Allwissenheit  ist  eine  Vollkommenheit  und  Gott  ist  der 
Inbegriff  aller  Vollkommenheiten,  der  Mensch  jedoch  ist  zu  ge- 
ringe im  Bedacht  der  Grösse  Gottes,  als  dass  die  Vorsehung 
Gottes  sich  auf  ihn  erstrecke.  Andere  meinen,  Gott  kenne  nicht 
die  anderen  (irdischen)  Wesen  und  daher  sind  sie  dem  Zufalle 
preisgegeben.  —  Auf  diesen  Zweifel  und  diese  Meinungen  haben 
die  Propheten  hingedeutet  und  er  findet  sich  in  ausgeprägten 
Worten  Ps.  73,  woselbst  V.  12  den  triumphireuden  Bösen  und 
V.  14  den  leidenden  Frommen  hervorhebt.  Der  Verf.  bemerkt 
fein,  V.  11  jy^JD  HJTI  EW  i?N  JT  TN  sei  nicht  blosser  Paralle- 
lismus, der  Parallelismus  hat  gewöhnlich  in  der  zweiten  Hälfte 
einen  anderen  Ausdruck  für  das  Verbum  der  ersten  Hälfte  des 
Verses  und  man  wurde  erwarten  n^3  oder  Aehnliches,  vergl. 
Ps.  94,  7.  Der  Sinn  sei  aber,  er  kenne  nicht  die  Zukunft,  noch  habe 
er  Kenntniss  von  der  Gegenwart,  also  wie  jene  zweiteMeinung.  — 
Der  Psalmist  bekennt  V.  16f.  dass  er  keinen  Ausweg  findet,  bis  er 
in  das  Heiligthum  Gottes  kommt  und  gewahrt,  das  Ende  des 
Bösen  seiVernichtung,  das  Ende  des  Frommen  ein  erfreuliches,  dau- 
erndes Verbleiben.  Was  jedoch  unter  diesem  Ende  zu  verstehen  sei, 
fahrt  der  Verf.  fort,  hat  der  Psalmist  in  Ungewissheit  gelassen;  ver- 
meint er  das  irdische  Ende,  so  ist  dagegen  einzuwenden,  es  gibt 
Böse,  die  das  Leben  freudig  in  hohem  Alter  schliessen  und  sich 
von  reicher  Nachkommenschaft  umgeben  sehen,  während  manche 
Frommen  jung  weggerafft  werden  und  freuden-  und  kinderlos 
sterben.  Oder  ist  das  „Ende"  auf  das  Jenseits  zu  beziehen, 
so  verbleibt  die  Frage,  warum  geniesst  der  Fromme  nicht  auch 
die  Freuden  des  Diesseits  und  warum  sind  nicht  auch  die  dies- 
seitigen Freuden  dem  Bösen  versagt? 

Das  Buch  Job  hat  zum  Zwecke,  über  diese  wichtige  Frage 
Aufschluss  zu  geben.  Dieses  hat  nach  einer  Meinung  der  Leh- 
rer Moses  zum  Verfasser,  und  es  wird  diese  Frage  nach  allen 
Richtungen  erörtert.  Welche  eigentliche  Antwort  hierauf  er- 
folgt, ergibt  sich  aus  den  Worten  Elihu's,  es  liegt  hier  ein  tiefes 
Geheimniss(,Tttnn  nrttDÖ  ^TU  TD)  das  nur  den  Eingeweihten  ver- 


452  Ueber  die  Authentie 

ständlich  (vergl.  weiter).  Was  nach  dem  einfachen  Wortsinne 
sich  ergibt,  und,  wie  es  die  Erklärer  auffassen,  vermag  diesen 
Zweifel  nur   aus    dem  Herzen    des  nicht  tiefer  Denkenden    zu 

bannen  (CYETOn  *b  p  pl  HDHÄn  -PDrfc  ip,|CD'1  *6).  Es 
soll  nämlich  den  Frommen  deshalb  Ungemach  treffen,  weil 
auch  der  Frömmste  nicht  schuldenfrei  ist,  und  der  Böse  sich  des 
Wohlergehens  erfreuen,  weil  auch  der  Böse  manches  Gute  ge- 
thanund  er  hierfür  seinen  Lohn  erhalteirmuss,  so  ist  zu  erwidern, 
es  gibt  Böse  und  Gute  auf  die  weder  das  Eine  oder  das  Andere 
treffend ,  in  diesem  Buche  auch  wird  ausdrucklich  gesagt,  dass 
Job  nicht  gesündigt.  Zwar  liegt  der  gedachten  Ansicht  eine 
tiefe  Wahrheit  zu  Grunde  und  es  nehmen  sie  unsere  Lehrer 
als  massgebend  an;  der  Fromme  erleidet  hienieden  Manches, 
dauiit  das,  was  er  vergangen,  gesühnt  werde  und  sein  Lohn  um 
so  vollständiger  im  künftigen  Leben  sei,  und  der  Böse  hat 
Wohlergehen  für  das  Gute,  das  er  gethan  u.  s.  w.  Dieses  reicht 
aber  für  dieses  Buch  nicht  aus,  wo  von  Job  bezeugt  wird,  er 
sei  völlig  schuldlos. 

In  diesem  Buche  kommt  vor  ptf/.'  Dieser  ist  ein  wirklicher 
Engel,  erschaffen,  um  zu  schädigen.  Von  ihm  gehet  das  Schädigende 
wie  Krieg,  Plagen,  Zwiespalt  u.  s.  w.  aus.  Der  Verf.  spricht 
noch  Manches  über  Angelologie  und  scbliesst  mit  den  Worten: 

•to  rmrfc  rvrvöKn  rfapn  "o  -no  pj6  im 

Der  Verf.  gehet  nun  an  die  Erklärung.  Er  sendet  den  Re- 
den Job's  und  seiner  Freunde  stets  eine  Anzeige  des  leitenden 
Gedankens  als  Einleitung  voraus.  Wir  werden  in  Folgendem 
manche  der  wichtigeren  Einleitung  wiedergeben.  Zu  Iv.  3  be- 
merkt er,  Job  drückt  durch  seine  vielen  unverdienten  harten 
Leiden  gedrängt  die  Ansicht  aus,  der  Mensch  stehe  unter  der 
Gewalt  der  Gestirne  und  sein  Schicksal  hänge  von  der  Constel- 
lation  in  der  Stunde  der  Geburt  ab  (zu  vergl.  V.  2),  er  sei 
also  dem  Zufall  unterworfen,  die  Gottheit  sei  zu  gross  um  sich 
um  ihn  zu  kümmern.  So  spricht  er  sich  auch  in  seiner  zweiten 
Rede  K.  7,  18  aus  und  dieses  gehet  auch  aus  der  Widerlegung 
Elifas'  22,  12 ff.  hervor.  Der  Verf.  bemerkt  hier,  in  den  Reden 
Job's  und  den  Widerlegungen  seiner  Freunde  findet  sich  nicht 
das  Tetragramm  sondern  nur  i-Rtf  und  nV^N-  Dieses  HBf  war 
auch  den  Patriarchen  bekannt,  aber  nicht  'n  vgl.  Exod.  6,  3. 
Zwar  sagt  Job  1,  21  f\pb  TT)  |Tti  Tl>  es  heisst  aber   auch  von 


des  Cominentars  NachmanFs  zum  Buche  Job.  453 

Abram  Genes.  12,  8  71  CEO  tflp^-  So  sagt  auch  Job  tf?  ^ 
PNI  fiPEW  71  T  ^D  ni>X  ^22  JH*  12,  9,  aber  in  derselben  Rede. 
Yüm  iw  !?N  HDim  *a-|N  *W  SN  'ON  C^N  (13,  2).  Job  und  seine 
Freunde  haben  nämlich  die  eigentliche  Bedeutung  des  Tetra- 
gramm, Gott  die  Gesetze  der  Natur  aufhebend,  nicht  gekannt. 
—  Der  Verf.  schliesst  p^  cmaK  b«  «"INI  plDD  pnfcn  'S  fem 
HT  ]JT  'DI  VTW  • — Dieselbe  Erklärung  Nachmanicommentar  Gen. 
17,1.  Exod.6,3.  — Den  Inhalt  der  EntgegnnugElifas' bildet  die  Wi- 
derlegung des  von  Job  ausgesprochenen  Gedankens,  dass  nicht 
Gottes  Vorsehung  über  der  Welt  walte,  sondern  sie  unter  dem 
Einflüsse  dcfr  Gestirne  stehe  und  dem  Zufalle  preisgegeben  sei. 
Dieses  widerlegt  Elifas  4,  7 f.  „Gedenke  doch  welcher  Reine 
gehet  zu  Grunde  u.  s.  w.  Hingegen  habe  ich  gesehen,  die  Un- 
heil pflügen  und  Elend  säen,  erndten  es."  Also  nicht  Zufall 
sondern  göttliche  Vorsehung  regiert  die  Welt.  Wenn  also  Job 
Leiden  erfahren,  so  sei  es  seinem  Wohle.  —  Job  ent- 
gegnet (K.  6,  7),  seine  Leiden  seien  zu  gross,  um  sie  als  Läu- 
terung hinzunehmen,  und  es  ist  überhaupt  des  Menschen  Leben 
zu  kurz  und  das  ihn  treffende  Ungemach  zu  gross,  als  dass 
selbst  die  Schuld  der  Bösen  hierfür  eine  Erklärung  abgebe.  — 
Bildad  sagt  (K.  8)  ausdrücklich,  was  Elfais  nur  angedeutet: 
die  Kinder  Job's  haben  gesundigt  und  darum  hat  sie  die  Strafe 
getroffen,  auch  sei  er,  Job,  nicht  sündenfrei.  —  Job  gehet  nun 
allmälig  zu  dem  Einwurfe  über,  dessen  Widerlegung  das  Buch 
gilt:  Warum  der  Fromme  Unglück  erfahre  und  der  Böse  das 
Gegentheil.  —  Es  wiederholen  sich  die  Reden  .und  Wider- 
legungen, bei  deren  fast  jeder  der  Verf..  ein  neues  Moment  her- 
vorzuheben weiss:  wir  können  nicht  auf  Einzelnes  eingehen, 
um  so  wichtiger  ist  aber  wie  der  Verf.  die  Entgegnung  Eli- 
hu's  erklärt.  Diese  muss  wie  das  Buch  Job  zeigt,  Wichtiges 
und  Wahres  enthalten:  Job  entgegnet  ihm  nicht,  scheint  also 
durch  das  von  ihm  Vorgebrachte  befriedigt,  auch  zeigt  der  Um- 
stand, dass  der  Herr  (42,  7  f.)  sich  zürnend  an  die  drei  Freunde 
Job's  wendet  und  ihnen  sagt  sie  haben  nicht  richtig  gesprochen, 
und  dieses  nicht  auch  Elihu  vorwirft,  dass  Elibu's  Widerlegung 
eine  richtige  sei.  Was  sagt  aber  Elihu  mehr  zur  Entgegnung 
Job's  als  die  drei  Freunde,  mit  welchem  neuen  Gedanken  tritt 
er  hervor?  Die  Exegeten  wollen  ihn  in  dem  Hinweis  finden, 
dass  Gott  den  Menschen  im   Traume  warne   und   ihn   von   der 


454  Ueber  die  Authentie 

Sunde  abzuhalten  suche  (33,  14 f.).    Der  Verf.  erklärt  dieses  für 
unbefriedigend,  denn    hierdurch  ist  nicht  die  eigentliche  Klage 
Job's  erledigt,  warum  der  Fromme  leide  u.  s.  w.  —  Darum  ver- 
meint er,  Elihu  deutet  auf  ein  tiefes  Mysterium,  auf  welches  das 
Buch  hinzielt  und  das  die  eigentliche  Lösung  bringt:  Die  Seelen- 
wanderung (der  Fromme  leidet,  und  der  Geist  gehet  dann  gereinigt 
in  einen  anderen  Körper  über  [vgl    Schemtob  a.  a.  O.).    So  hat 
Elihu  die  Erklärung  für  die  Leiden  der  Frommen  gefunden;  für 
das  Wohlergehen  des  Bösen  findet  sich  der  Aufschi uss  in  der 
Antwort  des  Herrn,  die  im  Ganzen  das  bestätigt,  was  Elihu  mit- 
getheilt  (vgl.  den  Commentar  38,  1).  —  Wir  werden  weiter  hier- 
auf zurückkommen  und  heben  noch  folgende  inhaltsreiche  Mei- 
nung des  Verf.  hervor.   Job  hat  an  dem  Glauben  an  die  Seelen- 
welt (niETtf:n   C^J»   gehalten,   so   besagt   es    deutlich    13,   14; 
aber  die  Leiden  hiernieden  sind  ihm  unbegreiflich,  daher  nimmt 
er  an,  der  Körper  ist  zu  gering,  als  dass  Gott  sich  um  ihn  küm- 
mere und  darum  hienieden   keine  Vorsehung.      Vgl.  den  Com 
mentar  13,  14.  14,  3.  22,  1. 

Gehen  wir  zum  Speciellen  über.  Der  Commentar  lehnt  stark 
an  das  Targum  zu  Job  an,  er  citirt  es  häufig  und  erklärt  manche 
sich  in  ihm  findenden  schwierigen  Stellen,  auch  holt  er  aus  ihm 
Belege  für  seine  Erklärungen.  Der  Verf.  zeigt  auch  viele  Be- 
kanntschaft mit  den  Targumim  anderer  Bucher:  er  fuhrt  On- 
kelos  14,  13.  18,  3  und  Jonathan  zu  15,29.  26,  9  und  sonst,  Tar- 
gum Mischle  16, 8  an.  Dieses  erinnert  an  den  Nachmanicommentar 
zum  Pentateuch.  Nachmani  zeigt  daselbst  eine  bewunderns- 
werthe  Bekanntschaft  mit  den  Targumim. 

Von  Commentatoren  führt  der  Verf.  häufig  Raschi  und  Ihn 
Esra  an;  er  verwirft  nicht  selten  ihre  Erklärung  mit  einem 
pD3  1J3Vfl  ganz  wie  der  gedachte  Nachmanicommentar.  —  Der 
Verf.  hat  auch  ungemein  häufig  C^ttHNDn  '^B*  im  Nachmani- 
commentar kommt  dieses  seltener  vor.  —  Namhaft  werden  ausser 
Raschi  und  Ibn  Esra  noch  gemacht:  R.  Saadia  38,  20.  R.  Hai 
4,  15,  Aruch  (vgl.  weiter),  R.  Jehuda  Halevi  38,  21. 

Die  Exegese  ist  durchsichtig  und  hat  in  ihrem  etwas  weit- 
läufigen Stil  Manches  mit  dem  gedachten  Nachmanicommentar 
gemein,  nur  stehet  sie  ihm  an  Flüssigkeit  nach.  Manche  Er- 
klärung erinnert  stark  an  Nachmani.  So  5,  26  rfo  sei  rÖ  &iO 
vgl.  Nachmani  Genes.  30,  20  T37  =  ^3  HT-  —  26, 14  y&ü  bedeutet 


des  Commentars  Nachmani's  zum  Buche  Job.  455 

„wenig"  und  es  wird  Exod.  32,  25  HSM^  erklart  „zur  Verklei- 
nerung'%  und  so  hat  es  Nachmani  das.  — 6;  14  DÖ^  »st  Dlpft  -»öi? 
D£  und  es  wird  hierfür  angeführt  im  i^n ,  nrOWTI  m^HN^ 
Sjy»;  das.  V.  26  Qife  TOinSl  wie  D^fcn;  V.  29  m  '»piU  wie 
HÄÖ  (von  der  daselbst  gedachten  pfop)  so  ^  ^fco  fc£  blP  bl) 
131DE  IM-  Diese  Weise  der  Verwechselung  der  Präpositionen 
tritt  bei  Nachmani  im  Pentateuchcommentar  oft  hervor.  —  Auch 
pi  {pDttfEm  und  HD  mD  ^1  die  bekannten  Redeweisen  Nach- 
mani's hat  der  Commentar  häufig. 

Wir  gedenken  noch  in  kurzen  Worten  mancher  originellen 
Auffassung.  10,  1  ')})  ^WB2  HEpJ  ich  wurde  mich  an  meinem 
Leben  anekeln,  wollte  ich  meine  Klage  auf  (in)  mir  lassen  (sie 
nicht  laut  aussprechen).  —  12,  5  ')})  ))2  TD^  Eine  Flamme  der 
Verachtung  (brennende)  Verachtung  (häufig)  über  den  der  ruhi- 
gen (übermuthigen)  Gedankens.  —  17,  20  *?)$&  ^n  ist  der  Sarg, 
die  Stangen,  Bretter  der  Gruft;  19,  17  ^03  ^ü!?  Enkel.  —  6,  16 
—  22  beziehet  sich  auf  die  Reise  der  Freunde,  den  Weg,  den 
sie  zurückgelegt.  —  Sehr  sonderbar  ist  die  Meinung  42,  10,  dass 
was  zu  Anfang  des  Buches  von  dem  Job  betroffenen  Unglück 
erzählt  wird,  seine  Heerden  seien  geraubt  worden,  seine  Söhne 
und  Töchter  umgekommen  u.  s.  w.  habe  sich  nicht  in  Wirklich- 
keit zugetragen,  sondern  der  )£Itf  hatte  sie  entführt  und  jetzt 
wurden   sie  Job  wieder   zurückgegeben;   dieses  der  Sinn  von 

ai v  niw  n«  nw  m. 

Kehren  wir  nun  zu  dem  Ausgangspunkte  dieses  Aufsatzes 
zurück.  Das  bisher  Gedachte  ist  geeignet,  die  Annahme  der 
Authcntie  des  Commentars  zu  rechtfertigen.  Es  sprechen  sich 
in  der  Einleitung  Ansichten  aus,  die  ganz  dieselben  wie  im  Pen- 
tateuchcommentar, und  wir  gedenken  noch,  dass  die  Einleitung 
auf  C^Vyttf  und  in  Beziehung  zu  WV^  yW  g&nz  in  derselben 
Weise  wie  Nachmani  Le  vi  1. 17, 7  zurückkommt.  Auch  die  Weise  der 
Exegese  scheint  dieselbe  wie  die  Nachmani's.—  Doch  erhebt  sich 
auch  hier  einiges  Bedenken.  Schon  die  hier  häufig  vorkommende 
Benennung  jT^m  DDnm ,  y"2fcO  ist  befremdend :  Nachmani  hat 
durchgehends  nur  N"i  und  nie  y"3JO«  —  K.  24  gibt  der  Verf. 
den  Inhalt  mehrerer  folgender  V.  an  und  sagt  V.  12  n)TI  TD) 
Pin  Wtra,  IWrwp  ^K  pi  'HS\  Qinm,  dieses  ist  nicht  die  Sprach- 
weise Nachmani's.    —    15,  30  sagt   er  CD^Kn  TPN  CDnn   PS3» 


456  Ueber  die  Authentie 

dieses  beziehet  sich  auf  Jesaias  33,  11.  Nachmani  verfahrt  nie 
so  ungenau,  den  Propheten  Jes.  can  zu  benennen. 

Vielleicht  Hesse  sich  Manches,  wie  die  Benennung  y"afcC!» 
auf  Rechnung  des  Abschreibers  bringen,  und  hinsichtlich  der 
Ungenauigkeiten,  deren  in  diesem  Corumentare  ausser  den  ange- 
führten noch  mehrere  im  Gegensatze  zu  dem  genauen  Penta- 
teuchcomroentar  zu  finden,  dürfte  zu  entgegnen  sein,  der  Pen- 
tateuchcommentar  ist  eines  der  letzten,  wenn  nicht  das  letzte 
Werk  Nachmani's,  er  hat  ihn  in  Palästina,  wohin  er  sich  im 
Alter  begab,  verfasst  (vgl.  Perles  Ueber  den  Geist  des  Commen- 
tars  des  R.  Moses  ben  Nachmani  zum  Pentateuch  7.  Jahrgang 
dieser  Monatsschrift  8.  93 f.);  der  Commentar  zu  Job  aber  sei 
eine  Jugendarbeit  und  daher  nicht  mit  ganzer  Genauigkeit  ver- 
fasst. Doch  ist  dieses  nur  ein  schwacher  Nothbehelf:  Nachinani's 
Schrillten,  sowohl  die  früheren  nicht  minder  als  die  späteren 
zeigen  von  ungemeiner  Präcision ;  ferner  wurde  ein  jugendlicher 
Schriftsteller  nicht  auf  angeführte  Erklärungen  Raschids  und  Ihn 
Esra's  kurzweg,  wie  in  diesem  Commentar  häufig  geschiehet, 
fl&OJ  IjW  sagen.  Auch  die  mitunter  durch  Nichts  tnotivirte 
Breite,  ist  der  ganzen  Schreibweise  Nachmani's,  der  allenthalben 
direct  auf  sein  Ziel  losgehet  und  sich  nie  bei  weitschweifigen 
zur  Sache  nicht  gehörenden  Citaten  aufhält,  widersprechend. 
Vgl.  12,  18,  wo  zur  Erklärung  des  *lftp  im  Targum  das.  der  Aruch 
angeführt  und  die  ganze  nicht  hierher  gehörende  Auseinander- 
setzung der  Worte  des  }"at£H  zu  jrO  '"1  Horijot  13  abge- 
schrieben wird.  Nachmani  beschränkt  sich  allenthalben  auf  eine 
kurze  erklärende  Anführung. 

Gehen  wir  nun  zu  Stellen  über,  die  schlagend  darthun,  dass 
dieser  Commentar  nicht  Nachmani  angehört.  Nachmani  räumt 
in  seinem  Pentateuchcommentare  der  Kabbala  Vieles  ein,  aber  er 
spricht  nicht  von  r&ap  ^bjD  gleichsam  einer  Schule;  er  ist 
überhaupt  selbstständig  und  führt  keinen  i?21p&  an,  auch  führt 
er  nicht  die  Kabbala  auf  biblische  Personen  zurück.  Vergleichen 
wir  einige  Stellen  des  Jobcommentars : 

23,  i  ddh  am  ?a  nru  nw  niron  ronwea  pn  mwo  vti 

1D  11D  WT  ^21pfc«    So  schreibt  Nachmani  nicht! 

K.  28  zu  Ende:  pi  OSWÜ  *EO  D^H  CplDDH  t^TTD  HT  rom 

naa-iö  rwna  naT  ^a  nana  rpa^  ttn  ^a  pam  wtb*  rtepn  ^a 
imo*  mich  uöt  picea  nnaun  nonö  n  v  cnöw  rurfsn 


} 


des  Commentars  Nachmani's  zum  Buche  Job.  457 

mdöw  ps-fc  my>  erb  *w  roöb  p*o  'm  nnw  iw  feöw 
*6  aro  rwnw  a"a  rroaK  tod  Dpa  pn  n-flai  D"nn  ran» 
pttsn  ona-im  ttn  trp'OBa'ca-n  rn  Tai  nrrcD  a"i>  erp  ijrr 
r6ap  cw  inra  m  unro  ?wr\  c«  wp  *6  ba«  ftrin^i  manu;'» 

^2p3  NW    So  schreibt  Nachmani  nicht! 

K.  33,  wo  auf  die  oben  erwähnte  Behauptung  zurückgegangen 
wird,  die  Worte  Elihu's  bilden  den  Schwerpunkt  des  Buches, 
denn  sie  lösen  den  Zweifel  durch  die  Lehre  von  der  Seelen- 
wanderung, und  daher  die  Worte  Elihu's  mysteriös  erklärt 
werden,  schliesst  die  Erklärung: 

ynrbs)  wib  rvwn  ~pb  iaan  -non  pani?  penn  dw 
•pvn  "pry  nrinn  pjn  7»  iwa  nw)  pwnn  «ton  ^jn  pirwn 
nnn  rrvrn  mas  nsan  cney  nmn  rforcfc  nrani  rtero 
(bei  Schemtob  w:nm  rrmm)- 

So  schreibt  Nachmani  nicht!  —  Und  als  hätte  er  geahnt, 
dass  einst  die  obige  Erklärung  unter  seinem  Namen  werde  ver- 
breitet werden,  hören  wir  ihn  ausdrucklich  sich  dagegen  ver- 
wahren.   Er   sagt  iflMTl  "BH0   S.  95  (Venedig  1598):    nq  -qji 

-iwd  omo  crom)  pjn  c^d  vran  na-ra  c^ino  «rrf»  na-j 
ma  taa  *fr)  cna  «j»^  t6  imao  «nzni  mjn  nx  nw  n!w  *di 
rramra  rw:n  rowo  w  iian  na-i  mpn  nmoö  -ra  jhö  ipdiw 
com  p  taS  i&fy:ty  mim  nmo»  wn  ba*c-cnn  cnam  nana 
.nbmnn  nai«  ra-ini  ana&a  hdk  |na  ttn-pem  nbap^ 

Also  hat  Nachmani  nicht  diese  Erklärung  K.  33  geschrieben ! 

Es  ist  aber  auch  die  ganze  Anlage  des  Commentars  anti- 
nachmanisch.  Nachmani  will  zunächst  nach  dem  einfachen  Sinn 
—  üttJDH  JD"V  —  erklären  und  beschwört  in  der  Einleitung  zu  sei- 
nem Commentar  zu  Genesis,  dass  wer  nicht  mit  dem  als  ge- 
heimen Sinn  ("HD)  Angedeuteten  durch  Lehrer  vertrauet  ist,  sich 
nicht  darauf  einlasse.  Der  Verf.  des  Jobcommentars  hingegen 
behauptet  in  seiner  Einleitung,  es  gebe  keine  andere  Lösung  der 
Zweifel  Job's  als  die  in  der  Rede  Elihu's  enthaltene  und  nennt 
die  eine  andere  zu  finden  glauben  DTlDHÖ«  Also  keine  andere 
Lösung  als  rfcapn  E"?  un(*  wer  mit  dieser  nicht  vertrauet  ist, 
dein  soll  das  Buch  ferner  ein  Rathsel  bleiben,  für  ihn  hat  der 
Verf.  nicht  geschrieben!  Wie  ganz  anders  Nachmani  im  -)]fttf 
i>*MTl:  er  ze'gt  w*e  erhebend  die  Antwort  Gottes  den  Menschen 
auf  seine  Kurzsichtigkeit  aufmerksam  macht,   und  führt  ferner 

Fnnkel,  Monatc»chrlft.  XVII.  12.  35 


458  Recensionen  and  Anzeigen. 

zur  Lösung  der  Frage,  warum  der  Fromme  hiernieden  leide,  die 
Worte  Maimuni's  More  Th.  3  an. 

Der  Commentar  zu  Job  ist  Nachmani  von  einem  Kabbalisten 
untergeschoben.  Er  fühlte  sich  hierzu  ermuthigt,  da  Nachmani's 
Pentateuchcommentar  viele  kabbalistische  Deutungen  hat  und 
Nachmani  diese  Exegese  einführte.  Auch  der  ^Ö3H  ")Jfitf  leistete 
ihm  hierbei  Vorschub.  Nachmani  erklärt  daselbst  den  Inhalt 
der  ersten  Rede  Job's  und  der  ersten  drei  Reden  seiner  Freunde: 
diese  Erklärungen  hat  der  Falsificator  fast  buchstäblich  in  den 
Coinmentar  herüber  genommen,  und  dass  er  den  ^DÜD  WW  ge- 
kannt, beweist  auch  1,  5  wo  er  sagt  iflöJT  pjD  TTWa  ItWO. 
Die  oben  angeführte  Verwahrung  Nachmani's  gegen  eine  offene 
Erklärung  der  Worte  Elihu's  blieb  in  späterer  Zeit,  wo  die  Lehre 
von  der  Seelenwanderung  Gemeingut  der  Kabbalisten  geworden 
war  (Nachmani  selbst  spricht  allenthalben  nur  andeutungsweise 
von  ihr  vgl.  Genes.  38,  8  Deuteron.  25,  6)  unbeachtet,  auch  konnte 
angenommen  werden,  Nachmani  sei  in  dem  (fingirten)  Commen- 
tar  zu  Job  hiervon  zurückgekommen  und  habe  hier  die  Erklä- 
rung gegeben.  —  Wer  der  Falsificator  gewesen  und  wann  er 
gelebt,  ist  unbekannt:  jedenfalls  lebte  er  nicht  vor  R.  Lewi  b. 
Gerson,   der   in   der  Vorrede   zu   seinem  Jobcommentar    sagt: 

d^nd  na  roira  "iiprfc  c«iö!>pn  p  in»  mpnrw  wsd  kt, 
mn  nn  ararc  na  toyan  rh)i  loon  nn  nv«  oy  ipbru  nw« 

miÖH  un(i  der  Pseudocommentar  hat  doch  fast  bei  jeder  füjjfc 
die  Untersuchung  über  den  Inhalt! 


Recensionen  and  Anzeigen. 


Die  Novellen  des  R.  Jomtob  b.  Abraham  zum  Traktat 
Nidda  (HT3  bv  K"3önn  WVX\  1DD)  und  desselben  Buch 
des   Gedächtnisses   fyg  yforb    3rü  TOK  [TDin  1DD 

minn  vm»  b")  famn  nwna  ^t  Caövi),  zum  ersten 

Male  herausgegeben  von  J«  Halb  er  stamm  und  mit  zwei 
Vorreden  und  Anmerkungen  versehen  von  dessen  Sohne 
S.  Halberstamm.     Wien  1868. 

Herr   S.   Halberstamm   in  Bielitz   gehört  zu  jenen   seltenen 
Männern,  welche,  ohne  durch  ein  Amt  dazu  verpflichtet  zu  sein, 


1 


Recensionen  und  Anzeigen.  459 

für  das  Judenthum  und  insbesondere  für  seine  Wissenschaft 
mehr  tbun,  als  Viele  von  Denjenigen,  welche  von  Amtswegen 
dafür  zu  sorgen  haben.  Herr  Halbers  tarn  in  ist  weder  Rabbi- 
ner, noch  Prediger;  er  ist  auch  unseres  Wissens  nicht  einmal 
Gemeindevorsteher,  und  wenn  er  es  ist,  so  findet  er  sich 
jedenfalls  mit  seinen  Verpflichtungen  gegen  das  Judenthum 
nicht  durch  Wühlereien  in  Rabbinerwahl-,  Synagogenbau-  und 
Cultusreformsachen  ab,  worauf  jetzt  in  den  meisten  Gemeinden 
(vergL  „Die  Metropole  der  Intelligenz"  in  Preussen)  alles 
jüdische  Interesse  Derer,  die  nicht  ,,vom  Fache"  sind  —  vom 
Vorsteher  bis  zum  Wähler  dritter  Klasse  —  sich  beschrankt. 
Herr  Halberstamm  opfert  vielmehr  in  besserer  Erkenntniss 
dessen,  was  ein  gut  situirter  Privatmann  heute  für  das  Juden- 
thum thun  kann,  Zeit  und  Geld  der  Erwerbung  litterarischer 
Schatze,  der  Drucklegung  von  werth vollen  Handschriften  und 
der  Veröffentlichung  von  selbstständigen  Arbeiten,  welche  von 
gründlicher  Kenntniss  der  jüdischen  Litteratur  Zeugniss  geben. 
Herr  H.  hat  bereits  durch  diese  seine  Tiiätigkeit  die  Männer 
der  Wissenschaft  sich  zu  Danke  verpflichtet,  wessen  selbst 
Grätz  (s.  dessen  Geschichte  X.,  Note  3  u.  6)  kein  Hehl  hat, 
Uns  aber  gereicht  es  zur  Freude,  der  überdies  so  geräusch- 
losen und  bescheidenen  Thätigkeit  des  Herrn  Halberstamm 
einmal  nach  Verdienst  auch  an  dieser  Stelle  erwähnen  zu 
können.  —  Was  nun  die  oben  angezeigten  Sachen  betrifft,  so 
sind  dieselben  zwar  durch  den  Vater  des  Herrn  S.  Halber- 
stamm, einen  gleichfalls  gelehrten  Mann,  zum  Drucke  befördert, 
jedoch  wurden  die  Handschriften  von  dem  Letztgenannten  an- 
gekauft und  bat  dieser  auch  beide  Werke  mit  sehr  belehren- 
den Einleitungen  versehen.  Aus  den  in  denselben  enthaltenen 
Mittheilungen  erwähnen  wir  noch  der  Beihülfe,  womit  die 
Herren  S.  G.  Stern  in  Wien  und  Schöngut  in  Bielitz  um 
die  Entzifferung  des  sehr  unleserlichen  Manuscriptes  und  die 
Sicherstelluug  des  Textes  sieb  verdient  gemacht.  Die  mannig- 
fachen von  grosser  Belesenheit  in  der  jüdischen  Litteratur 
zeugenden  Einzelheiten  über  Hitba,  seine  Schriften  u»  s.  w. 
möge  man  in  den  Vorreden  selbst  einsehen.  In  der  zu  deu 
„Novellen"  (die  übrigens  nur  bis  zu  Ende  des  7.  Cap.  dem 
Ritba,  von  da  aber  dem  R.  S.  b.  Adereth  angehören)  führt 
Herr  H.   aus   einer   späteren  Recension   derselben   (nach    einer 

35* 


460  ßecensionen  und  Anzeigen. 

Notiz  Asalai's)  auch  eine  Erklärung  Ritba's  zu  der  schwierigen 
Stelle  Nidda  45b.  an :  bxiV^  C*xh  DNA  yWO)  v'3  1£TO  "TN, 
auf  die  der  Autor  sich  viel  zu  Gute  gethan  zu  haben  scheint 
und  die  auch  Herr  H.  Air  die  annehmbarste  erklärt.  Uns  will 
bedünken,  dass  alle  hislang  aufgestellten  Erklärungen  dieser 
Stellen  —  auch  die  Ritba's  —  denn  doch  zu  sehr  auf  künst- 
lichen Berechnungen  und  Tüfteleien  beruhen,  während  ein 
mnemotechnisches  (und  noch  dazu  ohne  alle  Erklärung  hinge- 
stelltes) „Zeichen"  klar  verständlich  sein  muss,  wenn  es  über- 
haupt Werth  haben  sojl  Sonst  bedürfte  es  ja  für  das  Behalten 
der  Bedeutung  des  ,\ Zeichens"  wiederum  eines  „Zeichens4* 
und  das  wäre  ein  zweiter  Knoten  im  Taschentuch,  der  an 
das  erinnern  soll,  was  der  erste  besagt.  Wir  glauben,  dass 
die  Stelle  sehr  leicht  verstandlich  ist,  wenn  man  nur  annimmt, 
das  „Zeichen"  nicht  sowohl  an  Rab  und  R.  Chanina,  sondern 
an  ihren  Ausspnich  und  zwar  mit  der  Andeutung  erinnern 
soll,    dass    die   Halacha   wie    dieser   Ausspruch    bleibt 

In  der  That  sagt  ja  Raba  das.  46a:  pt  ^D^D  ]27  ^n  Nrc^ 
Es  sind  also  die  Worte  ^&T)E^2  ü^üb  nNTl  an  dieser  Stelle  zo 
fibersetzen:  „Und  dies  C^D^  (nämlich  dass  ^D^D  i£7  "fr 
Jöt)  gilt  in  Israel  (als  Halacha).  Dass  R.  Nachman  b.  J. 
nicht,  wie  sonst  üblich,  sagt:  Die  Halacha  bleibt  u.  s.  w., 
dazu  hat  ihn  eben  die  Freude  an  der  witzigen  Anwendung 
des  Bibelwortes  verleitet.  Aber  die  Sache  stellt  sich  so  nach 
unserer  Meinung  höchst  einfach  und  klar.  (Denn  weder  macht 
die  Stellung  des  Satzes  noch  der  folgende  R.  Nachman,  wel- 
cher nicht  dieser  zu  sein  braucht,  Schwierigkeiten.)  —  Die 
zweite  hier  angezeigte  Schrift  Ritba's  „das  Buch  des  Ge- 
dächtnisses" ist  leider  unvollständig.  Der  etwas  sonderbare 
Titel  (Sefer  hasikkaron)  ist  wohl  aus  Maleachi  3  ,  16  entnom- 
men und  würde  sonach  bedeuten:  „Rechtfertigungsschrift*4,  in 
welcher  des  Rambam  „zum  Guten  gedacht  wird/'  Den  Text 
begleiten  Noten  des  Herrn  Rabbiners  Mortara  in  Mantua 
und  des  Herrn  Herausgebers,  trotzdem  ist  er  noch  sehr 
schwer  lesbar  und  an  manchen  Stellen  geradezu  unver- 
ständlich. Erhebend  ist  es,  die  Grossherzigkeit  zu  sehen,  wo- 
mit Ritha  trotz  seiner  ausgesprochenen  Hinneigung  zu  Ramban 
auch  die  Meinungen  Ramban's  als  mit  der  Religion  vereinbar 
zu    rechtfertigen    sucht.     Ritba   spricht   auch    die    Vermuthung 


Recensiouen  und  Anzeigen.  461 

aus,  dass  Ramban  nur  die  Charisische  Uebersetzung  des  Moreh 
vor  sieb  gehabt  habe,  und  Herr  Halberstamm  bekräftigt  diese 
Vermuthung  durch  zahlreiche  Belege.  Es  wäre  eine  sehr 
lohnende  Aufgabe,  den  Text  des  Moreh,  wie  er  Ramban  vor* 
lag,  überall  durch  Vergleich ungen  der  CharisischeD  und  Tibbo- 
nidischen  Uebersetzung,  soweit  dies  möglich,  festzustellen. 
Denn  zuweilen  finden  sich  offenbare  Unrichtigkeiten  in  den 
Anführungen  Ramban's  aus  dem  Moreh.  S.  z.  B.  zu  Deuteron. 
22,6,  wo  es  statt  der  Worte;  mttfnön  TO  r&WBÖ  WH  »N 
im  Moreh  III.  48  heisst  n&lftil  !"D,  was  auch  dem  arabischen 
rf^DWCbto  n"lpi?«  entspricht.  —  Es  genüge,  die  Aufmerk- 
samkeit der  Freunde  der  jüdischen  Litteratur  auf  die  angezeig- 
ten Schriften  hingelenkt  zu  haben.  Möge  uns  Herr  Halber« 
stamm  bald  wiederum  min  seinen  Arbeiten  erfreuen! 

Rabbiner  Dr.  Gudemann. 


D^pronöi  dvuiö  &i  pro  rviyo  w:ni>  nra&a  cnmn  mw 
.nyBTPBiwyp1«  snt  piwn  rwb  ^nwo  raw«  ptz^i  lay  ptr6i> 

Saadia's  Arabischer  Midrasch  zu  den  zehn  Geboten. 
Herausgegeben,  in's  Hebräische  und  Deutsche  übertragen 
von  Wilhelm  Eisenstädter,  Doctorand  der  Philosophie. 
Wien  1868.  Druck  bei  Jakob  Schlossberg.  Selbst- 
verlag VIII.,  34  S. 

Man  kann  unserer  Zeit  das  Verdienst  nicht  absprechen, 
eine  Menge  alter  Werke,  welche  Jahrhunderte  hindurch  in 
irgend  einem  entlegenen  Winkel  vergraben  lagen,  endlich  an's 
Tageslicht  gezogen  und  ihnen  Eingang  in  die  wissenschaftliche 
Welt  verschafft  zu  haben.  Namentlich  waren  es  jüdische 
Geistesproducte,  welche  aus  ihrem  Verstecke  in  die  Druckereien 
wanderten,  um  den  Gesichtskreis  des  Forschers  mehr  oder 
weniger  zu  erweitern.  Auch  die  uns  vorliegende  Schrift  ge- 
hört zur  Kathegorie  dieser  Werke;  im  Besitze  des  Herrn 
Dr.  J ellin ek  ist  sie  von  Herrn  Eisenstädter  herausgegeben  und 
durch  eine  hebräische  und  deutsche  Uebersetzung  leichter 
zugänglich  gemacht  worden.    Wie  man  aus  dem  Titel  sieht,  trägt 


462  Recensionen  und  Anzeigen. 

diese  in  der  bei  den  Arabern  und  im  Neuhebräischen  so  be- 
liebten Mekamenform  abgefasste  Erläuterung  des  Dekalogs  den 
Namen  des  R.  Saadia  Gaon  und  es  liegt  die  Vermuthung 
nahe,  dass  es  dieselbe  angeblich  Saadianische  Erläuterung  ist, 
welche  nach  Zunz  Ritus  S.  52  am  ersten  Tage  des  Wochen- 
festes in  den  Synagogen  zu  Constantine,  Oran  u.  A.  recitirt 
wird.  Mit  dem  Asharoth  R.  Saad.  zum  Dekalog  hat  sie  nicht 
die  geringste  Aehnlichkeit.  Denn  wahrend  diese  die  613  Miz- 
woth  nur  unter  der  Rubrik  der  einzelnen  10  Gebote  bringen, 
diese  selber  aber  nicht  weiter  entwickeln  und  ausdehnen,  ist 
der  Tafsir  lediglich  nur  eine  Erweiterung  und  Ausspinnung 
jedes  einzelnen  Gebotes,  mit  einer  grossen  Menge  Midraschim 
durchwebt,  für  welche  zum  Theil  der  Herausgeber  die  Quellen 
am  Ende  angibt  Mehr  auf  das  Wesen  des  arabischen  Werk- 
chens einzugehen,  fühlen  wir  uns  um  so  mehr  überhoben, 
als  Herr  E.  selber  zu  unserem  Bedauern  auf  diesen  Punkt 
nicht  eingegangen  ist. 

Es  wäre  nämlich  unumgänglich  nothwendig  gewesen,  dass 
der  Herausgeber  statt  der  beiden  allgemein  gehaltenen  Vor- 
reden eine  wissenschaftliche  Einleitung  der  Schrift  vorange- 
schickt hätte,  in  der  er  sich  über  ihren  Charakter  und  ihre 
Eigentümlichkeit  ausgesprochen,  vor  Allem  aber  untersucht  hätte 
ob  sie  wirklich  dem  Gaon  Saadia  angehöre.  Wir  glaubten  auch  in 
der  That  aus  einem  Satze  in  den  Vorreden  schliessen  zu  dür- 
fen, dass  wenigstens  dieser  letzte  Punkt  noch  in  diesem  Hefte 
eine  Erörterung  finden  werde,  indessen  sahen  wir  uns  in 
unserer  sichern  Erwartung  getäuscht.  Sollte  vielleicht  Herr 
E.  das  von  ihm  selber  Angedeutete  in  einer  späteren  Brochure 
auszufuhren  beabsichtigen?  Nun,  INöl  )b  pÖNC  mSD3  ^WIDn 
Auffallend  ist  auch,  dass  erR.Saadia's  im  0*01(0  *T  TWVQ  fOlp 
abgedruckten  nrDVl  VTWjh  nm»  mit  keiner  Silbe  erwähnt, 
während  er  andere  Schriften  von  Saadia  anführt,  die  gewiss 
weit  weniger  Beziehung  zum  Tafsir  haben.  Sehen  wir  je- 
doch, wie  ihm  die  Besorgung  des  Textes  und  die  Ueber- 
setzungen  gelungen  sind. 

Bedenkt  man,  dass  Herr  E.  dem  Studium  des  Arabischen  erst 
seit  drei  Jahren  obliegt,  so  wird  man  gewiss  von  seinem 
Fleisse  und  seiner  Befähigung  den  besten  Eindruck  empfangen. 
Es  verdient  alle  Anerkennung,  dass  er  einen  durch  und  durch 


Recensionen  und  Anzeigen.  463 

fehlerhaften  und  durch  unwissende  Abschreiher  entstellten  Text 
so  wieder  hergestellt  hat,  dass  man  kaum  beträchtliche  ortho- 
graphische Fehler  in  ihm  findet;  nicht  minder,  dass  er  in  den 
Uebersetzungen  im  Ganzen  den  Sinn  richtig  getroffen  hat.  — 
Jedoch  müssen  wir  etwas  tadeln,  was  gewiss  Herr  £.  hätte 
vermeiden  können,  da  er  des  bei  Weitem  Schwierigeren  Herr 
geworden  ist.  Er  ist  nämlich  in  der  Uebersetzung  zu  willkür- 
lich verfahren;  beide  Uebersetzungen  sind  so  frei,  dass  mit» 
unter  nicht  nur  einzelne  Wörter,  sondern  ganze  Satztheile 
fehlen  oder  erläuternd  hinzugefügt  sind;  stellenweise  sehr 
ungenau,  wenn  auch  dem  Sinne  nach  meistens  richtig)  ja  sogar 
sehr  häufig  empfängt  man  den  Eindruck  einer  Paraphrase, 
nicht  bloss  einer  nicht  wörtlichen  Uebersetzung,  und  wir 
haben  auch  gefunden,  dass  eine  arabische  Stelle  in  beiden 
Uebersetzungen  verschiedenartig  paraphrasirt  ist.  In  der 
hebräischen  Uebersetzung  namentlich  hat  der  Uebersetzer 
meistens  nicht  die  Selbstüberwindung  gehabt,  eine  sinnver- 
wandte biblische  Redensart  einer  getreueren  Ueb ertragung 
zum  Opfer  zu  bringen.  In  welcher  Gestalt  wäre  aber  der 
Moreh  auf  uns  gekommen,  wenn  der  Tibbomde,  statt  sich  mög- 
lichst streng  an  das  Wort  zu  halten,  nach  biblischen  Phrasen, 
die  oft  nur  in  einem  Worte  übereinstimmen,  gesucht  hätte!  — 

Wenn  wir  auch  wenig  Gewicht  legen  auf  Auslassungen, 
Einschaltungen  und  Ungenauigkeiten  bei  einzelnen  Worten, 
wovon  wir  schon  auf  der  ersten  Seite  genug  Beispiele  an« 
fuhren  können,  wie  „Thiere  des  Waldes  sammt  Vieh  der 
Triften"  statt  „Vieh  und  Wild,  CÖÖTl  ^12W  als  Uebersetzung 
von  „sieben  Himmel",  „Wesenheit  der  Gotteslehre44  als  un- 
richtige Uebersetzung  von  KJTPrnn  (das  im  Hebräischen  richtig 
mit  ni&DtO  übersetzt  ist)  endlich  ein  hinzugefügtes  pTHO?  IV 
und  selbst  die  der  Präcision  entbehrende  hebräische  Ueber- 
tragung  des  Titels,  —  so  gehören  gewiss  nicht  zu  dem,  „was 
leicht  zu  erklären  und  noch  leichter  zu  entschuldigen  ist"  Ab- 
weichungen von  der  wörtlichen  Uebersetzung,  wie  die  folgende 
S.  1  rVTVTD  mtDJflD  n"nn~-n  (die  Verbreitung  lieblichen 
Duftes)  hebräisch  unübersetzt,  S.  8  coin  $b)  "Jiy  JTD  p1  üb) 
in  beiden  Ueb  ertragungen  unübersetzt,  S,  9  "INDp  ")l)BJJfc!?N  "flini 
deutsch  richtig:  sie  macht  die  Wohnung  Öde,  hebräisch:  *pwnm 
VPT)  HK  v    S.    16   Ein  Beispiel   von   zu  freier  Uebertragung, 


464  Monatschronik. 

Ungenauigkeit  und  Paraphrase  zugleich,     rrJOTliwi  "OP  •pJFOT 

.Dnrvwr.v  ybv  fepni  cr.^j?  ^mtctf  mn  tfr, 

Wörtlich :  Verkaufen  sie  (die  Eltern)  dich  aus  Noth,  so 
lege  nicht  dein  Zeugniss  gegen  sie  ab  und  nimm  ihr  Zeug- 
niss  gegen  dich  an.  Der  Herr  £.  übersetzt  das  deutsch:  Zwingt 
sie  die  Noth,  sich  deiner  zu  entäussern,  so  tritt  weder  als  Zeuge. 
noch   als  Klager  (?)  gegen  sie  auf.     Hebräisch:    *i2]P  y-}  vytft 

*)X)  ij£  Dia  Dipn  bx  boom  twn  nna  erb  "w  nyb  ynaen 

Diese  wenigen  Beispiele  werden  wohl  darthun,  wie  wün- 
schenswerth  es  gewesen  wäre,  dass  Herr  E.  sich  einer 
wissenschaftlichen  Akribie  und  Gründlichkeit  befleissigt  hätte, 
damit  das  Hefteben  ebenso  nach  der  wissenschaftlichen  Seite 
hin  hatte  befriedigen  können,  wie  es  den  Fleiss  und  das  eif- 
rige Streben  des  Herausgebers  documentirt.  Gr — n. 


Monatschronik. 


Berlin.  Am  27.  November  in  der  Generaldebatte  über  den 
Etat  des  Justizministeriums  ergriff  der  Abg.  Koscb  das  Wort 
und  forderte  den  Justizminister  auf,  seine  Meinung  über  die 
Anstellungsfähigkeit  der  Juden  im  Justizfache  zu  äussern.  Der 
Minister  antwortete  hierauf,  er  habe  sich  mit  dieser  Frage  noch 
nicht  eingehender  beschäftigt  und  sie  noch  nicht  nach  den 
preussischen  Landesgesetzen  studirt.  Dagegen  sei  ihm  die  Frage 
in  Betreff  des  Judeneides  näher  getreten.  Als  jedoch  diese  An- 
gelegenheit in  der  letzten  Session  des  norddeutschen  Reichs- 
tages zur  Verhandlung  gekommen  sei,  habe  er  geglaubt,  sie  sei 
hiermit  dem  Ressort  des  preussischen  Justizministeriums  ent- 
rückt worden.  Die  Fortschrittspartei  hat  darauf  einen  von 
Dr.  Kosch  ihr  vorgelegten  Antrag  unterzeichnet,  welcher  alle 
Bestimmungen  aufzuheben  wünscht,  die  hinsichtlich  des  Juden- 
eides eine  Ausnahme  von  der  generellen  die  Eide  betreffenden 
Bestimmung  machen.  Derselbe  Antrag  ist  ganz  gleichlautend 
unter  der  neuen  Aera  von  dem  damaligen  Ministerium  eingebracht 
worden,  aber  nicht  zu  Stande  gekommen. 


Monatschronik.  465 

—  In  der  Specialdebatte  über  den  Etat  des  Cultusministeriums 
ergriff  der  Abg.  Kosch  bei  Titel  „Gymnasien  und  Realschulen" 
wiederum  das  Wort,  um  für  die  Anstellung  jüdischer  Lehrer 
an  höheren  Lehranstalten,  die  Zulassung  judischer  Religions- 
lehrer an  denselben  und  die  Ernennung  jüdischer  Gelehrten  zu 
ordentlichen  Universitätsprofessoren  einzutreten.  In  der  Bera- 
thung  über  den  Cultusetat  ist  die  Anstellung  jüdischer  Lehramts- 
candidaten  überhaupt  von  verschiedenen  Abgeordneten  zur 
Sprache  gebracht  worden.  Es  liegt  dem  Abgeordnetenhause 
auch  eine  Petition  der  Breslauer  Synagogengeineinde  vor,  die 
die  Anstellung  von  Juden  in  den  Ressorts  der  Justiz-  und  Unter- 
richtsverwaltung beansprucht. 

London.  Bei  der  letzten  in  England  vollzogenen  Parlaments- 
wahl sind  sieben  jüdische  Candidaten  gewählt  worden.  Sie  ge- 
hören sämmtlich  der  liberalen  Partei  an. 

Pest.  Die  Wahlen  zum  jüdischen  Congresse  sind  vollzogen 
worden.  Die  liberale  Partei  ist  den  Orthodoxen  gegenüber 
iu  der  Majorität.  Unter  den  Gewählten  befinden  sich  auch  drei 
aus  dem  jüd. -theologischen  Seminar  in  Breslau  hervorgegangene 
Rabbiner,  die  Herren  Dr.  Kohn,  Dr.  Kohut  und  Dr.  Sidon. 

—  Der  Congress  der  ungarischen  Juden  ist  am  14.  Dezember 
im  grossen  Comitatssaale  von  dem  Cultusminister  Eötvös  durch 
eine  Rede  eröffnet  worden. 

Hierauf  nahm  Herr  Leo  Holländer  aus  Eperies  als  Alters- 
präsident den  Vorsitz  ein.  Am  15.  December  constituirten  sich 
die  Sectionen  zur  Wahlprüfung.  Nachdem  eine  genügende  An- 
zahl von  Wahlen  geprüft  worden  waren,  schritt  man  am  16.  De- 
cember zur  Wahl  des  Vorsitzenden.  Der  Candidat  der  Liberalen 
Herr  Dr.  Hirschler  aus  Pest  drang  mit  115  gegen  90  Stimmen 
durch  und  übernahm  den  Vorsitz.  Der  Gegencandidat  der 
Orthodoxen  war  Herr  Leopold  Popper,  der  selbst  der  liberalen 
Partei  angehören  soll.  Zu  Vicepräsidenten  wurden  gewählt  die 
Herren  Popper  und  Wahrmann.  Die  Absendung  einer  Depu- 
tation an  den  König,  welche  vorgeschlagen  worden  war,  unter- 
blieb, da  der  König  Pest  schon  verlassen  hatte.  Es  soll  nun- 
mehr eine  Adresse  an  den  Thron  gerichtet  werden.  Abg.  Roken- 
stein  regte  darauf  die  Emancipation  der  bisher  noch  nicht  eman- 
cipirten  croatisch-slovenischen  Juden  an.    Dieser  Antrag  sowohl 


466  Nachwort. 

wie  der  über  die  Adresse  soll  in  den  nächsten  Tagen  berathen 
werden.  Die  Wahlprüfungen  werden  wohl  noch  längere  Zeit 
aufhalten,  da  auf  beiden  Seiten  viele  Ueberschreitungen  vor- 
gekommen sein  sollen. 


Nachwort. 


Ueberhäufte  Berufsgeschäfte  gestatten  mir  nicht  die 
fernere  Redaction  der  Monatsschrift,  die  nun  in  die  Hände 
des  Herrn  Dr.  H.  Graetz  übergehet  Ich  fühle  mich 
gedrungen  meinen  warmen  Dank  auszusprechen  für  das 
schätzbare  Vertrauen,  das  mir  während  der  zwanzig- 
jährigen Redaction  der  zwei  in  einem  Geiste  geleiteten 
Journale,  dieser  Monatsschrift  und  der  vom  Jahre  1844 
bis  1846  erschienenen  Zeitschrift  für  die  religiösen  Inter- 
essen des  Judenthums,  zu  Theil  geworden.  —  Diesem 
Hefte  ist  eine  Inhaltsanzeige  sämmtlicher  Jahrgänge  der 
beiden  Journale  beigegeben:  sie  soll  das  Nachschlagen 
erleichtern ,  möge  sie  auch  dazu  beitragen  deren  Anden- 
ken läugere  Zeit  zu  erhalten. 

Z.  Frankel. 


Inhaltsanzeige 
sämmtlicher  Jahrgänge  der  Monatsschrift. 


Leitartikel. 

Seite. 
Jahrgang  I. 

Einleitendes.    Vom  Herausgeber 1 

Schutzschrift  des  Jos.  Flavius  gegen  Apion.    Uebersetzt  und 

erläutert  vom  Herausgeber 17.    41.    81.    121 

Bilder   aus    dem  Leben    und   Wirken    der  Rabbinen.     Von 

Dr.  W.  Landau 163.    283.    323 

Ueber   den  Lapidarstil   der  talmudischen  Historik.     Vom 

Herausgeber 203.    403 

(Jeber  manches  Polizeiliche  des  talmudischen  Rechts.    Von 

Demselben 243 

Das  Judenthum  der  Zukunft.    Von  Dr.  B.  Beer 363 

Ueber  die  Bachuzim.    Von  G.  Netter 377 

Galerie   angesehener    für   Glauben    und   Glaubensgenossen 

wirkender  Juden.     Vom  Herausgeber 443 

Die  Wissenschaft  das  einzige  Regenerationsmittel  des  Juden- 
tums.   Von  Dr.  W.  Landau 483 

Galerie  jüdischer  Reisebeschreiber.    Vom  Herausgeber  523.    563 

Jahrgang  II. 

Jahresschau.    Vom  Herausgeber 1 

Die  neuere  jüdische  Literatur  und  ihre  Bedeutung.    Von 

Dr.  B.  Beer 41.    81.    249 

Die  Geschichte  der  Niederlassung  der  Juden  in  Holland  und 

in  den  niederllndischenColonien.  Von  Dr.  Sommerhausen    121 


468  Inhaltsanzeige  sämmtlicber  Jahrgänge  der  Monatsschrift. 

Bilder  aus  dem  Leben  and  Wirken    der  Rabbinen.    Von 

Dr.  W.  Landau 107.  (161) 

Ueber  einen  allgemeinen  Rabbinercongress.    Vom  Herausg.  209 

Zur  Geschichte  der  Juden  in  Pulen.  Von  Hermann  Stern- 
berg  211.    263.    304.  369 

Die    Gemeindeordnung   nach   talmudischem   Rechte.     Vom 

Herausgeber 289.  329 

Die  Diaspora  zur  Zeit  des  zweiten  Tempels.  Von  Demselb.  409.  449 

Jahrgang  III. 

Jahresschau.     Vom  Herausgeber 1 

Die  neu crejüd.  Literatur  u.  ihre  Bedeutung.  Von  Dr.  B.  Beer  15.  249 
Bilder  aus  dem  Leben   und  Wirken    der  Rabbinen.     Von 

Dr.  W.  Landau 45.    81.  130 

Die  Israeliten  von  Langhouat.     Von  B.  B 51.  205 

Das  judisch-theologische  Seminar     Vom  Herausgeber   .    .  125 

Zur  neuesten  jüdischen  Literatur  in  England.  Von  Demselben  169 

Die  gegenwärtige  Lage  der  Juden  in  Palästina.  Von  Demselb.  284 

Die  Eröffnung  des  jud.-theolog.  Seminars.  Von  Demselben  263 

Die  Parallelen  zu  Schiller's  Bürgschaft.    Von  Dr.  M.  Wiener  324 

Seminar-Angelegenheiten 341 

Die  Lehrfreiheit  im  Judenthume.    Von  J.  Wiesner.    .    .    .  365 

Die  Juden  unter  den  ersten  röm.  Kaisern.  Vom  Herausg.  401.  439 

Der  Ghetto  zu  Rom.    Von  W.  Freund 437 

Jahrgang  IV. 

Jahresschau.    Vom  Herausgeber 1 

Rede  bei  der  am  28.  Jan.  1855  stattgehabten  Gedächtniss- 
feier am  jüd.-theol.  Seminar  in  Breslau.  Von  Demselben  45 

Ueber  die  gegenwärtige  Stellung  der  Parteien  im  Judenthume. 

Von  Landrabbiner  S.  Meyer 81 

Rabbi  Meir.    Eine  biograph.  Skizze  von  Dr.  M.  Jogi .     88.  125 

Die  Juden  in  den  Oasengebieten  der  Sahara  von  Tuggurt 

und  Suf  von  M.  Schwarzauer 132 

Zur   Geschichte    der  jüdischen  Religionsgespräcbe.    Vom 

Herausgeber 161.    205.    241.    410.  447 

Zur  Charakteristik  neuerer  Reisebeschreibungen.  Von  D  ems.  250 


Inhaltsanzeige  sämmtlicher  Jahrgänge  der  Monatsschrift.  469 

Seite. 

R.  Jochanan  ben  Napcha.    Von  Dr.  M.  Löwenmayer .   285.  321 
Antonio  Joseph.    Nach    dem   Asmonaean   von   Lara.    Von 

Dr.  M.  Wiener 328 

Syrien  und  die  Beduinen  unter  der  türkischen  Herrschaft  365 

Rede  am  Geburtsfeste  Sr.  Maj.  des  Königs  Friedr.  Wilhelm  IV.  401 

Chanukka  1855 435 

Zur  Geschichte  der  Juden  in  Holland 440 

Jahrgang  V. 

Dies-  und  jenseits  des  Meeres.    Vom  Herausgeber     ...  1 

Das  jüdisch-theologische  Seminar  zu  Breslau 17 

Eine  Proselytenfamilie  aus  dem  vorigen  Jahrhundert.    Von 

Dr.  Lewysohn 37 

Das  Alterthum  überJudenthum  und  Juden.  Vom  Herausgeber  81 

Geschichte  der  Juden  in  Holland 125.  162 

Das  neue  Hospital  zu  Jerusalem 161 

Scenen  aus  dem  J.  1096.    Von  Dr.  Lewysohn 167 

Salomon  Molcho  und  David  Reubeni.    Von  Dr.  Grätz   205.  241 

Die  jüd.  Gelehrsamkeit  und  Literatur  in  den  Niederlanden  285 
Medicinisches  Gutachten  über  eine  jüdische  Ritualie.    Vom 

Herausgeber 299 

Die  hebr.  Inschrift  in  der  Kirche  San  Benito.  Von  Dr.  Grätz  321 

Rabbi  Simon  ben  Jochai.    Von  Dr.  Jogi 365.  401 

Phönizische  Alterthümer.    Vom  Herausgeber 447 

Jahrgang  VI. 

Was  uns  noth  thut.    Vom  Herausgeber 5 

Das  jüdisch-theologische  Seminar  in  Breslau 18 

Simon  der  Gerechte  und  seine  Zeit.    Von  Dr.  H.  Grätz     .  45 
Die   hervorragendsten  Vertreter  der  Akiba'schen   Schule. 

Von  Dr.  M.  JoeU 81.  125 

Bunser  und  die  Mischnalehrer.    Von  Dr.  B.  Beer  ....  161 
Ueber  den  OpferCultus  nach  biblisch -talmudischer  Auffas- 
sung.   Von  Rabbiner  S.  Brann 167.  251 

Zur  Geschichte  der  Juden  in  Danzig    .    .      205.    241.    321.  401 

Die  Niederlande  und  das  holländische  Leben 285 

Don  Pedro  und  sein  Schatzmeister  Samuel  Lewi.    Ein  histo- 
rischer Versuch  von  Dr.  M.  Kayserling 365 

Zur  Geschichte  der  Synagogengemeinde  in  Königsberg.  Von 

Professor  Dr.  Jos.  L.  Saalschütz .  437 


470    Inhaltsanzeige  sammtlicher  Jahrgange  der  Monatsschrift. 

Jahrgang  VII. 

Seite. 

Licht  und  Schatten.    Vom  Heraasgeber 3 

Das  jüdisch-theologische  Seminar  in  Breslau 19 

iur  Geschichte  der  Juden  in  Worms.  Von  Dr.  L.  Levysohn  37.     361 
Ueber  den  Geist   des  Commentars  des  Rabbi  Moses  ben 

Nachinan  zum  Pentateuch.    Von  J.  Perles     .    .    .     81.     117 
Zur  Geschichte  der  Synagogengemeinde  in  Königsberg.  Von 

Prof.  J.  L.  Saalschütz 163.    203.     397 

Die  Geschichte  der  Juden  im  Trier'schen.  Von  Dr.  C.  Hecht     179 
Aristeas.  Ein  Beitrag  zur  Culturgeschichte  der  Juden  Alex- 

andriens  unter  den  Ptolemäern.   Vom  Herausgeber  237.     282 

Schemaja  und  Ahtalion.    Von  Dr.  W.  Landau 317 

Zur  Geschichte  der  Juden  in  Triest,  Görz  und  Gradiska. 

Von  G.  Wolf 368 

Zur  Geschichte  der  Juden  in  Hamburg.  Von  Dr.  M.  Kayserling     408 
Die  portugiesischen  Entdeckungen  und  Eroberungen  in  Be- 
ziehung zu  den  Juden.    Von  Demselben 433 

Jahrgang  VIII. 

Erkennen  und  Vertrauen.    Vom  Herausgeber 3 

Das  jüdisch-theologische  Seminar  zu  Breslau 17 

Zur  Geschichte  der  Juden  in  Mecklenburg.   Von  Dr.  E.  Hecht  45 
Zur  Geschichte  der  Synagogengemeinde  in  Königsberg.  Von 

Prof.  Dr.  J.  L.  Saalschütz 81 

Ueber  das  die  Schätzung  religionsphilosophischer  Systeme 

beeinträchtigende  Vorurtheil,  dass  die  wahre  Philosophie 

voraussetzungslos  ist.    Von  Dr.  M.  Joel 125 

Zur  Geschichte  der  jüd.  Aerzte.  Von  Dr.  M.  Kayserling  161.  330 

Die  Juden  in  Surinam.    Von  demselben 205 

Alexandrinische  Messiashoffnungen    (die  Sybillineo)     Vom 

Herausgeber 241.    285.    321.  359 

Jesuiten  und  Judenkinder.     Von  Dr.  M.  Güdemann    .    .    .  365 

Die  Anfänge  der  neuhebräischen  Poesie.     Von  Dr.  H.  Grätz  401 
Jahresbericht  der  Asiatischen  Gesellschaft  zu  Paris.    Von 

J.  Mohl 437 

Jahrgang  IX. 

Der  Kampf.    Vom  Herausgeber .       3 

Das  jüdisch-theologische  Seminar  in  Breslau 13 


Inhaltsanzeige  sämmtlicher  Jahrgänge  der  Monatsschrift..  471 

Schillers  Sendung  Moses.    Von  Saalschütz 45 

Die  Juden  in  Dortmund.    Von  Dr.  M.  Kayserling  ....  81 

Zur  Qeschichte  der  jüdischen  Aerzte.    Von  demselben  .    .  92 
Juden  und  Jtidenthum  nach   römischer  Anschauung.    Vom 

Herausgeber 125 

Ueber  Princip   und  Gebiet  der  Präsumptionen  nach  talmu- 
discher Lehre.    Von  J.  Freudenthal 161 

Etwas  über  den  Einfluss  der  jüd.  Philosophie  auf  die  christ- 
liche Scholastik.    Von  Dr.  M.  Jo€l 205 

Eleasar  und  Alyaro.    Von  Dr.  M.  Kayserling 241 

Die  Juden  in  Oppenheim.    Von  Demselben 285 

Mosaisches  Recht  u.  Hindurecht.  VomHerausg.  321.  365.  406.  445 

Antonio  Jose  da  Silva.    Von  Dr.  M.  Kayserling 331 

Der  Kosmopolitismus  der  jüdischen  Race 401 

Jahrgang  X. 

Der  Rückblick.    Vom  Herausgeber 1 

Das  jüdisch-theologische  Seminar  zu  Breslau 60 

Die   höchsten  Gewalten   im   biblischen  Staate.    Von  Prof. 

Dr.  Saalschütz 81 

Geschichte  der  Juden  in  der  Residenzstadt  Hannover.    Von 

Dr.  M.  Wiener 121.     161.    241.    281 

'Zur  Geschichte  der  Juden  in  Worms   und  des  deutschen 

Städtewesens.  Von  G.  Wolf.  .  .  .  321.  361.  410.  453 
Zur  Geschichte  der  Juden  in  Marokko  aus  alter  und  neuerer 

Zeit.    Von  Dr.  M.  Kayserling 401 

Gegenwärtiges  Verhältniss  der  Israeliten  in   der  Pfalz  in 

Beziehung  aufCultus  und  Unterricht.  Von  Dr.  Em.  Hecht    441 

Jahrgang  XI. 

Schlaglichter.    Vom  Herausgeber 3 

Dr.  Bernhard  Beer.    Ein  Lebens-  und  Zeitbild.    Von  Dem- 
selben   ...  41.    81.    121.     174.    245.    285.    325.    365.    405 

Entlassung  dreier  zu  Rabbinen  herangebildeter  Hörer  des 
jüdisch-theolog.  Seminars  zu  Breslau.  Von  Demselben    161 

Nachtrag  zur  Geschichte  der  Synagogengemeinde  in  Königs- 
berg.   Von  Prof.  Dr.  Saalschütz 209 

Die  Philosophie  der  Juden.    Von  E.  Saisset 445 


472  Inhaltsanzeige  simmtlicher  Jahrgänge  der  Monatsschrift. 

Jahrgang  XII. 


Begluckungstheorien.    Vom  Herausgeber 3 

Ueber  Tbierqnälerei  nach  den  Grundsätzen  des  Judenthuma. 

Von  Dr.  W.  Landau 41 

Das  judisch-theologische  Seminar  zu  Breslau 55 

Jüdische  Dramen  der  Gegenwart.    Von  A.  B.     ...     81.  121 
Geschichte  der  Juden  in  der  Stadt  und  Diöcese  Speyer. 

Von  Dr.  M.  Wiener 161.    2^5.    297.    417.  454 

Rabbiner  Samson  Wolf  Rosenfeld.    Von  Dr.  J   Klein     .    .  201 

Dr.  Gabriel  Riesser.    Vom  Herausgeber 215 

Der  Prophet  Elia  in  der  Legende.    Von  S.  EL    .    .    .  241.  281 

Zur  Geschichte  der  Juden  Amerika's.    Vom  Herausg.    321.  361 

Die  Karaer  in  Galizien  betreffend.    Von  Dr.  M.  Wiener    .  329 
Zur  Geschichte   der  Juden   in   der  Schweiz.    Von  Dr.  M. 

Kayserling 405.  441 

Jahrgang  XIII. 

Alte  und  neue  Zeit.    Vom  Herausgeber 3 

Die  Belagerung  Hamburgs  (1813 — 1814)  in  ihren  Beziehungen 

zu  den  Israeliten.    Von  Dr.  M.  Kayserling 41 

Geschichte  der  Juden  in  der  Schweiz.    Von  demselben      .  46 

Das  jüdisch-theologische  Seminar  zu  Breslau 51 

Liepmann  Cohen  und  seine  Söhne,  Kammeragenten  zu  Han- 
nover.   Von  Dr.  M.  Wiener 161 

Zur  Geschichte  der  judischen  Aerzte  in  Oesterreich.    Von 

G.  Wolf 194 

Geschichte  der  Juden  in  Posen.    Von  Dr.  J.  Perles    .  281.  321 

361.    41 K  449 

Jahrgang  XIV. 

Religion  und  Humanität.    Vom  Herausgeber 3 

Geschichte  der  Juden  in  der  Schweiz.  Von  Dr.  M.  Kayserling  41 

Das  judisch-theologische  Seminar  zu  Breslau 59 

Geschichte  der  Juden  in  Posen.    Von  Dr.  J.  Perles  81.  121.  165 

205.  256 
Zur  Geschichte   der  Juden  in  Magdeburg.    Von  Dr.  M. 

Güdemann 241.    281.    321.  361 


Inhaltsanzeige  sammtlicher  Jahrgange  der  Monatsschrift.  473 

Seite. 
Rückblick  auf  Zustände  und  Ereignisse  der  Juden  in  Frank- 
reich, Italien,  dem  Orient  und  der  Nordküste  Afrika' s 
während    der  letztvergangenen  Decennieu.    Nach  Mit- 
theilungen des  Herrn  Albert  Cohn 401.    441 

Jahrgang  XV. 
Die  religiöse  Duldung  nach  der  europäischen  Völkertafel. 

Vom  Herausgeber 3.      41 

Das  jüdisch-theologische  Seminar  zu  Breslau 52 

Zur  Geschichte  d.  Juden  in  Barcelona.    Von  Dr.  Kayserling      81 
Rückblick  auf  Zustände  und  Ereignisse  der  Juden  in  Frank- 
reich, Italien  u.  s.  w.    Nach  Mittheilungen  des  Herrn 

Albert  Cohn 201.    241.    281.    321.    361.    401 

Der  Einfluss  des  Judenthums  auf  die  Entstehung  und  Aus- 
bildung des  Islam  nach  den  neuesten  Forschungen  von 
Sprenger  und  Nöldecke.    Von  G 441 

Jahrgang  XVI. 

Thaten  sprechen.    Vom  Herausgeber 1 

Ein  Blick  auf  d.  Juden  inGalizien.  VonDr.J.  Horowitz  41.  81.  125 

Das  jüdisch-theologische  Seminar 54 

Ein   vergessener  Zeitgenosse  Mendelssohn's     Von  Dr.  M. 

Kayserling 161 

Nationalitäten.    Vom  Herausgeber 168 

Zur  Lage  der  Juden  in  Galizien.    Von  G.  Wolf 201 

Der  Balthasar  Isaac  Orobio  de  Castro.    Von  G 221 

Zur  Ethik  des  jüdisch-alexandrinischen  Philosophen  Philo. 

Vom  Herausgeber 241.  281 

Authentische  Aktenstücke  über  die  gegenwärtige  Lage  der 

Juden  in  Serbien 361.    401.  441 

Gedächtnissrede  J.  Mohl's  auf  S.  Munk 453 

Jahrgang  XVII. 

Aphorismen.     Vom  Herausgeber 3 

Emanuel  Osmund  und  Jean  Paul.    Von  Dr.  Kayserling  .    .  41 

Das  jüdisch- theologische  Seminar  zu  Breslau 59 

Mendelssohn-Skizzen.    Von  Dr.  Kayserling 81 

Ueber  die  Abschaffung  der  Todesstrafe  vom  mosaisch -tal- 
mudischen Standpunkt.    Von  Dr.  Vogelstein     ....  87 

Frankel,  Monatsschrift.  XVII.  12  %Q 


474  Inhaltsanzeige  sämmtlicher  Jahrginge  der  Monatsschrift. 

Seite. 
Die  Alliance  Universelle  Israelite  und  die  Jaden  Rumäniens. 

Vom  Herausgeber 121 

Voltaire  und  die  Juden.    Von  Dr.  Grätz 161.  201 

R.  Abraham  b.  Jsaak,  Ab-bet-din  aus  Narbonne.  Ein  literar- 
historischer Versuch.    Von  Dr.  H.  Gross .    .    .    .241.  281 

Drei  Controversisten.    Von  Dr.  M.  Kayserling 321 

kie  Alliance  Israelite  Universelle 361.  401 

Eine  alexandrinische  Liebesgeschichte.    Vom  Herausgeber  440 


Wissenschaftliche  Aufsätze. 

Jahrgang  I. 

Skizzen  zu  einer  Einleitung  in  den  Talmud.  VomHerausg.    36.  70 

Jüdisch-geschichtl.  Studien.  Von  Dr.  H.  Grätz  112.  156.  192.  307 
Ueber  den  Geist  des  Jeruschalmi  (Pseudo-Jonathan.)    Von 

S.  Bar 235 

Exegetische  Bemerkungen  zu  Jerem.49.  3.    Von  S.  Cassel  269 

Einiges  zur  Forschung  über  den  Oniastempel.  Vom  Herausg.  273 
Bemerkungen  über  das  gegenseitige  Verbältniss  der  Beraita 

des  Samuel  und  des  Pirke  de  R.  Elieser.    Von  S.  Sachs  277 
Einiges    zur    Schöpfungstheorie    der    Talmudisten.      Von 

Dr.  Gugenheimer 477 

Die  talmud.  Chronologie  und  Topographie.  Von  Dr.  H.  Grätz  509 

Zur  Texteskritik  des  Talmud.    Vom  Herausgeber ....  553 
Die  vier  ins  Paradies  eingedrungenen  Mischnalehrer.    Von 

Dr.  Kämpf 555 

Die  Söhne  Bethera.    Von  Dr.  Fürst 559 

Ueber  das  Anchialum  des  Martial.    Vom  Herausgeber  .    •  562 
Die  absetzbaren  Hohepriester  während  des  zweiten  Tem- 
pels.   Von  Dr.  H.  Grätz 585 

Jahrgang  IL 
Die  Essäer  nach  talmudischen  Quellen.    Vom  Herausg.  30.      61 
Die  talmudische  Topographie.    Von  Dr.  H.  Grätz  106.  145.    190 
Genealogisches  und  Chronologisches  bezüglich  der  Patri- 
archen a.  d.  Hillel'schen  Hause.    Von  Dr.  J.  Kämpf  201.    231 
Die  verschiedenen  Ausgaben  des  Tisohbi  von  Elias  Levita. 
Von  Dr.  Wiener 278 


Inhaltsanzeige  sämmtlicher  Jahrgange  der  Monateschrift.  475 

Seite. 
Die  Lissaboner  Ausgabe  des  Pentateuch  -  Commentars  von 

Nachmani.    Von  Dr.  Wiener 280 

Das  Neuhebräische,  in  Beziehung  zu  dem  Neugriechischen. 

Von  Dr.  Wiener 317 

Zur    Kritik    der  Mischna   Edujot  1.  3.  4.  5.  und  6.    Von 

M.  Schwarzauer .    320 

Sprachliche  Bemerkungen  zu  dem  Erech  Miliin  von  Rappo- 

port.    Von  Dr.  J.  Klein 325 

Geist    der    palästinensischen    und    babylonischen   Hagada 

(Mechilta).    Vom  Herausgeher 388 

Zur  Geschichte  des  hebräischen  Elementarunterrichtes.  — 

Targum  Rabbati  und  Midrasch  Rabbati  zu  Esther.  — 

Zur  Geschichte  der  Juden  in  Spanien.  —  Ein  Cultur- 

gemälde  a.  d.  Anfang  des  18.  Jahrb.  Von  Ad.  Jellinek  429 
Fälschungen  im  Texte  der  LXX.  von  christlicher  Hand  zu 

dogmatischen  Zwecken.    Von  Dr.  H.  Grätz 432 

Jahrgang  III. 

Genealogisches  und  Chronologisches.    Von  Dr.  J.  Kämpf  39.      98 

Studien  und  Kritiken.    Von  Dr.  Carmoly 59 

Geist   der    palästinens.  und    babylon.   Hagada  (Mechilta). 

Vom  Herausgeber 149.     191.    387.    453 

Chronologische  Ansetzung  der  Schriftgelehrten  von  Anti- 

gonus  aus  Socho  bis  aufR.  Akiba.  Von  L.  Herzfeld  221.  273 
Der  Raschi-Commentar  zu  Moed-Katan.    Von  J.  Reifmann    229 

Quellen  des  Aruch.    Von  demselben 232 

flagadische  Elemente   bei  den  Kirchenvätern.    Von  Dr.  H. 

Grätz 311.    352.    381.    428 

Ueber  den  Verfasser  des  polemischen  Werkes  nö^DH  'D- 

Von  M.  Sänger 320 

Die  Namen  der  pers.  und  babyl.  Feste  im  Talmud.    Von 

D.  Oppenheim 347 

Zusätze  und   Berichtigungen   zu  Rappoports  Erech  Miliin. 

Von  Dr.  M.  Wiener 418.    461 

» 

Jahrgang  IV. 

Das  Paraphrastische   der  arabischen  Uebersetzung  des  R. 

Saadia  Gaon.  Vom  Consist-Oberrabb.  L.  Bodenheimer  23 
Zur  jüd.  Sagengeschichte.    Von  Dr.  B.  Beer 59 

36  • 


476  Inhaltsanzeige  sämmüicher  Jahrgänge  der  Monatsschrift. 

Seite. 
Griechische  Elemente  u.  d.  Aeonenlehre  im  Talmud   Von  D.  L.      66 
Ueber  einige  seltene  Schriften  in  der  Bibliothek  des  Hrn. 

Dr.  Carmoly.    Von  R.  K 104 

Wann  war  die  Eroberung  Jerusalems  durch  Pomp  ejus  und 

wann  die  durch  Herodes?    Von  Dr.  L.  Herzfeld  .    .    .     109 
Erläuterung   der   auf  einigen  mathem.  Sätzen  beruhenden 

Misch  na  Kilaim  5,  5.    Von  Dr.  B.  Zuckermann     .    •    .     146 
Hagadische  Elemente  bei  d.  Kirchenvätern.  Von  Dr.  H.  Grätz     186 
Ein  Erklärungsversuch  des  68.  Psalms.  Von  Dr.  W.  Feilchen- 
feld   193.    224 

Die  Präsidentur  im  Synedrium.  Von  Dr.  J.  Levy  266.  30).  339 
Verschiedene  Theorie  über  das  Wesen  der  Seele  bei  eini- 

gnn  arabisch -jüdischen  Religionsphilosophen.     Von  A. 

Schmiedl       387.    416 

Versuch  einer  Erläuterung  mehrerer  dunklen  Stellen  im  Buche 

Daniel  mit  besonderer  Beziehung  auf  das  11.  Kapitel. 

Von  L.  Skreinka 454 

Jahrgang  V. 

Ein  historisches  Datum  aus  dem  Buche  Sohar.    Von  Dr. 

Zuckermann 27 

Geisteslese  aus  der  Schrift  Bet-Jehuda.    Von  R.  Kirchheim  29 

Die  philosophische  Bedeutung  der  Vierzahl.  Von  A.  Schmiedl  55 

Zur  Geschichte  des  Backochba.    Von  Dr.  Herzfeld    .    .    .  101 

Proben  aus  einer  Zoologie  d.  Talmuds.    Von  Dr.  Lewysohn  !11 

Akabja  ben  Mahalallel.    Von  Dr.  Kämpf 146 

Beitrag  zur  Chronologie.    Von  Dr.  Zuckermann 182 

Ueber  die  Lage  von  Petra.    Von  Dr.  Herzfeld 186 

Der  Commcntar  des  R.  Jos.  Kara  zu  Job.     223.    268.    342.  471 

Das  Buch  der  Jubiläen.    Vom  Herausgeber     ....  311.  380 

Ueber  d.  Alter  des Hillerschen  Kalenders.  Von  D.  Oppenheim  412 
Eine   Gelehrtenfamilie   aus   dem   11.    und   12.  Jahrhundert. 

Von  Dr.  Lewysohn 419 

Jahrgang  VI. 

Die  grosse  Versammlung  (Keneset  ha- gedola),  ihre  Geschicht- 
lichkeit, Zahl,  Bedeutung  u.  Leistung.  VonDr.H. Grätz  31.      61 
Der  Commentar  des  R.  Jos.  Kara  zu  Job  71.  182.  270.  350.    463 


Inhaltsanzeige  sämmtlicher  Jahrgänge  der  Monatsschrift.   477 

Seite. 
Ueber  den  Geist  der  Uebersetzung  des  Jonathan  ben  Usiel 

zum  Pentateuch  und  die  Abfassung  des  in  den  Editionen 

dieser  Uebersetzung  beigedruckten  Targum  Jeruschalmi. 

Von  H.  Seligsohn  und  J.  Traub 97.    138 

Ueber  das  Alter  des  Hillel'schen  Kalenders.    Von  Rabb. 

D.  Oppenheimf. 264.    307 

Zur  Chronologie  d.  gaonäischen  Epoche.  Von  Dr.  H.  Grätz  336.    381 
Einige  kritische  Bemerkungen  zu  den  angeblichen  H^Ö  }'/rin 

des  Saadja  Gaon.    Von  L.  Dukes 345 

Eldad  und  Medad  im  PseudoJonathan.    Von  Dr.  B.  Beer  .    346 
Ibn  Gebirols  (Avicebron's)  Bedeutung  für  die  Geschichte 

der  Philosophie.    Von  Dr.  M.  Joel 386.    420 

Einiges    über  Münchener  hebräische  Handschriften.    Von 

Dr.  B.  Beer 454 

Jüdisch-spanische  Gedichte.    Von  Dr.  M.  Kayserling.    .    .    459 


Jahrgang  VII. 

Ibn  Gebirol's  (Avicebron's)  Bedeutung  für  die  Geschichte 

der  Philosophie.    Von  Dr.  M.  Joe"l 59 

Das  Zusammenwirken  Esra's  und  Nehemia's.     Von  Dr.  M. 

Jastrow 72 

Zum  Leitartikel:  Ueber  den  Geist  des  Commentars  des  R. 

Moses  ben  Nachman  u.  s.  w 113.     145 

Thomas  de  Pinedo.    Von  Dr.  M.  Kayserling 191 

Autorschaft,  Abfassungszeit  und  Composition  der  Helachot 

Gedolot.    Von  Dr.  Grätz 217 

Der  Commentar  des  R.  Joseph  Kara  zu  Job 255.    345 

Ein    exegetischer  Versuch  über  Sprüche  Sal.  Cap   30  und 
Cap.  31,  V.  1—9.    Vom  Rabbiner  Dr.  W.  Feilchenfeid 

in  Düsseldorf 301.    329.    375 

Einiges  über  die  hebräischen  und  aramäischen  Benennungen 
für  „Schule",  Schüler"  und  „Lehrer".   Von  Dr.  L.  Levy- 

sohn  in  Worms 384 

Zum  Tractat  Abot.    Vom  Herausgeber 419 

Einiges  über  d.  Farbenlehre  des  Talmud.  VonDr.L.Levysohn    447 
Jekutiel  und  Joseph  Jbn-Migasch.    Von  Dr.  H.  Grätz    .    .    453 


478  Inhaltsanzeige  sämmtlicher  Jahrgänge  der  Monatsschrift. 

Seite. 
Jahrgang  VIII. 

Ein  weiterer  Beitrag   zur  Auffassung   des  Mekor  Chajim 

von  Gebirol.    Von  Dr.  M  JoSl 24 

Die  mystische  Literatur  in  der  gaonäischen  Epoche.    Von 

Dr.  Grätz 67.    103.  140 

Jehuda  Alcharisi  als  Kritiker.    Von  Leopold  Dukes   .  '213.  266 
Der  philosophische  Gottesbegriff  in  der  arabisch-judischen 

Quellen.    Von  Dr  A   Schmiedl 399.  419 

Ueber  die  Helachot  Gedolot.    Von  J.  J.  Halberstamm    .    .  379 

Analekten.    Zur  Literatur  der   spanisch  -  portugies.   Juden  386 

Jahrgang  IX. 

Die  Anfänge  der  neuhebräischen  Poesie.    Von  Dr.  Grätz  19.  57 

Analekten:  Zur  Literatur  der  spanisch-portug.  Juden  29.  69.  313 

Collectaneen.    Von  Dr.  A.  Schmiedl 98.  305 

Nachträge  über  R.  Moses  ben  Nachman.    Von  Dr.  J.  Perles  175 

Geographische  Skizzen.  Von  Rabb  D.  Oppenheim  195.  226.  426 

Miscellaneen.    Von  Professor  Dr.  J.  Kämpf 217 

Notizen  zu  R.  Levi  ben  Gerson.  Von  Dr.  M.  Joßl ....  223 
Ueber  Prinzip  und  Gebiet  der  Präsumptionen  nach  talmu- 
discher Lehre.  Von  J.  Freudenthal  ....  230.  251.  298 
.Die  jöd.  Hochzeit  in  nachbiblischer  Zeit.  Von  Dr.  J.  Perles  339 
Zum  Mischnacommentar  des  Maimonides.  Vom  Herausgeb.  381 
Ein  Commentar  des  Jeruschalmi.  Von  B.  Zomber ....  421 
Bericht  über  die  Arbeiten  des  Verwaltungsrathes  der  asiat. 

Gesellschaft  während  d.  Jahres  1859  - 1860.  Von  J.  Mohl  454 

Jahrgang  X. 

Zur  hebr.  Sprachkunde  und  Bibelexegese.    Von  Dr.  Grätz  20 

Lewi  ben  Gerson  als  Religionsphilosoph.    Von  Dr.  M.  Joel  41 

93.    137.    297.  333 

Erklärung  des  34.  Gap.  im  Jecheskeel.    Von  Dr.  M.  Jastrow  111 

Ansichten  altgriechischer  Weisen  im  Talmud.   Von  Dr.  Beer  145 
Randbemerkungen   zu   Pinsker's   Likute   Kadmoniot     Von 

Dr.  A   Schmiedl 176 

Beiträge  zu  einer  Einleitung  in  den  Talmud.    Vom  Heraus- 
geber     186.  206.  258 


Inhaltsanzeige  sämmtlicher  Jahrgänge  der  Monatsschrift.  479 

Seite. 
Ueber  den  Verfasser  des  Nischmath  und  das  Alter  d.  Piu- 

tim     Von  J.  Oppenheim 212 

Abgaben,  welche  die  Juden  in  Burgau  zu  bezahlen  hatten. 

Von  G.  Wolf 224 

Die  Leichenfeierlichkeiten  im  nachbiblischen  Judenthume. 

Von  Dr.  J.  Perles 345.    376 

Bericht,  verlesen  bei   der  jährlichen  Sitzung   der  Societe 

Asiatique  den  29.  Juni  1861.    Von  Julius  Mohl ....    463 

Jahrgang  XL 
Lewi  ben  Gerson  (Gersonides)  als  Religionsphilosoph.   Von 

Dr.  M.  Jogi  .    .    , 20.    65.    101 

Ueber  die  Bedeutung  des  Wortes  rQtP  im  Pentateuch.    Von 

Prof.  Dr.  Kämpf 144 

Ueber  den  Aberglauben  in  der  arabisch-jüdischen  Schule. 

Von  Dr,  A.  Scbmiedl 193 

Die  Haftara.    Von  Dr.  Adler 222 

Eine  neue  Erklärung  des  dritten  der  zehn  Gebote.    Von 

Dr.  J.  Klein 266 

Commentar  des  Salomon  Parchon  zu  Jesaia  344.    391«    430.    471 

Jahrgang  XII. 
Ueber  einige  geschichtliche  Beziehungen  des  philonischen 

Systems.    Von  Dr.  Joel 19 

Commentar  des  Salomon  Parchon  zu  Jesaia  61.    108.    149.    269 

» 

Aus  d.  SeferHasichronot  von  Elias Levita.  VonDr.Frensdorff     96 
Was   hat  den  Aristotelismus  in   der  judischen  Religions- 
philosophie des  Mittelalters  so  populär  gemacht?    Von 

Dr.  A.  Schiniedl 130 

Aus  der  Naturphilosophie  der  jüd.  Araber.    Von  demselb.    336 
Horae  semiticae.  Dogmatisches.    Von  Prof.  Dr.  Kämpf  143    377 
Lösung  einer  Gleichung  mit  zwei  Unbekannten  (Diophan- 
tische   Gleichung)  im  Talmud  Erubin  57  b  —  57  a.    Von 
Dr.  Zuckermann 467 

Jahrgang  XIII. 

Mose  Almosinno.    Von  Dr.  Grätz 23.      57 

Die  Neugestaltung  des  Rabbinenwesens  und  deren  Einfluss 
auf  die  talmudische  Wissenschaft  im  Mittelalter.  Von 
Dr.  Gü  de  mann 6a  97.  384.    421 


480  Inhaltsanzeige  sämmtlicher  Jahrgänge  der  Monatsschrift. 

Seite. 
Rabbi  Simon  b.  Gamaliel  II.  nach  seinen  Lebensverhältnissen 

und  seiner  geistigen  Wirksamkeit.    Von  Th.  Bloch  81.  121 
Ueber  den  Ursprung  der  Moldot  und  Tekufot  im  judischen 

Kalender.    Von  Ch.  J.  Slonimski 133 

Zur  Dogmatik  des  Jndenthums.    Von  Dr.  Oppenheim     .    .  144 
Ueber  die  Begriffe  von  Substanz  und  Accidens  in  der  Phi- 
losophie des  jüdischen  Mittelalters     Von  Dr.  Schmiedl  184 
HistorischerUeberblick  über  die  mannigfachen  Codificationen 

des  Halachastoffes.    Von  Dr.  Buchholz 201.  241 

Eine  wiederaufgefundene  Handschrift 217 

Midrasch  des  R.  Schemajah  Schoschanni  z.  Absch.nftnn  224.  259 
Scholien  und  Emendationen  zum  Texte  des  Talmud.    Von 

Dr.  Lebrecht 264 

Die  talmudischen  Maasse.    Von  Dr.  Zuckermann    295.  334.  373 
Ueber  den  frühzeitigen  Gebrauch  der  indischen  Ziffern  bei 

den  Juden.    Von  D.  Oppenheim 231.  462 

Ueber  einige  wesentliche  Religionsbegriffe.  Von  J.  Wahrmann  467 

Jahrgang  XIV. 

Beitrage  zur  hebräischen  Sprachforschung  und  biblischen 
Exegese.    Von  Dr.  J.  J.  Unger 16.    66.     94 

Das  Buch  Jesus  Sirach.    Von  Dr.  J.  Horowitz     .    101.  136.    178 

Die  hebräischen  Traditionen  in  den  Werken  des  Hieronymus. 
Von  Dr.  M.  Rahmer 216.    460 

Zur  Geschichte  der  allegorischen  Schriftausleguug.  Von 
Dr.  Schmiedl 296.    335 

Der  Codex  von  Rasch Ps  und  Raschbam's  Pentateucbcom- 
mentarien  aus  der  Breslauer  Seminarbibliothek.  Von 
Dr.  Max  Landsberg 370.    416 

Jahrgang  XV. 

Beiträge  zur  samaritanischen  Pentateuchübersetzung  und 
Lexicographie.    Von  Dr.  S.  Kohn    15.  58.  109.  217.  239.    268 

Aphorismen  über  die  biblischen  Offenbarungswunder.  Von 
Dr  H.  Hirschfeld 96.    135 

Beiträge  zur  Alexandersage.    Von  Dr.  H.  Vogelstein  .   121.    16* 


Inhaltsanzeige  sämmtlicher  Jahrgange  der  Monatsschrift.  481 

Seite. 

Zu  dem  chaldäischen  Wörterbuche  von  Dr.  J.  Levy.    Von 

Dr.  Perles 148 

Die  Psalmen  120    135  nach  ihrem  Inhalte  und  ihren  histor. 

Beziehungen  beleuchtet.    Von  Dr.  W.  Feilchenfeld  178.    261 

Ueber  den  frühzeitigen  Gebrauch  der  indischen  Ziffern  bei 

den  Juden.    Von  Rabbiner  Dr.  Oppenheim    .    .    .   254.    376 

In  welcher  Religion  ist  das  von  einer  Judin  mit  einem  Christen 
ausserehelich  erzeugte  Kind  zu  erziehen?  und  darf  ein 
jüdischer  Vater  sein  aussereheliches  mit  einer  Christin 
erzeugtes  Kind  legitimiren?  (Ein  Rechtsgutachten.) 
Von  Dr.  C.  Hilse 408 

Beiträge  zur  hebr.  Sprachforschung  u.  biblischen  Exegese. 

Von  Dr   Unger 455 

Jahrgang  XVI. 

Die  jüd.  Religionsphilosophie  über  die  Antropomorphismen 

der  Bibel.     Eine  religionsphilosophische  Studie.    Von 

Rabb.  Dr.  Schmiedl 15.    61.    100 

Ueber  das  „Schächten"  vom  physiologischen  Standpunkte. 

Von  Dir.  Prof.  Dr.  Gerlach 93 

Die  hebräischen  Traditionen  in  den  Werken  des  Hierony- 

mus.    Von  Dr.  M.  Rahmer 103 

Der  Aufstand  in  Palästina  zur  Zeit  des  Gallus.  Vom  Herausg.     143 
Urkunde  zur  Geschichte  der  jüdischen  Provinzialsynoden 

(rWlN  '"1  IN  'i)  in  Polen.    Mitgetheilt  von  Dr.  J.  Perles 

108.  152.  222.  304.    343 
Beiträge  zur  sainaritaniscfctejfj  Pentateuch-Exegese  und  Lexi- 

cographie.    Von  Dr.  S.  Kobn 174.    216.    252 

Bemerkungen    zu   J.  Levy's  chald.  Wörterbuche  über  die 

Targumim.  Heft  III  — VI.  Von  Dr.  J.  Perles  (Fortsetz.).    297 
Beiträge   zur  Geographie    des   Talmud.     Von  Dr.  J.  Joel, 

Rabb.  in  Lauenburg  (Pommern) 330.    375 

Einige  handschriftliche  Briefe  von  Jonathan  Eibenschütz  421.    460 

Jahrgang  XVII. 

Die  Commentarien  des  Ephraem  Syrus  im  Verhältniss  zur 
jüdischen  Exegese.  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der 
Exegese.    Von  Dr.  D.  Gerson 15.    64.    98.    141 


482  Inhaltsaazeige  sämmtlicher  Jahrgänge  der  Monatsschrift. 

Seite. 
Zur  Geschichte  der  Juden  in  Posen.    Von  Dr.  Berliner.    •    174 
Erklärung  zweier  derMischnajot  Edict.  I,  5  u.  6.  Von  Dr.  B.    178 
David  Cohen  de  Lara's  rabbinisches  Lexicon  Kheter  Khe- 
hunnah.    Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  rabbinischen 

Lexicographie     Von  Dr.  J.  Perles 224.    255 

Zur  tahnudischcn  Geographie.    Von  D.  Oppenheim    .    .    •    264 
Wiederherstellung  einer  seit  800  Jahren  im  Aruch  gefälsch- 
ten Stelle.    Von  F.  Lt 295 

Eine  Paraphrase   des   Erasmus   von   Rotterdam.    Von  Dr. 

Freudenthal 307 

Notizen  zur  Geographie  Palästina^.  Von  Dr.  N.  Brüll  336.  373 
Zur  talmudischen  Geographie.  Von  Rabb.  Dr.  Oppenheim  379 
Die  hebräischen  Traditionen  in  den  Commentarien  des  Hie- 

ronymus.    Von  Dr.  M.  Rah  in  er 419 

Ueberdie  Authentie  des  Commentars  Nachmani's  des  Buches 

Job.  Vom  Herausgeber 449 

Notizen  und  Analekten. 

Jahrgang  IL 
Zu  Onkelos  Deuteron.  23,  4.  S.  40.  —  Ueber  den  Verfasser 
des  y\&  C1V  *1HD  S.  78.  —  Bemerkung  zur  Biographie  R.  Samuel 
Hanagid's  das.  —  Namensverstösse  im  Talmud  S.  79-  —  Nach- 
träge zu  der  alten  und  mittlem  Geschichte  der  Juden  in  Holland 
(aus  demMscr.  des  Sommerhausen) S.  157.  -Bemerkungen  zudem 
Aufs.  Simon  ben  Schetach  S.  207.  —  Erklärung  einer  Stelle  des 
R.  S.  b.  Aderet  (Sabbat  105  a)  S.  247.  —  Bemerkungen  zur  Ge- 
schichte der  Niederlassungen  der  Juden  in  Holland  S.  247.  — 
Verschiedene  Lesearten  der  Mischna  des  jerus.  und  bab.  Talen. 
S.  328.  —  Miscelleft  von  M.  Schwarzauer  S.  367,  407,  448,  479.  — 
Neueste  Skizzen  aus  Frankreich  S.  447,  478.  —  Bemerkung  zu 
dem  Werke  Die  Insel  Sardinien  von  Neigebauer  S.  476.  —  Er- 
widerung von  Dr.  B.  Beer  S.  477.  —  Die  Berenicische  Inschrift 
S.  478.  —  Das  Jonasfest  in  Mosul  S.  480. 

Jahrgang  III. 

Die  Juden  in  lernen  S.  42.  —  Bemerkung  zu  Schir  baschirim 
rabba  S.  73.  —  Neueste  Skizzen  aus  Frankreich  und  Italien 
S.  74.  -  Ueber  die  Verhältnisse  der  Juden  in  Damaskus  S.  75. 


Inhaltsanzeige  sämrntlicher  Jahrgänge  der  Monatsschrift.  483 

—  Des  assyrischen  Reiches  ältere  Periode  S.  76.  —  Der  Talmud 
und  die  neuesten  Geographen  S.  77.  —  Die  alten  Gewichte  As- 
syriens und  Bahyloniens  S.  78.  —  Etudes  sur  les  per  es  de  l'Eglise 
par  J.  C.  Charpentier  S.  79.  Einige  auf  jüd.  Wissenschaft  Be- 
zug nehmende  Notizen  S.  118.  —  Aus  einer  Reiseheschreibung 
von  de  Saulcy  S.  119.  —  Nachtrag  zu  dem  Art.  die  Fälschung 
in  dem  Texte  der  LXX.  (Jahrg.  II.  432 ff.)  S.  121.  —  Zur  alten 
Geographie  Bahyloniens  S.  123.  —  Der  Name  Josephs  S.  124.  — 
Petition  der  Israeliten  in  der  Türkei  an  Se.  Maj.  d.  König  Napo- 
leon IIL  S.  164.  —  Stiftungsfeier  der  jüd.  Freischule  in  London 
S.  166.  — -  Zu  dem  Aufs.  Bilder  aus  dem  Leben  und  Wirken  der 
Rabb.  S.  203.  —  Ueber  einen  antiquarischen  Fund  zu  Cöln.  S.  280. 

—  Zur  Mischna-Exegese  S.  281.  —  Der  Ninivehhof  im  Krystall- 
palast  von  Sydenham  S.  433.  —  Bemerk,  z.  d.  Aufs  Hagadische 
Elemente  bei  den  Kirchenvätern  S.  469. 

Jahrgang  IV. 

Neuere  Forschungen  und  Entdeckungen  in  Assyrien.    S.  41. 

—  Die  Bem-Isrel  in  Bombay.    S.  42.  —  Skizzen  aus  Italien.  S.  43. 

—  Die  Etymologie  des  Stadtnamens  Borsippa  S.  79.  —  Zur  Ge- 
schichte der  Lit.  des  Mittelalters.  S.  122.  —  Auszug  aus  Re- 
cherches  sur  la  numismatique  judaique  von  de  Saulcy.    S.  156. 

—  Nekrolog  auf  David  G.  Fischel.  S.  159.  —  Ueber  die  Aus- 
sprache und  Bedeutung  des  Namens  n^BTlE)  S.  197.  —  Bemer- 
kungen Ober  den  Ursprung  der  Opfer  S.  281.  —  Notizen  über 
die  Reise  des  Sir  M.  Montefiore  nach  Paläst.  S.  315.  —  Ueber 
die  Knechtung  der  Isr.  nach  eg.  Monumenten  S.  316.  —  Raw- 
lingson's  Bericht  über  die  von  ihm  entdeckten  Alterthümer.  S.  318. 

—  Alte  Epiloge  S.  358.  —  Eine  merkwürdige  Stelle  im  Koi-bo 
S.  399.  —  Nekrolog  auf  Hirsch  Chajot  S.  466.  —  Nekrolog  auf 
Isaak  Reggio  S.  467. 

Jahrgang  V. 

Samuel  Schlettstadt  S  74.  —  Neue  Art  von  Bekehrungsver- 
suchen. S.  76.  —  Entgegnung  S.  77.  -  Isr.  Frauen  -  Wohlthätig- 
keitsgesellschaft  in  S.  Francisco.  S.  78.  —  Promotion  eines 
Alumnen  am  Coli.  Rabb.  zu  Padua.  S.  79.  —  Ein  zu  Constan- 
tinopel  gegen  die  Juden  gerichteter  Auflaufs.  119.  —  Zur  Erläu- 
terung des  histor.  Datums  im  Buche  Sohar  S.  158.  —  Vom  jüd.- 


484  Inhaltsanzeige  sämmtlicher  Jahrgänge  der  Monatsschrift. 

theol.  Seminar  in  Breslau  S.  198.  —  Noch  ein  Wort  zur  Sohar- 
stelle  Absch.  Balak  S.  235.  —  üeber  py  ptV  S.  240.  -  Ueber 
eine  corrumpirte  Stelle  im  Texte  der  LXX.  S.  282.  —  Erklärung 
8.  319.  —  Die  Baumwollenhöhle  in  Jerusal.  S.  437.  —  Nachtrag 
zu  dem  Aufs.  Ueber  die  Bedeutung  der  Vierzahl  von  Dr.  Schmiedl 
S.  439.  —  Erklärung  der  Fremdwörter  in  den  vier  Schulchan 
Aruch  S.  441.  477. 

Jahrgang  VI. 

Ueber  die  Steingruben  zu  Jerus.  S.  41. —  Hammer-Purgstall's 
Beerdigung,  Gedicht  von  Ludw.  Aug.  Frankl  S.  120.  —  Bemer- 
kung zu  dem  Aufs,  die  Diaspora  etc.  vom  Herausg.  S.  123.  — 
Kritische  Bemerkung  zu  }"£  n"B  nVHy  S.  202.  -  Ueber  das 
Wort  NIED^I  S.  239.  -  Ueber  die  cbaldäischen  Längenmasse 
S.  319.  —  Ueber  ein  Manuscript  des  jerusal.  Talm.  zu  Leyden 
S.  398. 

Jahrgang  VII. 

Zur  Erklärung  der  Mischna  Eruhin  2,  5  S.  34.  —  Ueber  das 
Todesjahr  Samuel  Lewi's  S.  36.  —  Notizen  zum  Leitart.  über 
den  Geist  des  Com.  des  R.  Moses  ben  Nachman  S.  113. —  Ueber 
die  Benennung  Essäer  S.  270  und  272.  —  Geographische  Notizen 
von  Dr.  Tobler  S.  273.  —  Moses  Mendelssohn  S.  279.  —  Zur 
Berichtigung  einer  Aruchstelle  S.  359.  —  Zur  Gesch.  der  jüd. 
Aerzte  (Jac.  de  Castro  Sarmento)  S.  393  -  Notiz  zu  S.  359ff.  S.  432. 
Juden  in  China  S.  462.  —  Trauergedicht  des  R.  Jekutiel  auf  Ibn 
Migasch  S.  466.  —  Nachtrag  zu  dem  Exeg.  Vers,  über  Spr  SaL 
Cap.  30  etc.  S.  467.  —  Zu  §  191  des  C^TOnn  'D  S.  468. 

Jahrgang  VIII. 

Prof.  Dr.  J.  B.  Roths  Reisen  in  Paläst.  S.  32.  78.  —  Die  natur- 
hist.  Hymnen  des  Isak  b.  Gioth  S  118.  —  Das  Wort  pftTD  S.  121. 

—  Das  Wort  tmim  S.  122.  —  Literarische  Miscellen  S.  123  - 
Empfehlungsschreiben  A.  v.  Humboldt's  an  Benjamin  II.  S.  199. 

—  Zum  Traktat  Abot  S.  200.  —  Der  Eid  der  Aerzte  in  dem 
HW1D1  'D  des  miTn  *]DN  S.  201.  —  Ein  Gleichniss  S.  203.  — 
Zur  Geschichte  der  Betrunkenheit  S.  204.  —  Urtheil  und  Mass- 
stab S.  232.  -  Der  Greis  mit  dem  Stabe  S.  238.  —  V>£Ö"U  vh 
S.  239.  —  Ueber  DJDJH  S-  319    -    Anhang  zu  S.  321  ff.,  359.  — 


J 


Inhaltsanzeige  sammtlicher  Jahrgänge  der  Monatsschrift.  485 

Ueber  die  Punktirung  der  Mischnajot  S.  399.  —  Zu  der  Hode- 
getik  in  der  Mischna  vom  Herausg.  S.  399.  •—  Plan  zu  einer  all- 
gemeinen Armenversorgungsanstalt  aus  dem  Jahre  1786  S.  433. 

—  Notiz  zu  Vullers  lex.  pers.  lat.  I.  251  S.  435,  —  Stattstische 
Notiz  über  die  Bevölkerung  Italiens  S.  476. 

Jahrgang  IX. 

Brief  Bossuet's  an  Leibnitz  S.  80.  —  Die  Sekten  der  Sama- 
ritaner  S.  120.  -  Aus  Wien  S.  202.  —  Nekrolog  S.  239.  —  Hrn. 
A.  Cohn's  Reise  nach  Marokko  S.  281.  —  Separat- Votum  von 
H.  Prof.  Dahlmann  über  Zulassung  der  Juden  zum  Lehramt  S.  319. 

—  Drei  Urkunden  aus  dem  Anfange  des  14.  Jahrhunderts  S.  362. 

—  Aus  Modena  S.  396.  —  Aus  Paris  S.  397.  —  Analekten  zur 
Literatur  des  span. -portug.  Juden  (Moses  Raphael  de  Aquila) 
S.  397.  —  Zur  Geschichte  der  Juden  in  Polen  S.  443.  —  Zur 
Geschichte  der  jüdischen  Aerzte  S.  478. 

Jahrgang  X. 

Zur  Geschichte  der  jüd.  Aerzte  (Ezechiel  de  Castro)  S.  38. 

—  Zum  Verstandniss  von  Midraschstellen  S.  75.  —  Zu  Onkelos 
S.  77.  —  Ueber  KTHD  <P*<pri-  HW1D  S.  118.  —  Eine  scheinbar 
babyl.  Beraita.  Eine  saburäische  Beraita  S.  120.  —  Die  Männer 
der  grossen  Versammlung  S.  155.  —  Der  Parallelismus  in  der 
biblischen  Poesie  S.  157.  —  Wie  wird  die  Mathematik  bei  den 
jüd.  Arabern  genannt?  S.  158.  —  Erklärung  Vom  Herausg.  S.  159. 

—  Der  Jadeneid  vor  den  preussischen  Kammern  (aus  der  Bres- 
lauer Zeitung)  vom  Herausgeber  S.  196.  —  Der  reiche  Michael 
S.  239.  —  Duell  eines  Juden.  Der  Würfelzoll  der  Juden.  Her- 
zog Friedrich  v.  Würtemberg.  Theilnahme  der  Juden  bei  Krö- 
nungsfeierlichkeiten. Kleine  Ursachen,  grosse  Wirkung.  Ein 
eigentümlicher  Erwerbszweig.  Ein  jüdisches  Gemeinde-Tanz- 
haus. Die  erste  Judenglocke  S.  274 — 280.  —  Die  Schuster  gegen 
die  Juden  S.  317.  -  Nekrolog  auf  Dr.  Bernhard  Beer  S.  318.  — 
Studentenübermuth  gegen  die  Juden.  Judengroschen.  Der  Ratten- 
pfennig S.  357-359.  —  Kinderraub  S.  360,  399.  —  Zur  Textes- 
kritik der  Mischna  S.  431.  —  Zur  Literatur  der  spanisch-portug. 
Juden  (Salomon  de  Oliveyra)  S.  432.  —  Die  Abstammung  Lele- 
wel's  S   436.  —  Anna  Constanze  von  Cosel  S.  438. 


•f 


486  Inhaltsanzeige  sämmtlicber  Jahrgänge  der  Monatsschrift. 

Jahrgang  XL 
Ein  psendepigraphisches  Sendschreiben,  angeblich  von  Hat 
Gaon  an  Saro.  Nagid  S.  37.  —  Saisset  über  die  Philosophie  der 
Juden  S.  204.  —  Die  Redaktion  der  Mischna  schriftlich  S.  272. 

—  Traditionelle  Erklärung  der  Mischna  und  des  Talmuds  S.  274. 

—  Authentischer  Nachweis  Ober  den  Gebrauch  des  Wortes  *U 
als  Individuum  S.  276.  —  Der  älteste  Gebrauch  des  Wortes 
jyJEl  S.  276.  —  Zu  dem  Raschi  -  Commentare  S.  312.  —  Zur  Ge- 
schichte der  jüd.  Aerzte  (Diego  Joseph)  S.  350.  —  Randbemer- 
kungen zu  dem  Raschi-Commentar  S.  435.  —  D'DCOlp  S.  438. 

Jahrgang  XII. 
Zu  dem  Raschi-Commentar  S.  31.  —  Zum  Mischnatext  S.  71. 

—  Ein  archäologischer  Fund  S.  72.  —  Die  Juden  in  Waldeck- 
Pyrmont  S.  111.  —  Ein  jüdischer  Schütze  S.  111.  —  Auch  eine 
Grabschrift  S.  112.  —  Ueber  die  Meziza  bei  der  Beschneidung 
S.  153.  —  E.  Halevy  S.  155.  —  Zur  Judenfrage  im  Aargaa  S.  177. 

—  Zur  Geschichte  der  Juden  im  Mittelalter  (1476  ff.)  S.  181.  — 
Zur  Geschichte  der  jüdischen  Aerzte  S.  182.  —  Auch  eine  Grab- 
schrift S.  235.  —  Die  Errichtung  der  hebräischen  Druckerei  in 
Thiengen  (Schwaben)  S.  273.  —  Der  Gebrauch  von  Waffen  bei 
den  Juden  im  Mittelalter  S.  277.  —  Zur  Kritik  des  Mischnatextes 
S.  310.  —  Zur  Literatur  der  spanisch  -  portug.  Juden  S.  312.  — 
Die  Emancipation  der  Juden  in  Holstein  S.  347.  —  Nekrolog  auf 
Salomon  Cohen  S.  403.  —  Schreiben  der  Juden  in  Malabar  an 
die  Juden  in  New- York  S.  431.  —  Zur  Geschichte  der  Brunnen- 
vergiftungen S.  484. 

Jahrgang  XIII. 
Ueber  den  Pajtan  Jizchak  ben  Scbemuel  S.  37.  —  Zur  Kritik 
des  Mischnatextes  S.  71. 395.  —  Erklärung  einer  Schriftstelle  S.  72. 

—  Chronologische  Zusammenstellung  der  Baudenkmäler  Jeru- 
salems S.  150.  —  Zu  einer  Schriftstelle  S.  272.  —  Die  Juden  in 
China  S.  274.  —  Zur  Literatur  der  span.  -  portug.  Juden  S.  317. 

—  Zu  Berachot  1, 1  S.  397.  —  Aus  einem  Bericht  über  eine  Reise 
von  Jaffa  nach  Jerusalem  S.  472.  —  Neurologie  S.  115,  272,  407. 

Jahrgang  XIV. 
Zwei  Briefe   aus  Maimonides   Correspondenz  S.  25,  68.  — 
Ueber  die  hebräischen  Inschriften  der  Synagogen  zu  Kefr-Bereim 


Inhaltsanzeige  sämmtlicher  Jahrgänge  der  Monatsschrift.  487 

in  Galiläa  (mit  Inschriften  -  Tafel)  S.  147.  -  Wichtiger  antiqua- 
rischer Fund  in  Jerusalem  S.  200.  —  Die  Authentie  des  Buches 
Esther  S.  263  —  Wissenschaft!.  Reise  des  Herzogs  von  Luynes 
nach  Palästina  S.  306.  -  Die  Disputation  des  Bonastruc  mit  Frai 
Pablo  in  Barcelona  S.  308.  —  Ein  Mortarafall  in  Castilien  S.  349. 

—  Bigamie  noch  im  XIV.  Jahrb.  S.  390  -  Der  Märtyrer  Ansteet 
von  Weissenstein  S.  391.  —  Ueber  das  Wort  HIPEntf  S.  392.  — 
Der  reiche  Michel  S.  425.  —  Lartets'  Untersuchungen  des  todten 
Meeres  S.  426.  —  Ueber  einige  Stellen  des  Bechai  S.  471.  — 
Nekrolog  (Samuel  David  Luzzatto)  S.  438. 

Jahrgang  XV. 
Zur  Geschichte  der  Bibelkritik  in  Frankreich  S.  32.  —  Kri- 
tische Bemerkungen  über  einzelne  schwierige  Talmudstellen  S.  69. 
Zur  talmudischen  Münzkunde  S.  153.  —  Hebräische  Krönungs- 
lieder S.  189.  —  Die  Judenverjagung  aus  Prag  i.  J.  1744  S.  231. 

—  Zur  Bibliographie  der  Makkabäerbücher  S.  232.  —  Die  Mas- 
soretenschule  zu  Tiberias  S.  273.  —  Eine  neue  Entdeckung  zur 
Entzifferung  der  Hieroglyphen  S.  295.  —  Zur  Erläuterung  einer 
auffallenden  Uebersetzung  der  LXX.  S.  394.  —  Einiges  zur  Er- 
klärung der  im  jerusalemischen  Talmud  vorkommenden  grie- 
chischen Wörter  S.  394.  —  Die  jüdischen  Primaten  des  Theodo- 
sianischen  Codex  S.  474. 

Jahrgang  XVI. 

Zur  Charakteristik  der  talmudischen  Rechtspflege  S.  24.  — 

Zur  talmud.  Lexicographie  S.  154.  —  Gutachten  über  die  Frage: 

Ob  es  mit  den  Grundsätzen  der  jüd.  Religion  unverträglich  ist, 

dass  ein  Israelit  am  Sabbath  als  Geschworener  fungire  S.  191. 

—  Das  israelitische  Seminar  zu  Paris  S.  227.  —  Moses  Mendels- 
sohn über  Belohnung  S.  269.  —  Zur  hebr.  -  span.  Bibliographie 
S.  309.  —  Das  Sendschreiben  des  Don  Chasdai  Crescas  noch 
einmal  S.  311.  —  Der  reiche  Michel  und  der  reiche  Moses  S.  387. 

—  Ein  Irrthum  des  R.  Moses  Minz  S.  389.  —  Der  Aufruhr  in 
der  Judenstadt  in  Frankfurt  a.  M.  am  22.  Aug.  1612  S.  430.  — 
Nekrolog  auf  Salomon  Munk  S.  120  und  auf  S.L.  RappoportS.  438. 

Jahrgang  XVII. 
Einiges  zum  Text  der  Uebers.  des  Onkelos  zum  Pentateuch 
S.  33.  —  Curiosum  S.  34.  —  War  Raschi  das  Targum  zu  den